HetG-Magazin 2/2011

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Hotellerie gastronoMie Maga Zin 20 11

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Zeitreise Titelb

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Vitrine Neue Produkte im Schlaglicht

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eXPosition

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titu t für Ar be itsw

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Schraubverschlüsse für Spitzenweine?

Die gute alte Zeit in der gehobenen Hotellerie

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Baizenkultur

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starGast

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kalter rauch

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desiGn

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Postkutsche

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historische routen

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tradition

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Braukunst

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Das Beiheft zum Thema Zukunft

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kochkunst

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rezePte

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retro oder future? oder gar beides gleichzeitig? wir zeigen ihnen Beispiele für diese beiden wichtigen Branchentrends. anhand von Projekten, die für eine rückbesinnung auf tradierte werte stehen. aber auch durch bahnbrechende konzepte, die spätestens 2050 das mass aller touristischen dinge sein werden.

s Fra un hofer Ins

editorial

Hotellerieet g a stronoMie M ag a Zin

die Branche zwischen tradition und zukunft

re Hotel» de ild: Projek t «Futu

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bis

Zu Besuch in Basels Bermuda-Dreieck

Sieben Fragen an Patisseriekönig Ewald Notter

Mundige Spezialitäten aus Ostermundigen

Das Stiefkind der Branche? Mit 5 PS über den Gotthard Auf den Spuren der Hotelpioniere durch die Schweiz

Die Confiserie Sprüngli wird 175 Die grossen Biere aus Böhmen

Die Aargauer wollen es wissen Vom Aufsteiger des Jahres Tobias Funke


Sind Schweizer Schweine wirklich gl체cklicher als ausl채ndische?

Hof: Markus Wenger, S체deren


Kontrollierte Herkunft Schweiz.

Fast zwei Drittel aller Schweizer Schweine werden in besonders tierfreundlichen Ställen gehalten und mehr als die Hälfte haben regelmässigen Auslauf ins Freie. Kein anderes Land behandelt seine Schweine nur annähernd so gut. Das zeigt ein europäischer Vergleich. Artgerechte Haltung und die Sorge zur Natur sind in unserer Landwirtschaft tief verwurzelt. Alle Schweizer Schweinebetriebe haben eine überschaubare Grösse. Gefüttert werden hier auch Nebenprodukte aus der Nahrungsmittelherstellung wie Molke, Kartoffelschälbrei, Melasse und Brotreste. Das ist ökologisch sehr sinnvoll. Mehr Platz im Stall als sonst in Europa haben Schweizer Schweine schon heute. Denn strenge Gesetze und Vorschriften schützen alle Nutztiere. Auch die Transportwege in den Schlachthof sind hier viel kürzer als irgendwo. Und regelmässige Kontrollen sorgen für die Einhaltung des Tierschutzgesetzes.

Unsere Nutztiere haben ein gutes Leben verdient. Der nachhaltigen, artgerechten Produktion gehört die Zukunft. Davon profitieren auch die Konsumentinnen und Konsumenten. Weil unsere Schweine tierfreundlich gehalten werden, schmeckt auch ein feines Stück Schweizer Schinken noch ein bisschen besser. Und das ist seinen Preis wert. Für mehr Informationen: www.schweizerfleisch.ch


Kreieren Sie Meisterwerke. Die Basis liefern wir.

Hochwertige Halbfabrikate sowie exquisite Pralinés, Truffes und Konfektspezialitäten: Mit einer einzigartigen Produktpalette und individuellen Lösungen ist Läderach – chocolatier suisse Ihr Partner für frischeste Qualität und exzellenten Service. Wir beraten Sie gerne und liefern direkt.

Confiseur Läderach AG | T 055 645 44 44 | Fax 055 645 44 45 | bestellung@laederach.ch | www.laederach.ch


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P h i B l i i t p z p R e r HE

rung e d n ä r e v r u z t u M


m a g a z i n

eine limonade wird

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alles begann im Jahre 1935. der französische unternehmer leon Beton lernte auf einer handelsmesse in marseille einen spanischen apotheker namens dr. trigo kennen. trigo hatte ein erfrischungsgetränk auf natürlicher Basis erfunden, das er naranjina nannte. Verführt von dem einmaligen Geschmack, beschloss leon Beton ein Jahr später, die rezeptur zu kaufen. damit nahm die erfolgsgeschichte einer der meistverkauften limonaden der welt ihren lauf: orangina war geboren. das erfrischungsgetränk, so wie man es heute kennt, ist weltweit eines der beliebtesten softdrinks. «was orangina von anfang an so besonders machte, war das einzigartige zusammenspiel verschiedener zitrusaromen. Jede flasche orangina enthält zwölf Prozent reinen fruchtsaft, orangenschalenextrakt und zwei Prozent fruchtfleisch», sagt rico steiner, country manager von orangina. der fruchtsaftanteil enthält einen bestimmten Prozentsatz spezieller zitrussaftakzente, zum Beispiel von zitronen, mandarinen und Grapefruits. der saft macht im zusammenspiel mit dem orangenschalenextrakt und dem fruchtfleisch jeden schluck besonders spritzig.

«orangina war die erste limonade ihrer zeit, die saftiges fruchtfleisch und orangenschalenextrakt enthielt», erzählt steiner. «während andere limonadenhersteller künstliche fruchtsaftgetränke herstellten, beliess man hier das wertvolle fruchtfleisch in der flasche. so wird der Genuss von orangina zu einer ganz neuen Geschmackserfahrung.» damals wie heute ist orangina ein naturbelassenes Produkt. die typische farbe verdankt das Getränk dem fruchtsaft aus speziell für orangina ausgesuchten Qualitätsorangen.

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Bezugsquelle schweiz: schlör aG 5737 menziken tel. 062 765 82 82 www.orangina.com


m a g a z i n von der natur abgeschaut «seasons» heisst diese kreative neu-interpretation des Bananenblattes, das im asiatischen raum als teller dient. die japanische designerin nao tamara hat für das innovative italienische unternehmen covo diese idee aus der natur aufgenommen und in bestechender art und weise umgesetzt, ohne dass man dem Produkt die hochtechnologie ansieht, die dahinter steckt. die Blätter sind übrigens in drei Grössen und ausführungen erhältlich. www.covo.it

best of ducasse schraubverschluss für spitzenwein!

der 1956 in südwestfrankreich geborene alain ducasse gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten der internationalen kochkunst und gilt als der höchstdekorierte koch der welt. zum 10-Jahr-Jubiläum seiner berühmten fünfbändigen reihe «Grand livre de cuisine» präsentiert der legendäre sternekoch nun ein weiteres kochbuch, in welchem seine 300 besten kreationen zusammengefasst sind. 50 davon stammen aus dem Band «Bistros, Brasseries et restaurants de tradition», der noch nicht in deutscher sprache erschienen ist. im neuen Buch wird die arbeit von alain ducasse aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet – die Produkte, die er verwendet, die techniken, die er einsetzt, und die Gerichte, die er daraus kreiert. allein schon die wunderbaren fotografien machen dieses Buch zu einem kunstwerk! ein wahrer schatz also für alle liebhaber der gehobenen küche. und das passende Buch für jeden, der die kochkunst von alain ducasse schätzt und verstehen will. isBn 978-3-87515-057-5 www.matthaes.de –7–

die grösste kellerei australiens ist up to date. mittels einer Videokonferenz präsentiert Peter Gago, chef-winemaker bei Penfolds, gleichzeitig in zwölf städten die neusten Jahrgänge der icon und luxury icons. dazu gehört auch der «Grange hermitage», der renommierteste und mit einem flaschenpreis von 425 franken teuerste wein australiens. innovativ ist Penfolds auch bei den Verschlüssen. einige der exklusivsten weine verschliesst Penfolds mit «screw corks». seit beinahe zehn Jahren testet Penfolds die schraubverschlüsse auch beim teuren lagerwein Grange. lesen sie mehr auf seite 9 über die Vorteile und Vorurteile von schraubverschlüssen sowie den neuen weinservice.

die Videopräsentation finden sie unter www.penfolds.com.au Bezugsquelle schweiz: www.rutishauser-wein.ch


m a g a z i n seiner Zeit voraus studer erhält Master-Award für Absinth

mit seiner klaren, kompromisslosen auffassung von form war der architekt adolf loos seiner zeit weit voraus. das von ihm 1931 entworfene und durch die berühmte wiener Glasmanufaktur lobmeyr ausgeführte Becherservice wurde zunächst für die «american Bar» in wien produziert. die Becher tragen am Boden einen feinen, seidenmatt polierten Brillantschliff. die bis heute bei lobmeyr unverändert handwerklich hergestellten originale haben kultstatus. und ihren Preis. denn die Becher kosten ab 90 franken, die karaffe gibts für 780 franken. erhältlich ist das trinkservice an der spiegelgasse in zürich exklusiv bei limited stock, dem haus für ausgewählte Gegenstände und raritäten. www.limited-stock.com

der original swiss absinthe ist zugleich eines der jüngsten und ältesten Produkte der distillerie studer aus escholzmatt. Vor fünf Jahren wurde das Produkt, basierend auf einem über 120-jährigen originalrezept, «neu aufgelegt». und dies mit grossem erfolg: in den Jahren 2007 und 2008 wurde der absinth in deutschland und der schweiz mit Gold ausgezeichnet. heuer folgte die krönung: Beim absinthe masters 2011 in london, organisiert vom englischen Branchenmagazin «the spirit Business», wurde der studer original swiss absinthe nun als einziger in der klasse «coloured spirit» mit dem master-award ausgezeichnet und gehört damit endgültig zu den ganz Grossen. ebenso sehr wie über die auszeichnung für den absinthe freut man sich in escholzmatt über die Goldmedaille für das Verpackungsdesign. auch dieses ist nämlich eine studersche eigenkreation. seit Jahren konzipiert und gestaltet käthi friedli-studer die flaschen und die Verpackungen für das familienunternehmen. und sie erhielt bereits diverse auszeichnungen für ihre arbeit, unter anderem in new York. dass ihre neuste kreation nun auch die fachjury am absinthe masters 2011 begeistern konnte, ist für käthi friedli-studer ganz «ein wunderschönes kompliment». und gleichzeitig antrieb für weitere schöne entwürfe. www.distillery.ch

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c a v e

weit

MeHr als ZapFen ZieHen Text: Gabriel Tinguely

Über zehn Prozent der mit Naturkork verschlossenen weinflaschen «korken». Noch grösser ist die Zahl der weine mit Fehltönen, die nicht eindeutig als Korkschmecker erkannt werden. getrübter weingenuss muss nicht sein. Denn es gibt bewährte alternativen. Eine dieser Alternativen ist der Schraubverschluss. Er ist geruchsneutral und hält die Flaschen genau so dicht wie Naturkork. À propos dicht: Zahlreiche Studien belegen, dass Korken Luft- und Gasdicht sind. Ein Sauerstoffaustausch ist erst möglich, wenn der Korken schrumpft und die Flasche nicht mehr sauber abdichtet. Sauerstoff und Wein vertragen sich auf die Dauer nicht. Nach einem kurzen Aufatmen zieht der Wein den Kürzeren und oxydiert. Obwohl das Ansehen des Schraubverschlusses im tiefsten Keller lagert, bewährt er sich seit mehr als dreissig Jahren. Das beweist die Frische, die sich alte Chasselasweine aus der Waadt bewahrt

haben. Ob sich Schraubverschlüsse auch für rote Lagerweine eignen, wird derzeit getestet. Eine Pionierrolle spielt dabei der grösste Weinproduzent Australiens. Die Topweine von Penfolds, die in kleinen Mengen mit Schraubverschluss abgefüllt wurden, haben die ersten zehn Jahre ohne Probleme überstanden. Eine Imagekorrektur des «Schraubers» drängt sich also auf. Denn der Korkschmecker hat ein Ausmass angenommen, das die Winzer wirtschaftlich nicht mehr tragen können. Pragmatiker unter ihnen wollen die Arbeit eines Jahres nicht länger aufs Spiel setzen. Deshalb verschliessen sie alle Flaschen, auch die ihrer besten Weine, mit Schraubverschlüssen. Philosophen unter den Winzern zelebrieren ihre Weine. Sie wollen ihren Kunden reinen Wein einschenken und stellen nicht das Korkenziehen in den Mittelpunkt. Genau da könnte die Gastronomie ansetzen und den Wein vermehrt zelebrieren. Den Wein, nachdem das Deckeli mit einem feschen «cräck» aufgedreht ist, zu dekantieren würde mithelfen das Ansehen des «Schraubers» zu verbessern. Und dabei gewinnen alle: Der Kellner zeigt sein Können, dem Gast wird eine Show geboten und der Wein hat Zeit zum Atmen. –9–

Das gilt für weisse, rote, junge und gereifte Weine. Ich hatte die Gelegenheit elf Jahrgänge Yvorne Clos du Rocher aus dem Hause Obrist in Vevey zu verkosten. Jeweils eine Flasche wurde dekantiert, und zwar in die vom Weinhändler André Linherr gemeinsam mit Glasbläser Yann Oulevay neu aufgelegte, traditionelle Chasselaskaraffe. Das Ergebnis verblüffte. Die Chasselasweine aus der Karaffe zeigten sich in fast allen Fällen vielschichtiger, intensiver und zugänglicher. Bezugsquelle: www.obrist.ch


Als Köche noch MusKeln brAuchten und die Kellner vor deM gAst Arbeiteten Text: Marc Benedetti Fotos: Ralph Feiner

Massive Töpfe und Pfannen aus leitfähigem Kupfer waren in den Grandhotels bis in die 1980erJahre verbreitet. Diese Sammlung stammt aus dem Hotel Suvretta House in St. Moritz. Sie war in der Ausstellung «Gaumenfreude – ein kulinarisches Puzzle» im Museum Gelbes Haus Flims zu sehen.

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Die «gute alte Zeit» in der gehobenen hotellerie und gastronomie ist noch gar nicht so lange vorbei. es ist die epoche der Kupferpfannen und des silbergeschirrs, des glühend heissen Ölherds und der entenpresse. Die technische entwicklung und der damit einhergehende wechsel der geräte und Utensilien haben auch die gastronomischen Berufe verändert.

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m 8. Juni wurde eine interessante Ausstellung im Palace Hotel Bürgenstock eröffnet, die zum Thema passt: «Zukunft hat Herkunft – Grande Hotellerie auf dem Bürgenstock gestern und morgen». Einerseits wird die Geschichte des Resorts dargestellt, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Treffpunkt des internationalen Jetsets war. Andererseits wird über die Zukunft der Bürgenstock-Resorts informiert. Es werden viele Trouvaillen zu sehen sein, historische Gebrauchsgegenstände aus der Geschichte der Bürgenstock-Hotels. Viele Stücke gehören Jo Müller, der seine Hotelierkarriere in den Bürgenstock-Resorts begann und sich 1970 bis 1981 vom Chef de Réception zum Generaldirektor hocharbeitete. Zum Beispiel besitzt Jo Müller die vor einigen Jahren ausgebaute Original-Bar des Grand Hotels Bürgenstock, auf die er besonders stolz ist. «Sophia Loren, Audrey Hepburn und viele andere haben an dieser Bar gesessen», schwärmt der frühere Hotelier, der 1982 bis 2000 mit seiner Frau das Hotel Waldhaus Flims führte. In einem grösseren Rahmen waren die Trouvaillen von Jo Müller in der Ausstellung «Gaumenfreuden – ein kulinarisches Puzzle» im Gelben Haus Flims zu sehen. Sie ist mit einer Finissage nach Ostern geschlossen worden. Der Grund für die Schliessung war unter anderem, dass viele Ausstellungsstücke Leihgaben von Hotels, Restaurants, Firmen und privaten Sammlern waren. In der Ausstellung war zum Beispiel

Die Silberutensilien aus der guten alten Zeit muten heute wunderschön und schon fast exotisch an.

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ein historischer Herd aus dem Hotel Suvretta House in St. Moritz zu sehen gewesen, der zwischen 1914 und 1998 im Einsatz war. Solche Herde waren richtige «Monster», die bis zu sieben Tonnen wogen. Ausstellungsmacher Jo Müller erinnert sich: «Die Köche schwitzten, denn die Herde konnten noch nicht reguliert werden. Um 6 Uhr früh wurde angefeuert, um 9 Uhr war ein solcher Herd glühend heiss.» Muskeln brauchte ein Koch ebenfalls beim Hantieren mit den Kupferpfannen. Casserolen, Sauteusen, Turbotpfannen oder Bain-Maries – alles war aus leitfähigem Kupfer. Jo Müller: «Die früheren Küchen in den St. Moritzer Hotels Suvretta House, Kulm oder Palace hatten bis zu 120 oder 150 Kupferpfannen.» Heute sind die schweren Kochutensilien praktisch verschwunden. Sie haben zumeist dem Induktionsherd und -geschirr Platz gemacht, welche eine grosse Arbeitserleichterung für die Köche brachten. Blicken wir in die Geschichte der Küche als Raum und Arbeitsplatz zurück. Aus Überlieferungen weiss man, dass die Küchen in früheren Jahrhunderten ein Stiefkind des Hauses war, schreibt der legendäre Gastrokritiker und Redaktor Harry Schrämli in einer kulturgeschichtlichen Abhandlung. Die Küchen im Mittelalter waren klein, eher hässlich und mit allerei Gerätschaften überfüllt. In der Römerzeit befanden sich die Küchen sogar direkt neben den Latrinen. Der Grund war wohl die Bequemlichkeit der Köche, schreibt Schrämli: Auf diese Weise konnten


sie die Küchenabfälle einfach entsorgen. Erst die europäischen Fürstenhöfe werteten den Arbeitsplatz der Köche auf und gaben ihnen mehr Spielraum. Mit der Entstehung der ersten Luxushotels und gehobenen Restaurants im frühen 19. Jahrhundert gab es weitere Veränderungen. Die Küchen wurden grösser, heller und moderner. «Für die Grossmeister der Küche brachen goldene Zeiten an», stellt Harry Schrämli fest. « Man ging daran, Küchen mit Köpfchen und Knöpfchen zu bauen.» Die offenen Feuerstellen – jahrhundertelang die einzige Wärmequelle – verschwanden endgültig aus den Küchen und machten dem Kohleherd Platz. Nicht alle waren von dieser Entwicklung begeistert. Marie Antoine Carême (1784–1833), ein Wegbereiter der klassischen französischen Küche, befürchtete eine Vergiftung der Köche. Wie in der übrigen Wirtschaft fand eine «Industrialisierung» statt, die damaligen Küchen gliHistorisches chen kleinen Fabriken. In den neuen Küchen der Grandhotels arbeiteten die Köche an riesi- Porzellangeschirr aus dem Kurhaus gen Herden aus Gusseisen. Oft standen bis zu 40 Leute an einem Herd. Geheizt wurde zu- Waldhaus in Flims. Das Hauptgericht erst mit Kohle und später mit Öl. und die Beilagen wurden auf dem Teller und kleinen Nebentellern verteilt.

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Doch nicht nur in der Küche haben grosse Veränderungen stattgefunden. Auch auf der Verkaufsseite gab es verschiedene «Revolutionen». So war der Tellerservice bis vor 20 Jahren in der gehobenen Gastronomie und Hotellerie undenkbar. Serviert wurde mit dem Servicewagen, aus dem der Kellner dem Gast die Speisen am Tisch servierte. Es gab allerlei Silberwaren mit speziellen Funktionen. Zu erwähnen ist zum Beispiel die Entenpresse. In dieser wurden, wie der Name sagt, Entencarcassen vor dem Gast zu einem edlen Jus verarbeitet. Oder die so genannte Soupière grande, aus welcher die Suppe in kleine Behälter geschöpft und dem Gast am Tisch elegant in den Suppenteller geschöpft wurde. Das Tranchieren von edlen Fleischstücken im silbernen Tranchierwagen vor dem Gast zählt ebenfalls dazu. «Der Tellerservice hat all diese Arbeiten verdrängt und das Berufsbild der Restaurationsmitarbeiter verändert», sagt Jo Müller. Der Kellner wurde plötzlich zum «Tellerträger» degradiert, dem Verkauf wurden viele Kompetenzen entzogen und die Küche verlagert. Der Gast sieht nichts mehr von der Zubereitung und erhält das fer-


tige Produkt an den Tisch geliefert. Auch die Silberwaren, die regelmässig gepflegt und repariert werden mussten, verschwanden allmählich und damit eine ganze Tradition. Auch beim Geschirr gab es verschiedenste Modestile. Vor 100 Jahren wurden Fleisch, Stärkebeilage und Gemüse nicht auf einen Teller gepackt, sondern separat angerichtet, wie man es teilweise heute noch in Italien praktiziert. Neben dem Hauptteller gab es spezielle Beiteller. Von 1930 bis zirka 1960 Welche Promis haben wohl war englisches Geschirr en vogue. Es folgte hier gesessen? eine Phase, wo namhafte Künstler und Modedesigner wie etwa Gianni Versace ausge- Die Original-Bar aus dem Grand fallene Teller für die gehobene Gastronomie entwarfen. «In den 90er-Jahren schliesslich Hotel Bürgenstock, welche wurden die Teller immer grösser und grösder ehemalige ser. Der Gast fand aber immer weniger zu essen darauf!», sagt Jo Müller. Heute gibt es Ge- Generaldirektor Jo Müller geretschirr in verschiedensten Formen und Farben. Bei gewissen extravaganten Designergeschirr- tet hat. Sie kehrt Linien ist die Funktion fast nicht mehr erkenn- in der neuen Ausbar. Es gibt Teller in Wellenform und in ande- stellung «Zukunft hat Herkunft – ren unterschiedlichsten Formen, serviert wird Grande Hotellerie auch in diversen Schälchen und Gläschen. auf dem BürgenWenn man von den «guten alten Zeiten» stock gestern und morgen» wieder an ihren ursprünglichen Standort zurück.

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spricht, stellt sich automatisch die Frage: Für wen waren diese Zeiten gut? Für die Gäste, die es sich leisten konnten, war sie sicher wunderbar. Wer liebt es nicht, so verwöhnt und verhätschelt zu werden? Auch die Kellner und Oberkellner waren dank grosszügigen Trinkgeldern zufrieden und ihre Aufgaben abwechslungsreicher als heute. Für ehrgeizige Köche – Köchinnen gab es damals praktisch keine – bedeutete diese Frühzeit der modernen Grossküche aber harte körperliche Knochenarbeit. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, und heute besuchen die Berufsleute lieber ein Fitnessstudio, um Muskeln zu bekommen.


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T e x t : Ruth Marending

im Basler

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Die restaurantkultur ist im wandel. take-away, internationale KĂźche und Fastfood ersetzen immer mehr die althergebrachte, typische gastronomie. Doch wer genau hinschaut, findet sie noch: die traditionelle Beiz. Zum Beispiel in grossbasel. F o t o s : Gina Folly

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Im Restaurant Gifthüttli wird im oberen Stock weiss aufgedeckt.

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senburg», ein deftiges Cordon bleu beim «Gifthüttli» und Tortillas beim «La Fonda». Es scheint, als ob das schon immer so war und immer so bleiben wird. Es ist eine schöne, idyllische Gegend, mitten in der Altstadt von Grossbasel, zwischen as «Bermuda-Dreieck» von Basel Schifflände und Spalenberg, Markt– oder zumindest das, was davon üb- platz und Andreashof. rig geblieben ist – befindet sich an der Ecke Sattelgasse/Schneider- Doch es ist eine Gegend des Wangasse. Die Strassenecke ist längst dels, auch wenn die Altstadthäuser nicht mehr so wie einst – und doch noch immer die jahrhundertealte irgendwie genau so wie früher. Es ist Kulisse bilden. «Das Ausgehverhalein schöner Frühlingstag, sommer- ten verändert sich auch in unserer lich die Temperaturen. Die Gäste Stadt laufend», weiss Maurus Ebsitzen draussen, vor dem «Gift- neter, Delegierter des Wirteverbanhüttli», der «Hasenburg» und auch des Basel-Stadt. Längst ist der Mitvor dem «La Fonda». Viele essen et- telpunkt des Nachtlebens in andere was, Rösti mit Leberli bei der «Ha- Gebiete abgewandert, in die Stei– 16 –

«Sprich, was wahr ist, trink, was klar ist.» nenvorstadt oder ins Kleinbasel, zur Kaserne beispielsweise. «Die Schneidergasse ist abends längst nicht mehr so belebt wie früher», so Ebneter. Blenden wir zurück ins Jahr 1989. Damals begann Rita Klein als Serviertochter im Restaurant Gifthüttli. Zu seinem originellen Namen kam das ehemalige Gasthaus «Zum Ritter St. Georg», als vor gut 120 Jahren der Wirt Innocenz Weiss es wagte, nebst Wein auch Bier auszuschenken. Eine damalige Sünde für


kal wie das «Gifthüttli» zu führen, war für den gelernten Koch und Absolvent der Hotelfachschule von Strassburg schon imLängst vergangene Zeiten. mer ein Traum. «Als ElDie Stammkundschaft sässer bin ich zwar auch von einst ist grösstenteils nach zehn Jahren noch weggestorben. AlkoholBeim Tisch limite und Rauchverbot immer ein Ausländer, aber der Wahrveränderten das Gästeich habe mir schon immer heit ziert der verhalten. An den «Grüeine solche Traditionsbeiz Baslerstab die nen Heinrich» erinnert gewünscht.» Er setzt sich Mitte. nur noch ein verblasster deshalb intensiv mit den Schriftzug an der Hausörtlichen Gepflogenheimauer. Und die beiden anderen Re- ten auseinander, damit er bei seinen staurants, die «Hasenburg» und das einheimischen Gästen keinen allzu «Gifthüttli», sind heute mehr Spei- schweren Stand hat. selokale als verrauchte Trinkbeizen. Rita Klein, die seit mehr als 20 Die kommen immer noch, vor alAls Rita Klein ihren ersten Arbeits- Jahren im «Gifthüttli» die Gäste be- len, wenn es um die Fasnacht geht. tag hatte, war der gleichzeitige Ver- dient, selber aber erst Mitte vierzig Verschiedene Formationen haben kauf von Bier und Wein längst eta- ist, hat den Wandel miterlebt. «Es ist hier ihren Stamm, etwa die «Gläbbliert. Beides wurde in grossen heute komplett anders als früher», berewaggis» oder die TrommelforMengen an die Gäste ausstellt sie fest. Geblieben mation «Griene Hind», die ihren geschenkt, zu denen auch aber ist die Ambiance ih- Stammplatz mit eindrücklichen Laein stattlicher Stammrer Arbeitsstätte, denn das ternen und anderen Emblemen gekundenkreis zählte. Vor «Gifthüttli» präsentiert kennzeichnet haben. Geblieben ist allem vormittags waren sich nach einer eingehen- auch die Tradition, als Einstieg ins dies Marktfahrer aus der den Renovation im letzten Erwachsenenalter im «Gifthüttli» Region, aus der BasellandJahr frischer als zuvor. Bei einen Stiefel Bier zu trinken. Oder schaft, dem Elsass und der Renovation sind alte die Speisekarte, die nach wie vor Südbaden, die auf dem naFresken wieder hervorge- in vier Sprachen, Deutsch, Franhen Marktplatz zu Basel holt worden. Historische zösisch und Englisch sowie «BaTypisch baslerische und typische Elemente seldyytsch» verfasst ist. Da ist von ihre Waren feilboten. Weil Lällekönigder Gaststätte sind ge- «Dommaatesalaat» (Tomatensalat), das Tragen der GemüseBegrüssung im blieben, wie zum Beispiel von «Badroon-Salat mit Kalbslääkisten und das viele Steder Tisch der Wahrheit, berli» (Saisonsalat mit geschnetzel«Gifthüttli». hen am Stand ermüdend Stammtisch waren, suchten die MarktRegierungsmitgliefahrer immer wieder die umliegen- der den Gaststätten auf. Rita Klein kann der, die im nahen Rathaus sich noch gut an diese Zeit erinnern: am Marktplatz ihren Ge«Da wurde vor allem ein Einerli schäften nachgingen und Weisswein getrunken, dann noch sich im Rund des Tischeines und noch eines, gefolgt von plateaus namentlich verSchnäpsen wie Träsch und Chrü- ewigten. Eine Tradition, ter.» Die Stimmung wurde heiterer die am Leben erhalten und fröhlicher. Man zog weiter, zum geblieben ist: «Die heutiNachbarn: in die «Hasenburg» oder gen Regierungsräte komnobler «Château Lapin» genannt. men noch immer regelDa ging es im gleichen Stil weiter, mässig zu uns», freut sich wie auch bei der nächsten Station, Olivier Flota. Der gebürdem «Grünen Heinrich», dem drit- tige Elsässer hat im letzten Lokal im Dreieck, das seit gut 20 ten Jahr die GeschäftsJahren «La Fonda» heisst und mexi- führung des «Gifthüttli» kanische Küche anbietet. Weil bei übernommen, das heute diesem Rundgang so manch einer zur Berest-Gruppe geeinen zu viel über den Durst trank, hört. Flota ist bereits seit nannte der Volksmund den Ort mit zehn Jahren in verschieden drei gegenüberliegenden Beizen denen Gastrobetrieben bald einmal «Bermuda Dreieck», in Basel tätig, und ein Loeinen Gastronomiebetrieb, denn das Ausschenken von Bier war den Hausbrauereien vorbehalten. Die «Basler Nachrichten», Vorläuferin der heutigen «Basler Zeitung», schrieb damals: «Bier, das nicht direkt beim Bierbrauer getrunken wird, ist Gift.» Daraufhin taufte der Wirt seine Beiz in «Gifthüttli» um. Als sein Grossneffe Paul WeissLipp 1913 in direkter Nachbarschaft ein neues Haus erbauen liess, übernahm er den bereits etablierten Namen für seine eigene Gaststätte. Das alte «Gifthüttli» veräusserte Weiss an den Staat, der die Liegenschaft für die Korrektur der Schneidergasse benötigte.

nach dem magischen Ort, wo so manches «Schiff» unterging.

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ter Kalbsleber), von «Flaischsuppe Pachtverhältnis. Olivier ooni nyt» (Rindfleischsuppe natur), Flota ist nicht mehr Pächvon «Daigwiirm Gifti» (Spaghetti ter, sondern Manager, anmit Knoblauch und Kräutern), gestellt von der Berest AG, von «Ruummilch-Schniifel» (Rahm- die insgesamt 16 Gastroschnitzel), von «Scheeflirugge nomiebetriebe führt, danoo provenzalischer Art» (Lamm- runter bekannte Basler rücken nach provenzalischer Art), Traditionslokale wie das «Giggelibruscht anere Zitrone- Restaurant Löwenzorn Gmiessoosse» (Maispoularden- oder der Gasthof zum Golbrüstchen an Zitronen-Gemüse- denen Sternen. Der Besauce) und «Allergattig Gmies uf em trieb muss rentieren. OliDäller» (Gemüseteller) die Rede. Be- vier Flota sitzt in der Regel kannt aber ist das «Gifthüttli» vor nicht mit den Gästen an allem für seine grosse Auswahl an den Tisch wie sein VorCordon bleus: fünf Kalbs- und sie- gänger Walter Braun, auch ben Schweinsvarianten. Eines ori- wenn viele alte Stammgineller in der Zusammensetzung gäste das wünschen. «Ich als das andere. Zum Beispiel nach höre immer wieder mal, Thurgauer Art mit Vorderschinken dass der Walti beim Einund Apfelchutney gefüllt, schenken nicht Beispiel eines Mittagsmenüs in der «Hasenburg»: nach «Tessiner Art» mit auf den Strich Hackfleisch im Teig, weisse Spargeln an Sauce Salami und Mozzarella, geschaut habe, hollandaise und Bratkartoffeln. nach «Alemannischer doch ich verArt» mit Vorderschinken, trete eine neue Genera- ben), die den Zunftbrüdern vorbeCamembert und Preiseltion, wo der Wirt Manager halten waren. Auch Bruderschaften beeren oder nach «Jäger ist. Bei uns sind nicht die und Logen hatten ihre eigenen StuArt» mit VorderschinUmsätze relevant, son- ben. Erst im Verlauf der Zeit wurden ken, Pilzen und Speck. Ein dern das, was unter dem diese Stuben öffentlich zugänglich In der Stammgast ist so CordonStrich übrig bleibt.» Heute und als Tavernen, Pinten, Gast«Hasenburg» bleu-verrückt, dass er jede beträgt der Foodanteil 65 höfe, Gaststuben, Gastwirtschaften, begrüsst eine Woche eine andere VerProzent und der Beverage- Temperenzwirtschaften (mit zeitWildsau die lich beschränkten Öffnungszeiten) sion ausprobiert. Wenn anteil 35 Prozent. Gäste. und Kaffeehäuser bezeichnet. Olivier Flota ihn fragt, welches denn sein LiebFrüher war das «Giftlings-Cordon-bleu sei, pflegt er zu hüttli» auch nachmittags randvoll Im Vergleich zu anderen Basler sagen: «Jede Variante ist auf seine und eine richtige Raucherhöhle, Gaststätten ist das «Gifthüttli» eher Art hervorragend.» Die Entste- eine richtige «Baiz» eben. Mario jüngeren Datums und längst nicht hung des Cordon bleu ist übrigens Nanni, Archivar des Wirteverban- so traditionell, wie viele Leute glaueine eigene Geschichte: Leopold des Basel-Stadt und selber Wirt im ben. Das findet auch Maurus Ebneter: «Für Basler VerZiegenbaum, Kapitän und Offizier «Bierhuus zem Pinguin», hältnisse entstand es auf verschiedenen Dampfschiffen, weiss um die Bedeutung relativ spät.» Dennoch holte sich 1929 das für die Schiff- dieses Wortes für die Basist die Ambiance der beifahrt begehrte «Blaue Band». Als ler: «Fühlen sich die Basden noch bestehenden er vier Jahre später die Seefahrten- ler in einem Lokal wohl, Betriebe im ehemaligen trophäe ein zweites Mal ergatterte, bezeichnen sie es von je«Bermuda-Dreieck» einwies der norddeutsche Seebär sei- her als ‹Baiz›.» Dies sei drücklich. Doch wer sich nen Schweizer Küchenchef an, ein nicht als Abwertung, sonauf die Spuren macht nach besonderes Gericht zu servieren, et- dern als Wertschätzung Auch typisch für Geschichten rund um die was mit Käse, da er ja Schweizer sei. gemeint. Mario Nanni hat die «Hasenburg» beiden Beizen, wird nicht Dieser hatte jedoch bereits Kalbs- im Buch «Die Geschichte ist die Karikatur so richtig fündig. Olivier schnitzel vorbereitet. Kurzerhand der Basler Gastronomie», von Niklaus Flota erklärt dies damit: entschied sich der Koch, Fleisch erschienen im FriedrichStöcklin. «Die Geschichte ist nicht und Käse zusammen zu braten und Reinhardt-Verlag, die so minutiös dokumennannte das Gericht aus aktuellem Basler Beizenkultur aufAnlass: Cordon bleu – Blaues Band. gearbeitet. «Restaurants, wie wir tiert worden wie bei Zunftstuben, sie heute kennen, gab es in den An- wie etwa der ‹Safran-Zunft». Mit Mit dem Wirtewechsel im «Gift- fangszeiten der Gastronomie noch dem letztjährigen Wirtewechsel hüttli» ist zwar die Speisekarte ge- nicht.» Früher traf man sich in den sind im «Gifthüttli» auch die vorblieben, geändert hat sich aber das Irtenstuben der Zünfte (Zunftstu- her vorhandenen historischen Bil– 18 –


der verschwunden. Flota vermutet, dass sie beim Verkauf des Mobiliars mitveräussert wurden. Und in der «Hasenburg» wollen die langjährigen Wirte nichts erzählen über ihre legendäre «Baiz». Wirtin Liselotte Schwendinger, seit 27 Jahren am Ruder, meint nur: «Ich habe so viele erstaunliche Geschichten über die ‹Hasenburg› gehört, dass ich mich immer wundere: Woher haben die Leute all das?» Und: «Es soll sich jeder unvoreingenommen selber einen Eindruck von unserem Lokal machen. Die ‹Hasenburg› soll so lebendig bleiben, wie sie es immer war.» Konsultiert man Tripadvisor, findet man verschiedene Gästeeinträge, die nicht alle euphorisch

klingen: «Unten ist die Beiz, im ersten Stock sitzt man etwas eleganter. Wir waren im urigen Teil unten. In der Schweiz ist grundsätzlich alles teuer. So auch die Kalbsbratwurst mit Zwiebelsauce und Rösti in der ‹Hasenburg›.» Und: «Das Restaurant Hasenburg verkauft ein Weissbier für sagenhafte acht Franken. Damit ist dieses Restaurant, das von der Ausstattung her gesehen eher eine Spelunke ist, absoluter Spitzenreiter im Weissbierpreis.» Momentaufnahmen und persönliche Empfindungen, die gästeabhängig sind. Beim Besuch finden wir keine Spelunke vor, die Tasse Kaffee ist nicht überrissen teuer. Doch die wirklichen Geschichten bleiben im Dun– 19 –

keln. Oder entstehen gerade deshalb, weil sie verschwiegen werden. Nur so viel sei gesagt: Bei unserem Besuch in jenem besagten Lokal sass zufällig am Nebentisch Emil Steinberger mit zwei attraktiven Damen.

a d r e s s e n

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patisseriekönig ewald notter notter school of pastry Art, orlando fl (usA)

H etgM : Ewald Notter, woran er-

freut sich Ihr Blick, wenn Sie von der Arbeit aufschauen? Notter: An den Kursteilnehmern unserer Weiterbildung. Wenn ich ein Lächeln und Staunen auf ihren Gesichtern sehe, ist das für mich Motivation und Freude. H etgM : Welches Berufswerkzeug ist

Ihnen das liebste? Notter: Mein kleines Messer.

H etgM : Welches Gericht/Rezept

bereitet Ihnen bei der Zubereitung die tiefste Befriedigung? Notter: Ein Patisserie-Schaustück, das ich mit einfachsten Hilfsmitteln hergestellt habe. Das ist wahres Handwerk und verschafft mir tiefste Befriedigung. H etgM : Gibt es ein Gewürz oder

eine Geschmacksrichtung, die Sie nicht ausstehen können? Notter: Anis und Knoblauch. H etgM : Hören Sie bei der Arbeit

Musik? Und gibt es Ihrer Meinung nach Musikrichtungen, die sich nicht damit vertragen? Notter: Blues beruhigt mich und bringt mich zum Träumen. Als störend empfinde ich Hard Rock oder Operetten.

H etgM : Was würden Sie niemals

essen? Notter: Da fällt mir nichts ein. Aber ich habe beim Reisen gelernt, die Spezialitäten anderer Länder zu respektieren. H etgM : Und was wäre Ihre

Henkersmahlzeit – wobei wir natürlich hoffen, dass das nie der Fall sein wird? – 20 –

zur Person: ewald notter ist der Gründer und direktor der notter school of Pastry art in orlando, florida. der 1992 in die usa ausgewanderte schweizer ist bekannt für seine einzigartige zucker- und schokoladenartistik und seinen unverwechselbaren unterrichtsstil. seine karriere begann der aargauer mit einer lehre in der confiserie sprüngli in zürich beim legendären willy Pfund. an Berufswettbewerben weltweit gewann ewald notter einzeln und in teams insgesamt zehn Goldmedaillen und den weltmeistertitel mit dem Patisserienationalteam der usa.

Notter: Ein Cervelat, denn das kriege ich nicht in den USA. Am liebsten vom Sternen-Grill am Bellevue in Zürich. Ewald Notter, wir danken Ihnen für Ihre Offenheit!

Interview: Marc Benedetti


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Buurehamme biszuralten Metzgerkiste

Die spezialitäten aus dem kalten rauch von Metzgermeister wüthrich aus ostermundigen sind weit herum gefragt. Dieses Jahr feiert sein Betrieb das 125-Jahr-Jubiläum. Text: Jörg Ruppelt Fotos: René Frauenfelder, zVg.

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Jürg Wüthrichs Haussalami und Buurehamme im kalten Rauch.

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«Auf so einen Kampf wie David gegen Goliath lasse ich mich erst gar nicht ein.» Jürg Wüthrich

ürg Wüthrich ist ein Metzgermeister wie aus dem Bilderbuch. Gut einsneunzig gross, kräftig, rotwangig. Finger so lang wie Bratwürste. Handflächen so breit wie schön geklopfte Schnitzel. Ein Prachtskerl und eine Frohnatur mit einladendem Lächeln. Dieses Jahr feiert seine Metzgerei an der Bernstrasse, Ecke Untere und Obere Zollgasse im Zentrum Ostermundigens, das 125-Jahr-Jubiläum. Für den Familienbetrieb, der neben Fleischund Wurstspezialitäten auch Käse verkauft, ein Grund zum Feiern. Im April beispielsweise verarbeitete der Eggiwiler Störkäser Christian Brunner vor dem Ladengschäft 240 Liter Milch zu herzhaftem Käse, der im Herbst gekauft werden kann. Im Juli wird Metzger Wüthrich einen Messerschmied engagieren, der vor den Augen der Kunden Spiesse aus Chromstahl schmiedet. Wer will, kann seinen Spiess anschliessend im Geschäft gleich mit Fleisch bestücken lassen. «Das», so Jürg Wüthrich, «sind nur zwei Events, die wir übers Jahr geplant haben.» Auf die Geschichte seines Metzgereigeschäfts ist er stolz. Und wer sein Ladengeschäft betritt, darf das ruhig sehen. An der Wand hängt eine Familienchronik, an der zuoberst die Namen Kaspar und Katharina Wüthrich stehen. Die Ur-Urgrosseltern

Die Gebrüder Peter und Hansulrich Wüthrich im Laden anno 1954.

von Jürg «bauerten» Mitte des 19. Jahrhunderts im Wald oberhalb Ostermundigens und verdienten sich ein Zubrot, indem sie mit Ross und Wagen Sandsteinblöcke aus dem nahe gelegenen Steinbruch nach Bern kutschierten. Nach dem Bau einer Zahnradbahn, welche die Blöcke schneller und effizienter zum Ostermundiger Bahnhof transportierten, musste sich das Ehepaar Wüthrich nach einem neuen Erwerbszweig umschauen. «Da hat er halt angefangen, seine Kühe, Säue und Schafe selbst zu metzgen», erzählt Jürg Wüthrich. Kaspars Sohn Karl habe das Standbein Metzgerei weiter ausgebaut. 1894 errichtete er an der Ostermundiger Bernstrasse das Bauernhaus, in dem die Metzgerei mit Laden untergebracht ist und – 24 –

die Familie Wüthrich heute noch lebt. So richtig in Schwung kam das Metzgergeschäft aber erst unter Karls Sohn. Und unter Hansulrich Wüthrich, dem Vater des heutigen Metzgermeisters. Auf Spezialitäten, für die Jürg Wüthrich heute bekannt ist, habe sich Hansulrich allerdings nicht konzentrieren können. «Mein Vater musste Zeit seines Lebens sowohl zum Geschäft als auch zu meiner an Multiplesklerose erkrankten Mutter schauen. Das hat sehr viel Kraft gekostet», erzählt Jürg Wüthrich. Für ihn selbst kam von Anfang an nur ein Beruf infrage: Metzger. Nach der Lehre bei Bell in Basel arbeitete er zunächst weiter im Grossunternehmen als Troubleshooter. Danach zog es ihn nach Jona, wo er unter Metzgermeister Ernst Brön-


Herbst Sägemehl mit Tannennadeln und Buchensplitt, kühlt die schwelende Glut mit Wasser und überlässt den mit Gewürzen, Kräutern und Salz eingeriebenen Buurehamme (Schinken) sowie Salami, Rohspeck und Schinken längere Zeit dem kalten Rauch. In einer kleineren Anlage räuchert er Schweinswürste, Zungen- und Kümmelwürste – weniger lang zwar, aber ebenfalls im kalten Rauch. Des Metzgermeisters Spezialitäten haben sich in den letzten Jahren herumgesprochen. Nicht nur Ostermundiger kaufen bei ihm ein, sondern auch Kunden vom Murtensee, aus Gümligen und aus Muri. An der Metzgerfachausstellung gab es für seine Schweinswürste dreimal Gold und für seinen Ofenfleischkäse gleich noch einmal. Seit vielen Jahren ist er Fleischlieferant des renommierten Kochwettbewerbs «La Cuisine des Jeunes», eines Wettstreites, bei dem Jungköche Schweizer Fleischkreationen zubereiten. Abnehmer seiner Produkte sind auch Gastrobetriebe und Caterer aus dem gehobeneren Bereich. Zu seinen Partnern zählen unter anderen Urs Hauri und weitere

Aufschnittmaschine aus den frühen 50er-Jahren.

nimann das Wursten lernte. Ende der 70er-Jahre zog es ihn zurück in den elterlichen Betrieb. Er absolvierte die Meisterprüfung und übernahm 1986 die Metzgerei. Schritt für Schritt hat er den Betrieb modernisiert und in neue Maschinen, etwa einen computergestützten Wurstfüller, investiert. Aber auch Altes, Traditionelles lässt er seit Jahren wieder aufleben. Im alten Bauernrauch, der sieben Meter hoch bis zum Dachstock reicht, mischt er im – 25 –


«Mein Credo: Wenige, dafür gute Kunden, die exquisite Qualität schätzen.» Jürg Wüthrich

Kochschulen. Kunden wie das Restaurant Engel in Fribourg holen die Bestellungen sogar persönlich ab. Obwohl die Gastronomie-Belieferung ihm am Herzen liegt, will der Metzgermeister nicht auf jeden neuen Gastrobetrieb «aufgumpen». «Wenige, dafür gute Gastronomiekunden, die exquisite Qualität schätzen» – das ist sein Credo. Gross einsteigen in den Engros-Markt, wie es die einst in Ostermundigen beheimatete und jetzt in Zollikofen produzierende Metzgerei Spahni getan hat, kommt für ihn nicht infrage. «Auf so einen Kampf wie David gegen Goliath lasse ich mich erst gar nicht ein», so Jürg Wüthrich. Lieber forciert er seine Spezialitäten: Würste und Schinken, Grilladen, individuelle Fleischplatten. Dabei verarbeitet er nur Fleisch von Tieren, die artgerecht und liebevoll aufgezogen und nicht Hunderte von Kilometern transportiert werden. Aus diesem Grund kauft er nur

Erinnerung an die «gute, alte Zeit». Erst beförderte Metzger Kaspar Wüthrich Ostermundiger Sandsteinblöcke mit Pferd und Wagen, später war es eine Zahnradbahn, deren Lok und ein Wagen heute neben der Metzgerei Wüthrich ausgestellt sind.

Die Metzgerei Wüthrich an der Ostermundiger Bernstrasse.

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a n z e i G e

bei Bauern aus der Region ein. Wie etwa bei Robert Bigler, der Kälber nur mit hofeigener Milch aufzieht und bei dem sich jederzeit Besucher über die Aufzucht und Haltung auf dem Hof informieren können. Kunden, die nach der Herkunft des Fleisches fragen, empfiehlt Jürg Wüthrich einen Besuch bei Bauer Bigler. Auskünfte über die nostalgischen Gerätschaften, die er zum 125-Jahr-Jubiläum im Laden ausstellt, gibt der Metzgermeister hingegen selber. Zum Beispiel über die blitzblanke, noch wie geschmiert laufende Aufschnittmaschine aus den frühen Fünfzigerjahren, mit der einst sein Vater und sein Onkel Peter arbeiteten. Oder die einen Meter lange, gut 15 Zentimeter Meter breite und gut 30 Kilo schwere Metzgerkiste. Eine Rarität der Schweizer Armee aus dem Jahre 1909. Komplett bestückt mit allem, was ein Metzger im Militär bis Mitte des 20. Jahrhunderts für die Schlachtung im Wald und auf der Wiese so brauchte: Viehschussapparat mit Schlagbolzen, Schlaghammer, ein Paket mit 20 Schlachtpatronen, Stechmesser, Fleischsäge, Haken und Bindstricke. Wie man damit ein Rind zu töten habe, zeigt eine kleine, an der Kiste aufgeklebte Grafik. «Übel für das Tier und wahrscheinlich nicht ganz ungefährlich für die damaligen Metzger», so der trockene Kommentar von Metzgermeister Wüthrich.

kontakt: metzgerei wüthrich Bernstrasse 56, 3072 Ostermundigen Tel. 031 931 10 11 www.metzgereiwuethrich.ch

Metzgermeister Jürg Wüthrich mit Buurehamme.


d e s i g n

Praktisch: Zeitungshalter «Riddle» von der schwedischen Holzmöbelmanufaktur SWEDESE (www. swedese.se).

Authentisch und klar: Die Massivholzmöbel des deutschen Möbelherstellers ZEITRAUM (www. zeitraummoebel. de).

interior design Italianità: Die Badmöbellinie «Pianura» von BOFFI (Design: Monica Armani; www.boffi.com).

Hippie-Chic: Die Leuchte «DrumBox» von DIESEL kann man stellen, hängen oder auch einfach auf den Boden legen.

das stiefkind der branche? in die sanierung und modernisierung von hotels und restaurants fliessen jährlich milliarden. historische Gebäude werden überholt und restauriert, luxuriöse spas und wellnessoasen mit viel liebe zum detail realisiert. und dafür wird gerne mit der grossen kelle angerichtet. doch die Bauerei hat ihre tücken. kostenüberschreitungen sind an der tagesordnung. um im Budget zu bleiben, muss andernorts gespart werden. und da die inneneinrichtung am schluss des Bauprozesses steht, wird oft bei der möblierung der rotstift gezückt. all die schönen konzepte werden obsolet, und da eine schöne einrichtung leider Gottes ihren Preis hat, kommt dann meist nichts Gutes heraus. Jammerschade, kann man da nur sagen. denn der Gast kommt ja nicht nur des schönen zimmers oder des feinen Gerichtes wegen. er möchte auch, dass seine augen verwöhnt werden. natürlich, auch im Bereich des interior design hat sich in den letzten Jahren im Gastgewerbe viel getan. designhotels und -restaurants schiessen wie Pilze aus dem Boden. das auge isst mit. die Prinzessin auf der erbse verlangt einen gestalteten matratzenturm. so weit haben die Gastgeber verstanden. doch mit ein paar futuristischen kunststoffmöbeln, einer dunkelrot gestrichenen lounge, einer natursteinwand und der installation einer kubischen Bar mit futuristischen Barhockern ist es längst nicht getan. um auszubrechen aus diesem visuellen einheitsbrei, braucht es ein bisschen mut (oder den Gang zu einem oder einer guten interior designer/in). deshalb zeigen wir an dieser stelle in zukunft jeweils eine kleine, aber feine auswahl an einrichtungsgegenständen, die uns an den treffpunkten der möbelbranche ins auge gesprungen sind. (bp) – 28 –


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Mit 5 ps über den gotthard

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Jeden sommer warten Motorradund autofahrer ungeduldig darauf, dass die wintersperre der gotthard-Passstrasse aufgehoben und die serpentinenreiche strecke freigegeben wird. Doch sie sind nicht die einzigen, die sich auf die Fahrt 端ber die tremola freuen. Text: Riccarda Frei Fotos: Historische Reisepost AG


E

r ist der wohl bekannteste, sagenumwobenen, geheimnisvollste und vor allem meistbesungene Schweizer Alpenpass. Nicht nur Generationen von Soldaten «tippled uf em Gotthardpass» und ärgerten sich über «di chaibe Bräme». Auch so manche «Schuelerreis» führte entweder über oder unten durch das Gotthardmassiv. Und beim Lied «Der letzte Postillion vom Gotthard» glitzern sogar heute noch in vielen Augen Tränen der Wehmut. Sogar Schweiz Tourismus schreibt auf seinem Internetportal schwärmerisch: «Mindestens einmal sollte man den Weg durch die Schöllenenschlucht und durchs karge Urserental hinauf auf die Passhöhe nehmen: Sei es zu Fuss, sei es in einem Nostalgie-Postauto oder im Fünfspänner wie zu Zeiten der berühmten Gotthardpost im 19. Jahrhundert.» Touristisch gesehen war die Gotthardpost bis 1881 eine Goldgrube. Bereits 1830 wurde dreimal pro Woche die Strecke Como–Flüelen zurück gelegt. Die Fahrzeit betrug 23 Stunden. Ab 1849 war das Interesse an der Nord-Süd-Verbindung über den Gotthard so gross, dass es täglich einen Doppelkurs gab und sogar ein Winterbetrieb eingeführt wurde. Statt mit Kutschen wurden die Passagiere in Schlitten befördert, und auf jeder Passseite standen 100 Männer mit ihren Schaufeln als Schneeräumungsequipe im Einsatz. Im Rekordjahr 1875 beförderte die Gotthardpost über 72 000 Passagiere. Eine sehr stolze Zahl, denn die Fahrt war nicht für jedermann erschwinglich. Die Strecke Mailand– Basel, für die man 50 Stunden Reisezeit einplanen musste, kostete beispielsweise 68.60 Franken. Zum Vergleich: Ein Kilo Kartoffeln kostete 7 Rappen, ein Kilo Rindfleisch 1.20 Franken und eine Saaltochter oder ein Restaurationskellner verdiente weit weniger als 30 Franken im Monat.

s gotthardpöschtli fahrt nach süde, s isch e schüli langi reis. d rössli schwitzed vor de gutsche und de lüüte machts au heiss. lueg, was flügt det näb de rosse, so als ghörteds au derzue, ja, das sind die dunners Bräme, wo eus lönd kei rue. Liedtext zu «Übere Gotthard flüget Bräme» Komponiert von Artur Beul, Gesungen von den Geschwistern Schmid 1945

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Ein bisschen Kulturgeschichte darf schon sein. Im Gotthard-Museum erfahren die Postkutschenpassagiere viel Wissenswertes über den Pass.

historische Postkutschen-

fahrten in der schweiz Auch heute ist die Fahrt mit der Ganzjahresangestellte. WähPostkutsche über den Gotthard- Zwar ist die Gotthardstrecke die wohl bekannteste rend der Saison kommen fünf pass kein billiges, dafür aber ein und spektakulärste Route für historische Postkut- Vollzeit- und zehn Teilzeiteinzigartiges und unvergessli- schenfahrten. Doch auch in anderen Gegenden der mitarbeitende dazu. ches Vergnügen (siehe Infobox). Schweiz werden Fahrten in alten Postkutschen angeMit ihrem Angebot, Gäste Schliesslich führt die Fahrt mit boten. Hier drei Beispiele: in gemütlichem Tempo von fünf PS in eine dem Original ge- reusstal-tour mit einer über 100-jährigen kutsche, Andermatt nach Airolo zu die früher von chur über den flüelapass nach treu nachgebauten fünfspännitransportieren, ist die Firma st.moritz fuhr. Kutschenbetrieb Eichelberger, gen Postkutsche über die kopfim Sommer so gut ausgelas5506 Mägenwil steingepflasterte Tremola, die tet, dass für kleinere Extwww.kutschen-eichelberger.ch rafahrten keine Kapazität mit ihren Serpentinen als längstes Baudenkmal der Schweiz mit der Postkutsche durchs Baselbiet Fuhrhalterei mehr besteht. Doch was sind Thomas Dettwiler, 4418 Reigoldswil gilt. Besonders Töfffahrer liedas für Gäste, die sich einen www.kutschenfahrt.ch ben die kurvenreiche Strecke Tag lang durch die Alpenwelt mit der Postkutsche vom toggenburg über die an der Südflanke des Gotthards, kutschieren lassen? Siegfried doch das stört die Pferde von schwägalp ins appenzellerland Werner Stauffacher, Albertin zählt auf: «Viele 9651 Ennetbühl der Historischen Reisepost AG Gäste haben durch das Miliwww.postkutschenfahrten.ch nicht. «Fahrzeugverkehr ist für tär einen engen Bezug zum uns kein Problem. Wir haben mit Gotthardgebiet. Sie haben dort einiden Pferden sogar schon mal den schäftsjahr defizitär. Obschon die ges erlebt. Eine andere Gästegruppe Werbetross der Tour de Suisse pas- Passagierzahlen und auch die Fahr- sind Pferdeliebhaber. Für sie ist es siert», schmunzelt Siegfried Alber- kartenpreise stiegen, wurden auch ein ganz besonderes Erlebnis, mit tin, Stellvertretender Geschäftsfüh- im zweiten und dritten Betriebsjahr einem Fünfspänner über den Gottrer bei der Historischen Reisepost rote Zahlen geschrieben. Zum Glück hard zu fahren. Und dann gibt es hielten die Buchungsanfragen an, noch die Gäste, die auf der Welt AG. Bereits in ihrem ersten Betriebs- sodass die Historische Reisepost AG schon so viel erlebt und gesehen hajahr, 1988, führte die Historische weiterbestehen und ihren Betrieb ben, nur eine Fahrt mit der GottReisepost AG 24 Fahrten mit 144 sogar stetig ausbauen konnte. Heute hardkutsche noch nicht.» Generell Gästen durch. Dennoch war das Ge- beschäftigt das Unternehmen zwei ziehe die Postkutsche eher ein – 33 –


termine Saison: 19. Juni bis 5. September 2011 Dauer: ca. 7 Stunden, davon reine Fahrzeit ca. 5 Stunden Route: Andermatt Hospental Mätteli Brüggloch Hospiz Tremola Motto Bartola Airolo Preis: 680 Franken pro Person inklusive zwei Apéros unterwegs, Mittagessen, Eintritt Gotthardmuseum, Merenda (Zvieri) in Airolo, Reisedokumente, Begleitfahrzeug für Material und Gepäck. Kontakt: Historische Reisepost AG, Telefon 041 888 00 05, www.gotthardpost.ch

ich bin vom gotthard der letzte postillion. ich bin vom gotthard der postillion. Hab viel gesehen in hoher alpenwelt. Hab viel erfahren, das ihr nicht kennt: ein junges Herrchen mit schmucker Maid. ein liebes pärchen, ich sehs noch heut, das sass im wagen einst auf seiner Hochzeitsreis, ... Der letzte Postillion vom Gotthard Gedicht von A. Lang, Musik Friedrich Schneeberger, Opus 46

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historische reisePost: das menü älteres Publikum an. verkürzter Reisezeit Die meisten Passaund erschwinglichen Bergheusuppe mit Mini-Käseschnitte giere seien «zwischen Bahntickets der Gotthardpost den Garaus 50 und 100 Jahre alt.» Bunter Frühlingssalat mit Kräutergrissini Wie Gästebefragungemacht hatte, wurde gen zeigen, wird be1909 erstmals ein Kalbsschnitzel an Kräuterschaum sonders geschätzt, WiederbelebungsverButternudeln such gestartet. dass sich die MitarKleine Auswahl an Sommergemüse beitenden der HisIm Sommer vertorischen Reisepost kehrten PostkutHausgemachtes Caramelköpfli mit Rahmtupf und Früchtegarnitur AG auch während der schenkurse zwischen www.postkutschenfahrten.ch Fahrt viel Zeit für die Andermatt und AiGäste nehmen. Das ist rolo. An die Glanzmöglich, weil bei jeder Fahrt neben in Andermatt. Das Haus war frü- zeiten anschliessen konnte man dem Kutscher auch ein Kondukteur her Poststelle und Postfuhrhalte- aber nicht mehr. Die Postkutschen respektive eine Kondukteuse mit- rei. Auch kulinarisch machen die wurden ab 1922 durch Postautos fährt. Eben genau so, wie es im 19. Postkutschenpassagiere eine kleine ersetzt. In ihrem letzten BetriebsJahrhundert auch Brauch war. Zeitreise. Es wird ihnen ein Menü jahr, dem Sommer 1921, transWeil man sich der Historie ver- aufgetischt, wie es die Passagiere portierte die Kutsche gerade mal pflichtet fühlt, macht die heu- seinerzeit auch verspeist haben 188 Passagiere. Der letzte Gotttige Gotthardpost auf ihrer Reise (siehe Infobox). hardpostillion, Josef. M. Renner, von Andermatt nach Airolo auch Die Historische Reisepost AG verstarb drei Jahre später. Je eine an historischen Plätzen und Gast- ist nicht die erste Betreiberin, wel- Origina l-Gottha rdpostkutsche stätten halt oder empfiehlt solche che die Gotthardpostkutschenzeit steht heute noch im Landesmuseum Häuser als Unterkunft von weit an- wieder aufleben lässt. Nachdem die Zürich sowie im Stockalperpalast gereisten Gästen. Ein Beispiel da- Eröffnung des Gotthardeisenbahn- in Brig. für ist das Hotel Drei Könige & Post tunnels im Jahr 1881 mit massiv

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vor dem grossen hotelbauboom während der Belle epoque waren die Unterkünfte in der schweiz nur spärlich vorhanden. vielerorts übernachteten die ersten touristen im Pfarrhaus. Dann entstanden die ersten gasthäuser. Zu Besuch in drei geschichtsträchtigen häusern.

Auf den Spuren der Hotelpioniere – 36 –


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istorische Hotels scheiden die Geister. Entweder man liebt sie – oder man meidet sie. Die einen sehen in den verbliebenen Häusern, die vorwiegend um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden sind, die Wiege des Hoteltourismus in der Schweiz. Die anderen möchten die alten Kästen lieber durch moderne Neubauten ersetzen. Letztere Stimmen sind in den letzten Jahren immer leiser geworden, denn die Schweizer Touristiker sind sich bewusst: Die historischen Hotels sind ein besonderes Juwel, auf das es zu achten gilt. Sie sind Teil der Tourismusgeschichte und in einer Fülle vorhanden, wie es sie in dieser Verfassung im Ausland selten gibt. Dessen ist sich auch Claude Buchs-Favre bewusst, seit 2009 Präsident von Swiss Historic Hotels: «Wir haben die besterhaltenen Häuser unter unserem Dach vereinigen können. Wir zählen nun 46 Betriebe, verstreut über die ganze Schweiz, die wir in fünf historische Routen aufgeteilt haben.» Ziel dieser Routen sei es nicht, dass alle aufgeführten Betriebe auf einmal besucht würden. Sondern es soll eine Auswahl an Häusern sein, die die gleiche Ausrichtung haben, zum Beispiel Stadthotels oder Berghotels. Claude Buchs-Favre weiss, wovon er spricht. Er führt zusammen mit seiner Frau Anne-Françoise das Grand Hôtel Bella Tola in St-Luc, ein Berghotel. Mehr als «nur» führen: «Wir leben für und mit dem Hotel, und zwar mit Haut und Haaren», sagen die beiden wie aus einem Mund.

er

e

s ist ein normaler Montagabend, kurz vor der Saisonpause. Im Haus sind nur noch wenige Gäste anwesend. Die meisten von ihnen kennt das Ehepaar Buchs seit langem. «Wir haben viele Stammkunden, die immer in der gleichen Woche im Jahr wiederkommen.» Es sind Leute, die das Ambiente des alten, ehrwürdigen Hotels lieben. Die authentischen Räume, die liebevollen Dekorationen von Anne-Françoise. 1995 hat das Ehepaar Buchs das Haus übernommen, mit grossem Einsatz das Interieur und den traditionellen Stil gepflegt. Für ihren Einsatz sind sie mit dem

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berin Friederike Cossardeaux. Die Grundmauern des «Monte Rosa» gehen zurück auf die Laubersche Herberge von 1839. 1853 mietete Alexander Seiler das Holzchalet des Doktor Lauber. Die beiden ersten Zermatter Sommer gingen für Alexander erfolgreich vorüber – schon am Ende des zweiten Betriebsjahres erwarb er das Chalet, baute es von sechs auf 35 Betten aus und eröffnete es am 24. Juli 1855 neu unter dem Namen «Monte Rosa». Der Grundstein der Seiler Hotels war gelegt. Nächtigen wie anno dazumal im «Bella Tolla». Jedes Zimmer trägt die Handschrift von Anne-Françoise Buchs. Im ganzen Haus gibt es keinen Gegenstand aus Plastik. Alles ist aus Stahl. Einzig passende WC-Bürsten hat sie noch nicht gefunden.

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m selben Jahr erfolgte die Erstbesteigung der Dufourspitze (Monte Rosa). Ein Zufall in der Namensgebung oder Absicht – das ist nicht bekannt. Die Fremdenbücher der Seiler Hotels zeigen, dass alle Pioniere der Alpen Stammgäste in Zermatt waren und vorwiegend Gäste im Hotel Monte Rosa abstiegen. Dieses wurde zum eigentlichen Treffpunkt der Bergsteiger. Einer der Gäste war der Engländer Edward Whymper, dem am 14. Juli 1865 die Erstbesteigung des Matterhorns gelang. Doch es war ein tragisches Ereignis: Sieben Leute zogen los, nur drei kamen zurück. In der Folge verbot Königin Victoria das Bergsteigen, was es für ihre Untertanen umso reizvoller machte. Weil die Leichname der vier englischen Kletterer zu jener Zeit nicht

auf Veranlassung des Dorfpfarrers das erste Hotel Bella Tola in seinem grossen, steinernen Familienhaus östlich der Kirche. Um 1883 errichtete Pierre Pont das neue Grand Hôtel & Pension Bella Tola am nördlichen Dorfende mit vier Stockwerken und Mansardenetage sowie 40 Betten. 1892 wurde der Südflügel mit fünf Stockwerken und weiteren 40 Betten angebaut. Damalige hervorstechende Errungenschaften waren transportable Sitzbadewannen und sechs Etagenaborte. Das Haus war in Familienhand, bis es Olivier Pont, der die fünfte Generation vertrat, in den 1990er-Jahren an einen Makler verkaufte. Bis zum Erwerb durch das Ehepaar Buchs verstrich ein halbes Jahr, in dem das Knowhow über das Haus verloren ging. Deshalb war es eine schöne Überraschung, als Jahre später ein alter Jugendfreund des ehemaligen Erben Olivier einen kleinen Koffer mit eim Verkauf 1995 ist ein Teil der alten Dokumenten und WeinetiketGeschichte des Hauses verloren ten des ehemals selbst produzierten gegangen. Der vormalige Besit- Weines vorbeibrachte. zer, Olivier Pont, der das Hotel von seinem Vater geerbt hatte, fühlte esser dokumentiert über die eigene Geschichte ist das Hotel sich nicht als Hotelier und wanderte nach Thailand aus. Doch da 75 ProMonte Rosa in Zermatt. Das älzent der Besucher Stammgäste sind, teste Gasthaus des Tourismusorhaben die Buchs nach und nach viel tes ist von niemand Geringerem über ihr Haus erfahren. Vor allem gegründet worden als von Hotelpiovom Ehepaar Kleiner, das in Zürich nier Alexander Seiler. «Die Zermatlange ein Tourismusmuseum be- ter hören es nicht gerne, aber Alextrieb. Pierre Pont, Bergführer und ander Seiler hat den Tourismus nach Speisesaal im «Bella Tolla», gelungene Naturheilkundler, eröffnete 1859 Zermatt gebracht», weiss Gastge- Kombination von Alt und Neu.

Titel Historisches Hotel 2001 belohnt worden. Dabei war der Anfang mehr als harzig. «Es war schrecklich», erinnert sich Anne-Françoise Buchs. Plastikvorhänge, die ungleich lang waren, und Pflanzen in Makramee-Vasen sind die Dinge, die sie noch heute schaudern lassen. «Die historische Möblierung war da, aber die Atmosphäre war schrecklich.» Weil das Ehepaar Buchs es nicht vermochte, das ganze Haus auf einmal zu renovieren, beschlossen sie den etappenweisen Umbau. Sie wechselten Vorhänge und Leuchten aus, dekorierten die Räume mit Pflanzen und Früchtekörben. Einzig die Matratzen und die Bettwäsche erneuerten sie gleich zu Beginn. Seither renovieren sie jedes Jahr einen Teil des Hauses. In diesem Sommer ist der vierte Stock an der Reihe, die ehemalige Dienstboten- und Bergführeretage.

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Der Specksteinofen im Whymper-Salon datiert auf 1888.

steigen zugeneigt waren, fanden ihre Kinder und Kindeskinder am Schneesport Gefallen. «Über den Jahreswechsel rede ich drei Wochen lang kein einziges deutsches Wort», sagt die Frankfurterin Friederike Cossardeaux. Sie arbeitet seit zehn Jahren im Bergdorf und hat dabei ein paar Mal den Betrieb gewechselt. «Zermatt ist wie eine Falle, eine positive Falle», sagt sie. «Man bleibt gerne hängen.» Wenn sie daran denkt, dass im Keller kistenweise historische Dokumente schlummern, die jahrzehntelang niemand angerührt hat, weiss sie, dass sie auch im «Monte Rosa» noch eine Weile hängen bleiben wird.

n Eines der historischen Juwele im Zermatter Hotel Monte Rosa ist der Speisesaal, den man elegant durch die Schwingtür betritt.

nach England transportiert werden konnten und die Zermatter eine Beerdigung auf ihrem katholischen Friedhof nicht zuliessen, sammelte die Anglikanische Kirche Gelder und baute kurzerhand im Schweizer Bergdorf die English Church. Noch heute schickt England regelmässig neue Vikare nach Zermatt.

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dward Whymper, der ob des tragischen Ausgangs der Erstbesteigung seines Lebens nicht mehr froh wurde, kehrte immer wieder ins «Monte Rosa» zurück, in jene erste Unterkunft des ehe-

maligen Seifensieders und späteren Hoteliers aus Goms, Alexander Seiler. Das «Monte Rosa» blühte immer mehr auf. 1868 wurde es um 60 Betten erweitert, 1890 ein viertes Stockwerk und ein mansardierter Dachstock auf- sowie ein kleiner Speisesaal angebaut. Die Bettenzahl stieg auf 110. 1960 wurde das «Monte Rosa» für den Winterbetrieb eingerichtet, und im darauf folgenden Winter wurde die erste Skisaison durchgeführt. Seither ist der Winter die wichtigere Jahreszeit geworden. Auch wenn die ersten englischen Touristen dem Berg– 39 –

icht nur in den Walliser Alpen sind historische Bauten zu finden, die lange Zeit vor der Belle Epoque entstanden. In Kandersteg beispielsweise steht das «Ruedihus», dessen Geschichte über 250 Jahre zurückreicht. Es wurde 1753 von Landsvenner Peter Germann erbaut und diente zunächst als Wohnung und Maultier-Wechselstation für Reisende über die Gemmi, später wurde es zur Gaststätte umfunktioniert. Der Name stammt vermutlich von Rudolf Reichen, der das Haus um 1850 erwarb und der fortan im Volksmund «ds Rich Ruedi» genannt wurde. Dabei hätte es gut sein können, dass das Haus heute gar nicht mehr steht. 1908 brach im hinteren Teil des Gebäudes Feuer aus. In der Tageszeitung «Der Bund» war damals zu lesen: «Das ‹Ruedihus›, eines der ältesten, aber bei weitem das originellste Haus des ganzen Kandertals, ist zum Teil ein Raub der Flammen geworden. Das ‹Ruedihus› war eine bauliche Sehenswürdigkeit


des Tales. Seine reich verzierte Fassade mit den Reihen von Rundscheibenfenstern fiel jedem Beobachter auf. Peter Germann, einem alten Volksglauben nachlebend, liess in einer einzigen bestimmten Novembernacht alles Holz für sein künftiges Heim schlagen. Auch seine Einrichtung ging in manchem Stücke, nach des Landes guter, alter Sitte, Tür und Fenster liesse man sich schenken. Die Fenstergaben waren ohnehin noch allenthalben im Bernerlande im Schwung. Auch die Giebelseite musste offenbaren, dass ein Mann hier sitze, der etwas sei und etwas wolle. Und so genügten denn auch die hölzernen Zierarten nicht. Leuchtende Farben mussten hinein. Die gekröpften Leisten, die Stäbe, das Gesimse, alles wurde bemalt. Ein Glück, dass der Schnee dem Dach einen Rückhalt gab. So haben wenigstens die Fassade grösstenteils und die Fensterreihe sowie die originellen Türen keinen Schaden genommen. Materiell ist das Haus aber so gut wie eine Ruine.» Dass der vordere Hausteil vorhanden blieb, schrieben die Einwohner des Dorfes der vermuteten Tatsache zu, dass beim Hausbau unter die Schwelle der Eingangstüre das Kraut Allermannsharnisch gelegt worden sei. Die Pflanze, welche unter dem Panzer getragen wurde, um sich vor tödlicher Verletzung zu schützen. Der brandgeschädigte Teil wurde wieder aufgebaut und im November 1908 dann eine Schule für Kinder der am Bahnbau des Lötschbergtunnels beteiligten Italiener eingerichtet.

Die gesamte Fassade des Landgasthofs Ruedihus ist reich verziert. Im Bild die Eingangstür zur Réception.

eder, der gerade einen grösseren Umbau hinter sich hatte und nach langem Warten doch noch Vater geworden war, kam der Zeitpunkt ungelegen. Doch wann käme eine solche Chance wieder? Er packte die egenüber dem «Ruedihus» Herausforderung an. «Mein Glück liegt in Sichtweite das Hotel war, dass die vormaligen BesitDoldenhorn, der Vier-Sterne- zer kein einziges Möbelstück mitSuperior-Betrieb von René-Fran- genommen haben», erinnert sich çois Maeder, Hotelier aus Leiden- Maeder. schaft und Präsident der Schweizer either ist im «Ruedihus» viel Gildeköche. Schon lange hatte er geschehen. Kontinuierlich hat das «Ruedihus» im Auge, doch nieMaeder den Betrieb renoviert, mals rechnete er damit, dass es verkauft würde. 1990 kam es an- was mit der Auszeichnung Historiders. Ein Mitglied der Besitzerfa- sches Hotel-Restaurant des Jahres milie Stettler, einer Hoteldynas- 2000 gewürdigt wurde. Ein Rundtie aus Kandersteg, kam auf ihn zu gang durchs Haus ist zeitgleich ein und meinte: «Unsere Familie hat Rundgang durch die Wohnkultur beschlossen, das ‹Ruedihus› an Sie der Schweiz. Doch was noch viel zu verkaufen.» René-François Ma- mehr ins Auge sticht, ist die Um-

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setzung der Gastronomie. Gildepräsident Maeder hat es sich nicht nehmen lassen, die Karte passend zum Betrieb zu gestalten. Da gibt es das Menü «Älplerfröid» mit einem Moschtbröcklitäller als Vorspeise, Friburger oder Späckfondue mit Kirsch zum Hauptgang und zum Dessert Dörrfruchtsalat oder Öpfelsorbet mit Gravesteiner. Oder «Ruedis Täller» mit Gärschtesuppe, Pouletbrüschtli mit Pilze, huusgmachti Spätzli und Gmües us em Pflanzplätz. Bei diesen Menüvorschlägen fällt die bodenständige Zusammenstellung auf. Und genau das hat Maeder im Visier: «Bei uns gibt es keinen Campari, Orangensaft und auch keine Cola. Auch Salzwasserfische und Reis sind tabu.» Nur Schweizer Produkte werden verwendet. Auf der Suche nach Alter-


die fünf historischen swiss-historic-routen

Des glaciers au lacs:

ruedihus in kandersteg, hotel ofenhorn in Binn, hotel monte rosa in zermatt, hôtel Bella tola in st-luc, hotel Bella lui in crans montana, Grandhotel kurhaus in arolla, hostellerie Bon accueil in château d’Œx, hôtel masson in montreux, hôtel château de Bonmont in cheserex

Von Quellen zu grenzen:

alpinhotel Grimsel hospiz in Guttannen, Jugendstil-hotel Paxmontana in flüeli-ranft, kurhaus flühli in flühli, romantikhotel wilden mann in luzern, hotel Die Stuben und Zimmer im «Ruedihus» sind nach typischen Kandersteger Namen wie Egger, Ogi und Stettler bezeichnet. terrasse am see in Vitznau, seehotel sonne in küsnacht, Gasthof Gyrennativen zu heute gängigen ausländi- bars gibt. «Für mich ist es wichtig, bad in turbenthal, schloss wartegg schen Produkten ist René-François dass alles zusammenpasst», so der in rorschacherberg Maeder immer wieder auf interes- Besitzer. Deshalb ist ihm auch der sante Alternativen gestossen: «Statt Mitarbeiterkomfort wichtig: «Auf geschichten unter Den Füssen: Baileys servieren wir Appenzeller ein paar technische Neuerungen hotel monte Verità in ascona, Rahmlikör, ein Glas Prosecco ist können wir nicht verzichten.» Da- albergo della Posta in astano, Villa bei uns ein Cüpli von Mauler.» Dazu bei denkt er an die eingebaute Lüf- carona in carona, alte herberge passt auch, dass es in den Zimmern tung oder an den «Holz»-Boden, der weiss kreuz in splügen, schloss sins keine Fernseher und keine Mini- in Wirklichkeit aus Stein ist. «Im in Paspels, romantikhotel stern in Winter kommen die Gäste oft mit chur, waldhaus flims mountain & Wandereisen an den Schuhen in die spa ressort in flims, romantikhotel Gaststube, das gibt feine Hicke im schweizerhof in flims, chesa Boden, in denen sich der Schmutz Grischuna in klosters, hotel a d sammelt. Das ist eine Zumutung für schatzalp in davos r die Reinigung.» e Palazzi ViVaci: s Palazzo salis in soglio, hotel s waldhaus in sils-maria, Badrutt’s e Palace hotel in st. moritz, hotel n la magna in st. moritz, musik- und : kulturhotel mysanus in samedan, hotel albrici in Poschiavo, chesa salis romantik hotel in Bever, Grand hôtel Bella tola Anne-Françoise kurhaus in Bergün, chasa de capol und Claude Buchs-Favre, in santa maria im Val müstair 3961 St-Luc www.bellatola.ch

Vom rheinFall zum JungFrauJoch:

hotel monte rosa Friederike Cossardeaux Bahnhofstrasse 80 3920 Zermatt www.monterosazermatt.ch landgasthof ruedihus René-François Maeder 3718 Kandersteg www.doldenhorn-ruedihus.ch

Die nach alter Sitte «geschenkten» Stubentüren sind wahre Kunstwerke.

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t r a d i t i o n

confiserie sprüngli feiert 175-jähriges vor 175 Jahren gründete David sprüngli zusammen mit seinem sohn rudolf die confiserie sprüngli. aus der kleinen Konditorei in der Zürcher altstadt ist ein stattliches Unternehmen geworden, das zu den renommiertesten Konditoreibetrieben europas und zu den erfolgreichsten Familienunternehmen der schweiz gehört. Redaktion: Philipp Bitzer

confiserie sprüngli zudem ein repräsentationsbüro in dubai eröffnet, wo das unternehmen eine art «Private Banking in chocolate» betreibt. das traditionsreiche familienunter- auf Bestellung wird dort von der innehmen wird heute in sechster Gene- dividuellen Pralinenschachtel bis zum ration von milan und tomas Prenosil kompletten dessertbuffet alles für geführt. es erwirtschaftet mit seinen geschäftliche und private anlässe rund 1000 mitarbeitenden einen stei- geliefert. genden umsatz von über chf 100 millionen pro Jahr. die in gewerblicher tradition mit viel handarbeit in dietikon hergestellten Produkte werden in 19 eigenen Geschäften verkauft. davon befinden sich 14 in und um zürich und die übrigen in Basel, Bern, winterthur und zug. immer wichtiger wird auch der Verkauf via internet, wo die kundschaft bequem zu sich nach hause oder ins Büro bestellen kann. darüber hinaus erfüllt Milan und Tomas Prenosil die confiserie sprüngli auch spezielle wünsche, sowohl für Private als auch dass sich die confiserie sprüngli für firmen. über sechs Generationen und bald zwei Jahrhunderte hinweg so erfolg«Private chocolatiers» reich entwickeln konnte, lag insbesondere auch daran, dass das unterVier eigene Gastrobetriebe, von der nehmen in den letzten Jahren nicht kleinen café-Bar bis zum legendären nur das sortiment auf neue essgerestaurant am Paradeplatz, ergänzen wohnheiten ausgerichtet, den aufdas angebot. Vor zwei Jahren hat die tritt modernisiert und das VerkaufsRudolf Sprüngli

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netz in der schweiz ausgebaut hat, sondern auch die rezepte verfeinerte und ein schwergewicht auf Qualitätssicherung und nachhaltigkeit legte. neuentwicklungen wie Blanc&noir, die 2010 lancierten champagnertruffes oder die luxemburgerli deluxe mit ihrem überraschenden kern zeigen, dass die innovationskraft des unternehmens nach wie vor ungebrochen ist.

weiter aUF erFolgsKUrs die confiserie sprüngli will sich auch in zukunft durch die einzigartige Qualität ihrer Produkte und die optimale Verbindung aus tradition und innovation von der konkurrenz abheben. das schwergewicht liegt, wie in der Vergangenheit, auf qualitativem wachstum. da die frische der Produkte für die confiserie sprüngli eine der wichtigsten Qualitätskriterien ist, wird sie ihr Verkaufsnetz auch weiterhin nur sehr gezielt ausbauen. das angebot und die Beratung für firmen, die ihre kunden, mitarbeitenden oder Geschäftspartner mit exklusiven Geschenken von sprüngli verwöhnen möchten, werden weiter ausgebaut. www.spruengli.ch


Erfrischung in perfekter Form. Das Original aus der neuen Glasflasche.

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