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Ente gut, alles gut. 2020 – A Grace Odyssey. Tanja Peball

Ente gut, alles gut

oder: Die Wahrheit ist alles, was der Fall sein kann!

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2020 – A Grace Odyssey. Foto: Verein VERUS

100 Jahre Volksabstimmung – ein Anlass, sich selbst und seine Verdienste mit gebüh render Größe und Wahn zu feiern und auszustellen, ein Anlass, sich selbst zu inszenieren und zu zelebrieren. Das Land Kärnten scheut daher keine Kosten und Mühen und schickt – auf Kosten der Steuerzahler*innen versteht sich – eine präzise ausgewählte, gut vorbereitete und mutige Truppe auf den Mond. Die deutschslowenische Kärntner Band „The Talltones“ wird dort nicht nur Fußabdrücke hinterlassen, sondern gleich ein Volksabstimmungsdenkmal aufstellen, einen Kranz niederlegen und die eigene Musik im Universum erklingen lassen.

Geht es um die „ERkundung der Univer sellen Schönheit“ so befindet man sich gleich auf höchst philosophischem und ebenso ursprünglichem Gebiet. Denn schon seit Platon ist der Begriff der Schönheit unmittelbar mit dem der Wahrheit verbunden. Macht man sich – wie der Verein VERUS in Kooperation mit VADA es tut – daran, diese Gebiete zu erkunden und schnallt sich dafür den Rucksack der politischen Kritik um, begegnet man entlang des Weges verschiedensten The orien. Allerdings erweisen sich die Fundstücke dazu, was denn Wahrheit, Fake oder alternative Fakten sind, als alles andere als fix, wie beispielsweise die Naturkonstanten – obwohl: aktuelle For schungen hinterfragen, ob selbst diese über astronomische Zeiträume hinweg wirklich konstant bleiben. Ergo: schwin delerregendes Gefühl, fallen ohne anzukommen, kein Fixpunkt in Aussicht. So weit, so gut, der makroskopische Blick auf das Treiben der Menschheit.

Im Mikrokosmos erscheint dieses fra gile und vage Konzept von Wahrheit oft als glasklar. Kommt es nicht einfach darauf an, wie, wann, in welchem Medium und an welchem Ort etwas kommuniziert, platziert, gepostet, regepostet, geliked oder ge- und verlinkt wird?! So werden Einzelereignisse für allgemeingültig erklärt, es entstehen Fake News und Vorurteile; kurz: die Wahrheit ist beeinflussbar. Alles das in einer Zeit, in der die Kompetenz zum Tiefgang und zur (Nach-)Recherche weitgehend ungefördert bleibt.

Narzisstische Persönlichkeitsstruktu ren, Machtbesessenheit und Größenwahn spielen dabei strukturell eine Rolle. Die Annahme, man selbst wäre Teil einer Mehrheit und sei dadurch berechtigt über eine (vermeintliche) Minderheit und deren Ressourcen (Arbeitskraft, Freiheit, Selbstbestimmung und Kreativität) frei zu verfügen, ist für Felix Strasser dabei beispielhaft: „Größenwahn hat etwas zu tun mit Minderheiten, die sich für Mehrheiten halten. Weltweit gesehen stellen beispielsweise Menschen, die nur einsprachig aufwachsen, eine Minderheit dar.“

2020 – A Grace Odyssey wendet sich diesem Diskurskomplex zu und themati siert unter anderem die Vergabe von Förderungen: „Man sollte, anstatt alle 20 Jahre ein bis zwei megateure und über ambitionierte Leuchtturmprojekte zu finanzieren, lieber die vorhandene Infra struktur stärken und ausbauen und die Zweisprachigkeit auf allen Ebenen för dern“, hätte Yulia Izmaylova auch schon einen umsetzbaren Tipp für die Zuständigen an den Geldverteilungshebeln.

Vor diesem Hintergrund ist mit dem Filmemacher Leopold Fuchs ein Projekt entstanden, das ästhetisch, ideologisch und dramaturgisch von Filmen wie „2001 A Space Odyssey“ von Kubrick, von Franklin J. Schaffners Werk oder auch von „Operation Ganymed“ von Rainer Erler inspiriert ist und sich gleichzeitig von ihnen absetzt. Für wahr Empfundenes, für wahr Gehaltenes sowie wahr Gemachtes geben sich hier abwechselnd eine Bühne – fragil, zerbrechlich, jedoch absolut stark und zerstörerisch, ein Augenblick, der alles und alle verändern kann – die Wahrheit als absolut ephemeres Ereignis.

Neben dem Film, der wenn das Wetter es zulässt im Freiluftkino gezeigt wird, gibt es ein nicht minder delikates Rah menprogramm: An zwei Abenden konzertieren „The Talltones Extended“ live und am 17. September gibt es in Völkermarkt/ Velikovec eine weitere Attraktion zu sehen: Dr. Caranthanus’ Octobermani pulation – eine patriotische Jahrmarktsidiotie mit lebenden Exemplaren! Höchst persönlich durch Dr. Caranthanus, den Geheimwissenschafter, Heilmagnetiseur, Panoptikums- und Cinematographenbetreiber, Patentinhaber des Perpetuum mobile, Großwildjäger und Experte für das Unbegreifliche, wird die sibirische Wilde Olga vor den Augen des Publikums ohne Spiegel und doppelten Boden in die echte Deutsch-Kärntnerin Eva verwandelt. ● Tanja Peball geboren in Villach, lebt in Graz, manchmal auch am

Weißensee. Dramaturgin und Autorin, Fotografin, u. v. m.

2020 – A Grace Odyssey Bei allen Terminen wird der Kunst- & Experimentalfilm von Leopold Fuchs & VADA gezeigt.

17. September: Premiere mit Theater + Film + Konzert Theater Zora & Trota Mora & VADA: Dr. Caranthanus’ Octobermanipulation, Prinz Johann in Völkermarkt, 19 Uhr Film, Hauptplatz Völkermarkt, ca. 20 Uhr „The Talltones Extended“, Step in Völkermarkt, ca. 21 Uhr

22. September, Lendhafen Klagenfurt, 19 Uhr Film + Konzert „The Talltones Extended“, ca. 20 Uhr

25. September, Kulturgarten Aichwaldsee, 19 Uhr 6. Oktober, k&k in St. Johann im Rosental/Šentjanž v Rožu, 19 Uhr 9. Oktober, Lepenska šola in Leppen/Lepena, 19 Uhr 15. Oktober, Kulturhaus/Kulturni Dom Cingelc, Ferlach, 19 Uhr www.wahrhaftig.at | www.carinthija2020.at

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