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Dörrbohnen sind runzlig, aber schmackhaft

Dörren ist eine der ältesten Haltbarkeitsmethoden. Ein in der Schweiz bekanntes Produkt sind Dörrbohnen. Sie sind klassischer Bestandteil der Berner Platte. Doch aus den Stängeln lässt sich weit mehr machen.

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Ruth Marending

BILDER

Jakob Ineichen

D

ie gute alte Zeit war beim Haltbarmachen von Bohnen keine gute alte Zeit. Jede Bohne musste mühselig einzeln aufgefädelt werden. Diese so bestückten Schnüre wurden dann zum Trocknen in der warmen Stube aufgehängt. Wie einfach geht das doch vergleichsweise heute. Wenn die Familie Frühauf auf ihrem Hof bei Pfaff nau/LU die Bohnen erntet, entfällt bereits auf dem Feld das mühsame Bücken und Abpflücken der niedergewachsenen Bohnenpflanze. «Bei uns funktioniert die Bohnenernte mit einer Erntemaschine», erzählt Selina Frühauf (37) mit einem Blick auf den handtuchförmigen, langgezogenen Ackerstreifen vor ihr. Erst bei genauerem Hinsehen sieht der Betrachter die prallen Bohnen, die sich zwischen den Blättern verstecken.

Dass Selina Frühauf überhaupt auf diesem Feld steht und sich mit der aktuellen Bohnenernte auseinandersetzt, ist dem familiären Umstand geschuldet: Die studierte Ärztin in Humanmedizin hat mit ihrem Ehemann Marc Frühauf, Architekt, dessen elterlichen Hof übernommen.

Die Dörranlage ist das Herz des Gehöfts Grünboden

Die Bio-Manufaktur Grünboden gibt es seit 2005. Damals suchten Christina und Urs Frühauf, die Eltern von Marc Früh auf, nach einer neuen Lösung für den Bauernhof, der aus dem Nachlass von Christina Frühaufs Familie stammt. «Wir standen beide damals fest im Berufsleben, suchten aber nach einer neuen Herausfor derung», erinnert sich Urs Frühauf (66). Bald stiessen sie auf das Dörren von Bohnen. «Damals kamen Dörrbohnen nicht mehr aus heimischer Produktion, sondern vor allem aus Asien.» Ein Umstand, der ihnen missfiel und so gar nicht in die bereits damals einsetzende Fokussierung auf heimische Produkte passte. Unter dem Label «Gourmetgenuss vom Grünboden» belieferte die Bio-Manufaktur fortan den Lebensmittelfachhandel mit luftgetrockneten Bioprodukten in «Bio Suisse»-Knospenqualität.

Urs Frühauf ist an diesem Morgen dabei, Zucchetti süss-sauer einzulegen. Einmal pro Woche werden von Ende Juli bis in den Herbst Bohnen geerntet und verarbeitet. Weil die Bohnen auf mehreren kleineren Parzellen in verschiedenen zeitlichen Abständen gesetzt werden, findet die Ernte gestaffelt statt.

Die geernteten Bohnen werden gespitzelt und gewaschen. Dann werden sie vor dem Trocknen ein paar Minuten lang blanchiert. «Dieser Vorgang ist nötig, damit der Giftstoff in den Bohnen eliminiert wird», erklärt Urs Frühauf. Ungekochte grüne Bohnen enthalten eine giftige Eiweissverbindung, das sogenannte Phasin. Werden die Bohnen mindestens zehn Minuten gekocht, wird das Protein weitgehend zerstört.

Anschliessend werden die Bohnen kalt abgeschreckt und abgetropft in den Trockner gegeben, wo sie bei weniger als 35 Grad Celsius rund 24 Stunden verbleiben. «Wir dörren die Ware so schonend wie möglich, damit die Vitamine und Nährstoffe mög lichst erhalten bleiben», erklärt Urs →

DAS REZEPT

TARTE MIT DÖRRBOHNEN UND TOMATEN

Für ein Kuchenblech von 25 x 30 cm

50 g 1 80 g 25 g

1

2 1 dl 250 g Dörrbohnen, eingeweicht Zwiebel, gehackt Speck, in Tranchen getrocknete Tomaten, klein geschnitten Zweiglein Bohnenkraut Salz Pfeffer aus der Mühle Eier Halbrahm geriebener Teig oder Blätterteigboden

Zwiebel in Butter andämpfen, Bohnen und Bohnenkraut mitdämpfen. Soviel Einweichwasser wie nötig beigeben und 60 bis 90 Minuten lang kochen. Mit Salz und Pfeffer ab schmecken. Speck in einer beschichteten Bratpfanne ohne Fett knusprig braten. Bohnen und klein geschnitte ne Tomaten beigeben, kurz mitbra ten. Mit Bohnenkraut abschmecken. Backofen auf 180 Grad Celcius vor heizen. Den Teig auf wenig Mehl zu einem Rechteck von 28 x 33 cm auswallen. Auf ein mit Backpapier belegtes Kuchenblech legen. Die Ränder mit einer Gabel ans Blech drücken. Den Teigboden mit der Gabel mehrfach einstechen. Dörrbohnen, Tomaten und Speck darauf verteilen. Kuchen in die unterste Rille des Ofens schieben, 15 Minuten lang ba cken. Inzwischen den Halbrahm mit den Eiern verquirlen, mit Salz und Pfeffer würzen. Den Guss auf die Wähe giessen, zurück in den Ofen schieben und weitere 15 Minuten backen. Dazu passt ein Blattsalat mit Knoblauchdressing.

Damit die Bohnen nicht alle zur selben Zeit reif sind, werden sie auf kleinen Feldstücken zeitversetzt gepflanzt.

Dörrbohnen-Salat: Eingeweichte Bohnen andünsten. Auskühlen lassen. Gehackte Baumnüsse und Balsamico mit den Bohnen in eine Schüssel geben. Salzen und pfeffern. 15 Minuten ziehen lassen.

Auf dem Feld der BioManufaktur Grünboden in Pfaffnau/LU kommt eine Erntemaschine zum Einsatz.

Gut zu wissen:

Slow Food hat in der Schweiz über 20 sogenannte Presidio- Produkte aufgebaut. Mit der Auszeichnung solcher Produkte werden vom Verschwinden bedrohte Lebensmittelproduktionen unterstützt. Auf diese Weise werden nicht nur traditi onelle Bearbeitungstechniken bewahrt, sondern auch einzigartige Regionen und Ökosysteme beschützt sowie autochthone Tierrassen und Pfl anzenarten gefördert. Slow Food nimmt diese Produkte in die Arche des Geschmacks auf. Weltweit gibt es über 500 Presidio-Produkte mit mehr als 13 000 Produzenten. www.slowfood.ch

Frühauf. Pro Saison werden rund sechs Tonnen Bohnen verarbeitet. Von einem Kilo Bohnen bleiben nach dem Dörrprozess rund 100 Gramm übrig. Das verlorene Gewicht ist vor allem auf den hohen Wassergehalt frischer Bohnen zurückzuführen.

Wie die Dörrbohnen den Weg auf unseren Speisezettel fanden

Die Geschichte der Gartenbohne in Europa beginnt mit der Entdeckung Amerikas. Bohnen gab es in Europa zwar bereits vor Kolumbus’ Entdeckungsreise nach Amerika. Allerdings nicht die Gartenbohne, deren Hülse im Gegensatz zur damals üblichen Acker- oder Saubohne essbar ist. Es dauerte eine Weile, bis sich die amerikanische Bohne im Verlaufe der nächsten Jahrhunderte als Nutzpfl anze in Europa eta blierte. Im Verzeichnis «Kulinarisches Erbe der Schweiz» ist nachzulesen, dass

Dörrbohnen erstmals 1775 Erwähnung in Europa fi nden. Neben dem Lufttrocknen war damals auch das Trocknen von Bohnen in den Backöfen der Bäcker üblich.

Wie andere Hülsenfrüchte auch wurde die Gartenbohne rasch zu einer wichtigen Quelle für pfl anzliches Eiweiss. Fleisch stand bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für einen Grossteil der Bevölkerung nicht auf dem täglichen Speisezettel.

Der Einfl uss der Dörrbohnen nahm ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr ab. Neue Konservierungsmethoden kamen auf, Konsumenten fanden eine stetig vergrösserte Nahrungsmittelpalette vor und frisches Gemüse war dank Importen stets verfügbar. Die Dörrbohnenproduktion nahm hierzulande immer mehr ab. Heute gehören die so verarbeiteten Bohnen zu den sogenannten Presidio-Produkten. Slow Food zeichnet damit Produkte aus, deren Herstellungsmethoden in Vergessenheit zu geraten drohen.

Doch ein wesentlicher Faktor hindert die Dörrbohnen-Produktion am erneuten

Marc und Selina Frühauf von der Bio-Manufaktur Grünboden im luzernischen Pfaff nau.

grossen Aufstieg. «Sie sind für die Gastronomen zu teuer», weiss Urs Frühauf. 100 Gramm kosten in seinem Online-Shop 11.80 Franken. Für Gastronomen gibt es einen Spezialpreis.

Einer, der diese Kosten nicht scheut, ist Jürg Wintsch, Gastgeber im Hotel Schweizer haus in Maloja/GR. «Wir servieren die Dörrbohnen bei zwei Gerichten», führt er aus. Einmal mit der Churer Beinwurst, die ebenfalls ein Presidio-Produkt von Slow Food ist, und einmal im «Engadiner Topf», einer Mischung von Schweins-, Rinds- und Bergeller Bio-Kalbsfi let, Pizokel und Dörrbohnen. •

KONTAKT

Hof und Bio-Manufaktur Grünboden Familie Frühauf 6264 Pfaff nau/LU www.gruenboden.ch

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