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Der etwas andere Kaffee

Lupinenkaffee kann wie Bohnenkaffee im Siebträger oder im Filter zubereitet werden. Am feinsten entfalten sich die Aromen jedoch in der French-Press nach rund zehn Minuten ziehen lassen.

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Gabriel Tinguely

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Claudia Link

Im Restaurant Werkhof in Liebefeld/BE kochen Rafael Hänni und Michael Früh nur mit Schweizer Produkten. Kakao und Vanille sind Tabu. Ebenso Kaffee. Bei der Suche nach Alternativen stiess Co-Geschäftsleiterin Fabienne Lüdi auf Produkte mit spannenden Geschichten.

Zugegeben: Fabienne Lüdi trinkt am Morgen gerne einen «normalen» Kaffee. Wie vielen Schweizerinnen und Schweizern verleiht ihr das Koffein einen gewissen Energie-Kick für den Start in den neuen Tag. Während des ganzen Tages werden hierzulande zahlreiche Tassen Kaffee mit Koffein konsumiert und häufig krönt klassischer Espresso auch ein feines Abendessen.

Ganz anders im Restaurant Werkhof in Liebefeld/BE. Bohnenkaffee passt nicht in das Konzept von Fabienne Lüdi und ihren Geschäftspartnern Rafael Hänni und Michael Früh. Das Trio verarbeitet und serviert – ohne Ausnahme – nur Lebensmittel und Getränke aus der Schweiz. «In den ersten Wochen nach der Eröffnung im Mai 2020 reagierten viele Gäste skeptisch, wenn ich ihnen anstelle von klassischem Espresso Lupinenkaffee empfahl», erzählt Fabienne Lüdi. «Wer starken Espresso mag, dem ist Lupinenkaffee wohl zu schwach. Beim Cappuccino ist der Unterschied zu normalem Kaffee jedoch geringer. Denn ein Schuss warme Milch rundet den Geschmack ab.» Schön findet sie, dass ein neues Bewusstsein entsteht und sich mittlerweile viele Menschen vorstellen können, Lupinenkaffee zu trinken. Zahlreiche Gäste kamen extra für einen solchen Kaffee in den «Werkhof». Nachdem das Restaurant Corona-bedingt schliessen musste, bestellen Liebhaber ihren Lupinenkaffee nun im Webshop.

Vom Armenkaffee zum Hipstergetränk

Die Suche nach einer Schweizer Alternative zu importierten Kaffeebohnen war mit vielem Pröbeln verbunden. Fabienne Lüdi begann mit Eicheln, die sie vor ihrer Haustüre sammelte. «Der Aufguss schmeckte nur entfernt nach Kaffee und war ungeniessbar bitter», sagt Fabienne Lüdi über ihren ersten privaten Versuch.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war es ganz normal, Eicheln zu sammeln und daraus Kaffee zu machen. Mit steigendem Wohlstand bekam dieser den abschätzigen Namen Armer-Leute-Kaffee. Eichelkaffee ist heute in Reformhäusern erhältlich. Er soll heilbringend auf gereizte Verdauungsorgane wirken, einen positiven Einfluss auf die Bauchspeicheldrüse haben und den Blutzucker senken. In der Volksheilkunde wurde er früher auch bei Milz- und Leberschwellungen infolge von Alkoholmissbrauch eingesetzt. Das Prozedere zu dessen Herstellung ist aufwändig. Erst müssen die Eicheln geschält werden. Dann gilt es, sie zu blanchieren, um die Innenhaut zu entfernen, und mit Wässern zu entbittern. Danach können die Früchte gehackt, geröstet und gemahlen werden. Eichelkaffee wird im Filter gebrüht oder in der FrenchPress zubereitet.

Eine weitere regionale Alternative, die Fabienne Lüdi testete, war Zichorienkaffee. Hergestellt wird dieser aus gerösteten Zichorienwurzeln. Verwendbar sind auch die Wurzeln von Löwenzahn oder Spitzwegerich. Zichorienkaffee diente im frühen 19. Jahrhundert zum Strecken des raren und teuren Bohnenkaffees. Ab →

Reiner Zichorienkaff ee ist sehr dunkel, reichlich färbend und eher bitter im Geschmack. Er wird im Filter oder in der French-Press zubereitet und eignet sich als Basis für Milchkaff ee.

Gut zu wissen:

Lupinus angustifolius, eine schmalblättrige Gattung aus der Familie der Hülsenfrüchte, gehört zu den interessantesten Pfl anzen im Ernährungsbereich. Sie ist eine alte, heimische Kulturpfl anze. Anspruchslos im Anbau belastet sie weder Boden noch Klima. Mit regionalen Kulturen entfällt der CO2-Ausstoss durch weite Transporte. Die Samen sind reich an Protein, Vitaminen und Spuren elementen. Das macht Lupinen zur besseren Alternative von Soja. Noch sind Lupinen ein Nischenprodukt. Deren Anbau wird jedoch von Bio-Suisse gefördert. den 1860er-Jahren führte die Nachfrage «Aroma» und «Essenz» zu einer schweizerischen Kaff eesurrogat-Industrie, die in einem harten Wettbewerb mit der deutschen Konkurrenz stand. Ein Produkt aus jener Zeit hat bis heute überlebt: das Franck Aroma. Zichorienkaff ee in Bio-Qualität ist in Reformhäusern erhältlich.

Für Fabienne Lüdi war dies keine wohlschmeckende Alternative. Sie empfand den Zichorienkaff ee als zu bitter.

Nachhaltiger Kaffee aus Hülsenfrüchten

Eines Tages traf Fabienne Lüdi auf Stefan Brunner. Dieser baut auf seinem bio-zertifi zierten Landwirtschaftsbetrieb Eichhof in Spins bei Aarberg/BE neben zahlreichen alten Getreiden und exotischen Samen auch Süsslupinen an. Die attraktiven Blütenpfl anzen gedeihen gut und müssen nicht bewässert werden. Die Samen der Süsslupinen bestehen zu 40 Prozent aus Protein. Sie enthalten wenig, aber qualitativ hochwertiges Fett sowie Vitamine und Mineralstoff e wie Kalzium, Magnesium und Eisen. Ein weiterer Vorteil ist der kurze Transportweg. Von Brunners Eichhof über die Rösterei zum «Werkhof» misst die Strecke kaum 25 Kilometer.

Mehrere Hundert Kilo SüsslupinenSamen hat Fabienne Lüdi 2019 für den «Werkhof» reserviert. Reto Sigrist, der Röster von Adriano’s Kaff ee in Bern, röstet diese nach Bedarf. Mit ihm hat das «Werkhof»-Team den richtigen Röstgrad sowie die optimale Zubereitung erarbeitet. Für zwei Tassen gibt Fabienne Lüdi 15 Gramm geröstete und frisch gemah-

lene Lupinensamen in eine French-Press und giesst drei Deziliter kochendes Wasser darüber. Nach zehn Minuten drückt sie das Pulver mit dem Sieb auf den Boden und schenkt den Lupinenkaffee in vorgewärmte Tassen ein.

«Lupinen haben den feinsten Geschmack von allen Schweizer Kaffee-Alternativen, die wir getestet haben», sagt Fabienne Lüdi. «Er hat eine Textur wie Tee. Und er schmeckt nach Popcorn, gerösteter Haselnuss, ein bisschen nach geröstetem Getreide oder gepufftem Reis.» Wenig Zucker verstärkt die Aromen. Wer mag, trinkt den Lupinenkaffee mit Kaffeerahm, Milch oder als Cappuccino.

Koffein hat positive Effekte, aber nicht ausschliesslich

Koffein wirkt belebend und die Koffeinmenge von maximal sechs Tassen Bohnenkaffee pro Tag ist gesundheitlich unbedenklich. Doch bei manchen Menschen kann Koffein bereits in kleinen Mengen Nebenwirkungen wie vermehrter Harndrang, Inkontinenz, Schweissausbrüche oder Magenbeschwerden zur Folge haben. Kaffee-Alternativen aus Eicheln, Zichorien und Lupinen sowie aus Getreide und Früchten enthalten kein Koffein. Deshalb haben sie kaum negative Folgen für das Wohlbefinden. Getreidekaffee wird meist als Instantpulver angeboten und wird direkt in der Tasse mit heissem Wasser oder heisser Milch aufgegossen. Für Gastronomen, die auch Getreidekaffee anbieten möchten, eignen sich Portionenbeutel. •

KONTAKT

Restaurant Werkhof GmbH Könizstrasse 172 3097 Liebefeld/BE Tel. 031 921 44 44 www.restaurantwerkhof.ch

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Getreide- und Früchtekaffee schmecken aromatisch mild. Das Instant-Pulver wird direkt in der Tasse zubereitet und kann mit Wasser oder Milch aufgegossen werden.

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