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Fiasko eines EU-„Musterprojektes“

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teils am Gesamtenergieverbrauch („Grünstrom“) bis hin zur Ökologisierung der Einspeistarife im liberalisierten Markt zu erreichen. Noch in „triple-m“, der Zeitschrift der Universität Leoben von 4/2002, wird SESCO darob als „europäisches Musterprojekt“ hochgepriesen. Beginn eines dubiosen Projektverlaufs Es ist als eines der größten Energie-Forschungsprojekte zur nachhaltigen Nutzung mit den ursprünglichen Teilnehmergemeinden Sarntal (Provinz Bozen/Südtirol) und Mallorca konzipiert, die man allesamt zu „EnergieSelbstversorgern“ machen wollte. Die Südtiroler Gemeinde Sarntal schied allerdings im Oktober 2001, kaum in dem Projekt drinnen, schon wieder aus, weil sie die Höhe der Kosten bei geringen EU-Mitteln (26,2 Prozent) nicht tragen konnte und wollte. Schon damals behalf man sich mit einem „Trick“, um das Projekt zu retten, da es nur mit mindestens zwei Ländern als breit angelegtes EU-Projekt funktionieren konnte. So unterschrieb der Sarntaler Bürgermeister formal den SESCO-Vertrag, um postwendend den Austritt zu bestätigen. Zugleich wurde die Gemeinde Stallhofen ins Projekt geholt. Zwei Jahre Projektpartner vorgetäuscht Mallorca und Stallhofen also. Die EU akzeptierte noch die veränderten Projektgrundlagen. Doch im September 2003 scheidet auch Stallhofen in einigem „Unfrieden“ aus dem Projekt aus. „Wir wollen mit der Methode, wie hier die Montanuniversität Leoben mit uns umgegangen ist, nichts mehr zu tun haben. Da denkt man sich, man hat es mit einem Repräsentanten der Montanuni Leoben zu tun, man hat verlässliche Partner und täuscht sich doch gewaltig. Da gab es keinen Informationsfluss, die haben das meiste verschwiegen. Ich sage nur, die EU muss wirklich schauen, mit welchen Menschen sie Vereinbarungen trifft“, sagt ein enttäuschter Stallhofen-Bürgermeister Vinzenz Krobath. Zusätzlicher Zündstoff für des Bürgermeisters Zorn: Obwohl die Gemeinde Stallhofen dem Koordinator Hans Kürzl bereits mit 9. 10.

Stopp und Abbruch des 12 Mio. Euro schweren EU-Forschungs- und Energieprojekts SESCO durch die EU-Kommission in Brüssel. Damit ein schwerer Imageschaden für die Montanuni Leoben, die das Projekt leitet. Nächstes Jahr wollte man fertig sein, aber auch nach vier Jahren sind, wenn überhaupt, nur Baustellen zu besichtigen. 1,7 Mio. Euro EU-Förderung sind bisher geflossen. Hauptverantwortlich für das Fiasko: die Uniforscher Hans Kürzl und Jürgen Wolfbauer. Die Montanuniversität Leoben hat beim SESCOProjekt einigen Erklärungsbedarf. Imageschaden für Montanuni Leoben, in Brüssel unten durcheines „EU-Musterprojektes“Es sollte ein „Musterprojekt“ der Montanuniversität Leoben und der EU werden, ein innovatives EnergietechnikFiasko projekt. Daraus geworden ist ein Irrgarten, in dem Täuschen und Tarnen, vielfache Partner- 2003 jegliche „Vollmacht für wechsel, Gerichtsverfahren, Verhandlungen mit der Kommangelhafte Kommunikation mission widerrufen“ hat und aus des Projektleiters und unvoll- dem Projekt ausgestiegen ist, endete Anlagen ein ungutes ließ Kürzl die EU-Kommission Licht auf den Umgang mit EU- im Glauben, Stallhofen sei sehr Fördermillionen werfen. wohl noch dabei, bis April 2005. Im Dezember 2001 wurde im 5. Warum wird das vorgetäuscht? E U - F o r s c h u n g s p r o g r a m m Auch auf der Homepage des In„Energie, Umwelt und Nachhal- stituts für Technische Ökosystige Entwicklung“ das EU-Projekt SESCO (Sustainable Energy Systems for Communities) mit der Projektnummer NNE52001-310 von der EU-Kommission bewilligt: Gesamtprojektkosten 12.204.789,– Euro. Es läuft unter der Federführung der Montanuniversität Leoben und dem Projektkoordinator Univ.Prof. Dr. Jürgen Wolfbauer von Projektleiter Hans Kürzl: „Es wurde der Abteilung Technische Öko- alles reportet und von der EU gesystemanalyse, als Projektleiter prüft und nie etwas beanstandet.“ fungiert DI Dr. Hans Kürzl, Forscher am gleichen Institut. Es ist temanalyse der Uni Leoben lieein Projekt, das direkt von der gen noch immer die SESCOEU-Kommission verwaltet wird, „Leichen“ „Gemeinde Stalldessen Finanzierung sich aus- hofen“ und die Firma Wagner schließlich aus Geldern der EU (siehe unten) herum. und der beteiligten Unternehmen zusammensetzt. Ziel des Pro- Von Stallhofen jekts: Mit den lokalen Behörden, nach Lieboch … Energieversorgungsunternehmen, Verbrauchern etc. die Opti- Stallhofen ist „draußen“. Man mierung des erneuerbaren An- gründete daraufhin die „Bio-

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Verrohrungssystem der BiogasAnlage in Lieboch – noch eine Baustelle

Die BiodieselAnlage auf Mallorca, allerdings vom ehemaligen Konkurrenten GEN errichtet

energie Stallhofen GmbH & Co KG“, mit der man eine Biogasanlage unabhängig von der Gemeinde im Gemeindegebiet Stallhofen bauen wollte, obwohl die Vertragsgrundlagen durch den Ausstieg gänzlich andere wurden. Als sich allerdings Widerstand der Bevölkerung gegen die Anlage regt und der Partner SFL „wegen der mangelhaften Ausarbeitung des Projekts“ ausscheidet, fällt der Standort Stallhofen komplett weg. Das war im Jänner 2005. Schließlich fand man mit Müh und Not Ersatz. Die Bioenergie Stallhofen kaufte vor drei Monaten in Lieboch, unmittelbar an der Autobahn, eine bestehende Anlage der Firma Atma-Energie, beteiligte deren GF Franz Gödl am Projekt, d.h. bei der Bioenergie Stallhofen, allerdings ohne Beteiligung der Gemeinde. „Es ist weiterhin ein regionales Konzept, nur eben 10 Kilometer vom alten Standort entfernt“, beharrt Hans Kürzl. „Wir rüsten bis Ende des Jahres die bestehende Anlage so weit um, dass man den Biogasbetrieb hochfahren kann“, erklärt Franz Gödl. Es soll Biogas aus kommunalen Abfällen erzeugt werden, die Wärme und Strom liefern sollen. Das Misstrauen, das Hans Kürzl in Stallhofen und bei anderen Partnern gesät hat, machte die neuen Gesellschafter bei der Bioenergie Stallhofen vorsichtig. Franz Gödl, den Hans Kürzl gleich mal aus dem Projekt „rausboxen“ (Gödl) wollte, stellte die Bedingung, dass drei Geschäftsführer mit an Bord sein müssen: Er selbst, Johann Deimbacher und als „Schiedsrichter“ Erich Stummvoll. So wollen sie dem „großen“, oft laut auftretenden Koordinator Kürzl Paroli bieten.

100.000,– Euro „versickert“?

Schließlich habe man ja auch das Minus von 100.000,– Euro aus Stallhofen mitübernommen. 280.000,– Euro an EU-Förderungen, weiß Franz Gödl, wurden für die Bioenergie Stallhofen überwiesen. „Allerdings waren davon für uns nur 180.000,– Euro nachvollziehbar. Belege haben wir nie gesehen.“ 100.000,– Euro also, von denen keiner so recht weiß, wo sie „hingekommen“ sind. „Kürzl hat uns aufgefordert, diese 100.000,– Euro ‚irgendwo’ unterzubringen und sie als Kosten für Konzept und Errichtung zu deklarieren“, sagt Franz Gödl. Wohin diese 100.000,–Euro „versickert“ sind, weiß Franz Gödl nicht. Denn Bilanzen habe er, Gödl, bis jetzt nicht gesehen. In wortreichen, aber wenig informativen Kaskaden versucht Hans Kürzl, nach dem Motto Tarnen und Täuschen, den Verbleib dieses Geldes zu erklären: Da gab es den Stallhofener Gemeinderat und Unternehmer Willibald Wagner als „Promotor“ sowohl des Sarntal- als auch des Stallhofen-Projekts. Ein (nie durchgeführter) Businessplan wurde erstellt, Verträge waren zu errichten und umzuschreiben, Gründungsaufwendungen waren zu tätigen, dafür wurde ein Kredit aufgenommen … Für dies alles wurden, so kann man Kürzl entnehmen, die 100.000.– Euro gutgeschrieben. Machten die erbrachten Leistungen tatsächlich 100.000,–Euro aus? Willibald Wagner: „Wert ist es das, was ein anderer dafür hergibt.“ Sprich die EU. Hans Kürzl erklärt, nach anfänglichen Widerständen, wie viel die EU bisher bezahlt hat: Rund 1,7 Mio. Euro soll demnach die Uni Leoben aus Brüssel bisher erhalten haben. Davon sollen 653.000,– Euro für Forschung reserviert sein. Wenngleich auch der wissenschaftliche Output für dieses Projekt, an dem laut Kürzl 8 Leute mitarbeiten, mehr als dürftig zu sein scheint. Was wurde in diesen vier Jahren tatsächlich gemacht?

„Kürzl soll uns in Brüssel nicht mehr vertreten“

Franz Gödl will vor allem Aufklärung. Sollten mehr Gelder geflossen sein als jetzt bekannt ist, muss dies korrigiert werden, dann sollte das Projekt erfolgreich beendet werden. 3,3 Mio. Euro habe man bis jetzt in das Projekt inklusive Blockheizkraftwerk, Vergärungsanlagen etc. investiert. Von den EUGeldern haben die neuen Betreiber noch keinen Cent gesehen. „Rund 700.000 Euro an EUFördergeld sollten noch kommen. Steigt die EU tatsächlich ganz aus, dann wird es ganz eng, dann müssen wir das anders vorfinanzieren. Was allerdings ist, wenn von der EU Geld zurückgefordert wird, weiß ich nicht. Kürzl soll jedenfalls das Projekt in Brüssel nicht mehr vertreten“, sagt Franz Gödl. Der gehöre kontrolliert und so in die Pflicht genommen, dass er kommuniziert.

„Die Summe von allem“: EU stoppt Projektförderung

Auch beim verbraucherbezogenen Energiemanagementsystem hat man sich bei diesem Projekt ordentlich vertan. War im Ursprungsvertrag zu SESCO noch die Rede, insgesamt 300 solcher Energiemanager bei Verbrauchern einzusetzen, hat man bisher lediglich 13 (!) installiert: 5 in Kärnten (!?), 8 auf Mallorca. Hans Kürzl dazu: „Mehr haben sich nicht als sinnvoll erwiesen.“ Die Vertrauensbasis zum Koordinator ist jedenfalls mehr als gestört. Auch von Seiten der Verantwortlichen der EU-Kommission. Laut einem KLIPP vorliegenden Protokoll einer Besprechung des Projekts vom 10. August 2005 teilt Prof. JeanMarie Bemtgen, der zuständige Beamte in der zuständigen EUDirektion, den Projektpartnern mit, „dass das Projekt so nicht weitergeführt werden kann“. Der Vertrag sei nicht erfüllt, vier Wechsel der Vertragspartner „verändern das Projekt bedeutend und in solcher Art, dass es die Entscheidung über die Vergabe der Förderung in Frage stellt“, so die EU-Kommission. Letztlich sei die „Summe von allem“ die Begründung des Neins der EU. Inzwischen ist aber nicht nur die Reputation des Projektleiters,

sondern auch die der Uni Leoben mehr als in Verruf geraten. Aus der Kommission ist nur mehr zu vernehmen, die Uni Leoben aus dem Spiel zu lassen. Hans Kürzl und auch sein Chef Jürgen Wolfbauer (siehe Kasten) von der Montanuni Leoben spielen den Ball an die EUKommission zurück: „Bei unserem Projekt wurden dauernd die EU-Sachbearbeiter gewechselt, jetzt haben wir den vierten oder fünften Beamten. Ein 2-SeitenBrief bezüglich Änderungen blieb dort ein Jahr liegen“, sagt Kürzl. Seine Arbeit wolle er sich nicht schlecht machen lassen. „In den USA wäre ich der Hero, dort hätten sie gesagt, das hast du klass gemacht. Bei uns fragt man nur: ‚Warum bekommt der Geld?’“, ärgert sich Hans Kürzl.

ENCARIN oder die Verlockung eines Zusatzeinkommens

Einen geschickten – wenngleich missglückten – Versuch, neben seinem Koordinatorhonorar zu zusätzlichen Einnahmen aus dem EU-Projekt SESCO zu kommen, hätten wohl die „Aktivitäten“ von Kürzls Firma „ENCARIN Energy Care and Innovation GmbH“, einer Firma, die es offensichtlich gar nicht gibt, darstellen sollen. Sie sollte laut Vertragsentwurf der ENCARIN mit der Bioenergie Stallhofen (er liegt KLIPP vor) für „die kontinuierliche Betreuung und Schulung eines Projekt-Qualifizierungsmanagements“ etc. 2000,–Euro pro Monat erhalten. Für die Laufzeit von 14 Monaten ab dem 1. 7. 2005 sollten so 28.000,–Euro zusätzlich in Kürzls Kasse fließen. Für Arbeit, die er als Koordinator ohnehin leisten müsste und für die er von der Uni Leoben bezahlt wird. Darauf ließen sich die Partner von der Bioenergie Stallhofen allerdings nicht ein.

Die unfertige Biogas-Anlage Lieboch von außen. Die Pyramiden sind als markantes Kennzeichen gedacht. 100 000 Euro fehlen aus Stallhofen.

Immerhin zwei neue Blockheizkraftwerke wurden in Lieboch eingebaut. Die Betreiber zittern um 700 000 Euro EU-Förderung.

Mallorca: „Falsche Anlage“ gebaut

In Mallorca sind bis zum Juni 2004 von der dortigen SESCOProjektexpertin Beatriz Pino i Roca keine Aktivitäten für die Realisierung der Biodieselanlage bemerkt worden. Hans Kürzl führt die zwischenzeitliche Inaktivität in Mallorca auf einen politischen Führungswechsel zurück. Die neuen Entscheidungsträger mussten erst von dem Projekt überzeugt werden. Inzwischen baute allerdings die balearische Firma GEN eine Biodieselanlage. Zwei Biodieselanlagen auf Mallorca hielt die dortige Politik aber nicht für sinnvoll. Also wurden GEN und SESCO Partner. „Es wurde alles realisiert, aber in kleinerem Rahmen“, sagt Hans Kürzl. Für die EU-Kommission war diese „Rahmenverkleinerung“ allerdings zu viel, vielmehr ein weiterer Grund für den Stopp. So stellt sich die Frage, was SESCO in Mallorca wirklich getan hat. Was wurde geforscht, was von den SESCO-Partnern wirklich gebaut? Ein Projekt des Ruhms ist das bestehende Mallorca-Projekt auch so bei weitem nicht, wie auch Kürzl selbst zugibt. Zwar stehe dort eine Biodieselanlage, die die Umwandlung von Altspeiseöl in Energie wie Wärme und Strom leisten sollte, doch eigentlich wurde dort eine „falsche Anlage“, so Kürzl, gebaut. Sollten gemäß EU-Projekt-Idee dort verschiedene Öle verarbeitet werden können, kann die Anlage tatsächlich nur Öle mit einem Fettsäuregehalt von bis zu vier Prozent verarbeiten. Immerhin habe man für diesen Bereich „die technischen Probleme gemeistert, doch vor Ort noch nicht integriert. In einem halben Jahr werden wir das zur Performance bringen, sodass das läuft“, so Kürzl. Dass man nach vier Jahren noch nicht weiter ist, sei jedoch nicht des Projektleiters – also Kürzls –Schuld: „Die Geldgeber bestimmen, was sie bauen wollen.“ ■ Helmut Bast Univ.-Prof. Dr. Jürgen Wolfbauer ist als Projektkoordinator hauptverantwortlich für das Projekt und stellt sich schützend vor seinen Projektleiter Hans Kürzl.

KLIPP: Warum ist das Projekt von der EU-Kommission gestoppt worden? Prof. Wolfbauer: Wissen Sie, bei einem 12-Mio.-Euro-Projekt gibt es Rempeleien. Da hat jemand interveniert, der in gutem Kontakt zum EU-Abteilungsleiter steht. Dieser hat die subjektiven Befindlichkeiten dieses Herrn, der aus dem Projekt rausgeschmissen wurde und seither alles versucht, um das Projekt umzubringen, wie er wörtlich sagte, wichtiger genommen. KLIPP: Dass viele Dinge schief gelaufen sind, sehen Sie nicht? Prof. Wolfbauer: Es sind viele Dinge passiert. Es war ein Fehler der EU, dass sie geglaubt hat, die Kommunen machen da mit. Dann ist die EU ganz mies bei der Gewährung von Ausnahmen und Änderungen. Die EU hat Vertragsänderungen ein Jahr lang nicht bearbeitet, weil in der EU vier Mal die Betreuer wechselten. Wir haben jedenfalls einen Rekurs gegen die Entscheidung der EU-Kommission erhoben.

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