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Kroatien in der Warteschleife nach Europa

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Kroatien, unser Nachbar, versucht Trainingsrückstand aufzuholen In der Warteschleife nach Europa

Weltmeister und Olympiasieger im Wasserball, im Skilauf, Basketball, Handball, internationale Spitze im Fußball, Handball, Segelsport … Dies beweist, wozu die Kroaten in der Lage sind. Doch in Sachen Politik und Wirtschaft sind sie gegenwärtig froh, überhaupt die erste Qualifikationsrunde für die EU geschafft zu haben. Gut, weil auch die steirische Wirtschaft davon profitieren wird. 2 0 0 9 i s t e s s o w e i t

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Es lauern allerdings noch genügend Fallstricke. Was die Kroaten ärgert: Dass Bulgarien und Rumänien bereits 2007 in die EU kommen sollen. Peter Hasslacher, österreichischer Handelsdelegierter in Zagreb: „Vor 2009 schafft es Kroatien nicht.“ Obwohl die Kroaten die Nachbarländer in der Entwicklung weit hinter sich sehen. Insgesamt stehen die Beitrittschancen für die Übrigen – Serbien, Bosnien, Mazedonien – gut. Denn ein durch Armut und Kriminalität unstabiler Balkan gefährdet die Entwicklung der EU.

Bei der Großveranstaltung „check in! SÜDOSTEUROPA“ der Steiermärkischen in der Grazer Stadthalle vor wenigen Wochen zeigte Stargast Ministerpräsident Ivo Sanader natürlich Zweckoptimismus. Er hat unter anderem auch in Innsbruck studiert und spricht daher perfekt Deutsch: „Kroatien wird ein Modellland in Südosteuropa für die EU.“ Aber in Wahrheit war alles offen, weil die Chefanklägerin des Hager Tribunals De Ponte mehr Kooperation bei der Ergreifung von Kriegsverbrechern forderte. Die Regierung versprach, alles zu tun, doch in der Bevölkerung lehnt man diesen Kniefall ab. K o r r u p t i o n u n d B ü r o k r a t i e

„Wir brauchen ohnehin Zeit“, gewinnt der kroatische Bau- und Mobilienunternehmer Boris Kordic (Hidrocomerce) dem längeren Aufnahmeprozess in die EU auch etwas Positives ab. „Weil die EU-Perspektive ein Motor für Reformen und Wandel sein kann.“ Das Familienunternehmen errichtet derzeit einen Business-Tower in der Vukovarska Straße in der Hauptstadt – ein aufstrebendes Zentrum für Finanzdienstleister, bereits angesiedelt unter anderem Raiffeisen und auch die Erste/Steiermärkische, die den Tower auch mitfinanziert. Kordic hat in Bayern studiert, beherrscht daher Deutsch, kennt auch die Erfordernisse, die Standards der EU und den kroatischen Bürokratismus. Erst jetzt beginne man, selbstständige Unternehmer auch im eigenen Land zu schätzen. Was auch ausländische Investoren beklagen: Die Bürokratie, Korruption und das Unverständnis für moderne Methoden im Management, da wirkt noch immer die politische Eiszeit der Tudjman-Ära nach. Kroatien sei in seinen Reformbemühungen nicht weniger aktiv als andere ehemalige Ostblockländer, beschwichtigt der Handelsdelegierte Peter Hasslacher. Das Geschäft für die Firmen rechne sich. „Ich war früher in Polen und kann das daher beurteilen.“ Aber es stimme, dass z.B. die Justiz sehr langsam arbeitet. 1,5 Millionen anhängige Gerichtsfälle gibt es. „Nicht, weil es zu wenig Richter gibt. Das schreckt natürlich ausländische Geschäftspartner ab, weil die Leute keine Angst vor Gerichtsverfahren haben, die auch zehn Jahre dauern können.“ Die Kroaten müssen also erst ihre „Hausaufgaben“ machen.

Tourismus ist mit 18 Prozent der größte Arbeitgeber in Kroatien. Bei der Veranstaltung „check in! SÜDOSTEUROPA“: Georg Bucher, der kroatische Vizepräsident Damir Polancec, Gerhard Fabisch, der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader, EU-Kommissar a.D. Franz Fischler und Franz Kerber

Ve n e d i g d e s O s t e n s

Jeder Österreicher, der in Zagreb zu tun hat oder auf Istrien urlaubt, sieht nicht weniger neue Autos als in Graz oder Linz. Auch die Menschen sind gut gekleidet, galt doch Zagreb lange Zeit als „Venedig des Ostens“. Die Wirtschaft ist stabil, wächst um rund 4 Prozent, auch der Kuna, die Landeswährung, ist stabil und die Inflation ist niedrig. Aber der Großraum Zagreb allein ist nicht Kroatien, obwohl dort fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts geschaffen wird. Denn in den Provinzen ist die Arbeitslosigkeit hoch, es gibt ehemalige Kriegsregionen, wo sie bei 40 Prozent liegt und die Einkommen gerade mal 50 Prozent des Durchschnitts in Zagreb betragen. Eine Hypothek: 1,2 Millionen Beschäftigte müssen auch für 1 Million Pensionisten und Kriegsveteranen sorgen. Warum in Kroatien arbeitsplatzintensive Investitionen Mangelware sind: Es ist kein Niedrigkostenland, die Grundstücke sind teuer und während

Kroatien auf einen Blick

Einwohner: 4,4 Millionen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 6.300,– Euro Durchschnittlicher Bruttolohn: 800,– Euro Arbeitslosenrate (offiziell, es wird vermutet, dass diese noch höher liegt): 18,2 Prozent Inflation: 2,1 Prozent

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