KaepseleJuni13

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Herr Rockenbauch, Sie haben Architektur studiert, doch bekannt geworden sind Sie durch die Proteste gegen Stuttgart 21, die Schlichtung und Ihre OB-Kandidatur. Warum haben Sie sich für die Politik entschieden? So eine richtig bewusste Entscheidung war das wohl nicht. Ich habe als Jugendlicher von meinen Eltern gelernt, dass es unheimlich viel Freude bringt, wenn man gegen Zustände, die man als ungerecht empfindet, etwas aktiv unternimmt. Sich zu beschweren ist einfach, macht aber nicht glücklich. Wie heißt es so schön: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Zu tun gab es immer genug, ob in der Schule, im Stadtteil, für die Umwelt oder gegen Stuttgart 21. 1997 habe ich mich an der offenen Bürgerbeteiligung zu S21 beteiligt, seitdem bin ich kommunalpolitisiert, denn die Kommunalpolitik stellt die spannende Frage an uns alle: „Wie wollen wir in Zukunft gut leben?“

Ihre Studienzeit verlief nicht geradlinig, Sie haben bis zum Vordiplom Philosophie und Physik studiert, sind dann zur Architektur gewechselt. Warum? Nach meinem Vordiplom, als der Prüfungsstress vorbei war, ist mir klar geworden, dass mir im Studium und damit in meinem Leben eine Seite fehlte. Intellektuell konnte man sich in Physik und Philosophie zwar total auspowern, aber mir fehlte der Zugang zum Fach, um darin auch meine soziale, intuitive oder kreative Seite auszudrücken. Mit Architektur und Stadtplanung habe ich die ideale Symbiose zu meinem kommunalpolitischen Engagement gefunden.

Welche technischen Fähigkeiten helfen Ihnen bei Ihrer politischen Arbeit am besten weiter? Gerade in der Kommunalpolitik ist es wichtig, dass man was von Planung und Bauplänen versteht. Das Tolle war aber, wie sich Studium und Politik ergänzt haben. Die Politikpraxis als Art Realitycheck für das Studium und der akademische Freiraum, der meine politischen Denkkategorien kreativ erweitert hat.

Schlichtung und Studienabschluss dürften sich überschnitten haben, außerdem sind Sie seit 2004 bereits als Stadtrat tätig. Blieb da genügend Zeit für ein Studentenleben? Für mich war mein Engagement immer mehr Bereicherung als Belastung. Sicher versteht jeder unter „Studentenleben“ was anderes. Architektur und Stadtplanung und mein politisches Engagement sind neben Familie und Freunden mein Leben. Was gibt es besseres als das intensiv zu leben?

Wenn Sie an Ihre Studienzeit denken, was hat Ihnen am besten gefallen? Der Luxus, Zeit zu haben, um zu lernen und sich auszuprobieren. Und natürlich die Zusammenarbeit mit spannenden Menschen.

Welche Tipps haben Sie für Studenten? Das Studium ist eine der spannendsten Lebenserfahrungen, die sollte man ausnutzen. Der Weg ist das Ziel und nicht das ewige Schielen auf Noten und den Abschluss. Wer nur studiert, um hinterher mehr Geld zu verdienen, tut mir leid.

Während der Schlichtung haben Sie sich in die Unterlagen der Bahn einarbeiten müssen. Hat Ihnen dabei Ihr Studium geholfen? Ja, ich denke schon. Aber es war ja leider nicht so, dass uns die Bahn genaue Pläne oder präzise Unterlagen zur Finanzierung überlassen hat. Selbst die Daten des Stresstests sind geheim und man bekommt nur das Ergebnis präsentiert. Da nützt einem ein Studium auch nichts. Ein genauer Faktencheck war nicht möglich.

Hannes Rockenbauch, geboren 1980 in Stuttgart, studierte bis 2011 an der Uni Stuttgart, an der er heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grundlagen der Planung tätig ist. Seit 2004 ist er Stadtrat für das Parteifreie Bündnis SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial).

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