21014_Destillate_RZ.qxp_Layout 1 26.08.21 17:22 Seite 33
konservierung I auf der gebogenen emaille-oberfläche hat sich eine kruste aus staub gebildet, es muss jahre her sein, dass sie hier das letzte mal gebadet hat. wie ein faseriger teppich sieht es aus, fast gemütlich. che sporcizia, sie hätte sich aufgeregt, wären ihre augen nicht so schlecht geworden, es musste immer alles sauber sein. was übrig bleibt, denke ich, sind hautschuppen, haarwurzeln und hausstaubmilben. teile von ihr haben dieses badezimmer nie verlassen. den spiegel zieren zahnpastaflocken, ihr speichel in kleinen weißen sprenkeln, vermischt mit dem geschmack von künstlicher minze. II ein muster aus lichtquadraten auf der küchenfensterbank, es ist ungewohnt, nur das nackte holz zu sehen. sie stellte immer das tablett mit den gartenfrüchten auf das sims, denen die sonnenstrahlen dann tag für tag den saft entzogen. aprikosen, trauben, pflaumen – aus allen entwich die fleischige prallheit, als hätte man sie ausgesaugt. zurück blieben nur klebrige, dorre hüllen, zu runzeln zusammengefallen. III wie aufgedunsen ihr körper wäre, wenn sie in der wanne läge. auf der wasseroberfläche der staubfilm, der sich beim hinaussteigen an ihre haut heften würde, an die stellen, wo er herkam, wo sich die schuppen einst abrieben. ich denke an aufquellen, wie wasser etwas schlaffes bläht in dem verzweifelten versuch, ihm seine form zurückzugeben. sie weichte getrocknete tomaten in heißem wasser, bevor sie salsa di pomodoro kochte, in der kleinen keramikschale dümpelten die rotfaltigen häufchen. wie ihr körper sich ausbreiten würde, denke ich, und gleichzeitig noch mehr runzeln auf ihren händen erschienen. eine schwimmende haut über weißer emaille, ein ballon, bereit zum zerplatzen. IV sie wollte keine tiere in der stube, spannte dünne gitter vor die fenster. maledette zanzare, schimpfte sie, wenn sich doch einmal ein insekt hineinverirrte, und klatschte mit beiden händen in der luft herum, bis sie es erwischt hatte, ein letzter applaus. sie hasste es, wenn die aprikosen vor ihrem fenster überreif ins gras fielen und sich die fruchtfliegen darüber sammelten. deshalb erntete sie