Luzern, den 19. Oktober 2016
11
Pe rsön lich
HGZ No 29
JÜRG DEGIACOMI «ICH MUSSTE MEINEN VATER ÜBERZEUGEN»
Kopf der Woche
Adriana Novotná
Der 55-jährige Hotelier und Eigentümer der «Chesa Salis» in Bever übernahm vor dreizehn Jahren zusammen mit seiner Frau Sibylla das Hotel seines Vaters. Nun übergibt er das Zepter an seine Nachfolger.
«Kronenstübli»-Gastgeberin ist Sommelière des Jahres 2017 Die Restaurantleiterin, die seit dreizehn Jahren die Gäste des Restaurants Kronenstübli in Pontresina verwöhnt, überzeugte die Jury. Die frischgebackene Gault-Millau-Sommelière ist neben ihrer Rolle als Gastgeberin zudem als F & B Managerin für den Gesamtbetrieb Grand Hotel Kronenhof tätig.
H GZ : Langsam neigt sich Ihre Zeit als Hotelier der «Chesa Salis» dem Ende zu. Auf die Wintersaison 2016/17 übernehmen Sarah Wild und Uwe Schmidt. Wird Ihnen der Abschied schwer fallen? J Ü RG D EG I ACO M I : Nein, wenn ich mich zu einem Schritt entschieden habe, kann ich gut einen Schlussstrich ziehen. Zudem werde ich in Zukunft wieder mehr Zeit haben, meinen Interessen nachzugehen. Wie zum Beispiel dem Kochen. Das ist auch nicht zu verachten (lacht). Der Kontakt zu unseren langjährigen Stammgästen wird mir jedoch fehlen. Das weiss ich schon jetzt.
Apropos Gäste, wie hat sich deren Verhalten über die Jahre verändert? Die Gäste sind abenteuerlustiger geworden. Sie suchen die Abwechslung und buchen kurzfristig. Und wenn sie im Voraus buchen, ist es gut möglich, dass sie bei schlechten Wettervoraussagen kurz vor der Anreise wieder stornieren. Zudem ist auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 4,5 Tagen im Jahr 2000 auf aktuell unter 2,5 Tage zurückgegangen. Im Weiteren haben die Anspruchshaltung und Ichbezogenheit des Gastes enorm zugenommen. Die Dienstleistung muss sofort und massgeschneidert verfügbar sein. Das fängt beim Essverhalten an und reicht hin bis zu speziellen Kissen, die die Gäste verlangen. Früher hatten die Hoteliers das Sagen, heute sind es die Gäste.
Kochkunst ist schön, muss aber finanzierbar sein. M A R I A G ROS S , KÖ CH I N R E S TAU R A N T B ACH S T EL ZE, ER F U RT
K afiK
l at
scH
Personalia
Kevin Furrer Neuer General Manager im Swissôtel Zürich
Jürg Degiacomi freut sich auf seine Zeit nach der «Chesa Salis».
Topgewartete Webseite, Social Media, Newsletter. Das Hotelbusiness ist über die Jahre sehr komplex geworden. Der Hotelier als Alleskönner? Für kleine Hotels ist das in der Tat eine grosse Herausforderung. Wie man nach aussen auftritt, ist heute entscheidend. Grosse Hotels haben ganze Abteilungen dafür. Der Komplexität des Marketings und Vertriebs kann man eigentlich nur durch Outsourcing entgegentreten. Ich habe eine Agentur damit beauftragt, meinen Internetauftritt, Google Adwords sowie die Social-MediaKanäle inklusive Newsletter zu betreuen. Trotzdem muss man als Hotelier immer auf dem neuesten Stand sein, um zu entscheiden, welche Tools für den Betrieb sinnvoll sind. Das braucht viel Zeit. Wenn Sie auf die dreizehn Jahre zurückblicken, was war das Anspruchsvollste? Mitarbeiter zu gewinnen, die uns lange die Treue hielten. Mitarbeiter zu finden, war das eine. Mitarbeiter zu halten, das andere. Bever ist zwar sehr schön, aber es ist halt nun mal nicht der Nabel der Welt. Als kleines Hotel konnten wir zudem weder grosse Karrierechancen noch Weiterbildungsmöglichkeiten bieten.
Wie gingen Sie mit diesem neuen Verhaltensmuster um? Ich habe immer über die Qualität und nicht über den Preis argumentiert. Lieber habe ich auf ei- Was würden Sie heute anders nen Gast verzichtet, dem es nur machen? darum ging, den Preis runterzu- Ich würde früher versuchen, mit handeln. Dafür freute ich mich anderen kleinen Hotels Kooperaumso mehr über einen Gast, der tionen im Bereich Marketing & unsere Leistungen schätzte. Je Vertrieb einzugehen. So könnte mehr man über den Preis einer man beispielsweise an HotelmesDienstleistung diskutiert, umso sen gemeinsam auftreten, um nur mehr rückt deren Wert in den ein Beispiel zu nennen. Hintergrund. Doch ich muss auch sagen, dass wir sehr privilegiert Als Sie das Hotel Ihres Vaters waren. Wir hatten über die Jahre erbten, wollten Sie zuerst einen Geschäftsführer viele Stammgäste.
Z VG
einstellen, fanden aber keinen. Wie sind Sie nun bei Ihrer Nachfolgeregelung vorgegangen? Der Prozess begann bereits vor ein paar Jahren. Ich sondierte zuerst in unserer Familie. Doch meine beiden Töchter hatten kein Interesse an dem Hotel. Also begann ich, die Info zu streuen. Und wir hatten grosses Glück. Die ausgewiesenen Hotel- und Gastroprofis Sarah Wild und Uwe Schmidt werden das Hotel in zwei Wochen übernehmen. Sarah ist die Tochter von Urs Wild, der in Portugal zwei Hotels betreibt und mit dem ich seit einiger Zeit eine Hotelkooperation führe. Haben Sie schon Pläne für Ihre Zukunft? Nein, zurzeit noch nicht. Zu Beginn werde ich dem neuen Hotelierpaar noch etwas zur Seite stehen. Zudem bin ich beim Gasthaus Spinas im Val Bever involviert, wo ich den neuen Geschäftsführer coachen werde. Dann sehen wir, was die Zukunft bringen wird. I N T ERV I E W B ER N A D E T T E B I S SI G
Zur Person Jürg Degiacomi führt mit seiner Frau Sibylla Degiacomi seit dreizehn Jahren das «Chesa Salis» in Bever. Auf die Wintersaison 2016/17 übergibt das Paar die Geschäftsleitung Sarah Wild und Uwe Schmidt. Bevor Jürg Degiacomi das Hotel seines Vaters übernahm, war der Betriebswirt lic. oec. HSG unter anderem bei Johnson & Johnson und Rotring als Geschäftsführer tätig.
Mehr Informationen unter: www.chesa-salis.ch.ch
«Die Nachfolgeregelung ist die zentrale Aufgabe eines Hoteliers.»
. . . zitiert . . .
K E YS TO N E
Dieter Meier Der Tausendsassa eröffnet sein drittes Restaurant
Der 37-jährige Berner hat die Nachfolge von Torsten Pinter angetreten, der das Haus seit April 2012 geleitet hat. Kevin Furrer hat das Business von der Pike auf gelernt und ist seit 2004 bei Swissôtel Hotels & Resorts tätig. Nach neun Jahren im Ausland ist er kürzlich in die Schweiz zurückgekehrt.
Im Zürcher Aussenquartier Albisrieden geht morgen die «Brasserie» auf. Der Musiker, Konzeptkünstler und Unternehmer betreibt das Lokal auf dem ehemaligen Areal des Zollfreilagers jedoch nicht alleine. An seiner Seite sind die drei Partner Nicolas J. Maeder, Patrik Bruderer und Marco Pero.
Jacqueline und Tom Wander
Esko Rebstock
Neues Inhaberpaar im «Landhaus» in Liebefeld
Neuer Direktor des Novotel Zürich Airport
Die bisherigen Besitzer Brigitte und Jos de Wolf-Oster haben das Hotel nach 29 Jahren verkauft. Jacqueline und Tom Wander werden das bisherige Konzept weiterführen.
Der 40-jährige Deutsche übernimmt das grösste Haus der Accor-Hotels-Gruppe. Esko Rebstock verfügt über weitreichende Erfahrung in der Luxushotellerie.
olum n G as tk
e
Man liebt ihn, man liebt ihn nicht ... Jürg Schmid, Direktor Schweiz Tourismus
... den Reiseveranstalter. Ach, wie war er doch vor vielen Jahren verschmäht. Hohe Kommissionen liessen die Hoteliers zusammenzucken. Dann kam die verheissungsvolle Zeit der Digitalisierung. Disintermediation, die Überbrückung des Zwischenhandels, hiess die Prophezeiung des Digital Economy Gurus Don Tapscott. Doch es kam anders. Ein neuer Zwischenhandel ist entstanden und presst die Kommissionssätze in die Höhe. Die Online Travel Agencies sind jedoch anders als der Tour Operator: Sie generieren kaum zusätzliche Nachfrage, sondern schöpfen gekonnt, sprich mit wuchtigen Google-Ad-Budgets, ab. Manche sehnen sich nun nach der Dominanz der Reiseveranstalter zurück. Sie erschliessen neue Kanäle und Nachfragegruppen. Nun, sie sind, wenn auch mit
geringerem Marktanteil, immer noch präsent und sind vor allem in organisationsintensiven und thematischen Reisen etabliert. Will man in den neuen Fernmärkten punkten, so kommt man kaum an ihnen vorbei. MultichannelStrategie ist die Verkaufsmaxime der Hotellerie. Also über multiple Kanäle die maximale Auslastung erzielen. Die Kooperation mit den OTAs ist dabei unerlässlich. Die Ergänzung durch gezielte Kooperationen mit Tour Operators lautet meine Empfehlung. Der Switzerland Travel Mart ist dafür die richtige Plattform. Die Chefeinkäufer/-innen der wichtigsten Reiseveranstalter sind zu Besuch in der Schweiz – im nächsten September in Davos. Ihre Vorbereitungen beginnen jetzt. Ihre Tourismusorganisation ist Ihr Entry Ticket.