Nr. 19 | Brückegeneration 5 | August - September 2020

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Denk-Male

UNIKUM: Ausschneidebogen des Partisanen­denkmals in Robesch/Robeže. Kultur sei letztlich daran zu messen, „wie sie mit dem Gedächtnis der politischen und moralischen Katastrophen ... umgeht“. <Gerd Theissen>

CARINTHIja 2020

Sinnbilder historischer sowie gegenwärtiger Beziehungsgeflechte.

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Bedeutungsschwere Male. Von Mal zu Mal auf seinem Lebenswege sieht sich der Mensch, in diesem Jahre 2020 im besonderen auch der Kärntner Mensch, mit bedeutungsschweren Malen konfrontiert: Grabmalen, Mahnmalen, Siegesmalen, Totenmalen, Gedenkmalen, Erinnerungsmalen, Denkmalen. Die Male sind untrennbar mit dem im Weltall singulären Phänomen der menschlichen Kultur verbunden: Ohne Male erlischt die Erinnerung, ohne Erinnerung keine Geschichte, ohne Geschichte keine Kultur. Weshalb totalitäre Ideologien jedweder Provenienz auf „Kulturrevolutionen“ setzen; solche kulminieren immer und überall im Versuch, möglichst alle Erinnerungen zu löschen, die den einzelnen Menschen, aber auch eine Gesellschaft über die zum Popanz erhöhte „Gegenwart“ hinaus mit den Erfahrungen jener Generationen verbinden, die vor uns gelebt, geliebt, auch gestritten haben. Denn es sind die Erinnerungen, die glücklichen wie die tragischen, es sind die heute scheel angesehenen, vielfältigen Traditionen und Sprachen, die uns im Ernstfalle innerlich immun

DIE BRÜCKE Nr. 19 | Brückengeneration 5

Foto: Gerhard Pilgram | UNIKUM

machen gegen den totalitären Machtanspruch des „Zeitgeistes“, gegen die Verführungen eines totalen Staates. Sämtliche totalen Staaten und die totalitären Ideologien, auf welchen sie aufgebaut sind, sehen nämlich ihren Daseinszweck in der Auslöschung der persönlichen, familiären und kollektiven Erinnerungen der Bevölkerungen in ihrem Machtbereich und fördern konsequenterweise einen monokulturellen Nationalismus. So haben es zum Beispiel die rabiaten Ideologen der Französischen Revolution durchgesetzt, dass die polyphone Kultur des „alten Frankreich“ per Gesetz und unter Gewaltanwendung verboten wurde. Der öffentliche (oft auch der private) Gebrauch vordem gleichberechtigter Sprachen, wie des Bretonischen in der Bretagne oder des Deutschen im Elsass, wurde mit zuweilen drakonischen Strafen geahndet. Es durfte nur mehr eine einzige „revolutionäre“ Sprache der „einen“ gleichgeschalteten „Nation“ geben. In gleicher Weise agierten in Italien der Faschismus (siehe Südtirol!), oder in einem monströsen Ausmaß der Nationalsozialismus (siehe

ganz Europa!), der gleich die gesamte, deutsche Kulturgeschichte mit ihrem Reichtum an Sprachen und Traditionen in Geiselhaft nahm. Denkmale hüben und drüben. Es gibt unzählige Denkmäler im Kärnten des Jubiläumsjahres 2020. Römer setzten überall ihre Grabstelen ins Land, Slawen funktionierten ein römisches Säulenkapitell um in das Symbol des ganzen Landes, den „Fürstenstein“, auf dem der jeweilige Landesherr in slowenischer Sprache seinen Eid zu leisten hatte; in einer Zeit, als Sprachen und Überlieferungen noch nicht als Waffen missbraucht wurden, um eine Sprach- oder Volksgruppe gegen eine andere aufzuhetzen. Franken, Karolinger, Bayern errichteten mit ihren Bauten DenkMale in Kärnten; und alle heirateten, was ihre Sprachen betrifft, lustig durcheinander und zeugten Kinder, von welchen die Kärntnerinnen und Kärntner des Jahres 2020 abstammen. Sprachen sind Gnaden, keine Waffen. Von Stephan, dem heiligen König von Ungarn, ist uns ein weises Wort überlie-


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