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Die subtilen Aromen von Tee

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Patrick Claudet

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zVg

Seit mehr als 25 Jahren führt Véronique Gallais die Boutique Betjeman & Barton in Carouge/GE, wo sie mehrere Workshops mit lokalen Köchen und Produ zenten ins Leben ge rufen hat.

Wenn es um Frühstück geht, gibt es meist zwei gegensätzliche Lager: Ka eetrinker auf der einen und Teetrinker auf der anderen Seite. Véronique Gallais gehört zur zweiten Kategorie und vertritt ihre Vorliebe mit Überzeugung. «Ka ee ist einfach: Man trinkt ihn zu Hause oder nimmt ihn mit und bekommt sofort einen willkommenen Schub zu Beginn des Tages. Tee hingegen braucht mehr Zeit, sowohl für die Zubereitung als auch für den Genuss. Je nach Stimmung, Jahreszeit oder Gesellschaft wählen Sie einen anderen Tee. Einen starken, einen leichten, einen schwarzen, einen grünen, einen duftenden oder sogar einen blau-grünen Tee, den Sie den ganzen Vormittag über immer wieder au rühen können. Seine Wirkung wird auch langsamer spürbar. Im Gegensatz zu Ka ee, der ein Genussmittel ist, ist Tee ein Stimulans», erklärt Véronique Gallais. Seit 1994 ver tritt sie in der Schweiz die Tee-Boutique Betjeman & Barton, deren Pariser Mutterhaus 2019 das hundertjährige Bestehen feierte.

Wie sich Ansichten über Tee wandelten

Vor über 4000 Jahren in China erstmals angebaut, brachten die Holländer den Tee 1606 nach Europa. Vier Jahrhunderte später ist das Produkt den Europäern zwar vertraut, aber viele haben immer noch ein verzerrtes Teebild. Die einen halten ihn für ein minderwertiges Getränk, das mit Milch und viel Zucker getrunken wird. Die anderen konsumieren ihn nur unter Zwang und wenn sie krank sind. Glücklicherweise haben sich die Ansichten zuletzt verändert, und die Zeit, in der Teetrinken vor allem bedeutete, einen Beutel Schwarztee in heisses Wasser zu tauchen, ist vorbei. «Heute ist die Kundschaft jünger und die zahlreichen Verkostungsabende, die wir im Laufe der Jahre organisiert haben, haben es uns ermöglicht, den reichen Geschmack des Tees einem immer breiteren Publikum vorzustellen», erzählt Véronique Gallais. In ihrem Werben für Tee hat sie viele Köche mobilisieren können, mit

Véronique Gallais 1994 übernahm die gebürtige Bretonin das Geschäft in Carouge/GE, in dem sie zunächst jeden Samstag Tee verkaufte. Sie verliebte sich vor mehr als 30 Jahren in den Tee und hat sich folgendes chinesisches Sprichwort zu eigen gemacht: «Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.»

denen sie Speise- und Teepaarungen entworfen und die Verwendung von Tee als Zutat vorgeschlagen hat. Darüber hinaus hat sie Privatpersonen und Fachleute zu zahlreichen Workshops in ihr Geschäft eingeladen, bei denen jeder die immer wieder überraschenden Aromen von Tee kennenlernen konnte. Wichtig: die Blätter in nicht zu heissem Wasser aufgiessen, damit die volle Aromatik zum Tragen kommt.

Dank ihrer Erfahrung ist die gebürtige Bretonin in der Lage, die Schritte derjenigen zu lenken, die nichts über die Welt des Tees wissen und sie nach und nach kennenlernen möchten. «Jemandem, der an Ka ee gewöhnt ist, würde ich raten, mit einem guten Schwarztee anzufangen, zum Beispiel mit einer gut gelagerten und malzigen chinesischen Sorte wie Grand Yunnan. Oder vielleicht mit einem Ceylon-Tee wie Kenilworth, wenn die Person Tannine zu schät-

zen weiss.» Überraschend liessen sich auch gestandene Teetrinker beraten, so Gallais, vor allem, wenn sie bislang Beuteltee getrunken haben. «In diesem Fall fragen wir sie, ob sie schwarzen Tee oder grünen Tee bevorzugen. Der erste Schritt kann die Verkostung eines chinesischen fermentierten Tees sein. Oder eines grünen Tees wie des chinesischen Lung Ching oder des japanischen Sencha, wobei Letzterer mehr organische Noten bietet als Ersterer. Um das Entdecken zu erleichtern, verkaufen wir den Tee in kleinen Mengen, so dass man sich zu Hause mit unseren Zubereitungstipps wie der Qualität des Wassers, der Temperatur und der Ziehzeit einer eigenen Verkostung hingeben kann.» Véronique Gallais schlägt in einem weiteren Schritt vor, zu selteneren und subtileren Tees überzugehen, bis hin zum Au au eines Sortiments, das aus einem Morgentee, einem Nachmittagstee und einer Abendspezialität besteht. Sei es ein Tee, der wieder aufgegossen werde, oder eine Mischung aus Kräutertees oder Rooibosh, der Verdauung und Schlaf fördert.

Der Einfluss von Konsumenten

Véronique Gallais zählt heute eine grosse Zahl von Abnehmern aus Hotellerie und Gastronomie zu ihren Kunden. «Nachdem ich die Marken-Boutique übernommen habe, habe ich versucht, mich der Branche anzunähern, was am Anfang nicht einfach war. Egal, wie sehr ich mich mit meinen Spezialitäten auch abmühte, ich bekam keine Aufträge. Ich gab mein Bestes und erklärte, dass man guten Tee anbieten kann, ohne dass er unbedingt teurer ist als herkömmlicher Beuteltee», erinnert sich Véronique Gallais. Paradoxerweise kam

Drei Spezialitäten zum Entdecken: Dian Hong, Brauner Tee aus China (vorn), Kenilworth Ceylon, Schwarzer Tee aus Sri Lanka (Mitte) und der zarte Lung Ching Grüntee aus China.

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Hero Konfitüren in der praktischen Portion ...

Neben Tee-Spezialitäten aus vielen asiatischen Ländern bietet die Boutique von Véronique Gallais in Carouge/GE auch eine grosse Auswahl an Teekannen und Accessoires an, die grösstenteils auch im Online-Shop erhältlich sind.

Marie Verdel Als Autodidaktin wie ihre Chefi n feiert Marie Verdel in diesem Jahr das zwanzigjährige Jubiläum in der Boutique in Carouge/GE. Die Schweizerin mit zusätzlichem französischem Pass ist als Assistentin von Véronique Gallais für das Geschäft und die Fachkunden zuständig. die Wende, als sie die Akquise vor Ort aufgab. «Seit mehr als 25 Jahren kommen Fachleute aus der Hotellerie und Gastronomie zu mir, als ob meine Arbeit mit Privatpersonen, die sich allmählich daran gewöhnen, Qualitätstees zu trinken, die Restaurantbesitzer indirekt dazu aufgefordert hätten, ihr Sortiment zu überprüfen.»

Der Teemarkt ereicht eine neue Stufe

Seit 2003 arbeitet Véronique Gallais aktiv mit handwerklichen Lebensmittelproduzenten und Köchen zusammen. Entscheidend war die Begegnung mit Dominique Ryser von der Fromagerie Bruand des Halles de Rive in Genf. Mit ihm hat sie 2007 die erfolgreichen Workshops «Tee und Käse» ins Leben gerufen, bei denen die Tees von Véronique Gallais auf subtile Weise mit den Käsesorten von Dominique Ryser kombiniert werden.

«Heute hat der Teemarkt, angeregt durch die vielen Initiativen von Betjeman & Barton und anderen Tee-Anbietern, eine neue Stufe erreicht. «In den letzten 25 Jahren hat der Teekonsum stark zugenommen, besonders im letzten Jahrzehnt. Man trinkt ihn zu Hause, im Büro oder in den Ferien. Die neue Generation von Verbrauchern hat einen anspruchsvollen, feinen Gaumen, der für authentische Aromen empfänglich ist. Das ist gut so, denn guter Tee wird pur, ohne Zucker- oder Milchzusatz getrunken, was dem allgemeinen Trend zu reduziertem Zuckerkonsum entspricht», so die Tee-Expertin.

Gleichzeitig hat Véronique Gallais den Aufstieg von selbstgemachten Eistees beobachtet. «Es ist jetzt sehr trendy, einen Teebehälter, eine Art Flachmann, mit sich zu führen, wenn man zur Arbeit oder zur Universität geht. Der Behälter kann wie-

Die Kombinationen von Tee und Käse wurden mit lokalen Produzenten entwickelt. Marjeta Cerar Die Verkäuferin und Opernsängerin stammt aus Slowenien und kam zum Studium in die Schweiz. Seit sechs Jahren ist sie im CarougeShop von Betjeman & Barton für den Verkauf und die Zubereitung des Tees zuständig und betreut die Kunden bei der Auswahl der vielen Spezialitäten.

derverwendet werden, die Zubereitung ist von guter Qualität und der Geschmack ist noch besser. Tatsächlich bieten unsere professionellen Produzenten seit fünf bis sieben Jahren auch ungesüsste, hausgemachte Aufgüsse an, für eine Kundschaft, die immer mehr auf Qualität achtet», erzählt Véronique Gallais.

Und welche Auswirkungen hat die derzeitige Pandemie auf ihr Tee-Geschäft? Obwohl der Laden letztes Jahr schliessen musste, habe man sich sofort nach der Wiedererö nung neu erfunden, sagt sie. Die Schliessung von Restaurants und einigen Hotels wirkte sich negativ auf den Umsatz aus, aber viele lokale Unternehmen hätten Véronique Gallais unterstützt, indem sie Geschenke bestellten, um ihren Kunden und Mitarbeitern zu danken. Privatkunden kaufen bei ihr vor allem online ein. Mehr als 400 Artikel, darunter Tees, Accessoires und weitere Delikatessen, werden schweizweit vertrieben. «Obwohl unsere Webseite nur auf Französisch ist, senden wir unsere Bestellungen auch an deutschsprachige Kunden, denen wir unsere Spezialitäten gerne weiter vorstellen möchten», erklärt Véronique Gallais. •

KONTAKT

Betjeman & Barton Rue Saint-Joseph 35 1227 Carouge Tel. 022 301 20 30 www.barton.ch

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... für einen guten Start in den Tag

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