Hausärzt:in Dialog 11/2023

DIALOG

11/2023

Österreichische Post AG, MZ16Z040661M, 32. Jahrgang, RegionalMedien Gesundheit - RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien

RARE DISEASES

Zebra unter Pferden Dem Seltenen auf der Spur

Oft duale Pathologie

Physiognomische Veränderungen

Aortenstenose & kardiale Amyloidose

Steckt Akromegalie dahinter?

Hausärzt:in DIALOG Inhaltsverzeichnis

Rare Diseases 03 Zebra unter Pferden Kalzifizierende Aortenstenose und kardiale Amyloidose: Das Vorliegen einer dualen Pathologie bleibt oft unbemerkt

06 Die Fibrose verlangsamen IPF: Die Rolle der Hausärzt:innen bei der Diagnose und der weiteren Betreuung

08 „Wertvolle Erweiterung“ Cannabidiol als Therapiebaustein bei behandlungsrefraktären Epilepsiesyndromen

12 Folgenreiche Akromegalie Lange Latenzzeit bis zur Diagnosestellung – erhöhte Achtsamkeit als primärer Angelpunkt

12

© shutterstock.com/Iryna Imago

© shutterstock.com/Sasun Bughdaryan

08

Epileptische Enzephalopathien im Kindesalter multiprofessionell betreuen.

Akromegalie früh erkennen und Folgeerkrankungen vermeiden.

IMPRESSUM Herausgeber und Medieninhaber: RegionalMedien Gesundheit – RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien, Tel. 01/74321708114, office@gesund.at.

Geschäftsführung: Mag.a Birgit Frassl, Marlis Rumler.

Redaktionsleitung: Mag.a Karin Martin.

Redaktion: Mag.a Karin Martin, Anna Schuster, BSc, Mag.a Ines Pamminger, BA, Margit Koudelka, Mag.a Ulrike Krestel, Felicia Steininger.

Lektorat: Mag.a Katharina Maier.

Produktion & Grafik: Angie Kolby.

Cover-Foto: stock.adobe.com/Rieth.

Verkaufsleitung: Mag.a Birgit Frassl, birgit.frassl@regionalmedien.at.

Kundenbetreuung: Mag.a Dagmar Halper, dagmar.halper@regionalmedien.at, Claudia Szkutta, claudia.szkutta@regionalmedien.at.

Druckerei: Bösmüller Print Management GesmbH &­Co. KG. Verlags- und Herstellungsort: Wien.

Grundlegende Richtung: Unabhängige österreichische Fachzeitschrift für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.

Die HAUSÄRZT:IN – Praxis-Magazin für Primärversorgung – ist ein interdisziplinäres Informations- und Fortbildungsmedium.

2

November 2023

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir in den Artikeln teilweise auf die gendergerechte bzw. gänzlich orthografisch/grammatikalisch korrekte Schreibweise. Sofern nicht anders vermerkt, gelten alle Bezeichnungen für sämtliche Geschlechter.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder, sondern fallen in den Verantwortungsbereich der Autor:innen. Der Inhalt von entgeltlichen Einschaltungen und Beilagen sowie die Angaben über Dosierungen und Applikationsformen liegen außerhalb der Verantwortung der Redaktion oder des Verlages und sind vom/von der jeweiligen Anwender:in im Einzelfall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden.

Mit „Bezahlte Anzeige“ gekennzeichnete Beiträge/Seiten sind gemäß §26 Mediengesetz bezahlte Auftragswerke.

Offenlegung: gesund.at/impressum

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases

Zebra unter Pferden

© stock.adobe.com/Rieth

© Foto_feelimage/Matern

Kalzifizierende Aortenstenose und kardiale Amyloidose: Das Vorliegen einer dualen Pathologie bleibt oft unbemerkt

EXPERTE: PD Dr. Christian Nitsche, PhD Uniklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Kardiologie, MedUni Wien

Die eine Entität hat eine hohe Prävalenz von 2-7 % bei Personen über 65 Jahre: die kalzifizierende Aortenstenose – sie gilt als die häufigste erworbene Herzklappenerkrankung in den westlichen Ländern. Die andere Entität zählt zu den Seltenen Erkrankungen: die kardiale Amyloidose – eine Herzspeichererkrankung, basierend auf der Ablagerung von fehlgefaltetem Protein. „Beide sind Erkrankungen des höheren Lebensalters und sie treten gehäuft gemeinsam auf“, erklärte PD Dr. Christian Nitsche, PhD, Assistenzarzt an der Klinischen Abteilung für Kardiologie der MedUni Wien, beim BdA-Kongress Anfang Oktober in Wien.* Die Herausforderung sei, dass sich die Erscheinungsformen beider sehr ähneln, sowohl morphologisch als auch die klinische Symptomatik und den Kontraktionsablauf betreffend. „Dadurch bleibt das Vorliegen einer dualen Pathologie oft unbemerkt“, so der Experte.

Degenerative Aortenstenose (AS) Pathogenese: Endothelschaden – Entzündung – Kalzifizierung.

Risikofaktoren: Alter, weibliches Geschlecht, Rauchen, Hypertonie, Fettleibigkeit, Metabolisches Syndrom, sekundärer Hyperparathyreoidismus, Nierenversagen, erhöhte Werte von

oxidierten Phospholipiden und Lp(a).

Klinisches Bild: Minderdurchblutung des Systemkreislaufs, Kardinalsymptome: Atemnot, Brustschmerz, Bewusstseinsverlust (= Synkope).

Diagnose: Echokardiographie.

Therapie: chirurgischer Aortenklappenersatz bei jungen Patienten mit niedrigem OP-Risiko, transkathetergestützte Aortenklappenintervention (TAVI) bei den übrigen.

Kaskade des Schreckens durchbrechen In der Echokardiographie zeigen sich verdickte Wände des linken Ventrikels sowie die verkalkte Aortenklappe. Je nach Erkrankungsfortschritt können auch andere Herzstrukturen betroffen sein (Dilatation des linken Vorhofs, pulmonale Hypertension, Trikuspidalinsuffizienz, Dilatation des rechten Ventrikels). Mit der Dopplersonografie lässt sich die Flussgeschwindigkeit (Vmax) an der Stenose bestimmen und daraus der Druckgradient folgern. „Die Prognose der AS ist ohne rechtzeitige Intervention schlecht“, betonte Dr. Nitsche. „Das Myokard versucht, sich gegen die Verengung zu wehren. Der Muskel hypertrophiert. Irgendwann ist er erschöpft. Bei Betroffenen kommt es zu Wassereinlagerungen in den Beinen und weiteren klassischen Herzinsuffizienz-

symptomen.“ Medikamente, um den Kalk und damit die Engstelle an der Aortenklappe „wegzubekommen“, stünden nicht zur Verfügung. Um die Durchblutung zu verbessern und die „Kaskade des Schreckens“ zu durchbrechen, sei daher ein Aortenklappeneingriff die Therapie der Wahl.

Kardiale Amyloidose (CA) Pathogenese: Eiweißablagerungen verursachen ein dickes und steifes Herz.

Formen: Leichtketten(AL)-Amyloidose Alter: 50+.

Multiorganinvolvierung: Herz (71 %), Niere (58 %), Nerven (23 %), Leber (16 %).

Diagnose: Laboranalyse: Leichtketten im Serum und/oder Harn pos., Leichtkettenratio abnorm, Organbiopsie.

Transthyretin(TTR)-Amyloidose Amyloidbildung: hereditär (hATTR) oder erworben (wtATTR).

Alter: 65+ (teilweise früher bei hereditärer Form).

Organbeteiligung: Karpaltunnelsyndrom, Nervensystem, Herz.

Diagnose: DPD-Knochenszintigraphie + negative Leichtkettenanalyse.

CAVE: MGUS als Bystander möglich.

November 2023

> 3

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases An Seltene Erkrankung denken „Auch bei der zweiten Krankheitsentität, der kardialen Amyloidose, zeigt sich ein deutlich verdickter Herzmuskel“, so Dr. Nitsche weiter. „Die fehlgefalteten Eiweiße, die bei der AL-Amyloidose im Knochenmark und bei der ATTR-Amyloidose in der Leber entstehen, können sich – abgesehen vom Herz – in unterschiedlichen anderen Organen bzw. Regionen des Körpers ablagern. Bei ‚klassischen Red-Flag‘Zeichen und Symptomen einer Herzinsuffizienz sollten behandelnde Ärzte an die seltenen Erkrankungen denken.“ Früher musste bei Verdacht auf eine kardiale Amyloidose das Herz biopsiert werden. Mittlerweile ist die Bildgebung so gut, dass die Diagnose meist nichtinvasiv erfolgen kann. „Die DPD-Knochenszintigraphie hat eine hohe Sensitivität und Spezifität in Bezug auf das Amyloid, das Herz betroffener Patienten leuchtet dunkel auf“, präzisierte Dr. Nitsche. „Fällt zusätzlich die Leichtkettenanalyse negativ aus, kann die ATTR-

Diagnose heute ohne Biopsie gestellt werden.“ Um eine AL-Amyloidose zu verifizieren, bedarf es hingegen weiterhin der Gewebebiopsie.

Duale Pathologie AS-CA Durch die sehr ähnlichen Erscheinungsformen der beiden Entitäten und die unterschiedliche Häufigkeit gelte es bildlich gesprochen, „das Zebra im Pferderudel“ zu finden, betonte Dr. Nitsche.

Zusätzlich sei lange unklar gewesen, ob Patienten mit AS-CA von einer Klappensanierung mittels eines transkathetergestützten Aortenklappenersatzes (TAVI) profitierten. Eine internationale, multizentrische Studie, die der junge Arzt und Wissenschafter leitete, untersuchte Prävalenz, prädiktive Faktoren und prognostische Bedeutung einer begleitenden CA bei hochgradiger AS.1 Von einer dualen Pathologie AS-CA war im Rahmen der Studie einer von acht AS-Patienten betroffen. Nun wäre

ein umfassendes CA-Screening mittels einer DPD-Knochenszintigraphie bei allen TAVI-Patienten aus ökonomischen und logistischen Gründen unpraktikabel. Deshalb wurde ein Punktesystem, basierend auf einfachen klinischen Parametern, entwickelt, welches für das Screening einer dualen Pathologie am AKH Wien eingesetzt wird. Es umfasst: Alter, Herzmuskelverdickung, EKGVeränderungen, E/A-Verhältnis, Troponinwerte und Karpaltunnelsyndrom.

Im Rahmen der Studie zeigte sich in der Folge: AS-CA-Patienten mit konservativem Management hatten ein signifikant schlechteres 1-Jahres-Überleben im Vergleich zu jenen, die eine TAVI erhielten.

Dr. Nitsche: „Wir schlussfolgerten daher, dass Patienten mit AS-CA eine Therapie mittels TAVI nicht vorenthalten werden sollte.“ Für die Nachbetreuung sei wichtig zu wissen: Patienten mit AS-ATTR bleiben symptomatischer, mit höheren residualen Biomarkern und weniger Regression der LV-Masse.

Früher Therapiebeginn essenziell Die frühzeitige Diagnose der ATTRAmyloidose ist von großer Bedeutung, weil mit Tafamidis ein innovatives Medikament zur Verfügung steht, welches die Ablagerung des Amyloids und damit den Krankheitsverlauf einbremst. „Wir verschreiben die Therapie allen Betroffenen, sie wirkt aber erst nach zirka 1,5 Jahren“, gab Dr. Nitsche zu bedenken. „Dann verbessern sich Symptomatik, Leistungsfähigkeit und Überleben.“ Weitere effektive Therapien seien in der Pipeline.

Bei der AL-Amyloidose ist eine frühe Diagnose vor allem wesentlich, damit die Patienten noch immunchemotherapiefähig sind und somit effektiv behandelt werden können.

Mag.a Karin Martin Literatur: 1 Nitsche C, Scully PR, Patel KP, Kammerlander A, Koschutnik M, Dona C et al., Prevalence and Outcomes of Concomitant Aortic Stenosis and Cardiac Amyloidosis. Journal of the American College of Cardiology. 2020. DOI: 10.1016/j.jacc .2020.11.006.

Weitere Literatur beim Experten.

NACHBERICHT * Der mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnete Experte war Vortragender beim Kongress des Berufsverbands der ArztassistentInnen (BdA) am 7.10.2023 in Wien, organisiert von den RegionalMedien Gesundheit.

4

November 2023

Ein klarer Fall von Herzinsuffizienz, oder?

Bize p ss e h n e n -1 r up t u r?

K u rz at m ig k e it u n d Ate m n 1 ot

Vo r h o fn f li mme r1 im E KG

a n a lSp i n a l k 1 ? s te n o s e

Früh e re s b e id s e i t ig e K ar pal t u n ne l sy n s drom1

Wenn die Symptome einfach nicht zusammenpassen …

Scheinbar eindeutige Symptome, doch der Zustand der Patientin oder des Patienten verschlechtert sich trotz Therapie?2

HANDELN SIE SCHNELL! Die ATTR-CM ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden.3 Eine kardiologische Abklärung wird dringend empfohlen.

Medieninhaber: Pfizer Corporation Austria GmbH, Wien www.pfizer.at | www.pfizermed.at PP-VYN-AUT-0589/05.2023

Referenzen: 1. Maurer MS et al. Circ Heart Fail. 2019;12(9 ):e006075 2. Witteles RM et al. JACC Heart Fail 2019;7:709–716 3. Bonderman D et al. Wien Klin Wochenschr 2020;132:742-761 ATTR-CM, Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie EKG, Elektrokardiographie

W W W.VERDACHTUNDDIAGNOSE.AT hier erfahren Sie mehr über ATTR-CM.

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases

Die Fibrose verlangsamen

etwa in der Landwirtschaft, „An die idiopathische LunVogelzucht oder bei Schimgenfibrose sollten Medizimelbelastung. nerinnen und Mediziner vor allem bei unklaren Atemnotzuständen und/oder ReizIPF im Spektrum der ILD husten in der Risikogruppe der männlichen Raucher Die idiopathische pulmonale bzw. Exraucher über 65 Jahre Fibrose stellt nur eine der vieEXPERTE: denken“, rät der Pneumololen verschiedenen ILD dar.

OA Priv.-Doz. Dr. David ge OA Priv.-Doz. Dr. David „Interstitielle LungenerkranLang, PhD Kepler UniversitätsLang, PhD, vom Kepler Unikungen können beispielsweise klinikum, Uniklinik versitätsklinikum aus seiner häufig im Kontext einer Autofür Innere Medizin 4, Pneumologie, Erfahrung. Die idiopathische immunerkrankung wie der Stv. Leitung der pulmonale Fibrose (IPF) rheumatoiden Arthritis auftreExpert:innengruppe ILD und „Orphan zählt zwar zu den Seltenen ten und ihre Symptome äußern Diseases“ Erkrankungen, jedoch steigt sich oft ähnlich wie die einer in der von OA Lang genannten RisikoIPF. Daher sollten immer auch Gelenkgruppe die Prävalenz deutlich an. Eine beschwerden, Hauteffloreszenzen und fortschreitende Lungenvernarbung unandere rheumatypische Symptome erklarer Ursache führt zu zunehmender fasst werden“, gibt OA Lang zu bedenAtemnot, Husten, Leistungsabfall und ken. Im Vergleich zu ILD bei Autoimschließlich zum Atemversagen. „Die munerkrankungen habe die IPF die Prognose ist ungünstig, die meisten schlechteste Prognose: „Es gibt keinen Patienten leben kürzer als fünf Jahre klaren Auslöser, der Verlauf ist fast nach Diagnosestellung. Da es spezifische immer chronisch progredient – wenn zielgerichtete Medikamente gibt, die auch mit variabler Geschwindigkeit.“ den Fibroseprozess hemmen können, Die Erkrankung ist durch das „usual ist eine frühe Diagnose und Therapie interstitial pneumonia (UIP)“-Muster wichtig, um die Lebensqualität mögin der Lungen-CT und in der Histololichst lange zu erhalten“, ergänzt der gie charakterisiert. Spezifisch für den Lungenfacharzt.

Krankheitsverlauf der IPF sind außerdem die akuten Exazerbationen: „Diese idiopathischen oder auch durch Infekte Probleme der Abgrenzung ausgelösten akuten Ereignisse treten oft binnen weniger Tage auf, führen zum Sowohl unspezifische Symptome wie akuten Lungenversagen (ARDS) und Atemnot und Husten als auch initiale enden meistens letal.“ Komorbiditäten wie COPD oder KHK erschweren laut OA Lang die Krankheitserkennung. „Die Diagnose wird Vorgehen im Verdachtsfall häufig erst nach langwieriger anderweitiger Abklärung bzw. Therapie gestellt – „Wenn aufgrund der Klinik der Verdann ist oft schon ein beträchtlicher Teil dacht auf eine ILD besteht, sollte imder Lungenfunktion unwiederbringlich mer eine CT des Thorax durchgeführt verloren.“ Zur bereits erwähnten Risiwerden“, betont OA Lang. Im Idealfall kokonstellation könne noch eine posisollten Verdachtsfälle – beispielsweise tive Familienanamnese bezüglich intereine typische Beschwerdesymptomatik stitieller Lungenerkrankungen (ILD) und Knisterrasseln in der Auskultation hinzukommen. Als weitere Differentialoder auch ein unklarer Auskultationsdiagnose nennt der Experte die exogenbefund – an eine Pneumologin/einen allergische Alveolitis. Diesbezüglich sei Pneumologen überwiesen werden. Alvor allem auf eine Exposition gegenternativ kann eine Thorax-CT auch über organischen Stäuben zu achten, von hausärztlicher Seite veranlasst und

6

November 2023

© UK für Innere Medizin 4, KUK Linz

© privat

IPF: Die Rolle der Hausärzt:innen bei der Diagnose und der weiteren Betreuung

Abbildung: Computertomographieschnitte eines IPF-Patienten. Man erkennt subpleural und basal betonte retikuläre (netzartige) Verdichtungen, Honigwabenzysten und erweiterte Bronchi als klassische Zeichen des UIP-Musters.

bei Auffälligkeiten direkt an die Spezialambulanz überwiesen werden. „Schon im Primary-Healthcare-Bereich kann eine Differentialdiagnostik bezüglich rheumatischer Erkrankungen – samt Anamnese und Labor mit z. B. ANA, ANCA, Rheumafaktor und CCP-Antikörper – initiiert werden“, so der Facharzt weiter. Anhand der Befunde könne die Pneumologin oder der Pneumologe dann über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Wenn sich in der CT bereits ein klassisches UIP-Muster im klinischen Kontext (Ausschluss anderer Ursachen, Geschlecht, Raucherstatus,

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases Alter) zeige, sei die Diagnose IPF schon anhand der CT möglich. Ansonsten erfolge meist eine Lungenbiopsie, erklärt der Experte: „Fast immer wird heute bronchoskopisch, per transbronchialer Lungenkryobiopsie, Gewebe minimalinvasiv entnommen. Sämtliche diagnostischen Schritte laufen im spezialisierten ILD-Zentrum zusammen und werden dort interdisziplinär von Spezialisten aus Pneumologie, Rheumatologie, Pathologie und Radiologie in einem sogenannten ILD-Board besprochen. Dort wird die Diagnose gestellt und das weitere Procedere festgelegt.“

„Bei unklarer Dyspnoe oder chronischem Husten immer auch an ILD, insbesondere an die IPF, denken.“ Therapeutische Möglichkeiten Als spezifische zugelassene Therapien nennt OA Lang die beiden antifibrotischen Medikamente Nintedanib und Pirfenidon. Beide werden täglich zwei- bzw. dreimal zu den Mahlzeiten eingenommen, um der Narbenbildung durch die Fibroblasten entgegenzuwirken. „Die

häufigsten Nebenwirkungen beider Substanzen sind Diarrhoe, Übelkeit/ Inappetenz und Gewichtsverlust. Deshalb werden meist Loperamid und Metoclopramid als Bedarfsmedikation verordnet.“ Zudem könnten eine Ernährungsumstellung und adaptierte Einnahmezeitpunkte bei gastrointestinalen Begleiterscheinungen sinnvoll sein. Bei anhaltenden Beschwerden empfiehlt der Pneumologe eine Dosisreduktion laut Fachinformation, in schweren Fällen eine Therapiepause und gegebenenfalls eine Umstellung auf die jeweils andere Substanz. Als weitere Nebenwirkungen sind Leberwerterhöhungen zu nennen, weshalb regelmäßige Kontrollen erforderlich sind – initial monatlich, bei stabil laufender und verträglicher Therapie dann ca. dreimonatlich. Pirfenidon könne außerdem zu phototoxischen Hautreaktionen führen, folglich sollte unter dieser Medikation eine intensive Sonneneinstrahlung vermieden bzw. Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Observanz im niedergelassenen Bereich Wenn ILD-Patientinnen und -Patienten von der Ambulanz wieder in den niedergelassenen Bereich zur Observanz rücküberwiesen werden, sind

OA Lang zufolge regelmäßige Lungenfunktionsverlaufskontrollen und fallweise eine Bildgebung durch die niedergelassene Fachärztin/den niedergelassenen Facharzt nötig. Um Verschlechterungen rasch festzustellen, ist von hausärztlicher Seite eine regelmäßige Kontrolle der Symptome und der Sauerstoffsättigung zu empfehlen. „Komorbiditäten wie COPD oder KHK sind bestmöglich abzuklären und einzustellen, selbstverständlich ist auch eine Nikotinkarenz einzuhalten“, fügt der Pneumologe hinzu. Bei laufender medikamentöser Therapie wie beispielsweise mit Immunsuppressiva oder IPFspezifischen antifibrotischen Arzneimitteln sind regelmäßige klinische Verträglichkeitskontrollen, gegebenenfalls die Verschreibung einer antiemetischen oder antidiarrhoischen Therapie sowie Laborkontrollen durch die betreuenden Hausärztinnen und Hausärzte erbeten.

Letztere umfassen meist Blutbild, Leber- und Nierenwerte. Bei therapieassoziierten Nebenwirkungen empfiehlt der Pulmologe, einen direkten Draht zur Spezialambulanz herzustellen: „Im Zweifelsfall und bei suspizierten schweren Nebenwirkungen sollten Immunsuppressiva und auch Antifibrotika kurzfristig immer pausiert und der Kontakt zur Spezialambulanz gesucht werden.“ Mag.a Ines Pamminger, BA

NACHBERICHT Der Experte war Vortragender zum Thema bei der 47. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie und der Österreichischen Gesellschaft für Thoraxchirugie, von 23. bis 25.10.23 in Graz.

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases

„Wertvolle Erweiterung“

Die seltenen und therapieschwierigen Epilepsieerkrankungen Dravet-, LennoxGastaut-Syndrom und Tuberöse Sklerose manifestieren sich bereits in jungen Jahren. Das DS und die TSC kommen typischerweise im ersten Lebensjahr zum Vorschein, ein LGS meist zwischen dem zweiten und siebten. Einen relativ neuen Therapieansatz, der seit August 2023 für alle drei Indikationen im Gelben Bereich des Erstattungskodex der Österreichischen Sozialversicherung zur Verfügung steht, stellt Cannabidiol als Fertigarzneimittel dar. Um diesen näher zu beleuchten, lud die Hausärzt:in Univ.-Prof.in Dr.in Martha Feucht zum Gespräch.

Die Erstmanifestation des LGS erfolgt charakteristischerweise später. Welche Hinweise gibt es für das Vorliegen jener Erkrankung?

Das LGS in seiner vollen Ausprägung lässt sich nicht immer gleich am Anfang erkennen bzw. sind die Diagnosekriterien oft erst im Verlauf eindeutig gegeben. Bestimmte Anfallstypen respektive deren Kombination – tonische Sturzattacken + atypische Absenzen – und EEG-Veränderungen im synchronisierten Schlaf weisen jedoch auf die Erkrankung hin. Kennzeichnend sind hier eine rhythmische 2-Hz-Sharp-Slow-WaveAktivität („Theta-Variant-Muster“) und „Rapid Spikes“, also schnelle Aktivität frontal oder generalisiert.

HAUSÄRZT:IN: Welchen Wert hat eine frühe Diagnose und Behandlung bei seltenen Epilepsieerkrankungen im Säuglings- bzw. Kleinkindalter?

Prof.in FEUCHT: Bei Tuberöser Sklerose ist eine frühe Diagnose essenziell.

Idealerweise wird sie vor Beginn manifester Anfälle gestellt bzw. zumindest bevor eine epileptische Enzephalopathie entsteht. Es gilt, die „Kaskade“ zu unterbrechen, bei der eine TSC in ein

Wie wirken sich LGS, DS und TSC auf die Lebensqualität von Betroffenen und ihren Familien aus?

Alle drei Erkrankungen bzw. Syndrome gehören zu den frühen epileptischen Enzephalopathien mit spezifischen komorbiden Störungen, beispielsweise Intelligenzminderung, Hyperaktivität, Autismus-Spektrum-,Verhaltensstörungen etc. Sie stellen daher eine besondere Herausforderung für Angehörige

© privat

Univ.-Prof.in Dr.in Martha Feucht, Leiterin des Zentrums für seltene und komplexe Epilepsien im Kindes- und Jugendalter (Vollmitglied von ERN EpiCARE), MedUni Wien, im Interview.

West-Syndrom und in der Folge in ein Lennox-Gastaut-Syndrom übergeht. Nur durch eine frühe – präventive – und spezifische Behandlung, zum Beispiel mit Vigabatrin, mTOR-Inhbitoren oder epilepsiechirurgischen Verfahren, können schwere Einbußen im Bereich der psychomotorischen Entwicklung hintangehalten werden. Ähnlich verhält es sich mit dem DravetSyndrom. Denn einerseits stehen syndromspezifische Therapien zur Verfügung: Clobazam, Valproinsäure und Stiripentol. Andererseits muss von Beginn an die Anwendung von Natriumkanalblockern vermieden werden, um Status epileptici mit konsekutiver Mortalität und Morbidität, sprich einer zusätzlichen negativen Auswirkung auf die Entwicklung, möglichst zu verhindern.

8

November 2023

© shutterstock.com/Iryna Imago

Cannabidiol als Therapiebaustein bei behandlungsrefraktären Epilepsiesyndromen

und/oder Pflegepersonen dar. Anfälle, die mit Stürzen einhergehen, bedeuten zudem ein erhöhtes Unfallrisiko und erfordern eine kontinuierliche Observanz – sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Letztlich besteht ein signifikant erhöhtes Risiko, frühzeitig zu versterben.

Bei unzureichender Anfallskontrolle ist der adjuvante Einsatz von Cannabidiol als Fertigarzneimittel eine Möglichkeit.

Welche Erfahrungen haben Sie hier gesammelt?

Cannabidiol stellt zwar bei keiner der angeführten Epilepsien die First-LineTherapie dar, ist aber im Falle des Versagens derselben eine wertvolle Erweiterung der Behandlungsoptionen. Die Erfahrungen am AKH sind bei strenger Indikationsstellung und früher Anwendung im Krankheitsverlauf sowohl in puncto Effektivität als auch bezüglich der Sicherheit und Verträglichkeit durchwegs positiv.

Kann man mit der CannabidiolTherapie ebenso auf die Komorbiditäten Einfluss nehmen?

Ja. Positive Effekte werden vor allem in Bezug auf Schlafstörungen und Verhalten berichtet. Dies entspricht auch den eigenen Erfahrungen. So können Aggressionen abnehmen und sich die Impulskontrolle verbessern.

Was gilt es in Bezug auf Interaktionen oder Nebenwirkungen bei der Anwendung vom Cannabidiol-Fertigarzneimittel zu beachten?

Diese Frage lässt sich nur auszugsweise beantworten, hier muss man auf die Produktinformation verweisen. Kontraindiziert ist Cannabidiol etwa bei Patienten mit erhöhten Transaminase-

und Bilirubinwerten, die das Drei- bzw. Zweifache der oberen Normgrenze übersteigen. Serumtransaminasen und Gesamtbilirubinwerte sollten nach einem, nach drei und nach sechs Monaten ab Beginn der Behandlung mit Cannabidiol sowie danach in regelmäßigen Abständen oder im klinischen Bedarfsfall ermittelt werden. Wird Cannabidiol gemeinsam mit Clobazam eingesetzt, kann es häufiger zu erhöhten Transaminasewerten kommen – wenn auch in geringerem Ausmaß als bei gleichzeitiger Anwendung mit Valproat.

Wann können beispielsweise Dosisanpassungen sinnvoll sein?

Beim kombinierten Gebrauch von Clobazam und Cannabidiol können erhöhte Konzentrationen von N-Desmethylclobazam entstehen, einem aktiven Metaboliten von Clobazam. Wenn Somnolenz oder Sedierung auftreten, sollte man eine Verringerung der Clobazamdosis erwägen. In Hinblick auf mögliche Wechselwirkungen, die zu erhöhten Plasmakonzentrationen von mTOR-Hemmern führen können, sollten diese Arzneimittel und Cannabidiol mit Vorsicht zusammen verabreicht werden sowie eine Überwachung der Serumkonzentrationen erfolgen. Auch können bei gleichzeitiger Anwendung mit Cannabidiol die Phenytoinexposition oder der Lamotriginspiegel erhöht und Dosisanpassungen notwendig sein.

Apropos Dosis: Interessant ist, dass der mögliche Effekt eines Gewichtsverlusts bzw. einer verminderten Gewichtszunahme unter Cannabidiol-Therapie bei Patienten mit LGS, DS und TSC dosisbezogen sein dürfte. Zudem treten Diarrhö und verminderter Appetit häufiger auf, wenn Cannabidiol und Valproat gleichzeitig angewendet werden.

Welche Berufsgruppen sollten eingebunden sein, um eine umfassende Betreuung von betroffenen Kindern und Angehörigen zu gewährleisten?

Die Betreuung epileptischer Enzephalopathien im Kindesalter erfordert die Anbindung an spezialisierte Zentren mit multiprofessionellen Teams. Diese bestehen aus Vertreterinnen und Vertretern der Epileptologie, Molekulargenetik, Neuroradiologie, Neurochirurgie, Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Sozialarbeit.

Bei TSC ist – da es sich um eine Multisystemerkrankung handelt – außerdem die Einbindung von pädiatrischen Kardiologinnen und Kardiologen, Nephrologinnen, Neuroophthalmologinnen etc. von Bedeutung.

Das Interview führte Anna Schuster, BSc

CANNABIDIOL IN DER GELBEN BOX Die adjuvante Behandlung von Krampfanfällen mit dem CannabidiolFertigarzneimittel kann bei Patient:innen ab zwei Jahren mit LGS und DS in Verbindung mit Clobazam sowie bei TSC erfolgen, wenn Betroffene trotz adäquater Therapie mit zumindest zwei anfallsunterdrückenden Medikamenten (ASM) nicht ausreichend einzustellen sind.

Quelle und weitere Informationen: sozialversicherung.at/oeko/views/index.xhtml

Hausärzt:in DIALOG informativ

Haben Sie das schon mal gesehen?

Blickdiagnose M. Fabry Die lysosomale Speicherkrankheit Morbus Fabry betrifft trotz des X-chromosomalen Erbgangs Männer und Frauen. Insbesondere bei Zufallsbefunden sollten Familienangehörige gezielt gescreent werden.1

© Morbus Fabry Selbsthilfeverein

BEZAHLTE ANZEIGE

Ein runder Geburtstag kann Anlass sein, zu reflektieren und „lästige“ Verpflichtungen nun doch zu erledigen. Das dachte sich wohl auch Katharina, als sie knapp vor ihrem 40. Geburtstag beschloss, endlich einen Termin für die lange aufgeschobene Gesundenuntersuchung bei ihrer Hausärztin zu vereinbaren. Zwar fühlte sich Katharina grundsätzlich gesund, aber in letzter Zeit hatte sie das Gefühl, schlechter zu hören, und schon seit Jahren plagte

Abb. 1: Angiokeratome bei M. Fabry

sie immer wieder ein unangenehmes, schmerzhaftes Kribbeln in den Füßen. Auch beim Treppensteigen geriet sie mittlerweile schneller außer Atem als ihre Freundinnen.

Die unschönen rötlichen Flecken an ihren Fingern konnte sie in ihrem Beruf als Friseurin kaum mehr verbergen. Zudem musste sie sich in den Sommermonaten immer häufiger in kühle, klimatisierte Räume zurückziehen, weil ihr die warmen Temperaturen sehr zu schaffen machten und sie schon regelrecht Angst vor den zunehmenden sommerlichen Hitzewellen hatte.

den letzten Jahren belastet hatten, freilich ohne einen Zusammenhang zu erkennen.

Warnzeichen, dennoch Zufallsbefund Im Frühjahr 2023 nahm Katharina den Termin wahr. Die langjährige Hausärztin der Familie wusste, dass ihr Vater mit knapp 60 Jahren an einem Schlaganfall verstorben war. Auf den ersten Blick schien die Patientin altersgemäß gesund zu sein. Doch der erfahrenen Praktikerin fielen die Hautveränderungen an der Hand, sogenannte Angiokeratome (siehe Abbildung 1), gleich auf und sie erfuhr auf gezielte Nachfrage, dass solche Flecken auch am Bauch vorlagen und über die Jahre immer mehr geworden sind. Im nachfolgenden Gespräch berichtete Katharina nicht nur von ihrer Hitzeempfindlichkeit, sondern nach und nach auch von den anderen Symptomen, die sie in

Die Hausärztin jedoch, die sich regelmäßig fortbildete, bezog eine Stoffwechselerkrankung in ihre differenzialdiagnostischen Überlegungen mit ein: Morbus Fabry, eine seltene lysosomale Speichererkrankung. Obwohl die Erkrankung X-chromosomal vererbt wird, können sowohl Männer als auch Frauen erkranken, wenngleich die Erkrankung bei Frauen meist später manifest wird. Ursächlich ist eine reduzierte bzw. fehlende Aktivität der alpha-Galaktosidase A (AGAL), was zur Akkumulation und Ablagerung von Sphingolipiden (Globotriaosylceramid: Gb3; in der deacetylierten Form: Lyso-Gb3) in verschiedenen Organen des Körpers führt, mit progredienten funktionalen Defiziten.1

Morbus Fabry: Behandlungsmöglichkeiten Für die kausale Therapie des Morbus Fabry stehen zwei etablierte Therapieansätze zur Verfügung: die Enzymersatztherapie als Infusion, die alle 14 Tage verabreicht wird, und für Patientinnen und Patienten mit geeigneten Mutationen auch eine pharmakologische Chaperon-Therapie in Form einer Kapsel zur oralen Einnahme jeden zweiten Tag.1

Abb. 2: Morbus Fabry ist eine multisystemische, fortschreitende Erkrankung 4-6 LVH= linksventrikuläre Hypertrophie TIA= transitorische ischämische Attacke Angepasst mit Genehmigung der Japanese Society of Nephrology

10

November 2023

Hausärzt:in DIALOG informativ

Einige dieser typischen Leitsymptome waren auch bei Katharina zu beobachten, was die Hausärztin zu einer gezielten Abklärung veranlasste. Zudem lag ihr ein etwas älterer Blutbefund vor, aus dem hervorging, dass die Nierenfunktion von Katharina schon vor zehn Jahren im unteren Normbereich lag – ein Befund, der damals aber nicht weiter abgeklärt wurde. In einem ersten Schritt forderte die Hausärztin eine Trockenblutkarte an (Kontakt: www.archimedlife.com), mit der die Aktivität der AGAL gemessen wird.

Bei Männern kann diese Methode ausreichend für die Diagnose sein, bei Frauen sind bei entsprechendem Verdacht weitere Untersuchungen erforderlich, da etwa

ein Drittel der betroffenen Frauen eine krankheitsverursachende Genvariante mit normaler AGAL-Aktivität aufweisen kann.1

verticillata, einer Trübung der Hornhaut durch winzige feine Ablagerungen, aufwies.

Daher schließt eine normale Enzymaktivität bei der Frau das Vorliegen eines M. Fabry nicht aus. Bei Frauen mit Verdacht auf M. Fabry muss stets die molekulargenetische Analyse des alpha-Galaktosidase-A-Gens (GLA-Gens) zur Diagnosestellung herangezogen werden.1 In Österreich wird die weiterführende Diagnostik und spezialisierte Behandlung an speziellen Fabry-Zentren (Liste: siehe https://morbus-fabry.eu) durchgeführt.

Mutationsspezifische Therapie Die Analyse mittels Trockenblutkarte ergab eine Defizienz der AGAL. Bei Männern ist die Bestimmung der AGAL-Aktivität in Leukozyten die Methode der Wahl zur Diagnosestellung. Die molekulargenetische Analyse des GLA-Gens mit dem Nachweis einer krankheitsverursachenden Genvariante dient der finalen Diagnosesicherung und hat Auswirkungen auf das zur Verfügung stehende Therapiespektrum (siehe auch Kasten linke Seite). 1 Max wird inzwischen ebenso wie seine Mutter an einem wohnortnahen FabryZentrum betreut. <

Humangenetische Beratung Tatsächlich wurde nach Abschluss dieser Untersuchungen bei Katharina die Diagnose Morbus Fabry gestellt. Bei einem molekulargenetisch bestätigten M. Fabry ist eine humangenetische Beratung für Betroffene und für Familienangehörige anzubieten.1 Die Hausärztin bestellte daher auch Max, den 14-jährigen Sohn von Katharina, zur genaueren Untersuchung ein. Denn bei einem X-chromosomalen Erbgang besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 %, dass Mütter mit einer GLA-Mutation diese über das X-Chromosom an ihre Söhne (wie auch an ihre Töchter) vererben.2 Klinisch war Max scheinbar unauffällig, doch in einem ausführlichen Gespräch beschrieb der Bub neuropathische Schmerzen in Händen und Füßen, vor allem nach seinem geliebten Fußballtraining, von denen er aber seiner Mutter nie berichtet hatte. Ein Konsiliarbesuch beim Augenarzt zeigte, dass Max den für Morbus Fabry charakteristischen Befund einer Cornea

WebTipps für Morbus Fabry https://morbus-fabry.eu: Selbsthilfegruppe Morbus Fabry (auch für Patienten und Angehörige) www.orpha.net: Portal für Seltene Krankheiten und Orphan Drugs www.erknet.org: Informationen zu Seltenen Erkrankungen wie Morbus Fabry aus nephrologischer Sicht (European Rare Kidney Disease Reference Network)

Referenzen: 1 Üçeyler N et al., Diagnose und Therapie des Morbus Fabry, S1-Leitlinie, 2022; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 24.08.2023).

2 Germain DP, Orphanet J Rare Dis 010; 5(1):1–49.

3 Ortiz A et al., Mol Genet Metab 2018; 123(4):416–427.

4 Schiffmann R et al., Kidney Int 2017; 91(2):284–293.

5 Schiffmann R und Ries M. Pediatr Neurol. 2016;64:10–20.

6 Kusano E et al. Clin Exp Nephrol. 2014;18(2):269–273.

NP-GA-AT-00030923 (V2.0/09.23)

Frühsymptome des Morbus Fabry Die klinischen Präsentationen und Verlaufsformen der multisystemischen und fortschreitenden Erkrankung sind sehr unterschiedlich (Details: siehe Abbildungen 2 und 3).2–4 Erste Symptome (z. B. Fabryassoziierte Schmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Hitze-/Kälteintoleranz, Tinnitus) treten meist bereits in der Kindheit oder in der Adoleszenz auf. Angiokeratome, asymptomatische Cornea verticillata, Schweißsekretionsstörung und sensorineurale Hörminderung sind weitere Manifestationen. Aufgrund der Heterogenität der Symptome und des manchmal oligosymptomatischen Verlaufs sind Fehldiagnosen häufig. Oft wird M. Fabry erst Jahre nach dem Auftreten erster Symptome erkannt. Unbehandelt ist die Lebensqualität der Betroffenen oft deutlich eingeschränkt, dazu mindern die möglichen Langzeitorganschäden an Nieren, Herz und zentralem Nervensystem die Lebenserwartung.1

Abb. 3: Morbus Fabry ist eine multisystemische Erkrankung 4-6 TIA= transitorische ischämische Attacke Angepasst mit Genehmigung der Japanese Society of Nephrology

November 2023

11

© shutterstock.com/Sasun Bughdaryan

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases

Folgenreiche Akromegalie

© privat

Lange Latenzzeit bis zur Diagnosestellung – erhöhte Achtsamkeit als primärer Angelpunkt Für Akromegalie liegen in der Literatur sehr unterschiedliche Zahlen hinsichtlich der Häufigkeit vor – jene zur Inzidenz reichen bis 1,1/100.000 Personen/Jahr und die Prävalenz wird mit bis zu 13,7/100.000 Personen angegeben. Aufgrund der meist langsamen Entwicklung der physiognomischen Veränderungen werden diese sowohl

12

November 2023

GASTAUTOR: Univ.-Prof. Dr. Anton Luger Universitätsklinik für Innere Medizin III, MedUni Wien

von Betroffenen als auch von deren Umgebung häufig über Jahre hinweg nicht wahrgenommen. Die durchschnittliche Zeit zwischen dem retrospektiv anhand von Fotografien ermittelten Krankheitsbeginn bzw. dem ersten Auftreten von körperlichen Beschwerden und der Diagnosestellung beträgt sieben Jahre. >

INFO 1 Symptome, die auf eine Akromegalie hinweisen können � Veränderung der Gesichtszüge mit Größenzunahme von Nase und Lippen sowie Hervortreten von Stirn und Kinn � Vergrößerung der Hände und Füße mit Zunahme der Schuhgröße � Ringe, die nicht mehr passen � Auseinanderweichen der Zähne � Vergrößerung der Zunge � Schnarchen � Kopfschmerzen � Hyperhidrose � Gesichtsfeldausfälle

Fachkurzinformation siehe Seite 15

Hausärzt:in DIALOG Rare Diseases

Niedergelassene Mediziner:innen gefragt Der Verdacht auf die Erkrankung wird oft von Freunden oder Verwandten geäußert, welche die betroffene Person längere Zeit nicht gesehen haben.

INFO 1 (siehe S. 12) gibt einen Überblick über Symptome, die auf eine Akromegalie hinweisen können. Darüber hinaus ist bei Manifestation im Kindes- und Jugendalter vor dem Schließen der Epiphysenfugen mit Riesenwuchs zu rechnen. Die durch Wachstumshormon(GH)-Überschuss und in der Folge erhöhten Serumkonzentrationen von IGF-I (insulinlike growth factor-I) – das in der Leber unter dem Einfluss von GH produziert wird – häufig auftretenden Begleiterkrankungen sind vielfältig (siehe INFO 2). Beeinträchtigungen des Kohlenhydratstoffwechsels, Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen und Gelenkbeschwerden sind aber so prävalent, dass ein Screening dieser Kollektive auf GH-Überschuss nicht durchführbar scheint.

„Persistierende Auswirkungen wie Hyperhidrose und Skelettveränderungen beeinträchtigen insbesondere die Lebensqualität stark.“ Dass niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner auf in INFO 1 beschriebenen Symptome bezüglich des möglichen Vorliegens dieser Seltenen Erkrankung achten, ist daher von zentraler Bedeutung. Gefragt sind hier Fachpersonen aus vielen Bereichen – Allgemeinmedizin, Zahnmedizin, Orthopädie, Kardiologie, Pulmologie, Rheumatologie sowie Gynäkologie.

Jene Achtsamkeit stellt den primären Angelpunkt dar, um die lange Zeit zwischen Manifestation der ersten Symptome und Diagnose zu verkürzen.

14

November 2023

Dadurch könnten die vielfältigen weitgehend irreversiblen Folgeerkrankungen vermieden oder deren Ausprägung gemildert werden. Trotz der zahlreichen Initiativen, die Aufmerksamkeit für ein mögliches Vorliegen von Akromegalie zu steigern, ist die Latenzzeit bis zur Diagnosestellung international und österreichweit über Jahrzehnte weitgehend unverändert geblieben.

Der Welt-Akromegalie-Tag am 1. November, der von der World Alliance of Pituitary Organizations und von nationalen Akromegalie-Selbsthilfegruppen unterstützt wird, soll diese Erkrankung sowohl der Allgemeinbevölkerung als auch allen in Gesundheitsberufen Tätigen näherbringen.

Chirurgische und medikamentöse Therapie Diagnose und Therapie der Akromegalie sind komplex. Bei Verdacht auf jene Erkrankung sollten Betroffene daher an ein Zentrum mit ausgewiesener Expertise („Pituitary Tumor Centers of Excellence“) überwiesen werden. Diese gewährleisten idealerweise eine enge Zusammenarbeit von Endokrinologie, Labormedizin, Radiologie, Neurochirurgie und Pathologie.

Die Therapie der ersten Wahl ist die operative Entfernung des Adenoms.

Der Eingriff wird nahezu ausschließlich transsphenoidal durchgeführt und sollte Referenzzentren für Neurochirurgie mit entsprechender Erfahrung und Frequenz vorbehalten bleiben. Die Remissionswahrscheinlichkeit hängt weiters von der Größe und Lokalisation des Adenoms ab. Sie beträgt bis zu 90 % bei Adenomen, die kleiner sind als 1 cm, ist jedoch bei jenen über 1 cm deutlich geringer.

Wurde mit der Operation keine Heilung erzielt, ist eine medikamentöse Therapie indiziert. Zur Verfügung stehen Somatostatinanaloga mit retardierter Wirkstofffreisetzung, die nur alle vier Wochen appliziert werden müssen, sowie der GH-Rezeptorantagonist Pegvisomant. Zudem kann der Einsatz des Dopaminagonisten Cabergolin bei mildem GH-Überschuss mit IGF-I-Werten, die nur 20-50 % über der oberen Grenze des Referenzbe-

reichs liegen, erwogen werden. Neben einer Reoperation sind auch radiochirurgische Verfahren zu erwägen, z. B. das Gamma-Knife. Aufgrund der mit erhöhten GH- und IGF-I-Werten verbundenen gesteigerten Morbidität und Mortalität ist jedenfalls eine Normalisierung dieser Werte anzustreben.

Holistische Behandlung Bedauerlicherweise persistieren aber selbst bei Normalisierung der GH- und IGF-I-Serumkonzentrationen insbesondere Folgeerscheinungen der Akromegalie, welche die Lebensqualität stark beeinträchtigen, etwa Hyperhidrose und Skelettveränderungen. Letztere sind häufig mit starken Schmerzen verbunden. Eine holistische Behandlung der Patientinnen und Patienten, die neben der Fokussierung auf Laborwerte auch ihr Befinden und ihre Beschwerden entsprechend würdigt, ist erforderlich. Eine lebenslange umfassende Betreuung der Betroffenen mit Berücksichtigung der metabolischen und kardiovaskulären Begleiterkrankungen gilt es jedenfalls anzustreben, da Rezidive auch bei initialer Remission nach der Operation auftreten können. <

INFO 2 Mögliche Folgeerkrankungen bzw.

Beeinträchtigungen von Organsystemen oder -funktionen � Arthropathie � Karpaltunnelsyndrom � Beeinträchtigung des Kohlenhydratstoffwechsels (gestörte Glukosetoleranz, erhöhter Nüchternblutzucker, Diabetes mellitus) � Hypertonie � Kardiomyopathie � Arrhythmien � Kolonpolypen � Vergrößerung innerer Organe � zahlreiche psychische Veränderungen � Schlafapnoesyndrom � Regelanomalie � Abnahme der Libido

Hausärzt:in DIALOG informativ

14. Rare Diseases Dialog in der Urania

Die Pharmig Academy lud zur Diskussion über Expertisezentren der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien, sind sich einig im Ruf nach gesicherter öffentlicher Förderung. Nur so sei eine langfristige Planung möglich. In Österreich werden Expertisezentren kaum gefördert, weshalb diese häufig auf private Mittel angewiesen sind. Auch die langen Diagnoseverfahren wurden angesprochen. „Menschen mit Seltenen Erkrankungen warten oft vier bis fünf Jahre auf ihre Diagnose“, so Ing. Röhl.

Hier müsse die Zusammenarbeit zwi-

schen Allgemeinmediziner:innen und Expertisezentren verbessert werden, damit Krankheiten früher erkannt werden.

Quelle: Pressegespräch Pharmig, 06.11.2023

© E. Prokofieff

Am 6. November veranstaltete das Standing Committee Rare Diseases der Pharmig unter dem Titel „Wir sehen was, was Du nicht siehst“ ihren 14. Dialog zum Thema. Diesmal drehte sich alles um Expertisezentren – Institute, die auf Seltene Krankheiten spezialisiert und europaweit vernetzt sind. Sie werden als essenziell für die Versorgung der Betroffenen angesehen. Ing. Claas Röhl, Bakk., Vorstandsmitglied von Pro Rare Austria, und Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Greber-Platzer, MBA, Leiterin

November 2023

15

NEU!

Gesund.at - weniger suchen, mehr wissen

© stock.adobe.com/ Yulia Furman, SdecoretMockup

Ihr Begleiter im medizinischen Berufsalltag

Ihr Arbeitsalltag ist stressig genug – verlieren Sie nicht auch noch Zeit mit der Suche nach medizinischen Informationen oder Terminen.

Mit Gesund.at haben wir ein Portal geschaffen, das Ihnen diese Arbeit abnimmt. Selbstverständlich haben wir auch an Weiterbildung gedacht, so können Sie ab sofort DFP-Punkte auch unterwegs sammeln! Klingt gut, oder?

Gesund.at

Hier geht es zur Anmeldung: