Weinfeder Journal # 67

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Es war im extremen Trockenjahr 2003, als ich mich im Sommer in fränkischen Weinfluren wunderte, warum eine Anlage im vollen Saft stand, während rundherum die Reben schon deutliche Trockenschäden erkennen ließen. Gerhard Roth, ein erfahrener Bio-Winzer aus Wiesenbronn, klärte auf. Er habe schon Jahre zuvor verschiedene Kleesorten und Malve in den Rebzeilen gesät, die für eine Erhöhung der Speicherfähigkeit von Wasser sorgen und zudem die Reben zwingen, zur Nahrungssuche tiefer zu wurzeln.

seit 2010 an der Uni zu seinem Metier. Das Projekt läuft noch bis 2024 und wird jährlich mit 100.000 Euro bezuschusst. In der Umrechnung auf die recht geringe Zahl der Pflanzen ist das, so Stoll schmun­ zelnd, „der wohl teuerste Weinberg der Welt“. Nach den bisherigen Erkenntnissen „düngt“ das Kohlendi­ oxid die Pflanzen. Sie können sich der Entwicklung vermutlich anpassen, werden sogar leistungsfähiger. Aber klar ist auch, dass sich damit der Wasserbedarf merklich erhöht. Das bedeutet, dass den Unterlagen der Stöcke künftig noch mehr Bedeutung zukommt. Resistenz gegen Trockenheit ist gefragt.

So etwas lässt sich relativ schnell umsetzen. Aber auch Langzeitprojekte lassen erkennen, dass man sich in der Weinbranche Gedanken über die Zukunft macht. Bei­ spiel Schloss Vollrads im Rheingau: Hier wurde 2015 unter Regie des damaligen Betriebsleiters Dr. Rowald Hepp in Kooperation mit der Hochschule Geisen­ heim auf 0,5 Hektar ein «Biodiversitätsweinberg» an­ gelegt, mit 49 unterschiedlichen Klonen à 25 Reben, ausschließlich Riesling. Das Material stammte teil­ weise vom alten Rebbestand aus verschiedenen An­ baugebieten, inklusive dem Elsass. Doch auch Klone, die von Deutschland nach Australien gelangten und hier züchterisch bearbeitet wurden, kamen zum Ein­ satz. Zielsetzung war es, Varianten zu finden, die mit den Gegebenheiten der Vollradser Fluren am besten zurechtkommen. „Wir wollen herausfinden, welcher Riesling-Genpool der Beste für die Zukunft ist“, erklär­ te Hepp. Anfangs gab es aber wegen klimatischer Be­ einträchtigungen noch keine Erkenntnisse, doch inzwi­ schen gibt es schon einen gewissen Trend.

Bei den Reben selbst ist in der Züchtung einiges denk­ bar. In Klosterneuburg in Österreich ist man Varietäten auf der Spur, die Temperaturextreme besser vertra­ gen. Hingewiesen wird auch auf eine mögliche Neu­ bewertung von Lagen. Ferdinand Regner, Leiter der Abteilung Rebenzüchtung meint dazu: “Was bisher eine Top-Südlage für Weißwein war, kann bald zu heiß sein. Langsam gewinnen auch Nordlagen an Bedeu­ tung.“ In Württemberg, einer Region mit zahlreichen Terrassenlagen, wird derzeit ein Projekt angeschoben, mit dem die Eignung alternativer Rebsorten für die klimatischen Bedingungen dieser Steillagen bewertet wird. Dabei sind neben speziellen Piwis auch Sorten wie Carmenère, Tannat, Nero d’Avola und Teroldego in der Diskussion. Und es gibt ungewöhnliche Möglichkeiten, Wasser zu sammeln. Die Staatsdomäne Assmannshausen im Rheingau setzt dafür ein riesiges Wasserbett in der bekannten Lage Höllenberg ein, das Quellwasser vor dem Versickern bewahrt und es auffängt. Das Kissen, das sonst in der Landwirtschaft eingesetzt wird, kann pro Tag 8.000 Liter Brauchwasser aufnehmen; es hat ein Fassungsvermögen von 400.000 Liter. Die einge­ fangene Menge kann gelagert und in der trockenen Jahreszeit zur Bewässerung von Jungpflanzen einge­ setzt werden. Das geschieht ausschließlich nachts, um Verdunstung zu vermeiden. Wer will, kann auf dem Wasserbett sogar schlafen… n

Einen Ausblick ins Jahr 2050 machen Wissenschaft­ ler der Hochschule Geisenheim mit einer ungewöhn­ lichen Anlage mit Riesling und Cabernet Sauvignon. Die Stöcke sind von einem Ring-System umgeben, mit dem sie mit CO2 begast werden, in einer Größen­ ordnung , wie sie in knapp 30 Jahren prognostiziert wird. „Das sind 20 Prozent mehr als heute“, rechnet Professor Dr. Manfred Stoll vor. Er hat praktische Er­ fahrungen im Weinbau durch frühere Tätigkeit in Franken und Australien. Die Klimaforschung gehört

Foto: Pixabay

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