Foto: FriedmannKaufmann
Die Welt lässt grüßen
CARINTHIja 2020
Dober Tag. Die Grußmaschine | Pozdravnj stroj.
Tier und Mensch. Katzen – um beim Thema zu bleiben – begrüßen uns Menschen mit einem Miauen. Untereinander pflegen sie durchwegs andere Grußformen, angepasst an die jeweilige Situation. Grüßen, Manifest sozialer Interaktion beim Menschen, ist selbst im Tierreich differenziert ausgeprägt. „Wir ticken sozial identisch wie andere Tiere“, stellt der Verhaltensbiologe und Wolfsforscher Kurt Kotrschal fest. Diese und andere pointierte Aussagen begegnen uns inmitten der komplexen Geografie einer künstlerischen Installation im Rahmen von CARINTHIja 2020. Die Maschine. „Dober Tag. Die Grußmaschine I Pozdravnj stroj“ ist das von Ulrich Kaufmann und Werner Wintersteiner im Jubiläumsjahr initiierte Kunstprojekt, das mit seinen Röhrensystemen, eingebauten Lautsprechern, Bildschirmen und Schautafeln ab 18. September in Völkermarkt Aufstellung nimmt. Für „Damen und Herren“ allerlei Geschlechts probabel, lädt das Objekt im ehemaligen Friseurgeschäft am Hauptplatz 10 zu einer lustvollen und lustigen, aber auch durchaus tiefsinnigen und kritischen Auseinandersetzung mit dem Grüßen als Ausdruck sozialer Beziehungen ein. Grüßen fehlt. Gerade aktuell hat sich erwiesen, dass Grüßen eine essentielle Bedeutung in unser aller Leben zukommt und dass, obschon als tägliches Ritual kaum wahrgenommen, der Habitus aber dennoch schwer vermisst wird, wenn er in Zeiten einer Pandemie etwa plötzlich
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DIE BRÜCKE Nr. 19 | Brückengeneration 5
vorschriftsmäßig auszusetzen ist. Außer man ist ohnehin nicht erpicht darauf, allen (un)möglichen Leuten die Hand schütteln zu wollen. Plötzlich aber scheint etwas zu fehlen und der Mangel an Gewohntem wird erfinderisch durch neue Begrüßungsformeln mit teils kuriosen Ausmaßen kompensiert (Stichwort „Corona-Shake“). Grüßen verbindet. Grüßen ist eben doch ein primäres kulturelles Gut. In ihm – so die Initiatoren des Kunstprojekts – „manifestiert sich die ganze Welt der sozialen Beziehungen. Im Grüßen drücken wir Respekt und Anerkennung aus oder verweigern diese ... wir offenbaren uns selbst und lernen andere kennen.“ Und so können die Besucher*innen in Völkermarkt mit Hilfe der Grußmaschine sich und andere auf ganz neue Weise erfahren – über Sprachbarrieren hinweg. Die Grußmaschine mit ihrer Kombination aus Sprachrohren und Sprachröhren hat unzählige Grußformeln gespeichert. Sie spielt alle Stückchen, indem sie Film- und Hörclips, Kurztexte und diverse Hörbeispiele abspielt. Über die Maschine tritt die/der Besuchende mit den Mitmenschen in Verbindung, indem man/frau in die Röhren redet, schaut und in sie hineinhört. Literarische und eigens für diesen Zweck produzierte musikalische und performative Texte halten eine ganze Grammatik des Grüßens bereit. Das Röhrensystem der Maschine ist mit Metaphern benannt, die verschiedenen Schwerpunkten gewidmet sind: DER ROTE TEPPICH (Tanz), HEIMATKUNDE (Workshop und Chor Völkermarkt), ALLE GRÜSSEN ANDERS
(verschiedene soziale Gruppen), GRUSS PARTY (Grüße aus aller Welt), KLEINE POETIK DES GRÜSSENS (literarische Texte), MAN SIEHT SDICH (Überwachungskameras), ERZWUNGENES GRÜSSEN (NS-Zeit), DAS ULTIMATIVE GRUSSSEMINAR MIT PROFESSOR W. Grüßen leicht gemacht. Die von Reinhard Taurer konstruierte Maschine lebt von ihrem Publikum und von ihren Mitwirkenden. So zeichnet u. a. Anna Possarnig für die tänzerischen Beiträge verant wortlich, Julia Jost, Jani Oswald, Alice Pechriggl, Eva Schörkhuber, Giustina Selvelli und Nina Zdouc steuern Literarisches bei, die Klangkomposition obliegt Manfred Plessl. Sigrid Friedmann begleitet das Projekt grafisch. Als „Sprachrohr zur besseren Verständigung in Kärnten“ legt es seinen Fokus auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und den Generationen sowie auf die Begegnung zwischen den Volksgruppen und das Asset der Mehrsprachigkeit. Und so lässt es sich dann bis Ende Oktober in Völkermarkt bei freiem Eintritt für alle grüßen! ● Andrea Kirchmeir Kunsthistorikerin und Pädagogin, Mitarbeiterin der Kulturabteilung des Landes Kärnten.
Dober Tag. Die Grußmaschine | Pozdravnj stroj. Eröffnung: 18. September, 10 Uhr Laufzeit bis Ende Oktober, jew. MI & FR 8-16 Uhr Völkermarkt, Hauptplatz 10 Weitere Besuche zu den Öffnungszeiten des Tourismusbüros Völkermarkt möglich. werner.wintersteiner@aau.at