«Gegen das Establishment» – Abokonzert Kammerorchester Basel | Abendprogramm

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Patricia Kopatchinskaja Violine Hélène Walter Sopran Pierre Bleuse Leitung Do 15.2.2024 – 19.30 Uhr Stadtcasino Basel

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Gemeinsam mit evaluiert und optimiert das Kammerorchester Basel seinen CO₂-Fussabdruck, um klimafreundlicher zu werden. Wir freuen uns sehr, dass uns der EuroAirport finanziell unterstützt, dieses Projekt durchzuführen.

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Programm 15.2.2024 | Gegen das Establishment


Programm

Do 15.2.2024 – 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel

Konzerteinführung Hingehört um 18.45 Uhr mit Heidy Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Paul Sacher Stiftung György Ligeti (1923 – 2006) Konzert für Violine und Orchester I. Praeludium: Vivacissimo luminoso II. Aria, Hoquetus, Choral: Andante con moto III. Intermezzo: Presto fluido IV. Passacaglia: Lento intenso V. Appassionato: Agitato molto

30'

György Ligeti «Mysteries of the Macabre» Drei Arien aus der Oper «Le Grand Macabre» für Koloratursopran oder Solotrompete in C eingerichtet von Elgar Howarth; deutscher Text von Michael Meschke und György Ligeti; frei nach Michel de Ghelderodes «La Ballade du Grand Macabre»

10'

Pause Gustav Mahler (1860 – 1911) Sinfonie Nr. 4 in G-Dur für Sopran und Kammerensemble, arr. von Nicolas Bolens I. Bedächtig. Nicht eilen II. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast III. Ruhevoll (Poco adagio) IV. Sehr behaglich

60'

Konzertende ca. 21.45 Uhr

Das Kammerorchester Basel ist mit diesem Programm auf Tournee: 16.2.2024 – Schaffhausen, Kirche St. Johann 3


Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Komponisten György Ligeti

MUSIKMUSEUM hmb.ch

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Programm 15.2.2024 | Gegen das Establishment

30.11.2023 bis 07.04.2024


Besetzung

Patricia Kopatchinskaja Violine Hélène Walter Sopran Pierre Bleuse Leitung

Kammerorchester Basel Flöte Isabelle Schnöller Matthias Ebner

Oboe

Matthias Arter

Klarinette

Francesco Negrini Nicola Katz

Fagott

Matthias Bühlmann

Horn

Olivier Darbellay Mark Gebhart

Trompete Simon Lilly

Posaune

Adrián Albaladejo Díaz

Violine 1

Antonio Viñuales Eva Miribung Tamás Vásárhelyi

Violine 2

Irmgard Zavelberg Nina Candik

Viola

Katya Polin Carlos Vallés García Stefano Mariani

Violoncello

Christoph Dangel Georg Dettweiler Hristo Kouzmanov

Kontrabass Peter Pudil

Schlagzeug Alexander Wäber Tilman Collmer Pascal Viglino Adrian Romaniuc

Klavier/Celesta Nadia Belneeva

Akkordeon Jürg Luchsinger

Harfe

Consuelo Giulianelli

Mandoline Ivan Nestic

Stand 24.1.2024, Änderungen vorbehalten 5


Das Programm in Kürze Lotusflöte, Okarina, Naturhörner, verstimmte Streicher und ein Schellenkranz. Es ist ein Konzertabend mit lauter ungewöhnlichen Klängen. Denn Gustav Mahler und György Ligeti teilten die Auffassung, dass Musik welthaltig sein soll. Das macht ihre Werke durchlässig für das Verquere und Nicht-Zusammenpassende – und die Komponisten zu Ironikern der Musikgeschichte. In Mahlers vierter Sinfonie und Ligetis «Mysteries of the Macabre» hat jeder Klang einen doppelten Boden. Und in seinem Violinkonzert lässt Ligeti die europäische Musikgeschichte im postkolonialen Zerrspiegel Revue passieren.

Hör-Impuls Mahlers vierte Sinfonie beginnt, als winke sie einem zu: Ein verschmitztes Zeichen, schwer zu deuten. Ist es der Narr mit seiner Schellenkappe? Ist es das Gebimmel eines Schlittens, das zur Fahrt aufs sinfonische Glatteis einlädt? Oder handelt es sich um ein erstes Ironiesignal des musikgewordenen Erzählers, der seine Irrlichter durch alle vier Sinfoniesätze sendet? Sicher ist nur, dass Mahler das Schellenmotiv im Finale wieder erklingen lässt, damit seinen Hörer:innen das «himmlische Leben» nicht zu bekömmlich wird.

Zum Hörbeispiel

Neben dem Hörbeispiel ist auch dieses Programmheft über den QR-Code abrufbar.

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Programm 15.2.2024 | Gegen das Establishment


Das Programm in einfacher Sprache Sie hören heute drei Werke mit ungewöhnlichen und aufregenden Tönen. Zwei Stücke sind von György Ligeti. 2023 wäre er 100 Jahre alt geworden. Deshalb finden zurzeit viele Konzerte mit seinen Werken statt. 1. Das «Violinkonzert» von György Ligeti. Hier gibt es besondere Instrumente zu hören: Zum Beispiel die Okarina (ein Bild ist auf Seite 11). Einige Musiker spielen nicht nur ihr eigenes Instrument, sondern auch die Okarina. 2. «Mysteries of the Macabre» ist ein Teil aus einem grösseren Stück. Der Titel heisst auf Deutsch: Die Mysterien des Makabren. Mysterien sind etwas geheimnisvolles. Makaber bedeutet unheimlich in Beziehung zum Tod. 3. Die «Sinfonie Nr. 4» von Gustav Mahler. Auch hier hört man Ungewöhnliches wie einen Schellenkranz. Und im letzten Satz gibt es ein Lied. Das ist für eine Sinfonie sehr untypisch.

Als Träger des Labels Kultur Inklusiv setzt sich das Kammerorchester Basel für eine inklusive Gesellschaft ein. Ein Text in einfacher Sprache ist Teil davon. www.kulturinklusiv.ch 7


Mahlers zweifelhaftes Paradies «Sinfonie heisst mir eben, mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.» So beschrieb Gustav Mahler einmal sein grundstürzend neues Verständnis der Gattung: Sinfonik war für Mahler nichts Geringeres als die Klangwerdung der Welt – in ihrer ganzen Vielfalt, ihrem Schmerz und ihrer Widersprüchlichkeit. Dabei wirkt die Welt, die sich in Mahlers vierter Sinfonie (1892–1899/1900) auftut, auf den ersten Blick recht übersichtlich, ja geradezu entschlackt: Im Vergleich zur monumentalen Auferstehungssinfonie und der ins Kosmogonische ausgreifenden Dritten sind die orchestralen Mittel deutlich reduziert: Hier bringt kein Bassregister aus Posaunen und Tuben den Konzertsaal zum Beben. Und weder allgegenwärtiges Schlagwerk noch Chor-Tuttis werden aufgeboten, um Schallgrenzen zu durchstossen. Im Gegenteil: Mahlers «Vierte» präsentiert sich in klassisch viersätzigem Gewand und dauert nicht einmal eine ganze Stunde. Sie bescheidet sich (auch im Original) mit einer beinahe kammermusikalischen Instrumentation und die Grundtonart G-Dur verheisst Heiterkeit. Genauso wie das Finale, das sogar mit der Überschrift «Das himmlische Leben» aufwartet. Doch die äussere Form trügt: Auch Mahlers vermeintlich schlanke «Vierte» bietet genug Widersprüchliches und doppelte Böden, dass es für eine ganze Welt reicht.

Gustav Mahler Sinfonie Nr. 4 in G-Dur für Sopran und Kammerensemble, arr. von Nicolas Bolens Besetzung 2 Flöten (1. auch Altflöte), Oboe (auch Englischhorn), 2 Klarinetten (2. auch Bassklarinette), Fagott (auch Kontrafagott), 2 Hörner, Trompete, Posaune, Perkussion, Akkordeon, Harfe, Streicher Entstehung 1899–1900 Uraufführung 25. November 1901 mit dem Kaim-Orchester und der Sopranistin Margarete Michalik unter der Leitung von Gustav Mahler in München Dauer Ca. 60’

Titelbild «Des Knaben Wunderhorn». Bildnachweis: Wikimedia commons

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Programm 15.2.2024 | Gegen das Establishment


Mit Blick auf Mahlers sinfonisches Gesamtœuvre bildet die vierte Sinfonie den Abschluss der sogenannten «Wunderhorn»-Periode: Von 1884 bis 1905 komponierte Mahler vier Sinfonien und 24 Lieder, die allesamt durch die Volksliedsammlung «Des Knaben Wunderhorn» inspiriert waren. In der vierten Sinfonie ist namentlich der Schlusssatz der «Wunderhorn»-Welt verpflichtet. Er beruht auf dem bereits 1892 komponierten Lied «Das himmlische Leben», welches nach Mahlers ursprünglicher Idee seine dritte Sinfonie beschliessen sollte. In seine vierte, die anfänglich als sechssätziges Werk konzipiert war, wollte Mahler mit «Das irdische Leben» sogar ein zweites «Wunderhorn»-Lied einbeziehen. Diesen Plan verwarf er jedoch wieder, als er 1899 als frischgebackener Direktor der Wiener Hofoper die Komposition in Angriff nahm. Aber auch ohne expliziten irdischen Gegenpart gibt «Das himmlische Leben» als Schlusssatz der «Vierten» Rätsel auf. Allein durch seine Kürze und seine Anlage als Liedsatz wirkt es zu leicht, um die Aussage der ganzen Sinfonie zu tragen. Kommt hinzu, dass sich das vermeintliche Paradies in der Schilderung des Gedichts recht profan ausnimmt: Besungen wird da ein kulinarisches Schlaraffenland aus Kräutern, Spargeln, Rehbock und Fischen, in dem Herodes höchstpersönlich das Schlachtbeil schwingt. Dieser Doppelbödigkeit des Textes verleiht Mahler musikalisch Ausdruck, indem er z. B. mit dem schrillen Schellenthema aus dem ersten Satz der heilen Welt einen Drall ins Grelle und Gehetzte gibt. Vor allem aber sind es die drei vorhergehenden Sätze, die das himmlische Ende der Sinfonie in Zweifel ziehen. Das beschwingte Hauptthema des Kopfsatzes scheint zwar seinerseits ganz vom heiteren Geist der Wiener Klassik beseelt. Es tänzelt in G-Dur aber derart demonstrativ, dass man ihm die Maske herunterreissen möchte. Der darauffolgende Cello-Seitensatz nimmt in Stimmung und Tonlage das Adagio vorweg und klingt dabei verdächtig nach Schubert, bevor eine täppische Schlussgruppe der ganzen Maskerade die lange Nase zu drehen scheint. Die Durchführung bricht nach einer drohenden Vorausdeutung auf die Trompeten-Fanfare aus Mahlers fünfter Sinfonie plötzlich ab – danach setzt die Reprise wie nach einem Filmriss ein. Als wäre nichts geschehen. Auch der zweite Satz spielt mit dem Als-Ob: «Wie als wenn der Tod aufspielt», bezeichnete Mahler dieses grell-makabre Scherzo, worin der Sensenmann fast schon im Stile des «théâtre musical» durch die Solovioline gemimt wird, die – einen Ganzton höher gestimmt – mit besonders fahlem Klang fiedelt. Nur im ruhevollen Adagio schwingt sich die Sehnsucht mit betörender Schönheit auf, bis in der Coda der 9


Vorhang reisst und sich tatsächlich ein Stück Jenseits zeigt. Doch dieser metaphysische Schimmer wird im allzu himmlischen Finale wie durch Kunstlicht wieder überstrahlt. Mit der vierten Sinfonie ist Mahler als k. k. Hofoperndirektor in Wien, der Hauptstadt der Uneigentlichkeit, angekommen. Vielleicht hat das Publikum gemerkt, dass ihm Mahler mit seinem neuen Werk keinen schmeichelhaften Spiegel vorhält. Jedenfalls hat es die Sinfonie nicht goutiert. Mahler ist aber mit seiner «Vierten» bereits 1901 in der Postmoderne gelandet – und war seiner Zeit damit um ein gutes halbes Jahrhundert voraus.

Ligetis menschliche Komödie Welthaltigkeit und Postmoderne sind zwei Schlagworte, mit denen man auch das Schaffen des ungarischen Komponisten György Ligeti in Verbindung bringen kann. Dieses Jahr könnte Ligeti seinen 100. Geburtstag feiern. Gealtert ist seine Musik indes genauso wenig wie jene Gustav Mahlers. Mehr noch: Ligeti treibt alles, was bei Mahler angelegt ist, auf die Spitze. Dabei ist seine Welt nicht mehr vertikal eingeteilt in eine himmlische und irdische Sphäre, sondern horizontal zum Globalen hin geöffnet. Mit erheblichen musikalischen Konsequenzen: «Die Zeit der Avantgarde ist vorbei: Sowohl die funktionale Tonalität als auch die Atonalität wurden abgenutzt, ebenso die gleichmässige zwölftönige Temperatur.» (Ligeti) Die «Mysteries of the Macabre» aus Ligetis Anti-Anti Oper von 1978 sind sowohl verkapptes Virtuosenkonzert für Koloratursopran als auch skurrile commedia humana. Ähnlich wie in Samuel Becketts «Warten auf Godot» gestaltet sich die Sinnsuche in dieser Miniatur als aussichtslose Groteske. Das Geheimnis scharrt, raschelt, flüstert, pfeift – mal schrill, mal mysteriös, mal aus dem letzten Loch. Nur gelüftet werden kann es nicht. Denn: «Schweigen ist Gold», wie eine der Sprechstimmen sentenzenhaft verkündet. In Ligetis grotesker Miniatur verschwimmen die Grenzen zwischen Geräusch, Stille, Musik, Sprache und Stimme. Die Klangwerdung der Welt erscheint gegenüber Mahler humorvoll gesteigert. Im Violinkonzert (1990–92) geht Ligeti noch einen Schritt weiter. Die Entstehung dieses Konzertes fällt in eine Zeit, als der Komponist gezielt eine Alternative zum temperierten Tonsystem suchte, ausgelöst durch die Beschäftigung mit der Musik Ostasiens, Melanesiens und Afrikas südlich der Sahara. Diesen Nachforschungen verdankt das Violinkonzert seine «hybride, ‹unreine› Harmonik» (Ligeti). 10

Programm 15.2.2024 | Gegen das Establishment

György Ligeti «Mysteries of the Macabre» Besetzung Flöte (auch Piccolo), Oboe, Klarinette (Bassklarinette), Fagott (Kontrafagott), Horn, Trompete, Posaune, Perkussion, Klavier, Celesta, Gitarre, Streicher Entstehung Drei Arien für Koloratursopran aus der Oper wurden 1992 für den Konzertbetrieb unter dem Titel Mysteries of the Macabre herausgegeben. Es gibt eine alternative Fassung für Trompete und Orchester sowie eine Klavierfassung Uraufführung Das Arrangement für Kammerorchester stammte von Elgar Howarth, der 1978 die Uraufführung einstudiert hatte. Dauer ca. 10'


György Ligeti Konzert für Violine und Orchester Besetzung 2 Flöten (1. auch Altflöte und Sopranblockflöte, 2. auch Piccolo), Oboe (auch Okarina), 2 Klarinetten (1. auch Es-Klar. u. Sopranino-Okarina in hoch F, 2. auch Bassklar. und Alt-Okarina in tief G), Fagott (auch Sopran-Okarina in C) Okarina, 2 Hörner, Trompete, Posaune, Pauken, Perkussion Entstehung 1990 Uraufführung 3. November 1990 in Köln Dauer Ca. 30’

Mit nur 23 Instrumenten erzeugt Ligeti einen bemerkenswerten Farbenreichtum. Unter den elf Streichern sind eine Violine und eine Viola umgestimmt und orientieren sich am Naturton-Flageolett des Kontrabasses. Vier Holzbläser spielen als Nebeninstrument die Okarina, eine Tonflöte indigener Völker Südamerikas. Die beiden Hörner benutzen zugleich das Naturhorn mit reinen Obertönen, die beiden Schlagzeuger die Lotusflöte. Und auch die Solovioline ist trotz höchster Virtuosität eng mit diesem vielfarbigen Orchestersatz verwoben. Auf Ebene der Form gerät das fünfsätzige Schema schnell – langsam – schnell – langsam – schnell immer wieder aus den Fugen. Die volksliedhaften Elemente und die Choralfeierlichkeit der langsamen Sätze werden durch mikrotonale Intervalle verzerrt und zuweilen durch energische Interventionen des Orchesters wie mit Messerstichen zerstört. Und auch das entrückte Violinsolo im Mittelsatz kann die rasende Fahrt in die Katastrophe nicht verhindern. Nur die beiden flüssig voranschreitenden Ecksätze geben der Gesamtarchitektur Stabilität. Dabei scheint Ligeti im Kursus der fünf Sätze die gesamte europäische Musikgeschichte Revue passieren zu lassen. Das Werk nimmt Einflüsse aus dem Mittelalter und der Renaissance auf, aber auch die Spätromantik und verschiedene zeitgenössische Stile klingen an – zuletzt sogar eine Reminiszenz an Mahlers erste Sinfonie. Womit sich der Bogen des Konzertabends schliesst. Silvan Moosmüller

12-Loch-Okarina. Bildnachweis: Wikimedia commons

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György Ligeti in Basel

György Ligeti, Hamburg ca. 1990. Foto von Ines Gellrich Bildnachweis: Paul Sacher Stiftung

György Ligeti wird 1923 im rumänischen Siebenbürgen geboren, wo er mit 13 Jahren seinen ersten Klavierunterricht erhält und sich auch gleich an Kompositionen versucht. Ligeti beginnt seine professionelle musikalische Ausbildung in Komposition und Orgel in Klausenburg und später in Budapest. Der zweite Weltkrieg unterbricht sein Studium, er wird zum Arbeitsdienst eingezogen, sein Vater und sein Bruder werden im KZ ermordet, die Mutter überlebt das KZ Auschwitz. 1956 flieht Ligeti aus Ungarn zunächst nach Wien, da die staatliche Repression zunimmt und das künstlerische Schaffen einschränkt. Er arbeitet im elektronischen Studio des WDR in Köln und trifft dort u. a. Karlheinz Stockhausen. Es beginnen kreative und arbeitsreiche Jahre mit aufsehenerregenden Uraufführungen und Werkaufträgen von renommierten internationalen Institutionen. Seine Kompositionen sind aussergewöhnlich vielfältig und zeigen seine kosmopolitische Offenheit und seine komplexe Denkstruktur: er befasst sich genauso mit afrikanischer Folklore, Jazz, Informatik, der Chaostheorie u. v. m. «In meiner Musik findet man … die Vereinigung von Konstruktion und poetischer, emotionaler Fantasie», so György Ligeti. Die Ausstellung «Ligeti-Labyrinth», die bis Anfang April im Musikmuseum zu sehen ist, zeigt die verschiedenen Facetten von Ligetis Musik in neun Kapiteln. Heidy Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Paul Sacher Stiftung, hat die Ausstellung mitkuratiert. Die Basler Paul Sacher Stiftung beherbergt praktisch den gesamten Nachlass Ligetis, der grosse Teile davon bereits zu Lebzeiten übergeben hat.

«Ich bin wie ein Blinder im Labyrinth, der sich herumtastet und immer neue Eingänge findet.»

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Das Kammerorchester Basel wird 40!

© Ursula Knapp, 2023

2024 feiert das Kammerorchester Basel sein 40-jähriges Bestehen. Mit unserer Illustrationsserie begleiten wir das Jubiläum in den Programmheften und dokumentieren wichtige Stationen des Ensembles. Illustriert wird diese Serie von Ursula Knapp, von 2020–2023 Stagemanagerin des Kammerorchester Basel. 2001 wurde der Freundekreis Kammerorchester Basel gegründet. Seitdem hat er viele Konzerte, CD-Aufnahmen u v. m. möglich gemacht.

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Was geschah...

2006 György Ligeti stirbt am 12. Juni in Wien.

Die finnische Heavy Metal Band Lordi gewinnt am 20. Mai den Eurovision Song Contest in Athen.

Das Deutsche Sattelschwein ist die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres.

Am 23. August kann Natascha Kampusch nach acht Jahren vor ihrem Entführer fliehen.

In Basel findet im Januar die Handball-Europameisterschaft statt, die erstmals Frankreich gewinnt.

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Biografien Patricia Kopatchinskaja, die von der New York Times als «eine Spielerin von seltener Ausdrucksenergie und entwaffnender Ungezwungenheit, von Laune und theatralischem Ehrgeiz» beschrieben wurde, bringt mit ihrem unverwechselbaren Ansatz stets den Kern des Werks zum Ausdruck, sei es mit einer unkonventionellen Aufführung eines traditionellen Klassikers des Violinrepertoires oder mit einem originellen szenischen Projekt, das sie als experimentelle Performance-Dramaturgin Patricia Kopatchinskaja © Alexandra Muravyeva präsentiert. In der Spielzeit 2022/23 überschritt Kopatchinskaja erneut Grenzen mit einem gewagten musikalischen Experiment, indem sie gemeinsam mit Herbert Fritsch und dem bildenden Künstler Jannis Varelas die Neo-Dada-Oper «Vergeigt» am Theater Basel inszenierte. Zudem stellte sie ihr neues Projekt «In search of a lost melody» vor, das von György Ligetis Werk inspiriert ist und spielte auf einer Europatournee mit Anna Prohaska eine Wiederaufnahme von «Maria Mater Meretrix» , die das Bild von Frauen im Laufe der Jahrhunderte in einem musikalischen Mosaik dargestellt hat – ein Projekt, das auch auf CD erscheint. Ihr Fokus liegt auf der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und der Zusammenarbeit mit lebenden Komponisten wie Luca Francesconi, Michael Hersch, György Kurtág, Márton Illés und Esa-Pekka Salonen. Kopatchinskaja leitet szenische Konzerte auf beiden Seiten des Atlantiks und arbeitet mit führenden Orchestern, Dirigenten und Festivals weltweit zusammen. Kopatchinskajas Diskografie umfasst mehr als 30 Aufnahmen, darunter das mit dem Grammy ausgezeichnete «Death and the Maiden» mit dem Saint Paul Chamber Orchestra. Zu den jüngsten CD-Veröffentlichungen gehört «Les Plaisirs Illuminés» mit Sol Gabetta und der Camerata Bern, die mit einem Preis des BBC Music Magazine ausgezeichnet wurde. Kopatchinskaja ist humanitäre Botschafterin von Terre des Hommes, dem führenden Schweizer Kinderhilfswerk, und wurde 2017 mit dem Swiss Grand Award for Music des Bundesamtes für Kultur ausgezeichnet. Hélène Walter ist Absolventin der Hochschule für Musik in Lausanne und Zürich, sie verfeinert ihre Fähigkeiten durch die Teilnahme an verschiedenen Meisterkursen. Sie ist Preisträgerin diverser internationaler Gesangswettbewerbe. Auf der Bühne feierte sie kürzlich ihr Debüt in «La Voix humain» von Poulenc (2024/ NOF; 2023/Zürich Toni Areal, 2022/Davos Festival). Sie übernahm Rollen in Mozarts Werken, darunter Pamina in «Die Zauberflöte». Im Dezember 2023 gab sie ihr Debüt am Theater und Orchester Heidelberg und war Gast beim Opéra Comique Paris für sein 5. Kolloquium «Les Femmes de l'Opéra Comique».

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Sie arbeitete mit Dirigenten und Regisseuren wie Corrado Rovaris, Pierre Bleuse u. v. a. Darüber hinaus tritt sie als Solistin im sakralen und Konzertrepertoire auf renommierten Bühnen auf, darunter das Palau de la Música Catalana in Barcelona und das Müpa in Budapest mit Marc Minkowski und Les Musiciens du Louvre im Weihnachtsoratorium von Bach (2024/Musikverein Wien). 2022 hat sie mit Chapelle Rhénane eine Aufnahme von «Die sieben letzten Worte unseres Erlösers Hélène Walter© ChristineLedroitPerrin am Kreuze» für das Paraty-Label eingesungen. Im September 2023 gab sie ihr Debüt in der Tonhalle Zürich. Die zeitgenössische Musik nimmt einen wichtigen Platz in ihrer Tätigkeit ein und ist ihr eine Inspiration. Sie arbeitet mit dem Ensemble Intercontemporain, dem Ensemble Contrechamps und dem Ensemble Orchestral Contemporain zusammen und führt Stücke von Pierre Boulez, Rebecca Saunders und Michael Jarrell auf. Hélène Walter wurde mehrmals in Wettbewerben in diesem Repertoire ausgezeichnet.

Der französische Dirigent Pierre Bleuse entwickelt sich schnell zu einem der aufregendsten und begehrtesten Dirigenten. Er ist seit der Saison 2021/22 Chefdirigent des Odense Symphony Orchestra sowie neuer künstlerischer Leiter des renommierten Pablo Casals Festival in Prades (Frankreich). Im Dezember 2021 ernannte der Verwaltungsrat des Ensemble intercontemporain Pierre Bleuse zum Musikdirektor des Ensembles für eine erste Amtszeit von vier Jahren, die mit der Saison 2023/24 beginnt. Er tritt damit die Nachfolge von Pierre Bleuse Matthias Pintscher an, der diese Position seit 2013 innehatte. © Marine Pierrot Detry Zu den Höhepunkten der Saison 2022/23 gehörte die Rückkehr von Pierre Bleuse zum Orchestre National de France mit Joyce DiDonato als Solistin, zum Singapore Symphony Orchestra und zum Orchestre National du Capitole de Toulouse. Er debütierte mit renommierten Orchestern wie dem São Paulo State Symphony Orchestra, dem Sinfonieorchester Basel, dem Janáček Philharmonic Orchestra, dem Münchener Kammerorchester in der Hamburger Elbphilharmonie und dem National Polish Radio Symphony Orchestra in Katowice. Er arbeitet regelmässig mit einigen der gefragtesten internationalen Solisten wie Sol Gabetta, Nicholas Angelich, Bertrand Chamayou, Truls Mørk, Emmanuel Pahud, Renaud und Gautier Capuçon zusammen. In seiner Rolle als kultureller Leiter gründete Pierre Bleuse 2008 die Musika Orchestra Academy in Toulouse, die talentierte junge Musiker aus der ganzen Welt zusammenbringt, um ihnen professionelle Orchestererfahrung und Karriereförderung zu bieten. 17


Er studierte Dirigieren bei Jorma Panula in Finnland und Laurent Gay an der Haute École de Genève. Ursprünglich als Geiger ausgebildet, war er Konzertmeister und stellvertretender Dirigent des Toulouser Kammerorchesters (2000–2010) und Mitglied des Satie-Quartetts.

Das Kammerorchester Basel ist fest in Basel verankert – mit den beiden Abonnementsreihen im Stadtcasino Basel sowie in dem eigenen Proben- und Aufführungsort Don Bosco Basel. Weltweit und mit mehr als 60 Konzerten pro Saison ist das Kammerorchester Basel auf Tourneen unterwegs, an internationalen Festivals und in den wichtigsten europäischen Konzertsälen stets gerngesehener Gast. 2019 als erstes Orchester mit einem Schweizer Musikpreis geehrt, zeichnen das Kammerorchester Basel Exzellenz und Vielseitigkeit sowie Tiefgang und Durchhaltevermögen aus. Es taucht mit seinen Interpretationen tief in die jeweiligen thematischen und kompositorischen Welten ein: in der Vergangenheit mit dem «Basler Beethoven» oder mit Heinz Holliger und dem «Schubert-Zyklus». Oder wie mit dem Langzeitprojekt Haydn2032, der Einspielung und Aufführung aller Sinfonien von Joseph Haydn bis ins Jahr 2032 unter der Leitung von Principal Guest Conductor Giovanni Antonini und gemeinsam mit dem Ensemble Il Giardino Armonico. Seit der Saison 2022/23 widmet sich das Kammerorchester Basel unter der Leitung des Alte-Musik-Spezialisten Philippe Herreweghe allen Sinfonien von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ein Herzstück der Arbeit bildet die zukunftsweisende Vermittlungsarbeit bei partizipativen Grossprojekten. Eine umfangreiche, vielfach preisgekrönte Diskografie dokumentiert das künstlerische Schaffen des Kammerorchester Basel. Seit 2019 ist die Clariant Foundation Presenting Sponsor des Kammerorchester Basel.

Kammerorchester Basel © Matthias Müller 18

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Nächste Konzerte Mi 13.3.2024 – 12.30 Uhr, Don Bosco Basel KOSTPROBE zum Abokonzert FAUST HEROISCH, anschliessend Stehlunch mit Suppe. Isabelle Faust Violine Giovanni Antonini Leitung

Di und Mi 7. und 8. Mai 2024 – 19.00 Uhr, Rehab Basel Ein Vermittlungsprojekt mit dem Rehab Basel rund um Schlager und Chansons. Salome Im Hof Regie Mathias Weibel, Stefan Preyer musikalische Leitung

Sa 16.3.2024 – 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel Abokonzert: FAUST HEROISCH Ludwig van Beethoven: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur, op. 61; Sinfonie Nr. 3 «Eroica» N Isabelle Faust Violine KARTE E REST WENIG Giovanni Antonini Leitung

Di 9.4.2024 – 19.30 Uhr, Don Bosco Basel Abkonzert: FOR ENGLISH GENTLEMEN Joseph Haydn: Sinfonien Nr. 76, 77, 78 Giovanni Antonini Leitung

KAUFT

R AUSVE

Do 2.5.2024 – 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel

Di 4.6.2024 – 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel Abokonzert: PHARAONISCHER GRÖSSENWAHN Georg Friedrich Händel: «Tolomeo, Re di Egitto», HWV 25. Oper in drei Akten. Konzertante Aufführung Franco Fagioli Tolomeo Giulia Semenzato Seleuce Giuseppina Bridelli Elisa Christophe Dumaux Alessandro Andrea Mastroni Araspe Giovanni Antonini Leitung Il Giardino Armonico und Kammerorchester Basel

Abokonzert: GIPFELTREFFEN Mit Werken von F. Mendelssohn Bartholdy, B. Britten und R. Schumann Sol Gabetta Violoncello Heinz Holliger Leitung

Wählen Sie Ihre Lieblingskonzerte und buchen Sie Ihre Abos & Tickets : www.kammerorchesterbasel.ch | 061 306 30 44 (Mo, Mi, Do, 10.30 – 12.30 Uhr) oder bei Bider und Tanner Impressum Herausgeber Direktor Redaktion

Kammerorchester Basel Marcel Falk Claudia Dunkel, Anna Maier

Texte Design Druck

Silvan Moosmüller, Claudia Dunkel Stadtluft Schwarz auf Weiss

Dieses Programmheft erscheint einmalig zum Abokonzert am 15.2.2024, in einer Auflage von 1000 Exemplaren. Inhaber von Urheberrechten, die wir nicht ermitteln konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

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Greater chemistry Greater chemistry is a promise. A promise to ourselves and to the world. To never stand still. To reflect achievements. It’s a promise to strive for a future worth living, for harmonious coexistence, and for greater solutions with a greater impact, Greater chemistry – between people planet. That is our purpose. That is how we are measured.

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