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Hier kommt kein Stress auf den Teller

Nüsse spielen in der veganen Ernährung eine bedeutende Rolle. Die Milch der Kokosnuss wird unter anderem zur Joghurtherstellung genutzt. Aus Mandeln werden Brotaufstriche und Mandelmilch gemacht. Die Cashewnüsse wiederum dienen als Grundlage für veganen Weichkäse.

Fokus Hier kommt kein Stress auf den Teller

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Riccarda Frei

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Unsplash, zVg

Immer öfter sitzen Veganer mit am Frühstückstisch. Ohne grossen Mehraufwand kann man auch diesen Gästen Abwechslung und Auswahl bieten.

Zugegeben, nur 2,6 Prozent der Schweizer leben vegan (Stand Juni 2020). Trotzdem lohnt es sich, diese Gästegruppe im Auge zu behalten. Sie wächst schnell und hat sich innert eines Jahres mehr als verdoppelt. Ausserdem schmecken vegane Speisen nicht nur Menschen, die konsequent auf tierische Produkte verzichten. Warum also nicht mehr vegane Komponenten aufs Frühstücksbuffet stellen? Obst, Dörrfrüchte, Nüsse, Margarine und Brot sind ja schon da. Genauso die Veganer. Hat ein Hotel 100 Gäste, leben, statistisch gesehen, zwei bis drei davon schon heute vegan.

Kleiner Schritt mit grosser Wirkung

Ein Betrieb, der viel Erfahrung mit veganen Gästen hat, ist der Landgasthof Sommerfeld in Pragg-Jenaz/GR. «Wir waren 2012 das erste Restaurant im Kanton, das auch vegane Gerichte standardmässig auf die Menükarte gesetzt hat. Wir waren selbst überrascht, wie gut das ankam», sagt Bruno Bertoli. Er führt den Landgasthof Sommerfeld zusammen mit seiner Frau Anita.

In seiner Familie gibt es zwar keine Veganer, aber seine Mutter sei Vegetarierin gewesen. «Wir hatten deshalb immer eine schöne Auswahl an fleischlosen Gerichten. Es war für uns daher ein logischer Schritt, auch vegane Speisen zu kochen. Da wir alles frisch und ohne Fertigprodukte zubereiten, ist das für uns ohne Zusatzaufwand möglich. Manchmal braucht es einfach etwas Kreativität, um ein tierisches Produkt zu ersetzen. Aber es ist machbar.»

Gut zu wissen:

Nestpick, ein internationaler Wohnungsvermittler, hat im Rahmen einer Studie die vegetarier- und veganerfreundlichsten Städte der Welt ermittelt. Dazu wurden Fakten verglichen und bewertet wie etwa die Anzahl vegetarischer und veganer Restaurants sowie die Preise für Früchte und Gemüse oder auch Menüs. Den ersten Platz im Vegetarian Cities Index belegt London, gefolgt von Berlin, München und Wien. Zürich rangiert auf Platz sechs. Genf belegt auf der 100 Städte umfassenden Liste den Platz Nummer 40. Der ganze Vegetarian Cities Index ist einsehbar unter www.nestpick.com.

Während vegane Menüs immer erhältlich sind, müssen es Gäste ankündigen, dass sie vegan frühstücken möchten. «Wir stellen dann auf einem separaten Tisch extra ein Buffet auf. Dieses ist bestückt mit veganem Aufschnitt, veganem Käse, Birnel statt Honig, veganen Würstchen und veganem Joghurt», zählt Bruno Bertoli auf.

Weil er anfangs mit der Qualität des veganen Weichkäses unzufrieden war, stellte er ihn selber aus Cashewnüssen her. Die Bakterien für die Käseproduktion be- →

zog er aus der Molkerei. Inzwischen seien die industriell gefertigten veganen Käse viel besser geworden. Deshalb lohne sich für ihn der Aufwand des Selbermachens nicht mehr. Die meisten Komponenten fürs vegane Frühstück kauft er heute im Coop ein. «Es wäre schon cool, den Käse noch immer selber zu machen und ihn zu vermarkten, aber dafür fehlt mir die Zeit», bedauert der Koch und Gastgeber.

Mit veganem Brotaufstrich Food-Waste minimieren

Im Landgasthof Sommerfeld fällt der Apfel nicht weit vom Stamm – und er wird sofort zu einem veganen Brotaufstrich verarbeitet. Dies allerdings nicht von Bruno Bertoli, sondern von seiner Tochter Saskia. Sie ist Schülerin an der Evangelischen Mittelschule Schiers. Im Rahmen des Jungunternehmer-Schulprojekts «YES» hat sie als Massnahme gegen Food-Waste mit Mitschülern «Redefein» gegründet. Gemeinsam stellen sie in Papas Küche vegane Brotaufstriche her. Als Basis dient Okara, ein Nebenprodukt aus der Sojamilchherstellung, und Gemüse, das nicht schön genug für den Verkauf im Laden ist.

Bis jetzt gibt es die Redefein-Aufstriche in den Geschmacksrichtungen Meerrettich, Tomaten-Linsen, Karotten-Curry und Randen-Apfel. «Aktuell tüfteln wir mit Bärlauch und Linse mit Erbsen an zwei Frühlingsaromen. Für den Sommer möchten wir erstmals auch süsse Brotaufstriche kreieren. Zum Beispiel mit Feigen oder Erdbeeren», berichtet Saskia Bertoli.

Verkauft werden die veganen Aufstriche über die eigene Redefein-Webseite. Dort sind in der Rubrik Blog verschiedene Rezepte zu fi nden, die zeigen, wie viel seitig einsetzbar diese Aufstriche sind. Zum Beispiel als Füllung für Ravioli und gefüllte Apérogebäcke oder als Basis für einen cremigen Dipp.

Ob warm oder kalt, vegane Komponenten bereichern den Brunch. Ausserdem können einfallsreiche Köche bei der Zubereitung ihre Kreativität so richtig ausleben.

Bis zu 50 Prozent der Gäste schwenken auf veganes Frühstück um

Vegan frühstücken kann man auch im Tessin. Zum Beispiel im Hotel Sass da Grüm in San Nazzaro-Vairano. Das Hotel liegt hoch über dem Lago Maggiore an einem Kraftort. Es ist nur zu Fuss erreichbar. Die naturverbundenen, ruhesuchenden Gäste bleiben in der Regel eine Woche. Gekocht wird im «Sass da Grüm» mit Bio-Produkten, teilweise aus eigenem Anbau. Abgesehen vom gelegentlichen Fisch isst man hier vegetarisch. Während veganes Mittag- und Abendessen vorbestellt werden muss, ist das vegane Frühstücksbuff et fester Bestandteil des täglichen Angebots. «Wir haben festgestellt, dass ein Drittel bis die Hälfte unserer non-veganen Gäste sich ebenfalls gerne am veganen Buffet bedienen. Dies vor allem ab der Mitte ihres Aufenthalts», sagt Hotelier Peter Mettler. Er vermutet, dass die Gäste sich langsam an die vegane Kost herantasten und dann merken, dass sie nicht nur schmeckt, sondern dem Körper auch gut tut. «Man fühlt sich nach dem Essen nicht voll, sondern angenehm leicht», berichtet Peter Mettler von seinen eigenen Erfahrungen.

Besonders beliebt seien bei den Gästen das vegane Kokosjoghurt der Molkerei Biedermann aus Bischofszell/TG und der Weichkäse von New Roots aus Oberdiessbach/BE bei Thun.

Teurer im Einkauf, dafür ergiebiger

«Ja, vegane Produkte sind im Einkauf teurer als non-vegane. Aber unterm Strich geht die Rechnung dennoch auf», sagt Peter Mettler und erklärt: «Veganer Käse aus Nüssen ist etwas mastiger als Käse aus Milch. Darum isst man davon automatisch weniger.» Ausserdem könne ein kreativer und nachhaltig arbeitender Koch viele vegane Komponenten einfach und kostengünstig selber produzieren. «Den Humus stellen wir in verschiedenen Aromen selber her. Zum Beispiel mit Randen.» Ausserdem wird im «Sass da Grüm» generell achtsam mit Lebensmitteln und Menschen umgegangen. Man plant gut, kauft nur ein, was wirklich gebraucht wird, und verarbeitet es liebevoll. Ein Gast schrieb in einer Bewertung: «Hier kommt kein Stress auf den Teller. Weder der des Tieres, noch der der Mitarbeitenden.» •

Als Massnahme gegen Food-Waste hat eine Schülergruppe der Mittelschule Schiers/GR vier vegane Brotaufstriche entwickelt. Weitere sind in Planung.

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VEGANER WILLKOMMEN

Auf der Plattform veganwelcome.com sind Hotels aus aller Welt gelistet, die ihr Speiseangebot mit veganen Optionen ergänzt haben. Die Schweiz ist mit vier Häusern vertreten: Landgasthof Sommerfeld in Pragg-Jenaz und Hotel Saratz in Pontresina, beide in Graubünden, sowie Hotel Sass da Grüm in San Nazzaro-Vairano und Chalet Stella Alpina-Hotel in Ronco Bedretto, beide im Tessin. Das erste ganz vegane Hotel der Deutschschweiz, das Hotel Swiss in Kreuzlingen, hat im März seinen Betrieb als Folge der Pandemie dauerhaft eingestellt.

KONTAKT

Landgasthof Sommerfeld Furnerstrasse 2 7231 Pragg-Jenaz Tel. 081 332 12 12 www.sommerfeld.ch

Redefein (Online-Shop) Tel. 076 500 72 06 redefein.info@gmail.com Tel. 076 500 72 06 www.redefein.ch

Hotel Sass da Grüm Via Campea 27 6575 San Nazzaro-Vairano Tel. 091 785 21 71 www.sassdagruem.ch

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