Hausärzt:in 11/2023

Praxis-Magazin für Primärversorgung mit Sonderteil Pharmazie

GUT BEGLEITEN Österreichische Post AG, MZ16Z040661M, 32. Jahrgang, RegionalMedien Gesundheit - RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien

BIS ZULETZT

Geriatrie & Palliative Care

Schmerz als multidimensionales Geschehen – Schmerztherapie ist Teamarbeit

„Ein weites Land“

Der psychosoziale Bereich in der hausärztlichen Praxis

11/2023

Gesund.at weniger suchen, mehr wissen Ihr Begleiter im medizinischen Berufsalltag Ihr Arbeitsalltag ist stressig genug – verlieren Sie nicht auch noch Zeit mit der Suche nach medizinischen Informationen oder Terminen.

Mit Gesund.at haben wir ein Portal geschaffen, das Ihnen diese Arbeit abnimmt. Selbstverständlich haben wir auch an Weiterbildung gedacht, so können Sie ab sofort DFP-Punkte auch unterwegs sammeln! Klingt gut, oder?

© stock.adobe.com/Vasilii

Daily Doc News Wir senden Ihnen jeden Tag die wichtigsten News aus der Branche frei Haus.

Sagen Sie JA zum Wissensvorsprung

Wir ermöglichen Ihnen, jederzeit und von überall DFP-Punkte zu sammeln.

Starten Sie JETZT Ihre Weiterbildung

Fachartikel Wir liefern Ihnen Aktuelles aus Medizin, Pharmazie und Standespolitik.

Entdecken Sie GLEICH die neuesten Artikel

© stock.adobe.com/Stockgiu

Kongresskalender

© stock.adobe.com/ Yulia Furman, SdecoretMockup

© stock.adobe.com/Creative Clicks

© stock.adobe.com/Mediaparts

DFP-Fortbildungen

Wir präsentieren Ihnen alle wichtigen Branchen-Events auf einen Blick.

Erfahren Sie, WANN sich Ihr Fachbereich trifft

Gesund.at

NEU!

Hier geht es zur Anmeldung:

Mehr Informationen und Wechselwirkungs-Check: www.covid19oralrx.at

B���C���� �� ���PAXLOVID

®

Für die Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen, die keine zusätzliche Sauerstoffzufuhr benötigen und ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren COVID-19-Verlauf zu entwickeln1

Christian, 58 Jahre, Diabetes mellitusa

Therapiestart: Innerhalb von 5 Tagen nach Symptombeginn1

Anwendung: Zweimal täglich über einen Zeitraum von 5 Tagen1

86 %

relative Risikoreduktion für Hospitalisierung oder Tod Tod; bei Therapiestart ≤ 5 Tage nach Symptombeginn1,b-d

Die häufigsten Nebenwirkungen (zw. 1 % und 10 % Häufigkeit), die während der Behandlung mit PAXLOVID® gemeldet wurden, waren Geschmacksstörungen, Diarrhö, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Wechselwirkungen zwischen PAXLOVID® und anderen Arzneimitteln können zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen. Vor und während der PAXLOVID®-Behandlung sollten mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln in Betracht gezogen werden.1

KI = Konfidenzintervall; mITT = modified intention-to-treat. a fiktiver Patientenfall. b bis zu 28 Tage nach Therapiebeginn.1 c bei nicht-hospitalisierten Erwachsenen mit COVID-19, die innerhalb von 5 Tagen nach Symptombeginn behandelt wurden und bei Studienbeginn keine Behandlung mit monoklonalen Antikörpern gegen COVID-19 erhielten (mITT1-Analysesatz).1 d PAXLOVID ®: n = 9/977 (0,9 %) vs. Placebo: n = 64/989 (6,5 %); Unterschied zu Placebo: -5,64 % (95 %-KI: -7,31 bis -3,97); p < 0,0001.1 Referenz: 1. PAXLOVID ® Fachinformation, aktueller Stand.

Fachkurzinformation auf Seite XX.

www.pfizer.at | www.pfizermed.at | PAX-AUT-0123/08.2023

© RegionalMedien Gesundheit

Hausärzt:in

Editorial Mit viel Herzblut erstellt Mit MeinMed.at betreiben die RegionalMedien Gesundheit seit vielen Jahren ein erfolgreiches Onlineportal für Patient:innen. Nun war das Ansinnen unseres Digitalteams, auch deren Ärzt:innen einen Service zu bieten, der ihnen den Alltag erleichtert. In den Ordinationen wird man ständig mit einer Flut von Informationen konfrontiert. Da stellt sich die Frage, welche die wirklich wichtigen sind, die man keinesfalls übersehen sollte …

Das neue Ärzt:innenportal Gesund.at setzt sich zum Ziel, ebendiese wesentlichen Inhalte für Mediziner:innen und Apotheker:innen herauszufiltern und – als Text oder Video – zeitnah zur Verfügung zu stellen. Auf Wunsch sogar täglich direkt ins E-Mail-Postfach zu liefern.

Ein weiteres Anliegen ist, unseren Leser:innen die beliebten DFP-Fortbildungen aus der Hausärzt:in auch mobil zugänglich zu machen – sie können ab sofort von überall und auf jedem Endgerät absolviert werden.

Damit landen die DFP-Punkte noch schneller – ganz automatisch – auf dem Konto. Ebenso kann in vielen Fachartikeln unseres Praxismagazins jetzt zusätzlich online geschmökert werden.

Gesund.at ist somit eine hervorragende Ergänzung zu unseren Printausgaben der Hausärzt:in und bietet zusätzlich tagesaktuelle Informationen. Ob digital und/oder in Printform: Wir wünschen Ihnen viel Freude mit den von unserem Redaktionsteam mit viel Herzblut zusammengestellten Inhalten!

Ihre

Mag.a Karin Martin Redaktionsleiterin RegionalMedien Gesundheit, karin.martin@regionalmedien.at

Last, but not least gibt es alle wichtigen Branchenveranstaltungen (Kongresse, Tagungen, Seminare) auf der neuen Plattform, inklusive der Programme und Links zur Anmeldung. Natürlich ist es unmöglich, bei jedem Event selbst mit dabei zu sein. Wir liefern regelmäßig Nachberichte: Welche Themen waren besonders spannend? Wer waren die Vortragenden? Wie war die Stimmung? …

Hervorragende Ergänzung Unter dem Motto „Weniger suchen, mehr wissen“ soll die Webseite also zum Begleiter im medizinischen Alltag werden: Sie sollen alles, was Sie wissen müssen, kurz und prägnant „serviert“ bekommen, damit Sie sich einerseits im hektischen Alltag ausgiebiger um Ihre Patient:innen kümmern können, sowie andererseits letztendlich mehr Freizeit haben.

November 2023

5

Hausärzt:in Inhaltsverzeichnis

medizinisch

pharmazeutisch

dossier

extra

n

io at

rm

fo

zin

ur hk

c Fa sie he ite

Se 58

Hausärzt:in medizinisch

Sommer, Urlaub & kardiovaskuläre Erkrankungen

SC Ser HM ie ER Z

© Gernot Gleiss

© stock.adobe.com/ loran4a

70 Prozent der Todesfälle auf Reisen sind auf HKE zurückzuführen

Leitliniengerechte Migräneprophylaxe Die Anfälle können gut abgeschwächt und reduziert werden

Der Leidensdruck der Bedem psychiatrischen Formentroffenen ist hoch, das zeigen kreis auftreten, etwa Depresmittlerweile zahlreiche Untersionen oder Angststörungen.2 suchungen. „2019 lag Migräne Umso wichtiger sei es, dieser bei Frauen und Männern an Erkrankung bereits prophylakzweiter Stelle der am meisten tisch entgegenzuwirken, betont beeinträchtigenden ErkranDr.in Tesar. „Wir Ärztinnen und kungen – vor zum Beispiel Ärzte müssen ganz genau hinaltersbedingtem Hörverlust“, EXPERTIN: schauen, denn heutzutage gibt in bezieht sich Dr.in Sonja-Maria Dr. Sonja-Maria es – auch wenn Migräne unheilTesar Tesar, Präsidentin der Öster- Präsidentin ÖKSG, bar ist – viele therapeutische reichischen Kopfschmerzge- Medizinische DirekMöglichkeiten“, macht die Mesellschaft (ÖKSG)*, auf eine torin LKH Wolfsberg, dizinische Direktorin des LKH Leitung KopfschmerzStudie der WHO.1 Bei Frauen ambulanz Klinikum Wolfsberg und Leiterin der im Alter von 15 bis 49 Jahren Klagenfurt Kopfschmerzambulanz am Kliführte Migräne sogar die Liste nikum Klagenfurt aufmerksam. an. Betroffene leiden nicht nur an den bis zu einer Woche dauernden AnfälNichtmedikamentöse Ansätze len, sondern auch in der attackenfreien Zeit (Interictal Burden) – beispielsweiBekanntlich besteht die Migränetherapie se unter der Angst vor der nächsten aus medikamentösen BehandlungsmögBeeinträchtigung. Darüber hinaus könlichkeiten (Attackentherapie, prophylaknen – insbesondere bei der chronischen tische Therapie) und nichtmedikamentöMigräne – Begleiterkrankungen aus sen Maßnahmen. Die beste Wirksamkeit

8

November 2023

kann man laut Dr.in Tesar erzielen, indem man beides miteinander verknüpft. Bei nichtmedikamentösen Verfahren gelte es, für Patientinnen und Patienten jene mit guter wissenschaftlicher Basis zu wählen, dazu zählten die in den DGN-Leitlinien angeführten Maßnahmen3 (siehe Abbildung, S. 10). Unter diesen hebt die Expertin vor allem verhaltenstherapeutische und psychologische Ansätze zur Prophylaxe hervor. Sie können bei der Bewältigung von Stresssituationen eine wesentliche Rolle spielen. Studien zeigten, dass insbesondere der Wechsel zwischen Anund Entspannung eine Migräne auslösen kann.4 Die kognitive Verhaltenstherapie ermöglicht das Erkennen der physiologischen und kognitiven Antworten auf Stress, beispielsweise die Wahrnehmung der ersten spontanen Gedanken und letztendlich ein „Replacement“ ebenjener. Durch Biofeedbackgeräte werden bestimmte Körperfunktionen gemessen und somit die Wahrnehmung von >

Fachkurzinformation siehe Seite 82

Hausärzt:in medizinisch Patientinnen und Patienten geschult, um gezielt gegensteuern bzw. Entspannungstechniken anwenden zu können.

Nicht jedes Verfahren sei für jede und jeden passend, erläutert die ÖKSG-Präsidentin. Wesentlich sei dabei vor allem die regelmäßige Anwendung. Darüber hinaus gebe es noch eine Reihe von Lebensstilmodifikationen wie regelmäßige Schlafens- und Essenszeiten, die nachweislich dabei helfen könnten, die Anzahl der Kopfschmerztage zu reduzieren.5 „Patientinnen und Patienten sollten wissen, dass die Erkrankung zwar nicht heilbar ist, sich aber sehr gut managen lässt.

Für sie ist es wesentlich, die Trigger zu kennen und zu lernen, damit umzugehen,

denn nicht alle Auslöser lassen sich immer vermeiden“, fasst die Expertin zusammen.

Medikamentöse Optionen zur Prophylaxe Wenn drei oder mehr Migränetage pro Monat vorkommen, wird eine vorbeugende medikamentöse Therapie über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten empfohlen (siehe INFO, S. 12). Einen guten Überblick über die Grundsätze der medikamentösen Prophylaxe und das weitere Vorgehen gibt die DGN-Leitlinie (siehe Abbildung). „Von wirksamer Prophylaxe spricht man bei einer Reduktion der Anfallshäufigkeit um 50 %

Grundsätze der medikamentösen Prophylaxe: Aufklärung im Vorfeld: • Wirksamkeit: Reduktion der Kopfschmerzen um ca. 50 %, bei chronischer Migräne um 30 % • bei oraler Medikation zeitlich verzögerter Wirkeintritt • Nebenwirkungen: detaillierte Aufklärung je nach Präparat, NW oft früh in der Eindosierung Orale Medikamente einschleichen, „start low, go slow“ Therapie-Monitoring: Kopfschmerztagebuch Therapiedauer: 6-12 Monate, dann Notwendigkeit prüfen Therapiewechsel/-abbruch: falls innerhalb von 2-3 Monaten nach Erreichen der Enddosis keine befriedigende Besserung

oder mehr bei episodischer Migräne und bei chronischer Migräne um 30 % oder mehr. Neben der Reduktion der Migränetage steht vor allem die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund“, so Dr.in Tesar. Eine erfolgreiche Prophylaxe kann zudem den Bedarf an Akutmedikation verringern. Für die Vorbeugung stehen klassische Medikamente wie Betablocker, Anfallsuppressiva oder Antidepressiva zur Verfügung.

Viele Patientinnen und Patienten brechen die Therapie jedoch unter anderem aufgrund von Nebenwirkungen ab.6 Seit 2018 gibt es als Alternative dazu die monoklonalen Calcitonin-Gene-RelatedPeptide-Antikörper. „Das Eiweißmole- >

Kombination mit nichtmedikamentösen Maßnahmen: � regelmäßiger aerober Ausdauersport verhaltenstherapeutische Maßnahmen, z. B.: Entspannungsverfahren, Biofeedback Psychologische Schmerztherapie, z. B.: Schmerzbewältigung, Stressmanagement ggf. kognitive Verhaltenstherapie

Auswahl/Abwägen der Prophylaxe in Absprache mit der Patient:in nach: • Grad der wissenschaftlichen Evidenz • Kopfschmerzfrequenz/Leidensdruck • antizipierten Nebenwirkungen und Komorbiditäten • Lebensumständen (z. B. Schichtdienst) • Patient:innenpräferenzen

Medikamente mit hoher Evidenz: • Betablocker: Propranolol, Metoprolol, Bisoprolol • Flunarizin **** • Valproinsäure*,*** • Topiramat** • Amitriptylin (TCA) • Onabotulinumtoxin A (bei chronischer Migräne)**

Monoklonale Antikörper (hohe Evidenz): Monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor • Eptinezumab i. v.

• Erenumab s. c.

• Fremanezumab s. c.

• Galcanezumab s. c.

nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter Evidenz aus prospektiven Studien zur chronischen Migräne *** Off-Label-Anwendung **** Therapiedauer 6 Monate *

**

Medikamente mit geringerer Evidenzlage: • Opipramol*** • Venlafaxin*** • (ASS) • Magnesium • Magnesium plus Vitamin B2 plus Coenzym Q10 • ACE-Hemmer*** (Lisinopril) • Sartane*** (Candesartan) Additiv oder alternativ zur (nicht-)medikamentösen Prophylaxe: • nicht invasive Neuromodulation

Prophylaxe in Sondersituationen, siehe DGN-Leitlinien 2022 (Kapitel 6) für: Komorbide Störungen, Prophylaxe der Migräne-Aura, Kinder und Jugendliche, Schwangerschaft und menstruelle Migräne

Abbildung: Prophylaktische Maßnahmen laut DGN-Leitlinie.

Adaptiert nach: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG.

10

November 2023

kül CGRP ist beim Menschen ubiquitär vorhanden und ein Gefäßerweiterer. Seit Ende der 1980er Jahre weiß man, dass dieses bei Migränepatientinnen und -patienten während einer Attacke massiv erhöht ist“, erläutert die Expertin. Inzwischen wurden vier CGRP-Antikörper entwickelt, die entweder – wie Fremanezumab, Galcanezumab, Eptinezumab – das Molekül einfangen, blockieren und somit unwirksam machen oder – wie Erenumab – an den Rezeptor binden, sodass ein Andocken des freien Moleküls verhindert wird. Sie werden auf unterschiedliche Weise (subkutan, intravenös, monatlich oder quartalsweise) verabreicht. Die Kosten für diese spezifischen Prophylaktika werden von der Sozialversicherung übernommen, vorausgesetzt, eine Fachärztin/ein Facharzt für Neurologie verordnet sie, wenn zumindest drei medikamentöse Migräneprophylaxeversuche zu keinem klinisch relevanten Ansprechen geführt haben, aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen wurden oder wegen Kontraindikationen nicht möglich sind. Nach der Erstverschreibung können jene Mittel von der Hausärztin/vom Hausarzt weiterverschrieben bzw. -verabreicht werden. Für bestimmte Patientengruppen, zum Beispiel Personen mit koronarer Herzerkrankung oder ischämischem Insult, sind die Antikörper jedoch nicht empfohlen.

Zudem weist Dr.in Tesar auf das sogenannte RaynaudPhänomen als mögliche Nebenwirkung hin, über das Patientinnen und Patienten Bescheid wissen sollten. Wenn das Syndrom auftrete, müsse das Medikament wieder abgesetzt bzw. durch ein anderes ersetzt werden.

Mag.a Ines Pamminger, BA * Dr.in Sonja-Maria Tesar war Vortragende im Rahmen des MeinMed-Webinars „Optimierte Migränetherapie: weniger Kopfschmerzen – mehr vom Leben!“ Das für Patient:innen relevante Video ist unter meinmed.at/mediathek zu finden.

Referenzen: 1 Steiner TJ et al., J Headache Pain. 2020 Dec 2; 21(1):137. doi: 10.1186/s10194-020-01208-0.

2 Zebenholzer K et al., J Headache Pain. 2016; 17:15. doi: 10.1186/s10194-016-0603-3.

3 Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG. 4 Stubberud A et al., J Headache Pain.

2021 Dec 20;22(1):155. doi: 10.1186/s10194-021-01369-6.

5 Gaul C et al., J Headache Pain. 2011 Aug; 12(4):475-83. doi: 10.1007/s10194-011-0348-y.

6 Hepp Z et al., Cephalagia.2017 Apr;37(5): 470-485.doi:´10.1177/0333102416678382.

Hier geht es zur aktuellen Leitlinie:

INFO Indikationen zur prophylaktischen Therapie ≥ 3 Migränetage pro Monat, schlecht therapierbar Lange Attacken (> 72 Stunden) Attacken, die auf die Akuttherapie nicht ansprechen KI für Triptane Nicht tolerable NW der Akuttherapie Bei Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerzmitteln > 10 Tage/Monat Bei komplizierten Attacken mit langen und beeinträchtigenden Auren Z. n. migränösem Infarkt

12

November 2023

Hausärzt:in medizinisch

Intime Angelegenheit

Schmerzen bei Hämorrhoidalleiden abklären

Proktologische Untersuchung

Fach kur zin for

ma tio n

sie h

e

Zu den häufigsten – jedoch unspezifischen – Symptomen gehören peranale Blutungen, perianale Schwellungen oder Prolaps sowie Pruritus, Nässen und Brennen. Die peranale Blutung ist das Hauptsymptom des Hämorrhoidalleidens und erfordert eine Abklärung, denn anhand von Farbe und Intensität

Se

1 ite

5

der Blutung lässt sich nicht beurteilen, woher diese rührt. Zur Diagnostik symptomatischer Hämorrhoiden wird eine proktologische Basisuntersuchung vorgenommen. Sie umfasst eine zielgerichtete Anamnese, die digital-rektale Untersuchung sowie die Proktoskopie – die Rektoskopie wird zum Ausschluss anderer Blutungsursachen durchgeführt. Besteht der Verdacht auf andere oder zusätzliche Erkrankungen, ist eine Ergänzungsdiagnostik zu erwägen.

© shutterstock.com/Pixel-Shot

Der Hämorrhoidalplexus – Plexus hämorrhoidalis superior bzw. Corpus cavernosum recti – ist für die Feinabdichtung des Afters verantwortlich und stellt damit einen wesentlichen Bestandteil des analen „Kontinenzorgans“ dar.

Das breitbasig aufsitzende, schwammartige Gefäßpolster verläuft zirkulär in der Submukosa des distalen Rektums und endet unmittelbar oberhalb der Linea dentata in der anorektalen Transitionalzone. Ein Hämorrhoidalleiden liegt definitionsgemäß erst dann vor, wenn jenes Polster vergrößert ist und Beschwerden bereitet.

SC Ser HM ie ER Z

Leidvolle Differentialdiagnosen Im Gegensatz zu den bereits genannten Symptomen stellen Schmerzen keine typischen Beschwerden bei Hämorrhoidalleiden dar. Sie werden in der Literatur mitunter zwar als Symptom genannt, allerdings können Hämorrhoiden allein anatomisch bedingt keine Schmerzen auslösen, da jene sich im nicht sensiblen distalen Rektum befinden. Mögliche Gründe für den Schmerz können eine synchron vorhandene Fissur, eine

Pflege in jeder PO POsition

Die kühlende Pflegesalbe für die Analregion ist KOSMETIKUM • kühlend und juckreizlindernd und • pflegt die empfindliche Haut in diesem Bereich. www.haedensa-pflegesalbe.at

Thrombose, ödematöse Marisken, ein Abszess bzw. eine Fistel sein. Deutliche Schmerzen hingegen treten beim – sehr seltenen – inkarzeriert-thrombosierten Hämorrhoidalprolaps als Komplikation vergrößerter Hämorrhoiden auf.

Besonderheit Hämorrhoidalthrombose Bei der akuten Hämorrhoidalthrombose handelt es sich um eine Thrombosierung eines oder mehrerer Hämorrhoidalknoten – anders als im Falle einer Analvenenthrombose, bei der eine perianale Vene betroffen ist. Es gibt zwei mögliche Therapieansätze: erstens eine konservative Behandlung, die intensive Analgesie und abschwellende lokale Maßnahmen sowie das Zuwarten hinsichtlich des weiteren Befundverlaufs beinhaltet, zweitens die chirurgische Intervention mit segmentaler Resektion des thrombosierten Hämorrhoidalbereichs. Primär soll konservativ behandelt werden. Denn aufgrund meist sehr ausgedehnter Befunde mit lokalen ödematösen Begleitreaktionen besteht bei einem operativen Vorgehen mit ausgedehnter Resektion von Anoderm die Gefahr einer hochgradigen Stenosierung des Analkanals.

Anna Schuster, BSc Literatur: S3-Leitlinie Hämorrhoidalleiden, AWMF-Registernr.

081/007 (Stand: 2019).

November 2023

13

Hausärzt:in medizinisch

Präventivmaßnahmen für das Ordinationsteam Ratschläge zur Linderung arbeitsbedingter Beschwerden des Bewegungsapparates Die Gesundheit des Teams einer ärztlichen Praxis hat eine ebenso hohe Priorität wie eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung. Daher ist es für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte von entscheidender Bedeutung, das Wohlergehen ihres Teams zu fördern, um sowohl Leistungsfähigkeit als auch Motivation zu erhöhen und um Patientinnen und Patienten mit arbeitsbedingten Muskel-Skelett-Problemen wirksame Ratschläge geben zu können.

Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung hilft dabei, Muskelverspannungen und Rückenschmerzen zu verringern.

Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die von ergonomischen Computermäusen und -tastaturen über Fußstützen und Lendenkissen bis hin zu Sitz- und Steharbeitsplätzen reichen. Noch wichtiger ist es allerdings, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Tag verteilt immer wieder kurze Bewegungspausen einlegen, um die Durchblutung zu verbessern und Verspannungen zu lösen.

Hierfür reicht bereits eine Minute.

© privat

© shutterstock.com/Shutterstock.AI

SC Ser HM ie ER Z

Bewegung wohl dosieren Ausgiebiges Joggen ist nach einem langen Tag des Stehens oder Sitzens allerdings nicht ratsam, da die Gelenke durch den Bewegungsmangel oft unterversorgt sind.

Statt sich in anstrengende Aktivitäten zu stürzen, sollte auf häufige Positionswechsel zwischen Stehen und Sitzen geachtet werden, was den Gelenkstoffwechsel verbessert. Ein Workout vor dem Arbeitstag kann zur funktionalen Stärkung des Bewegungsapparates beitragen. Dabei gilt es, dieses kurz und intensiv zu halten. Insbesondere Einheiten, die ein hohes Maß an Konzentration erfordern, stimulieren das zentrale Nervensystem und sorgen für eine bessere Haltung und gute Stimmung.

Ebenso wirkt sich ein gesunder Umgang mit Stress direkt auf die Leistungsfähigkeit aus. Um das Stressniveau möglichst niedrig zu halten, empfehlen sich neben

14

November 2023

körperlicher Aktivität kurze Atemübungen oder Meditationen.

X

HAUSÄRZT:IN-Buchtipp

Fazit

Das Schmerzfrei-Geheimnis Mit der 3-Minuten-Muskelgedächtnis-Routine

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte haben die verantwortungsvolle Aufgabe, ihr Team über Prävention und Selbstfürsorge aufzuklären. Auch Patienten können von den Erfahrungen und Empfehlungen profitieren und ihre Gesundheit und Arbeitsqualität durch regelmäßige Pausen, Bewegung sowie ergonomische Arbeitsplatzgestaltung verbessern. Durch den Fokus auf diesen Aspekten können wir alle zu einer gesünderen und effektiveren beruflichen Umgebung beitragen. <

Von Alexander Srokovskyi Verlag Knaur MensSana 2023

Hausärzt:in DFP

Praxiswissen: Geriatrie und Palliative Care

Schmerz als multidimensionales Geschehen – Schmerztherapie ist Teamarbeit DFP-Punktesammler

© shutterstock.com/Maliutina Anna

L I T E R AT U R

Schnellzugriff zum Literaturstudium: Über diesen QR-Code gelangen Sie direkt zur Fortbildung auf gesund.at

Schmerz ist, wie viele andere vermeintlich körperliche Symptome in der Palliative Care, meist ein multidimensionales Geschehen, das – in variablem Ausmaß – somatische, psychische, soziale und spirituelle Komponenten hat, die es zu erkennen bzw. anzuerkennen und bei Bedarf zu behandeln gilt, will man einen wirklich guten Therapieerfolg erzielen.

Obgleich Cicely Saunders den Begriff „Total Pain“ dafür prägte, ist das auch in alltäglichen Situationen feststellbar: die Fußballspielerin, die wegen einer Meniskusverletzung ein wichtiges Spiel versäumt, und der Musiker mit Unterarmfraktur leiden sehr unterschiedlich und nicht ausschließlich körperlich. Diesen Facetten können wir mit einer medikamentösen Schmerztherapie nicht

vollends gerecht werden und wir tun gut daran, gerade in der Palliative Care unser ganzes Methodenspektrum einzusetzen.

In diesem Fortbildungsartikel möchten wir dennoch die medikamentöse Schmerztherapie, die in der Palliative Care zumeist eine Opioidtherapie inkludiert, herausgreifen und einige Tipps aus unserer gemeinsamen Praxis geben.

Über Schmerzen sprechen Um adäquat behandeln zu können, ist es wichtig, Schmerz – so wie jedes andere Symptom – gut zu erfassen und zu quantifizieren. Dies birgt einige Pitfalls, die sich teilweise nicht vermeiden lassen und uns dennoch bewusst sein

sollten. Gerade wenn Patient:innen betagt und/oder schwer krank sind, haben sie oft Schwierigkeiten, sich an Symptome zu erinnern. Sie befinden sich nicht selten in der Ordination in einer Ausnahmesituation, die durch starke Emotionen gekennzeichnet ist. Auch werden Antworten oft gefiltert – z. B. werden vermeintlich sozial erwünschte Antworten bevorzugt, subjektiv peinliche oder tabuisierte Symptome verschwiegen oder Symptome als nicht wichtig angesehen, die aus der Perspektive des Behandlungsteams sehr wohl relevant wären. Manche Menschen erzählen etwa im Palliativkontakt erst auf Nachfrage von ihren Schmerzen, weil sie jene für derart selbstverständlich halten, > dass sie sie gar nicht erwähnen.

November 2023

15

Hausärzt:in DFP

„Mindestens genauso wichtig wie die initiale Schmerzerfassung ist die Evaluierung einer laufenden Schmerztherapie.“ Schmerzintensität richtig erfassen Grundsätzlich lohnt es sich auch, Schmerzen quantitativ zu erfassen. Standardtools wie zehnteilige numerische Ratingskalen (von 0 – kein Schmerz bis 10 – stärkster vorstellbarer Schmerz) sind inzwischen in der medizinischen und pflegerischen Routine angekommen und werden oft verwendet. Mögliche Alternativen sind visuelle Analogskalen, einfachere numerische Ratingskalen (z. B. kein – leichter – mittelstarker – starker – sehr starker Schmerz) oder SmileySkalen für Menschen, die sprachlich oder kognitiv mit den zuvor genannten Verfahren überfordert sind.

Ein wichtiges Phänomen ist, dass die eben angeführte Intensität eines Schmerzes nicht notwendigerweise mit der subjektiv wahrgenommenen Symptombelastung korrelieren muss. So kann ein Schmerz von hoher Intensität weniger belastend werden, wenn der Betroffene weiß, dass jederzeit eine wirksame Bedarfsmedikation zur Verfügung steht. Oder ein vergleichsweise „leichter“ Schmerz, der ohne klaren Auslöser und völlig unvorhersehbar auftritt, kann für die Patientin subjektiv höchst belastend sein.

16

November 2023

GASTAUTOREN-TEAM:

© Daniela Fuchs

© Ordensklinikum Linz

Zudem geben Patient:innen sehr häufig berufsgruppenbezogene Antworten: Der Pfleger erhält ganz andere Informationen als die Ärztin oder der Psychologe. Gerade Pflegende erfahren von Schmerzen und anderen Symptomen, aber auch von großen Sorgen und Ängsten oft beiläufig, also nicht beim „großen Gespräch“ oder bei der Visite, sondern davor oder danach, beim Essen, bei der Körperpflege oder einer anderen „kleinen“ Handlung. Hier ist es eminent wichtig, ein gutes Gehör für Andeutungen und beiläufige Bemerkungen zu entwickeln und möglichst sofort darauf einzugehen.

DGKP Martin Rothe, MSc Palliative Care, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

OA Dr. David Fuchs Palliative Care, Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern

In der Palliative Care ist der Maßstab für die Indikation und vor allem für die Dringlichkeit einer Therapie ausschließlich der subjektive Leidensdruck der Patient:innen, wenngleich darauf hingewiesen sei, dass gerade bei länger anhaltenden Beschwerden wie Schmerzen oder Atemnot oft das Gefühl dafür verloren gehen kann, wie sich ein Leben ohne Schmerzen oder ohne Atemnot anfühlen kann. Deswegen ist es nicht selten sinnvoll, trotz des im Moment fehlenden Leidensdrucks zumindest eine probatorische Therapie zu empfehlen („So kann sich das also anfühlen!“).

Menschen mit Demenzerkrankungen oder anderen kognitiven Einschränkungen oder Patient:innen, deren Sterbeprozess weit fortgeschritten ist, können häufig nicht oder kaum mehr kommunizieren. Hier können wir Schmerzen an indirekten Zeichen wahrnehmen: an einem veränderten Atemmuster, veränderten Verhaltensweisen, Appetitlosigkeit, Lautäußerungen wie Stöhnen oder Klagen, Unruhe, Schonhaltung, Schlaflosigkeit u. a. m. Multiprofessionelle Perspektiven sowie möglichst gute Kenntnisse der üblichen Verhaltensweisen einer Patient:in stehen uns zwar nicht immer zur Verfügung, sollten aber, wann immer möglich, genutzt werden.

Oft stark reduzierte Erwartungshaltung Neben wichtigen Folgefragen, also nach der Schmerzlokalisation, der Schmerzqualität oder möglichen Auslösern, lohnt es sich, das Phänomen „Schmerz“ auch aus anderer zeitlicher Perspektive zu erfassen. Das „Brief Pain Inventory“, ein kurzes und alltagstaugliches Instru-

ment, gibt u. a. neben dem aktuellen Schmerz auch den kleinsten, größten und durchschnittlichen Schmerz der letzten 48 Stunden an. Die genaue Zeitspanne oder auch das verwendete Ratinginstrument ist von untergeordneter Bedeutung, aber die besagten Fragen erlauben eine gute Abschätzung, ob z. B. die Steigerung der Basis- oder Rescuedosis einer Opioidtherapie eher geboten ist.

Eine weitere Fragemöglichkeit, die im Alltag nützlich sein kann, ist, ob eine Patient:in in den letzten 24-48 Stunden zu irgendeinem Zeitpunkt wach und schmerzfrei war. Im Palliativkonsil oder an der Station hören wir oft genug, dass vermeintlich „gut eingestellte“ Patient:innen, die sich durchaus selbst als mit ihrer Schmerztherapie zufrieden bezeichnen, zu keinem Zeitpunkt schmerzfrei waren. Ob diese „Zufriedenheit“ tatsächlich durch einen fehlenden Leidensdruck oder durch eine bereits stark reduzierte Erwartungshaltung begründet ist, gilt es dann herauszufinden.

Mindestens genauso wichtig wie die initiale Schmerzerfassung ist die Evaluierung einer laufenden Schmerztherapie.

Unbedingt vermieden werden sollten Suggestivfragen, die die Tendenz, vermeintlich sozial erwünschte Antworten zu geben, nochmals verstärken können.

Es hat sich als in der Praxis sehr nützlich herausgestellt, die Wirkung einer Therapie quantifizieren zu lassen (in Prozent oder in Kategorien, z. B. keine – leichte – mittlere – gute – sehr gute Wirkung).

Schmerztherapie mit Opioiden Opioide sind oftmals die wichtigste Komponente einer effektiven Schmerztherapie in der Palliative Care. Das WHO-Stufenschema, das für Tumorschmerzen entwickelt wurde, bietet zwar gute Anhaltspunkte, ist im Alltag aber nicht immer gut geeignet. Bei mittleren bis starken Schmerzen ist etwa eine reine Therapie mit Nichtopioiden schon primär meist ungeeignet. Auch die sogenannten „leichten“ Opioide – die zweite Stufe – sind nicht immer ideal und werden sehr oft zugunsten der dritten Stufe, der sogenannten „starken“ Opioide wie Morphin oder Hydromorphon, übersprungen.

© shutterstock.com/Michael Tatman

Hausärzt:in DFP

Ko-Analgetika, insbesondere bei neuropathischem Schmerz, sowie die Einbeziehung zusätzlicher Professionen sind ebenso in vielen Fällen von Beginn an sinnvoll.

Die rein bedarfsorientierte Therapie ist grundsätzlich möglich, wird aber im Alltag eher die Ausnahme darstellen und ist bei häufigen oder anhaltenden Schmerzen nicht mehr adäquat. Auch die reine Gabe kurzwirksamer Darreichungsformen sollte die Ausnahme bleiben.

Häufige Pitfalls Neben Müdigkeit und Übelkeit, die eher zu Beginn und bei Dosissteigerungen relevant sind, ist die Obstipation die im Alltag wahrscheinlich wichtigste und häufig stiefmütterlich behandelte Nebenwirkung. Eine voll ausgeprägte opioidinduzierte Obstipation ist eine schwere und sehr unangenehme Situation, die in ihrem klinischen Symptomenbild einem Ileus sehr ähnlich werden kann.

Eine rein bedarfsorientierte Einnahme von Laxantien ist nur bei wenigen Patient:innen adäquat und zeitigt häufig keinen Erfolg. Wir empfehlen Patient:innen zumeist, ein Laxans täglich und regelmäßig einzunehmen und nur bei Auftreten von sehr weichem Stuhl oder Diarrhoe eine Pause einzulegen.

Gerade im stressigen Alltag kann es auch vorkommen, dass bei einer Dosissteigerung der Opioidtherapie die Dosis

der Rescuemedikation nicht parallel gesteigert wird, was zu einer inadäquaten Wirkung führen kann.

Die oftmals verwendeten transdermalen Systeme („Pflaster“) sind eine in manchen Settings sehr attraktive Darreichungsform, die aber einige Schwierigkeiten birgt. Bei adipösen oder kachektischen Menschen, bei einer Änderung der Hauttemperatur (Fieber, Zentralisierung in der Sterbephase) oder durch Aufliegen auf dem Pflaster kann es zu inadäquat schneller oder auch langsamer Resorption kommen.

Darüber hinaus sollte man auf eine gute Positionierung des Pflasters (z. B. nicht unmittelbar über Knochen bei Kachexie) und natürlich auf das Entfernen des alten Pflasters beim Wechsel achten.

Auch für die Dosisfindung sind Pflaster wegen der langsamen An- und Abflutung nur begrenzt geeignet.

Schmerztherapie bei Schluckstörungen Häufig sind wir in der Palliative Care mit Menschen konfrontiert, die aus verschiedenen Gründen eine eingeschränkte Schluckfähigkeit haben, sei es, weil sie sich in der Sterbephase befinden, sei es aus einem neurologischen Grund, wegen stenosierender Tumoren etc.

Ist eine orale Therapie noch teilweise möglich, kann v. a. für die Rescuedosis

auf flüssige Darreichungsformen zurückgegriffen werden (z. B. Morphin als orale Lösung). Manche Hersteller erlauben auch das Öffnen von Kapseln und das Schlucken (nicht das Zerbeißen!) der enthaltenen Pellets, z. B. mit einem Löffel Joghurt. Beide dieser Varianten können auch über PEG-Sonden verabreicht werden. Keinesfalls sollten aber Retardtabletten gemörsert werden, und auch die Sondengabe von oral-transmukosal resorbierbarem Fentanyl ist wegen des hohen First-Pass-Metabolismus wenig aussichtsreich und schlecht steuerbar.

Eine Alternative, v. a. bei völlig eingebüßter Schluckfähigkeit, sind die besagten transdermalen Pflaster, die durch die gerade erwähnten oral resorbierbaren Buccaltabletten ergänzt werden können. Bei stark ausgeprägter Mundtrockenheit können diese Tabletten allerdings recht unangenehm und unverlässlich in puncto Resorption sein.

Die parenterale Gabe stellt eine weitere gute Alternative dar, wobei moderne peripher eingesetzte zentralvenöse Katheter in unserer Praxis vermehrt den Port-a-Cath unnötig machen. Die altbewährte subkutane Route erlaubt ebenfalls die Verabreichung vieler Medikamente und ist oftmals auch für eine Opioidtherapie mit Perfusoren oder PCA-Schmerzpumpen – selbst außerhalb des Krankenhauses – gut geeignet. Entsprechende gut „tragbare“ Subkutansysteme ohne liegende Stahlkanüle bieten hier einen guten < Komfort.

DFP-Pflichtinformation Fortbildungsanbieter: Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin Lecture Board: OA Dr. Christian Roden Stv. Ärztlicher Direktor, Abteilungsleiter Palliativstation, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried Dr.in Johanna Holzhaider 2. Vizepräsidentin der OBGAM Gruppenpraxis Sandl, Oberösterreich

November 2023

17

Hausärzt:in DFP

Hausärzt:in DFP – Das Wichtigste in Kürze Schmerz ist ein Symptom, das fast immer außer somatischen auch psychische, soziale und spirituelle Aspekte hat.

Die Intensität von Schmerzen sollte mit einem geeigneten Instrument quantitativ erfasst werden.

Schmerzintensität ist nicht gleich Leidensdruck.

Die Obstipation ist die am häufigsten übersehene und untertherapierte Nebenwirkung einer Opioidtherapie.

DFP-Literaturstudium HAUSÄRZT:IN

L I T E R AT U R

So machen Sie mit: Entsprechend den Richtlinien der ÖÄK finden Sie im Anschluss an den Fortbildungsartikel Multiple-Choice-Fragen.

Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet, wenn Sie von den vorgegebenen Antworten alle richtigen angekreuzt haben. Für eine positive Bewertung ist erforderlich, dass Sie 2 der 3 Fragen richtig beantworten. In diesem Fall wird 1 DFP-Fachpunkt angerechnet.

Online lesen und beantworten: Dieser Fortbildungsartikel inkl. Test steht online auf gesund.at und meindfp.at noch 2 Jahre zur Verfügung.

Wenn Sie dieses elektronische Angebot nutzen, erhalten Sie auch die Teilnahmebestätigung elektronisch.

Per E-Mail oder Post: Schicken Sie den beantworteten Fragebogen bitte per Mail als ScanDokument an office@gesund.at oder per Post an Redaktion HAUSÄRZT:IN/RMA Gesundheit Jetzt onlineGmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien. Einsendeschluss: 31. Mai 2024.

Teilnahme Unsere aktuellen Fortbildungen finden Sie unter gesund.at (DFP Fortbildungen).

DFP-Fragen zu „Praxiswissen: Geriatrie und Palliative Care“

möglich:

Die Anzahl der richtigen Antworten ist nach jeder Frage in Klammern ange­geben.

1

Sie haben ein Fortbildungskonto?

Was gehört nicht zu geeigneten Methoden des Schmerz-Assessments?

(1 richtige Antwort) Visuelle Analogskala.

JA – dann buchen wir Ihre DFP-Punkte automatisch!

Numerische Ratingskala.

Sorgfältige Patient:innenbeobachtung.

Dazu brauchen wir Ihre ÖÄK-Ärztenummer und E-Mail-Adresse:

Messung von Blutdruck und Pulsfrequenz.

2

Welche Behauptung über die Opioidtherapie ist korrekt?

(1 richtige Antwort) NEIN – ich möchte meine Teilnahmebestätigung

Suchtentwicklung ist in der Palliative Care ein wichtiges Problem.

Opioide sollten erst in den letzten Lebenstagen zum Einsatz kommen.

Atemdepression ist die wichtigste Nebenwirkung einer Opioidtherapie.

Eine Prophylaxe mit Laxantien ist bei der überwiegenden Mehrheit der Patient:innen nötig.

3

Wie kann eine Therapie mit Opioiden bei Schluckstörungen erfolgen? (1 richtige Antwort) Die Möglichkeiten sind vielfältig und inkludieren neben Pflastern u. a. die subkutane Gabe.

Die subkutane Gabe ist ausschließlich für die Bedarfsmedikation möglich.

Die meisten modernen Retardtabletten können problemlos gemörsert werden.

Transdermale therapeutische Systeme („Pflaster“) sind besonders gut bei Kachexie geeignet.

18

November 2023

per Post erhalten per E-Mail erhalten

Bitte gut leserlich ausfüllen und E-Mail-Adresse angeben:

Name Anschrift PLZ/Ort E-Mail

® ® Weitere Weitere Informationen Informationen zuzu COMIRNATY COMIRNATY finden finden SieSie unter: unter: www.comirnatyeducation.at www.comirnatyeducation.at

mRNA mRNAImpfstoff Impfstoffzur zurVorbeugung Vorbeugung von vonCOVID-19 COVID-19durch durchSARS-CoV-2 SARS-CoV-21 1

® ® aktuelle aktuelle Fachinformation Fachinformation 1 COMIRNATY 1 COMIRNATY

Zulassungsinhaber: Zulassungsinhaber: BioNtech BioNtech Manufacturing Manufacturing GmbH GmbH

® ® Der Der COMIRNATY COMIRNATY COVID-19 COVID-19 mRNA-Impfstoff mRNA-Impfstoff (Nukleosid-modifiziert), (Nukleosid-modifiziert), der der auf der auf der proprietären proprietären BioNtech BioNtech mRNA-Technologie mRNA-Technologie basiert, basiert, wurde wurde gemeinsam gemeinsam von von BioNTech BioNTech undund Pfizer Pfizer entwickelt. entwickelt.

www.pfizer.at www.pfizer.at | www.pfizermed.at | www.pfizermed.at PP-CMR-AUT-0100/09.2023 PP-CMR-AUT-0100/09.2023

© 2023 © 2023 Pfizer Pfizer Inc. Inc. AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten. vorbehalten.

Fachkurzinformation Fachkurzinformation auf Seite auf Seite 84

November 2023

19

Hausärzt:in dossier

Off-Label-Use ist Alltag in der Palliativversorgung

Palliativpharmazie als Schnittstelle zwischen Ärzt:innen und Apotheker:innen

Fragen und Antworten zur Arzneimitteltherapie Als eines der ersten Projekte der Arbeitsgruppe für Palliativpharmazie (siehe INFO) wurde Ende Jänner ein elektronisches Anfrageportal für arzneimittelbezogene Anfragen eingerichtet. Zu finden ist der kostenfreie Zugang zu Informationen auf der Homepage der Österreichischen Palliativgesellschaft (palliativ.at). Vor allem mobile Palliativteams, aber auch niedergelassene Ärzt:innen und Apotheker:innen können diese Plattform nützen und bekommen Informationen zu Themen wie: • Gibt es relevante Wechselwirkungen?

• Hilfestellung bei Deprescribing

20

November 2023

• Applikationstechniken ursachen. Auch eine Dosiswie z. B. Applikation von reduktion oder ein Umsteigen Arzneimitteln über auf Alternativen kann sinnErnährungssonden voll sein. Entscheidend ist in • Medikamentöse Therapie einer palliativen Situation die bei Kurzdarmsyndrom Frage, ob ein Arzneimittel und Ileus die Beschwerden lindern bzw.

• Kompatibilität von die Lebensqualität verbessern GASTAUTORIN: Parenteralia kann. Eine Reduktion des Mag.a Elisabeth • Individuelle Rezepturen Risikos kardiovaskulärer ErSteiner, aHPh Klinische Pharma• Unzureichend behandelte eignisse zum Beispiel durch zeutin am OrdensSymptome von Statineinnahme hat bei metaklinikum Barmherzige Schwestern Linz Palliativpatient:innen stasierten Tumorerkrankungen • Können Beschwerden auch wenig Sinn. Die Beantworunerwünschte Arzneimittelwirkungen tung der Frage, welche Arzneimittel sein? ohne Nachteil für Betroffene weggelassen werden können, ist Teil des pharmazeutischen Betreuungskonzeptes.

Wenn weniger mehr ist Häufig ist in palliativen Situationen die Arzneistoffresorption unsicher oder es bestehen Schwierigkeiten mit dem Schlucken, wodurch alternative Applikationswege nötig werden. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht dann das Deprescribing, also ein strukturierter Abbau von Medikation, wenn Arzneimittel keinen Nutzen (mehr) haben oder unerwünschte Wirkungen ver-

Auf der Suche nach Alternativen Ist nun ein Arzneistoff in der benötigten Arzneiform nicht verfügbar, kann die Herstellung einer individuellen Rezeptur Abhilfe schaffen – oder auch eine Off-Label-Applikation wie die orale Verabreichung von Parenteralia. Fragen zur Arzneistoffresorption und -stabilität sowie zur Erstattung durch die Kran-

© Ordensklinikum Barmherzige Schwestern

„Eine interprofessionelle Zusammenarbeit eröffnet alternative Lösungswege zum Wohle der Patient:innen.“

© Sigrun Klausner

Palliativpharmazie umfasst verschiedenste Aspekte der Versorgung von Palliativpatient:innen mit Arzneimitteln. Dazu gehören die Begleitung von Betroffenen und Angehörigen durch Hilfestellung bei der Beschaffung und Applikation von Medikamenten, das Medikationsmanagement sowie die pharmazeutische Unterstützung von Palliativeinrichtungen und mobilen Palliativteams. Hilfreich ist eine Vernetzung der verschiedenen – in die Betreuung palliativer Patient:innen eingebundenen – Berufsgruppen in Bezug auf viele Belange. Diese reichen von der aktuellen problematischen Beschaffungssituation unterschiedlicher Arzneimittelgruppen bis hin zur Bereitstellung von Informationen und Kontaktadressen zum Thema assistierter Suizid.

Hausärzt:in dossier

X

HAUSÄRZT:IN-Buchtipp

Vorsorgevollmacht – Patientenverfügung – Sterbeverfügung – Erwachsenenvertretung Von Alfred Veith und Michael Doschko Linde Verlag 2022

hilft. Das Antibiotikum wird außerhalb der Orthopädie heute kaum noch verwendet. Nebenwirkungen und Interaktionen sind nicht mehr so bekannt. Bei parenteraler Applikation müssen die Beschaffung und die Finanzierung geklärt sein. Für Pflegende und Angehörige ist es wichtig zu wissen, dass die Substanz den Urin, Speichel oder Schweiß rot färben kann. Die Sorge in Bezug auf mögliche Blutungen ist also leicht zu nehmen. Rifampicin, ein starker Induktor von CYP3A4, ist – je nach Dauer der Anwendung – als relevanter Interaktionspartner ernst zu nehmen. Dieses und auch andere Beispiele, etwa der Einsatz von Opioiden bei Atemnot oder von Loperamid in höheren Gaben als der Tagesmaximaldosis bei Kurzdarmsyndrom, sollen verdeutlichen, dass eine umfassende Information die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht und damit das Vertrauen von Betroffenen und Angehörigen.

stellt werden kann, gehören zum Alltag.

Wenn Ärzt:in und Apotheker:in sich regelmäßig austauschen und gemeinsam um die Versorgung kümmern, können Patient:innen und Angehörige darauf vertrauen, dass Arzneien verordnet werden, die auch lieferbar sind. In den letzten Jahren sind auch immer mehr Lieferengpässe bei Opioiden zu verzeichnen.

Durch das aufwendige Einstellen auf einen Wirkstoff ist hier ein Lieferausfall besonders unangenehm.

Oft reicht eine kurze Information seitens der Ärzt:in über die lieferfähigen Packungsgrößen, um den Betroffenen doppelte Wege zu ersparen. Bei Verordnung von großen Packungen darf von der Apotheker:in die Menge auf eine kleinere lieferbare reduziert werden, der Umstieg auf eine größere Packung ist < rechtlich nicht möglich.

Lieferengpässe berücksichtigen

Seit Juni 2022 gibt es die Arbeitsgruppe für Palliativpharmazie innerhalb der Österreichischen Palliativgesellschaft (palliativ.at).

Die Initiative der Krankenhausapotheker:innen ist dem Beispiel Deutschlands gefolgt. Die Gruppe setzt sich aus Apotheker:innen zusammen, die in die Betreuung von Palliativpatient:innen – überwiegend im stationären Bereich – eingebunden sind. Vorsitzende der Arbeitsgruppe ist Frau Mag.a Elisabeth Steiner, aHPh, vom Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz.

Die Vernetzung von Medizin, Pflege und Pharmazie ermöglicht aber auch eine raschere Information bei Lieferproblemen. In den letzten Jahren hat sich die Liefersicherheit von Arzneimitteln massiv verschlechtert: Doppelte Wege von Patient:innen bei Lieferausfall verordneter Medikamente, massiver Beschaffungsaufwand bei Alternativpräparaten und die Frage, ob die Patient:in überhaupt auf einen Wirkstoff einge-

INFO

Wie funktioniert eine Gentherapie?

Auf unserem Portal finden Sie viele Informationen zum Thema Gentherapie, darunter auch ein Mode of Action-Video, das sehr anschaulich erklärt, wie der AAV-basierte Gentransfer funktioniert.

Der Zugang ist ganz einfach über den QR-Code oder unter folgendem Link möglich:

https://www.pfi.sr/was-ist-gentherapie

AAV, Adeno-assoziierte Viren

Pfizer Corporation AustriaNovember GmbH Wien 2023 www.pfizer.at, www.pfizermed.at

21

PP-FID-AUT-0015/01.2023

kenkassen sind vorab zu klären. Gerade parenterale Medikamente sind meist nicht ohne chefärztliche Bewilligung erstattungsfähig.

Seltene oder schwer beherrschbare Symptome, zum Beispiel Juckreiz oder chronischer Singultus, stellen große Herausforderungen bei Palliativpatient:innen dar. Eine interprofessionelle Zusammenarbeit eröffnet durch das Zusammentragen von Wissen unterschiedlicher Fachbereiche alternative Lösungswege zum Wohle der Betroffenen. Off-Label-Use ist Alltag in der Palliativversorgung – auch bei Indikationen, die von der Zulassung abweichen.

Am Beispiel von Rifampicin parenteral bei Juckreiz wird klar, dass ein interprofessioneller Zugang der Patient:in

© shutterstock.com/wan wei

Hausärzt:in dossier

Arzt Sicht Sache Seitenblicke auf die Medizin

Prim. Dr. Thomas Kapitany FA für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut, Ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien

Susanne Hintringer, MA Assistenz der Ärztlichen Leitung, Kriseninterventionszentrum Wien © feelimage_Matern

© Fotostudio_Eder

„Mit dem Patient:innen-Wunsch nach einem assistierten Suizid umgehen“ Kurz vor ihrem Suizid oder Suizidversuch suchen viele Menschen noch ihre Hausärzt:in auf. Es ist von großer Bedeutung, dass Allgemeinmediziner:innen gefährdete Personen identifizieren und suizidpräventiv intervenieren können.

Eine neue Herausforderung stellt dabei das Sterbeverfügungsgesetz dar.

Gesetzliche Regelungen Seit Anfang letzten Jahres haben Sterbewillige die Möglichkeit, einen assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen. Das neue Sterbeverfügungsgesetz regelt neben den Voraussetzungen für einen assistierten Suizid auch dessen Durchführung. Gesetzliche Voraussetzung für die Errichtung einer Sterbeverfügung ist neben der zweifelsfreien und unbeeinflussten Entscheidungsfähigkeit auch das Leiden an einer schweren Erkrankung in Form einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen.

Die Folgen dieser Erkrankung müssen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen und der so entstandene Leidenszustand darf nicht anders abwendbar sein.

Für die Errichtung einer Sterbeverfügung sind zwei ärztliche Aufklärungsund Begutachtungsgespräche und die Mitwirkung eines Notars erforderlich.

Allgemeinmediziner:innen sind berechtigt, aber nicht verpflichtet, diese Begutachtungen durchzuführen. Zwischen dem ersten der beiden ärztlichen Gespräche und dem Notartermin muss eine Frist von zwölf Wochen verstreichen. In einem terminalen Erkrankungsstadium kann diese Frist auf zwei Wochen verkürzt werden. Mit Eintragung der Sterbever-

22

November 2023

fügung in ein Register sind betroffene Personen berechtigt, das Suizidmittel in einer Apotheke zu beziehen und sich in der Folge an einem Ort ihrer Wahl und in oder ohne Anwesenheit einer weiteren Person das Leben zu nehmen.

Die Erfahrungen anderer Länder, die bereits vor Österreich den assistierten Suizid legalisiert haben, zeigen bedenkliche Entwicklungen: So haben sich beispielsweise in der Schweiz seit Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes die Suizidzahlen insgesamt verdoppelt, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme von assistiertem Suizid nicht wie erwartet zu einem Rückgang anderer Suizide führte.

Entlastungsfunktion Suizidalität ist als Ausdruck seelischer Not zu verstehen und tritt als Reaktion auf das Erleben von Ausweglosigkeit, Verzweiflung, Unerträglichkeit, Beschämung und Entwürdigung auf. Meistens geschieht das in schwer belastenden Situationen und Krisen. Bei bis zu 90 % der vollendeten Suizide liegt außerdem eine psychiatrische Erkrankung vor.

Ein Suizidwunsch selbst ist keine Krankheit, sondern erfüllt eine psychische Funktion: Suizidgedanken ermöglichen Betroffenen eine Entlastung und wirken regulierend und stabilisierend, auch weil Betroffene so das Gefühl erlangen, wieder selbst über ihr Schicksal verfügen zu können.

Auswirkungen der Legalisierung des assistierten Suizids Die Möglichkeit, den assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen, birgt auch eine Reihe von Gefahren. Ein Risiko besteht darin, unter dem Eindruck chronischen

Leidens, starker Schmerzen und absehbaren Sterbens zu übersehen, dass oftmals eine begleitende behandelbare psychische Erkrankung oder eine akute psychische Krise dem Suizidwunsch zu Grunde liegt.

Verabsäumt man es, die Motive der sterbewilligen Person ausführlich zu ergründen, so läuft man zudem Gefahr, mögliche verbleibende Handlungsspielräume nicht wahrzunehmen. So sind es oftmals Befürchtungen und Ängste wie jene, im natürlichen Sterbeprozess unerträglichem Leid ausgesetzt zu sein, die den Suizidwunsch von Betroffenen befeuern.

Sterbewillige äußern häufig den Beweggrund, anderen nicht zur Last fallen zu wollen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass es im Zuge einer depressiven Erkrankung und/oder suizidalen Entwicklung zu einer Veränderung persönlicher Bewertungen kommen kann. Die gesellschaftliche Tragweite der ethischen Frage nach assistiertem Suizid ist enorm: Sollte es zur Regel werden, den Wunsch, niemanden zu belasten, als Argument für die Erfüllung eines Sterbewunsches gelten zu lassen, so kann man sich ausmalen, in welchem Ausmaß der soziale Druck auf Kranke steigen könnte.

Da depressive Symptome oft über längere Perioden bestehen können, bedarf es häufig einer längerfristigen multiprofessionellen Unterstützung. Deshalb ist die im Sterbeverfügungsgesetz anberaumte Mindestfrist von zwölf Wochen aus der Perspektive der Suizidprävention zu knapp bemessen.

Was tun, wenn eine Patient:in einen Suizidwunsch äußert?

Wenn eine Patient:in einen Suizidwunsch äußert oder Suizidabsichten

Hausärzt:in dossier erkennen lässt, ist es wichtig, ein möglichst offenes Gespräch darüber anzubieten. Um hilfreich sein zu können, ist es essentiell, Verständnis für eine suizidale Entwicklung und die Beweggründe der Patient:in aufbringen zu können und nicht wertend über ihre Suizidgedanken und -absichten zu sprechen. Wenn Patient:innen Suizidgedanken äußern, muss das Vorliegen von weiteren psychischen Beschwerden abgeklärt werden. Bei Vorliegen einer psychischen Grunderkrankung ist diese zu behandeln.

Wenn äußere Belastungsfaktoren die Verzweiflung und in der Folge die suizidale Krise verursacht haben, dann wird Krisenintervention mit einem psychotherapeutisch fundierten Gesprächsangebot gebraucht. In Einrichtungen wie dem Wiener Kriseninterventionszentrum gibt es ein niederschwelliges Beratungsangebot (kriseninterventionszentrum.at).

Die Äußerung eines Wunsches nach einem assistierten Suizid muss noch nicht bedeuten, dass ein unumstößlicher Ent-

schluss gefasst wurde. Oft können bewältigbare Probleme dahinterstehen, für die aber noch kein anderer Ausweg gesehen werden kann.

Begutachtungsgespräche nach §7 StVfG Bei dem Wunsch nach einem assistierten Suizid erhalten Sterbewillige über die Ärztekammern Adressen von Ärzt:innen, die Aufklärungs- und Begutachtungsgespräche nach §7 StVfG führen.

Erklärt sich eine Hausärzt:in zu einem Begutachtungsgespräch bereit, sollte er/ sie unbedingt über umfassendes Wissen in Bezug auf das Sterbeverfügungsgesetz und seine Umsetzung verfügen.

Außerdem ist eine enge Kooperation mit psychiatrischen Fachärzt:innen und Klinischen Psycholog:innen dringend empfohlen.

Wenn eine begutachtende Ärzt:in vermuten muss, dass eine psychische Beeinträchtigung besteht, ist die positive Begutachtung daran gebunden, dass eine

Fachärzt:in für Psychiatrie oder eine Klinische Psycholog:in einen ausreichend guten psychischen Zustand und das Vorhandensein einer freien Entscheidungsfähigkeit attestiert. Nur mit diesem Attest soll eine Freigabe für den Eintrag in das Sterbeverfügungsregister erteilt werden.

In jedem Fall sollten Alternativen zum assistierten Suizid, beispielsweise palliativmedizinische, psychotherapeutische und/oder psychologische Begleitung, besprochen werden. <

INFO Kriseninterventionszentrum Lazarettgasse 14A, 1090 Wien Tel.: 01/406 95 95, Mo–Fr: 8–17 Uhr E-Mail-Beratung: anonym, Antwort in 24 bis 48 Stunden, kriseninterventionszentrum.at Erstgespräche können von Montag bis Freitag zwischen 10 und 16 Uhr geführt werden.

Um telefonische Terminvereinbarung wird gebeten. Erstgesprächstermine können noch für denselben Tag oder für die folgenden zwei Werktage vergeben werden.

November 2023

23

Hausärzt:in medizinisch

„Über mehrere Tage langsam aufdosieren“

© privat

Der Wirkstoff Dronabinol – Tipps von der Praxis für die Praxis

Dr. Paul Groß, Arzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzfach Geriatrie, Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin und ÖÄK-Diplom für Palliativmedizin in Wien, im Gespräch.

HAUSÄRZT:IN: Welcher Stellenwert kommt Cannabinoiden als Arzneimittel zu?

Dr. GROSS: Cannabinoide wurden schon 3.000 vor Christus in China schriftlich als Heilpflanze beschrieben. In Europa gab es eine echte Blütezeit von 1880 bis 1900. In dieser Zeit wurden Cannabispräparate, etwa Tinkturen, u. a. zur Behandlung von Schmerzen, Spasmen, Asthma, Schlafstörungen und auch Rheuma, Cholera und Tetanus, eingesetzt.

Dies hatte ein jähes Ende mit der erstmaligen Entwicklung eines synthetischen Arzneimittels (Aspirin) 1898 und mit den rechtlichen Einschränkungen durch die Opiumkonvention. THC selbst wurde erstmalig 1964 in Israel isoliert, die beiden Inhaltsstoffe der Cannabispflanze sind THC und CBD. THC wird vor allem in der Palliativ- und Schmerzmedizin zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt, CBD medizinisch in der antikonvulsiven/antiepileptischen Therapie – allerdings hier in einer deutlich höheren Dosierung (Faktor 1 : 100 im Verhältnis zu THC).

24

November 2023

In Österreich ist vor allem Dronabinol als THC-basierte Substanz für Schmerz- und Palliativpatient:innen erhältlich. Dürfen Hausärzt:innen sie als magistrale Rezeptur verschreiben?

Ja, jede zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärzt:in kann Dronabinol als magistrale Rezeptur mit Suchtgiftvignette verschreiben. Es ist reines THC und als ölige Lösung oder in Kapselform erhältlich.

Dronabinol als Wirkstoff der magistralen Rezeptur ist der Gelben Box (RE1) des Erstattungskodex zugeordnet. Eine Kostenerstattung kann also bei nachvollziehbarer medizinischer Begründung chefärztlich bewilligt werden.

Bei welchen Patient:innen bzw. Krankheitsbildern setzen Sie Dronabinol ein?

Der Wirkstoff Dronabinol hat heute in der allgemeinmedizinischen Praxis vor allem durch seine Clusterwirkung in der Behandlung von onkologischen, geriatrischen und Palliativpatienten sowie bei chronischen Schmerzzuständen einen wesentlichen Stellenwert.

Die Clusterwirkung ergibt sich aus dem Wirkmuster von Dronabinol: Es wirkt zentral muskelrelaxierend, antikachektisch, antiemetisch, analgetisch, anxiolytisch, sedierend und antiphlogistisch.

Obwohl es sich immer um eine adjuvante bzw. Add-on-Therapie handelt, treten in meiner Praxis keine problematischen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln auf.

Kontraindikationen gibt es.

Welche sind das?

Zu nennen sind vor allem psychiatrische Vorerkrankungen, da die Gefahr besteht, dass eine Psychose ausgelöst wird. Weitere Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit sowie eine manifeste KHK. Auf welche potenziellen Nebenwirkungen sollte man als behandelnde Ärzt:in vorbereitet sein?

Das Nebenwirkungsprofil von Dronabinol ist dosisabhängig und u. a. mit den psychotropen sowie die Wirkung des Sympa-

thikus verstärkenden Eigenschaften der Substanz assoziiert. Zu den häufigsten beschriebenen Nebenwirkungen zählen Müdigkeit, Schwindel, Benommenheit sowie Mundtrockenheit. Wird Dronabinol über mehrere Tage langsam aufdosiert, kann die Verträglichkeit wesentlich verbessert werden, nach dem Motto: Start slow – go slow. Mit dieser Methode sind sehr selten den Erfolg beeinträchtigende Nebenwirkungen zu beobachten.

Welche Tipps aus und für die Praxis haben Sie abschließend für unsere Leser:innen?

Wichtig ist zu wissen: Nach langsam erfolgter Auftitrierung sollte der Effekt nach maximal zwei Wochen einsetzen.

Die Testperiode kann bis zu drei Monate dauern. In der Schmerzbehandlung ist ein gutes Ziel die Erreichung einer Schmerzlinderung um ca. 30 Prozent.

Ein Vorteil des Wirkstoffes Dronabinol ist auch, dass es zu keiner Toleranzentwicklung kommt. Hilfreich für die chefärztliche Bewilligung ist, ein (Schmerz-) Tagebuch über vier Wochen zu führen.

Mit diesem kann man den Erfolg nachweisen.

Das Interview führte Mag.a Karin Martin.

INFO Klassische Dronabinol-Patient:innen Geriatrische Patientin (96) mit depressiver Verstimmung, innerer Unruhe, Schlafstörungen, Inappetenz. Niedrige Dosierung von Dronabinol (5 mg/Tag) bringt deutliche Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens.

Onkologische Patientin (74) leidet unter Übelkeit, Appetitlosigkeit und Tumorkachexie.

Besserung (erst) nach Titration auf 30 mg/Tag. Patientin mit spastischen Schmerzen bei MS (68), Depression, Appetit- und Schlaflosigkeit.

Deutliche Verbesserung von Symptomatik und subjektiver Lebensqualität bei 10 mg/Tag. Palliativpatientin (49) mit Adenokarzinom im Endstadium, häufigem Erbrechen, starker Übelkeit. Nahezu frei von Erbrechen bei minimaler Übelkeit nach Titration auf 15 mg/Tag bis zum Ableben.

Hausärzt:in politisch

Neuer Name, bewährte Qualität –

mit über 15 Jahren Erfahrung und TOP-Kundenservice.

i

wird Candoro ethics.

November 2023

25

© cp-pictures

Diagnostik In Österreich klagt fast ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung über Schlafstörungen, Die Diagnose beginnt – wie in deren Häufigkeit mit dem Alter der Medizin üblich – mit einer steigt. Die Mehrzahl der Schlafallgemeinen und speziellen störungen gehört zur Gruppe Anamnese. Letztere beinhalder Insomnien, welche primär tet auch eine Fremdanamnese mit Schlafhygiene und Lebensin Bezug auf nächtliche Atemstilmodifikation,Verhaltensthera- GASTAUTORIN: aussetzer bzw. Schnarchen a in Prim. Dr. Eveline pie oder letztlich medikamentös Kink, MBA (siehe Tabelle). Im klinischen behandelt wird. Ihr gegenüber LKH Graz II, Abteilung Status sollte insbesondere auf für Innere Medizin und steht die Gruppe der Schlafbe- Pneumologie Veränderungen an den obezogenen Atemstörungen (SBAS), ren Atemwegen, der Nase die primär durch die Trias und des Gesichtsschädels geTagesmüdigkeit, Schnarchen und fremdachtet und gegebenenfalls auch eine beobachtete Atemaussetzer gekennFachärztin bzw. ein Facharzt (z. B. aus zeichnet ist. Oftmals lässt sich ein den Bereichen HNO, Zahnmedizin und gemeinsames Auftreten von SBAS und Kieferorthopädie) beigezogen werden. internistischen bzw. neurologischen Unterschiedliche Fragebögen zur ErErkrankungen beobachten, die sich gegenfassung der Tagesmüdigkeit, Konzenseitig beeinflussen. Es werden vier trationsfähigkeit und Aufmerksamkeit Hauptgruppen der SBAS unterschieden: können die Anamnese ergänzen. Am die obstruktive Schlafapnoe (OSA), häufigsten wird dabei die Epworthdie zentrale Schlafapnoe (ZSA), die Schläfrigkeitsskala (ESS) verwendet. schlafbezogene Hypoventilation sowie die Bei entsprechender Symptomlast und schlafbezogene Hypoxämie. Diese AtemVortestwahrscheinlichkeit ist eine weistörungen manifestieren sich ausschließtere apparative Diagnostik indiziert. In lich oder überwiegend im Schlaf und Österreich wird in der Regel von niederführen in der Regel zur Schlafgelassenen Fachärztinnen und Fachärzfragmentierung mit Beeinträchtigung ten (Innere Medizin und Pneumologie, der Erholungsfunktion. Pathogenetisch HNO, Psychiatrie und Neurologie) mit sind zentralnervöse und/oder neuroErfahrung auf dem Gebiet der Schlafmuskuläre Prozesse für die Störung der medizin ein sogenanntes Schlafscreening Atemregulation bzw. für den geänderten – eine Polygraphie – durchgeführt. DaMuskeltonus verantwortlich. bei können die wesentlichsten Schlafbezogenen Atemstörungen beurteilt und in ihrem Schweregrad eingeschätzt werINFO den, Schlafstadien und -effizienz werden nicht erfasst. Bei positiver Polygraphie Wintermüdigkeit erfolgt dann in einem Schlaflabor die In den Herbst- und Wintermonaten kann, genaue Diagnostik mittels Polysominsbesondere durch fehlendes Tageslicht, nographie. Dabei werden mittels eines der Schlaf-wach-Rhythmus gestört sein.

EEGs Schlafstadien und Schlafeffizienz Mit steigendem Alter nimmt die körpereigene Melatoninproduktion tendenziell ab. In diesen aufgezeichnet, der Apnoe-HypopnoeFällen kann ein gestörter Melatoninhaushalt zu Index (AHI), der Arousal-Index und die schlechtem Schlaf führen. Der gezielte Konsum Wachphasen beurteilt. Die Körperlage, von Tageslicht am Morgen und die Zufuhr von Beinbewegungen sowie die Schnarchinmelatoninhaltigen Lebensmitteln am Abend können eine Verbesserung erzielen. Nach tensität und -dauer werden ebenfalls ärztlicher Absprache stellen melatoninhaltige dargestellt. EKG und SauerstoffsättiMedikamente vor dem Zubettgehen eine kurzgung lassen Rückschlüsse auf die orgazeitige Behandlungsoption dar. nische Beeinträchtigung zu.

26

November 2023

Besonderheiten der einzelnen SBAS Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist gekennzeichnet durch eine im Schlaf auftretende Flussbehinderung im Bereich der oberen Atemwege.

Sie stellt die häufigste Form der SBAS dar und tritt bei ca. 2-4 % der erwachsenen Bevölkerung auf. Über 50 % der Betroffenen leiden an Adipositas. Es besteht ein enger wechselseitiger Zusammenhang mit der arteriellen Hypertonie, mit kardialen Erkrankungen wie KHK, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen sowie mit zerebrovaskulären Ereignissen. Der Gruppe der zentralen Schlafapnoesyndrome (ZSA) liegt eine Störung der Atemregulation und/oder der Übertragung der Impulse zugrunde. Trotz offener oberer Atemwege kommt somit kein Atemfluss zustande. In Hinblick auf das Atemmuster gibt es Formen mit CheyneStokes-Atmung (CSR), die durch ein spindelförmiges Crescendo/Decrescendo des Atemvolumens charakterisiert sind und gehäuft bei Herzinsuffizienz auftreten. Das ZSA kann aber auch bei Einnahme bestimmter Medikamente SPEZIFISCHE ANAMNESE BEI SCHLAFBEZOGENEN ATEMSTÖRUNGEN Tagesschläfrigkeit Adipositasunklar Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen Beobachtete Atempausen im Schlaf Schnarchen Nykturie, Nachtschweiß Libido- und Potenzstörungen Unruhiger Schlaf Morgendliche Abgeschlagenheit, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen Leistungsminderung, Abgeschlagenheit, Wesensänderung, intellektueller Leistungsverfall

© stock.adobe.com/kichigin19

Hausärzt:in medizinisch

Hausärzt:in medizinisch wie Opiate, bei Aufenthalt in Höhenlagen sowie bei neurologischen Erkrankungen vorkommen. Die Gruppe der schlafbezogenen Hypoventilation beinhaltet das Obesitas-Hypoventilationssyndrom sowie die schlafbezogenen Hypoventilationen durch eine körperliche Erkrankung (z. B. chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, interstitielle Lungenerkrankungen, pulmonale Hypertension, neuromuskuläre Erkrankungen und Erkrankungen der Thoraxwand).

Hier besteht zumindest im Schlaf eine Hyperkapnie, die durch eine nächtliche Kapnographie nachgewiesen wird.

Therapeutische Optionen Da die SBAS und ihre begleitenden/auslösenden internistischen und neurologischen Erkrankungen sich gegenseitig stark beeinflussen, ist primär die optimale Therapie der Begleiterkrankungen wesentlich. Eine Lebensstiladaptierung und eine Gewichtsreduktion sind sehr

oft erforderlich. Für die Entscheidung, eine spezifische Behandlung einzuleiten, sind die Symptomlast, der AHI sowie der Entsättigungsindex ausschlaggebend. Während der AHI zwar den Schweregrad der SBAS definiert und gut mit der Symptomlast korreliert, hat für die erhöhte Mortalität insbesondere bei kardiovaskulärem Risiko das Ausmaß der Hypoxämie im Schlaf Relevanz. Am häufigsten erfolgt die Anwendung der nächtlichen Überdruckatmung („positive airway pressure“, PAP), besonders in der kontinuierlichen Form („continuous PAP, CPAP“). Technisch sind dabei viele Variationen möglich, die z. B. den Druck bedarfsgerecht applizieren und somit den Patientenkomfort verbessern.

Bei Formen mit Hyperkapnie ist eine nichtinvasive Beatmung mit der Einstellung von zwei Druckniveaus indiziert.

Chirurgische Verfahren, z. B. Operationen zur Verbesserung der Nasenatmung oder die Tonsillektomie, sowie weitere HNO-ärztliche und kieferchirurgische

Eingriffe bis hin zur Tracheotomie als Ultima Ratio werden deutlich seltener erforderlich. Neurostimulationsverfahren des N. hypoglossus sollten bei PAPUnverträglichkeit und mittelgradiger bis schwerer OSA erwogen werden. < DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE Die Trias Tagesmüdigkeit, Schnarchen und fremdbeobachtete Atemaussetzer im Schlaf ist typisch für SBAS. SBAS sind oft mit internistischen und neurologischen Erkrankungen assoziiert.

Die Häufigkeit von SBAS steigt mit dem Alter.

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) stellt die häufigste Form der SBAS dar.

Der diagnostische Goldstandard ist die Polysomnographie, die auch die Beurteilung der Schlafstadien und Schlafeffizienz beinhaltet.

Therapeutisch kommt die nächtliche Überdruckatmung PAP am öftesten zum Einsatz.

Fachkurzinformation siehe Seite 84

NACHBERICHT Die Gastautorin war Vortragende bei den 32. Ärztetagen in Grado, veranstaltet von der Österreichischen Akademie der Ärzte, 14. bis 20. Mai 2023.

November 2023

27

Hausärzt:in medizinisch

Labyrinth in Gefahr

Orientierende Stimmgabelprüfungen bei Otitis media im Fokus „Hütet eure Ohren, oder ihr seid Toren!“ – Walther von der Vogelweide. In den Wintermonaten häufen sich Patientinnen und Patienten mit akuter Otitis media. Wenngleich die Erkrankung meist selbstlimitierend verläuft, gilt es mögliche Komplikationen zu bedenken. Sie können unter anderem eine permanente Hörminderung verursachen.

• schlechtem Allgemeinbefinden, • hohem Fieber, • anhaltendem Erbrechen und/oder Durchfall, • Kindern mit beidseitiger AOM, die jünger als 24 Monate sind.

Die potenziellen Komplikationen sind vielfältig (siehe INFO 1). Eine Labyrinthitis beispielsweise sollte bei einer

Erhöhtes Risiko

© shutterstock.com/Eric Milos

Anders als bei Personen ohne Risikofaktoren sollte bei Patienten mit einem erhöhten Risiko eine sofortige Antibiotikatherapie eingeleitet werden. Dieses besteht z. B. bei: • AOM mit Otorrhoe, • Begleit-/Grunderkrankungen, • rezidivierenden Infekten, • Paukenröhrchen, • Immunsuppression,

INFO 1 Wichtige Komplikationen einer AOM Mastoiditis Labyrinthitis Fazialisparese Zygomatizitis Sinusvenenthrombose Epiduralabszess

Wissen Sie, wie gut Sie hören?

Töne im Innenohr sein.

Oft werden Konsonanten wie s, f, t, k, h und g nicht mehr richtig verstanden oder verwechselt.

Ein kostenloser Hörtest schafft sofort Klarheit. Vereinbaren Sie noch heute einen Hörtest-Termin bei Hansaton in Ihrer Nähe!

Ein kostenloser Hörtest schafft Klarheit!

Hörprobleme entstehen meist schleichend. Die Schwierigkeiten treten 28

November 2023

zunächst in lauten Umgebungen oder in größeren Gruppen auf.

Ursache kann ein Ausfall der Sinneszellen für hohe

Wer so eine Hochtonhörminderung hat, erlebt sich nicht als schwerhörig, denn tiefe Töne werden noch problemlos gehört.

Die Schwierigkeiten beim Verstehen werden häufig mit der undeutlichen Aussprache des Gegenübers erklärt. Das muss nicht sein, denn in vielen Fällen können die Hörprobleme ausgeglichen werden. Je früher moderne Hörgeräte

zum Einsatz kommen, desto besser.

Hansaton lädt Sie herzlich zu einem kostenlosen Hörtest ein!

Terminvereinbarung unter 0800 880 888, online auf hansaton.at oder direkt bei Hansaton in Ihrer Nähe.

Dieser QR-Code führt Sie direkt zur OnlineTerminanfrage auf hansaton.at

Hausärzt:in medizinisch Otitis media immer in Betracht gezogen werden, obwohl sie selten ist. Zudem kann sie als Folge einer Mastoiditis auftreten. Beide Erkrankungen erfordern eine stationäre Aufnahme mit HNO-Konsil. Ihre Prognose hängt vom Therapiebeginn ab. Bei einer Labyrinthitis sistieren die vestibulären Symptome in der Regel bzw. werden diese zentral kompensiert. Allerdings kommt es oft zu bleibenden Hörschäden.

Schallempfindungsstörung erkennen Zu den Symptomen einer Labyrinthitis zählen u. a. reduzierter Allgemeinzustand und Fieber, Drehschwindel – bei leichten Formen auch nur Gangunsicherheit, mitunter mit Übelkeit und Erbrechen –, ggf. Tinnitus im betroffenen Ohr sowie eine progrediente Hörminderung auf der betroffenen Seite. Im Gegensatz zu einer Schallleitungsschwerhörigkeit im Rahmen einer unkomplizierten AOM ist die Hörminderung bei einer Labyrinthitis meist kombiniert – auch eine reine Innenohrschwerhörigkeit oder komplette Ertaubung auf der erkrankten Seite ist möglich.

Um eine Innenohrbeteiligung auszuschließen, bietet sich ein einfacher Stimmgabeltest nach Weber und Rinne an.

Als orientierende Hörprüfungen dienen der Weber- und der Rinne-Test zur Unterscheidung zwischen einer Schallleitungs- und einer Schallempfindungsstörung. Bei einer Labyrinthitis kann es im Weber-Versuch zu einem Wechsel der Lateralisation vom kranken zum gesunden Ohr kommen – als Zeichen des Übergangs von einem Prozess im Mittelohr mit Schallleitungsstörung zu einem Prozess im Innenohr mit Schallempfindungsstörung. Für eine korrekte Interpretation sollten Weber und Rinne immer gemeinsam durchgeführt werden (siehe Tabelle, S. 30).

Test nach Rinne Beim Rinne-Versuch wird die Schallleitung beider Ohren durch den Vergleich der Hörschwellen für die Luft- und Knochenleitung getestet. Hierbei bringt man die Stimmgabel durch Anschlagen zum Schwingen und setzt sie an einem Ohr auf den Proc. Mastoideus. Ist der Ton so weit abgeklungen, dass die untersuchte Person ihn nicht mehr hört, hält man die Stimmgabel ohne neuen Anschlag direkt vor das gleiche Ohr. • Positiver Rinne-Versuch: Der Patient hört die Stimmgabel wieder, sobald sie vor das Ohr gehalten wird. g Der Ton wird besser über die Luftleitung wahrgenommen: physiologisch und bei Schallempfindungsstörung des getesteten Ohrs.

• Negativer Rinne-Versuch: Der Patient hört die Stimmgabel nicht, wenn sie vor das Ohr gehalten wird. g Der Ton wird besser über die Knochenleitung wahrgenommen: Hinweis auf eine Schallleitungsstörung des getesteten Ohrs.

Test nach Weber Beim Weber-Versuch erfolgt eine Überprüfung der Knochenleitung zur Unterscheidung einer Schallleitungs- von >

November 2023

29

Hausärzt:in medizinisch einer Schallempfindungsstörung bei einseitiger Schwerhörigkeit. Man bringt die Stimmgabel durch Anschlagen zum Schwingen und setzt sie auf die Schädelmitte. Wird der Ton vom Patienten auf einer Seite lauter wahrgenommen, spricht man von einer Lateralisation.

Aus der Kombination mit dem Resultat des Rinne-Versuchs ergeben sich folgende Interpretationsmöglichkeiten: • keine Lateralisation: physiologisch oder bei seitengleicher Schwerhörigkeit.

• Lateralisation in das hörgeschädigte Ohr (Rinne-negativ getestet): Hinweis auf eine Schallleitungsstörung dieser Seite.

• Lateralisation in das normal hörende Ohr (Rinne-positiv getestet): Hinweis auf eine Schallempfindungsstörung der Gegenseite.

Chronische Entzündung Auch eine chronische Otitis media kann eine bleibende Hörminderung verursachen. „Eine chronische Entzündung im Ohr – meist durch ein Loch im Trommelfell und wiederholte Sekretion charakterisiert – kann zur Zerstörung des

Mittelohres und so zur progredienten Hypakusis führen“, schildert Priv.-Doz. OA DDr. Matthias Koiner-Graupp, Abteilung für Allgemeine HNO, Med Uni Graz (siehe Hausärzt:in März 2023*).

Mithilfe mikrochirurgischer Sanierung oder eines Hörimplantats können Patienten mit einer chronischen Otitis media mesotympanalis in der Regel ein normales Hörvermögen wiedererlangen.

Im Falle eines Cholesteatoms hingegen kommt es zunächst zur progredienten Schallleitungsstörung, im Verlauf auch zu einer Innenohrschwerhörigkeit.

Weiters sind eine Ertaubung und Schwindel aufgrund einer Bogengangsfistel oder Labyrinthitis möglich. Sowohl die primäre als auch die sekundäre Form geht meist mit Tinnitus einher. Eventuell entsteht eine Fazialisparese und bei Befall der Chorda tympani eine Geschmacksstörung auf der betroffenen Seite. Bei jeder randständigen Trommelfellperforation sollte eine Diagnostik hinsichtlich eines möglichen Cholesteatoms erfolgen bzw. in die Wege geleitet werden, insbesondere im Zusammenhang mit fötider Otorrhö in der Anamnese.

Medizinisches Review: Priv.-Doz. OA DDr. Matthias Koiner-Graupp, Klinische Abteilung für Allgemeine HNO, Med Uni Graz * auf gesund.at/hausaerztin Quellen: amboss.com S2k-Leitlinie Ohrenschmerzen, AWMF-Registernr.

053/009 (in Überarbeitung).

INFO 2 Neuer Podcast für Patient:innen Um die Bevölkerung über HNO-Erkrankungen aufzuklären, hat die Österreichische Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie den Podcast „Im Ohr des Patienten“ ins Leben gerufen. Monatlich erscheint eine neue Folge, in der Fachexpert:innen Patient:innen-Fragen zu komplexen HNOThemen beantworten. In Folge 03 erörtert beispielsweise Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerd Rasp, Univ.-Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Salzburg, Ohrenschmerzen und Hörverlust.

Zugang über: hno.at/hno-gesellschaft /hno-podcast

Anna Schuster, BSc

WEBER- UND RINNE-VERSUCH: ÜBERSICHT ÜBER MÖGLICHE BEFUNDE Rinne links

Rinne rechts

Weber

positiv

positiv

Median

Möglicher Befund normales Gehör beidseits symmetrische Schallempfindungsstörung

positiv

positiv

lateralisiert nach links

Schallempfindungsstörung rechts

positiv

positiv

lateralisiert nach rechts

Schallempfindungsstörung links

negativ

positiv

lateralisiert nach links

Schallleitungsstörung links

positiv

negativ

lateralisiert nach rechts

Schallleitungsstörung rechts

negativ

positiv

lateralisiert nach rechts

kombinierte Schwerhörigkeit links* Taubheit links** negativ

negativ

Median

beidseits symmetrische Schallleitungsstörung***

Anmerkungen: * Mögliche Erklärung jener Befundkonstellation: Aufgrund der Schallleitungsstörung ist der Rinne-Test links negativ. Wäre die Schallempfindung links nicht gestört, würde der Ton im Weber-Test auf die linke Seite lateralisieren. Die Lateralisation nach rechts kann deshalb für eine zusätzliche Schallempfindungsstörung links sprechen. ** Eine Anakusis auf der linken Seite führt im Weber-Test zur Lateralisation des Tons nach rechts (auf die gesunde Seite). Ein negativer Rinne-Test auf der linken Seite (Ton wird über die Knochenleitung lauter gehört als über die Luftleitung) wirkt kontraintuitiv, erklärt sich jedoch dadurch, dass sich der Ton über die Knochenleitung vom linken Mastoid auf das rechte Innenohr übertragen kann, während er über die Luftleitung links gar nicht mehr gehört wird. *** Die Luftleitung ist auf beiden Seiten der Knochenleitung unterlegen, weshalb der Rinne-Test beidseits negativ ist. Weber lateralisiert bei einer Schallleitungsstörung zur betroffenen Seite. Liegt jedoch eine symmetrische Schallleitungsstörung vor, wird der Ton im Weber-Test weiterhin median im Bereich von Scheitel oder Stirn wahrgenommen.

Quelle: Amboss, Audiometrische Verfahren in der HNO (Stand: 16.08.2023).

30

November 2023

Protektiver Effekt

Aktuelle Studie: Demenzprävention durch Hörgeräte Die Hörminderung zählt bekanntlich zu den zwölf modifizierbaren Demenzrisikofaktoren und könnte für rund 8 % der Demenzerkrankungen verantwortlich sein.1 Mit der Frage, inwieweit sich das Demenzrisiko durch eine Hörgeräteversorgung beeinflussen lässt, beschäftigte sich eine rezente Studie, die in Lancet Public Health veröffentlicht wurde.2 Für die Untersuchung wurden Daten der UK Biobank herangezogen – von einer populationsbasierten Kohortenstudie, die im Zeitraum von 2006 bis 2010 Erwachsene zwischen 40 und 69 Jahren rekrutierte.

Hör- und Hörgerätestatus zur Baseline wurden mittels Eigenberichts der Probanden erhoben, Demenzdiagnosen mithilfe von Krankenhausakten und Sterberegisterdaten. In die Analyse wurden 437.704 Personen eingeschlossen.

Verglichen mit normal hörenden Probanden, zeigte sich bei jenen mit einer

nicht hörgeräteversorgten Hörminderung ein um 42 % erhöhtes Risiko hinsichtlich einer Demenz jeglicher Ursache (HR 1,42 [95 % CI 1,29-1,57]). Hingegen war bei hörbeeinträchtigten Personen, die aber Hörgeräte trugen, kein erhöhtes Risiko festzustellen (1,04 [0,98-1,10]).

Die positive Assoziation der Hörgeräteverwendung zeigte sich sowohl bei Demenz jeglicher Ursache als auch bei ursachenspezifischen Demenzsubtypen: bei Alzheimererkrankung, vaskulärer Demenz sowie Nicht-Alzheimererkrankung/nichtvaskulärer Demenz.

Fazit: Maßnahmen ergreifen Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Hörminderung zwar das Demenzrisiko erhöht, man mit dem Tragen von Hörgeräten dem allerdings effektiv entgegenwirken kann. Laut den Autorinnen und Autoren sind weiterführende qualitativ hochwertige klinische Studien

erforderlich, und es gilt z. B. die Rolle von Art und Dauer der Hörgeräteversorgung für die Demenzprävention bei unterschiedlichen Formen von Schwerhörigkeit zu untersuchen.

Bekannt sei, dass Hörgeräte zu wenig verwendet werden. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendig keit, Maßnahmen zu ergreifen, um gegen Hörverlust und kognitiven Abbau vorzugehen.“ So sollte etwa die Awareness in der Bevölkerung gesteigert und audiologische Screenings und Interventionsmöglichkeiten wie eine Hörgeräteanpassung unterstützt werden.

Literatur: 1 Livingston G et al., Lancet. 2020 August 8, 396(10248): 413-446.

2 Jiang F et al., Lancet Public Health.

2023 May;8(5):e329-e338.

AS

QR-Code scannen und gratis downloaden.

Die neue Hörtest App von Neuroth. ganz einfach zu Hause testen.

Testen Sie Ihre Hörstärke jederzeit mit der Hörtest App von Neuroth. neuroth.com

November 2023

31

© shutterstock.com/ESB Professional

Hausärzt:in medizinisch

Hausärzt:in medizinisch

Multifaktorielle Entität

Systematisch nachfragen In über der Hälfte der Fälle kann eine Diagnose schon anhand der Anamnese gestellt werden. Oft muss gezielt nachgefragt werden, damit das Gespräch nicht ausufert. Sinnvoll ist es dann, den Patienten nach der Chronologie der Beschwerden zu fragen: „Seit wann?“, „Wie lange?“ und „Wann zuletzt?“ sind dabei wegweisend. Wichtig ist zudem, sich nach den Triggern zu erkundigen, etwa ob Schwindelgefühle in Ruhe oder bei Bewegung bestehen.

Weiters muss die Qualität des Schwindels (attackenhaft, schwankend, „wie im Karussell“ usw.) eingeordnet werden. Schließlich hilft es, die Beschwerden in einen zeitlichen Kontext zu stellen: „Wie lange dauert Ihr Schwindel/ eine Schwindelattacke an bzw. wie oft kommt er/sie vor – morgens, abends,

32

November 2023

kontinuierlich?“ Natürlich gilt es auch, nach zusätzlichen Krankheiten und Beschwerden zu fragen. Die psychosoziale Situation der Patienten muss beurteilt werden – oft leiden ältere Menschen an Depressionen, die zu dauerhaften Schwindelgefühlen und Isolation führen können. Eine genaue Betrachtung der Medikamentenliste hat gerade beim Altersschwindel einen besonders hohen Stellenwert. Antidepressiva, verschiedene Schmerzmittel und Blutdrucksenker können Beschwerden auslösen.

Zentrale und periphere Probleme unterscheiden Bei Schwindelsymptomen müssen sowohl die vestibulären Funktionen als auch das Nervensystem, der Bewegungsapparat und das HerzKreislauf-System untersucht werden. Der Untersuchung des Gleichgewichtsorganes

kommt eine spezielle Rolle zu. Ein besonderer Fokus wird auf Augenbewegungsstörungen gelegt, die ein guter Indikator für vestibuläre, aber auch zentrale Schwindelprobleme sein können. Mit Tests zur Blickfolge, zur Fixation, zum Vorhandensein eines Nystagmus sowie mit der Durchführung des (Video-)Kopfimpulstests (siehe INFO, S. 34) kann man zwischen einem peripheren und einem zentralen Ursprung von Schwindelbeschwerden differenzieren. In der Zusammenschau mit der Nystagmuskontrolle und der Überprüfung der sogenannten „Augenverrollung“ durch den Cover-Test – bei dem die Augen abwechselnd zugehalten werden, um zu sehen, ob es eine Bewegung der Augen GASTAUTORIN: Dr.in Katharina Meng in der vertikalen Ebene gibt Fachärztin für – kann eine Unterscheidung HNO-Heilkunde in Wien, Spezialgebiet zwischen peripherer und zenneurootologische traler Problematik in über 90 % Schwindelerkrankungen der Fälle erfolgen. Dieses

© Photo Simonis

In der Praxis stellt Schwindel im Alter ein sehr häufiges Problem dar. Dabei zeigt sich eine deutliche Zunahme der Prävalenzen ab dem 60. Lebensjahr. Innerhalb eines Jahres konsultieren 20 % aller 60- bis 70-Jährigen eine Ärztin, einen Arzt mit dem Problem Schwindel, ab dem 70. Lebensjahr steigt diese Zahl auf 30-50 %.1 Dabei ist es nicht einfach, die Ursache herauszufinden, zumal viele verschiedene Krankheiten das Symptom „Schwindel“ auslösen können.

Eine genauere Differenzierung der Beschwerden gelingt uns Medizinerinnen und Medizinern mithilfe der Anamnese.

Während im Englischen Begriffe wie „dizziness“, „vertigo“, „disequilibrium“ oder „presyncope“ dem Arzt bei der Unterscheidung helfen, wird im Deutschen oftmals nur von Dreh- oder Schwankschwindel gesprochen. Da die Hausärztin, der Hausarzt oft die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten darstellt, ist ein strukturierter Algorithmus zur Diagnosefindung hilfreich, um Beschwerden richtig einordnen zu können und gegebenenfalls weitere Untersuchungen zu veranlassen.

© Shutterstock.AI

Schwindel im Alter mithilfe eines strukturierten Diagnosealgorithmus und einer individualisierten Therapie bewältigen

Hausärzt:in medizinisch klinische Untersuchungsverfahren wird HINTS („head impulse, nystagmus, test of skew“) genannt und spielt bei akuten Schwindelproblemen eine entscheidende Rolle, um zum Beispiel eine Differenzierung zwischen einem Insultgeschehen und einer peripheren Läsion zu ermöglichen.2

Weiterführende Untersuchungen Zur genaueren Beurteilung des Gleichgewichtsorganes ist eine HNO-ärztliche Begutachtung ratsam. Dabei werden nicht nur Innenohrerkrankungen untersucht, sondern es können auch neurootologische und seltenere chronische Krankheitsbilder ausgeschlossen werden – zum Beispiel eine bilaterale Vestibulopathie, die gerade bei älteren Personen vorkommt und oftmals lange nicht erkannt wird. Insbesondere bei Älteren müssen auch kardiovaskuläre Untersuchungen (24-h-EKG, Schellong-Test) und die Nervenleitgeschwindigkeit – vor allem der unteren Extremitäten zum Ausschluss einer Polyneuropathie – angedacht werden. Bildgebende Verfahren wie MRT und CT helfen zusätzlich dabei, zentrale Ursachen wie neurodegenerative Erkrankungen, Tumoren und Entzündungen auszuschließen.

Derzeit liegen in Deutschland zwei Leitlinien vor – für Schwindelerkrankungen in hausärztlichen Ordinationen und für vestibuläre Funktionsstörungen –, welche einen Überblick über die Einordnung und Differentialdiagnosen geben sollen.3,4

„Die Polyneuropathie kann zu einer Verdoppelung des Sturzrisikos führen.“

Ein vestibuläres Problem des Alters ist die sog. bilaterale Vestibulopathie, eine Unterfunktion des Gleichgewichtsorgans, welche mit dem Kopfimpulstest gut nachgewiesen werden kann. Ototoxische Medikamente (Aminoglykosidantibiotika, z. B. Gentamicin, selten auch Platine bei Chemotherapie) können diese Erkrankung ebenfalls auslösen.

Degenerative Erkrankungen wie die Polyneuropathie (PNP) sind ein dominierendes Problem, sie äußern sich in Schwankschwindel und starker Gangunsicherheit, vor allem in Dunkelheit. Die PNP kann zu einer Verdoppelung des Sturzrisikos führen.

Beeinträchtigungen der Wirbelsäule, im Speziellen der HWS, werden häufig als kurze Schwindelattacken bei raschen Bewegungen wahrgenommen. Begleitet sind diese Beschwerden von leichten Schmerzen.

Von einem persistierenden posturalperzeptiven Schwindel (PPPD), früher als phobischer Schwankschwindel bezeichnet, spricht man, wenn keine organischen Schwindelsymptome vorliegen und Trigger wie visuelle Reize und alltägliche Aktivitäten die Symptome verstärken. Der PPPD zeigt sich häufig nach einer akuten Schwindelerkrankung, z. B. einem BPLS, kann aber auch nach Trauma oder als Ausdruck einer Depression auftreten.6 Internistische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Elektrolythaushaltes (Hyponatriämie) können ebenso zu Schwindelattacken führen, manchmal auch mit > Ohnmacht.

Häufige Ursachen und Diagnosen Beim akuten Schwindel des Alters stellt der benigne Lagerungsschwindel (BPLS) die häufigste Diagnose dar.

Jeder Dritte über 70 litt bereits einmal daran. Patienten berichten über einen bewegungsabhängigen, drehenden Schwindel, der nur kurz andauert. Die Diagnostik ist hierbei recht einfach – genauso wie die Therapie: Lagerungsübungen.

Beim Dix-Hallpike-Manöver zum Ausschluss eines gutartigen Lagerungsschwindels wird zunächst der Kopf des Patienten im Sitzen um 45 Grad zur betroffenen Seite gedreht, danach im Liegen rekliniert. Der Test ist positiv, wenn dabei Schwindel und Nystagmus auftreten. Regelmäßige Bewegung kann die Häufigkeit des Auftretens reduzieren.

Bei akuten Schwindelbeschwerden muss immer auch an ein zentrales Geschehen wie Ischämie oder Infarkt im vertebrobasilären Stromgebiet gedacht werden. Selten sind hierbei ausschließlich Schwindelsymptome zu erkennen, meistens zeigt sich ein ausgeprägteres klinisches Bild mit Kleinhirnzeichen und Beeinträchtigung anderer Hirnnerven.

Differentialdiagnostisch kommt die Erstmanifestation eines akuten Gleichgewichtsausfalls oder Morbus Menière im hohen Alter eher seltener vor.5

November 2023

33

Hausärzt:in medizinisch

Im besten Fall richtet sich die Therapie natürlich immer nach der Ursache. Da der Altersschwindel (Presbyvertigo) eine multifaktorielle Entität darstellt, sind hier die therapeutischen Maßnahmen vielfältig. Eine wichtige Säule ist die regelmäßige Physiotherapie, die vor allem der Gangstabilität und Sturzprävention dient.

Medikamentöse Interventionen bei chronischem Vertigo sind mit Vorsicht zu verschreiben. Dauertherapien mit Antivertiginosa (z. B. mit Dimenhydrinat) sind nicht indiziert, sie können sogar das Risiko von Stürzen erhöhen. Einem ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegel (über 30 nmol/l) wurde in Studien eine prophylaktische Wirkung in Bezug auf Schwindelerkrankungen, insbesondere den BPLS, nachgesagt. Antihistamine (Betahistin) werden bei chronisch vestibulärem Schwindel als Therapieoption immer wieder beschrieben, aber auch hier ist ein dauerhafter Gebrauch individuell zu evaluieren, da es keine eindeutige Evidenz bei Altersschwindel dafür gibt.

Homöopathische Präparate mit den Inhaltsstoffen Anamirta cocculus, Conium

maculatum, Ambra grisea und Petroleum rectificatum gehören zu den am häufigsten gekauften Mitteln gegen chronischen Schwindel. In kleineren Studien zeigten sie durchaus positive Effekte auf die Lebensqualität. Im Vergleich zu Dimenhydrinat und Betahistin gab es hier kein schlechteres Abschneiden, eine Placebokontrolle fehlt in den Studien leider oftmals. Pflanzliche Mittel wie Johanniskraut und Ginkgo können zur Besserung der Beschwerden beitragen, allerdings muss auch hier auf die Kreuzreaktionen mit anderen Arzneien geachtet werden.

Kommunikation: Wichtig ist, die Lebensqualität zu verbessern. Ein jahrelanges chronisch bestehendes Schwindelgefühl allein mit einer Tablette zu behandeln, ist leider in den seltensten Fällen zielführend – auch das muss den Patientinnen und Patienten kommuniziert werden. Ein Therapieerfolg stellt sich oft erst langsam ein und hängt von der Compliance der Patienten ab. Erfolge werden dabei auch häufig von der Umgebung wahrgenommen, weshalb die Aufklärung der Angehörigen über die therapeutischen Maßnahmen wesentlich ist.

„Die psychosoziale Situation der Patient:innen muss ebenfalls beurteilt werden – oft leiden ältere Menschen an Depressionen, die zu dauerhaften Schwindelgefühlen und Isolation führen können.“ Fazit Schwindel im Alter stellt durchaus eine große Herausforderung für behandelnde Ärztinnen und Ärzte dar. Mit einer genauen Anamnese und klinischen Untersuchung können den Betroffenen viele < Arztbesuche erspart bleiben.

Literatur: 1 Gosch M et al., Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie. 53(6): 577-589 (2020).

2 Kattah JC et al., Stroke. 40(11): 3504-10 (2009).

3 S3-Leitlinie Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis, AWMF-Register-Nr. 053-018 (in Überarbeitung).

4 S2k-Leitlinie Vestibuläre Funktionsstörungen, AWMF-Register-Nr. 017-078 (Stand: 2021).

5 Dix M, Hallpike C, Proceedings of the Royal Society of Medicine. 45(6): 341-354 (1952).

6 Staab JP et al., Journal of Vestibular Research.

27(4): 191-208 (2017).

INFO Der Kopfimpulstest (KIT) Bedside-KIT: Die Untersucher:in sitzt der Patient:in gegenüber. Der Kopf der Patient:in wird schnell nach rechts und links gedreht, die Patient:in muss dabei die Nase der Untersucher:in fixieren. Eine Korrektursakkade deutet auf einen Ausfall des Gleichgewichtsorganes hin.

Videokopfimpulstest: Die Untersucher:in steht hinter der Patient:in.

Die Geschwindigkeiten der Augen- und Kopfbewegungen werden in Relation zueinander bildlich dargestellt. © Photo Simonis

Repertoire für die Behandlung

BEZAHLTE ANZEIGE Quelle: JATROS Pneumologie & HNO 1/2022

November 2023

35

Hausärzt:in medizinisch

Auf viral folgt bakteriell?

COVID-19 & Co. ebnen Pneumokokkeninfektionen den Weg – die Impfung schützt Die Pneumokokkenimpfung wird für gesunde Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr sowie für Säuglinge und Kleinkinder empfohlen. Altersunabhängig wird diese Empfehlung um bestimmte Risikogruppen erweitert.

Streptococcus pneumoniae kann Pneumonien, Meningitis, Sepsis, Sinusitis sowie Otitis media verursachen. Während der Impfschutz gegen COVID-19 und Influenza viel Aufmerksamkeit bekommt, rückt die Bedeutung der Pneumokokken-Immunisierung zwischenzeitlich in den Hintergrund. Zu bedenken ist, dass eine Kombination aus virusbedingten und bakteriellen Erkrankungen zu gefährlichen „Superinfektionen“ führen kann. Prim. Priv.Doz. Dr. Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Klinik Floridsdorf, und Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie, machte im Rahmen einer Pressekonferenz* darauf aufmerksam, dass Personen besonders nach COVID-19- und Influenzainfektionen anfälliger für eine bakterielle Ansteckung, etwa mit Pneumokokken, seien. „Virusinfektionen verursachen einen Schaden an der Schleimhaut der Atemwege, was wie eine Art offene Schleuse für Bakterien wirkt.“ Dadurch könnten bekanntlich Superinfektionen entstehen, bei denen sich eine bakterielle Infektion auf eine Virusinfektion „setzt“.

Vorsorge statt Nachsicht Sowohl Erkrankungen als auch Todesfälle können durch eine Pneumokokkenimpfung verhindert werden. Fast zwei Drittel der vorkommenden Serotypen sind mittlerweile durch die modernen verfügbaren Vakzine abgedeckt.

Die Durchimpfungsrate ist jedoch überschaubar. Bei den über 60-Jährigen beträgt sie beispielsweise nicht einmal 20 Prozent. Vor allem wäre jedoch der Schutz für Risikogruppen notwendig.

Zu jenen zählen unter anderem auch Personen mit chronischen Lungenerkrankungen wie COPD, mit Diabetes mellitus oder kardiovaskulären Erkrankungen. Viele von ihnen sind nicht geimpft, obwohl sie ein erhöhtes Risiko haben, einen schweren Verlauf und eine Verschlechterung der Grunderkrankung zu erleiden.

Empfehlungen laut Impfplan Bei den Vakzinen sind die Polysaccharidimpfstoffe von den Konjugatimpfstoffen zu unterscheiden. Seit kurzem sind in Österreich breiter wirksame Konjugatimpfstoffe verfügbar, welche zudem für einen länger anhaltenden Schutz sorgen sollen als bisher. Derzeit sollten laut dem aktuellen Impfplan Österreich altersabhängig vorzugsweise PNC15 oder PNC20 (konjugierte Pneumokokkenvakzine, 15-valent oder 20-valent)

zum Einsatz kommen. Das sequenzielle Schema – bestehend aus einer weiteren Impfung mit PPV23 (23-valente Polysaccharidvakzine) und erforderlichenfalls einer Wiederholung der Impfserie – blieb in der Aktualisierung des Impfplans unverändert, um einen breiten Schutz zu gewährleisten. Jenes Schema ist im österreichischen Impfplan 2023/2024 detailliert angeführt.

Die Pneumokokkenimpfung ist bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr kostenfrei erhältlich. In Ausnahmefällen – zum Beispiel bei Risikokindern oder Indikation – sieht das Kinderimpfprogramm die Immunisierung gratis bis zum vollendeten fünften Lebensjahr vor. Alle anderen Patientinnen und Patienten müssen die Kosten zum Großteil selbst tragen. Die Impfung ist vor allem bei Kleinkindern hocheffektiv und deutlich wirksamer als bei Erwachsenen. Bei Seniorinnen und Senioren hängt der Effekt sowohl von der regionalen epidemiologischen Lage als auch von der Verteilung der Serotypen in der jeweiligen Population ab. Dem indirekten Schutz, welcher durch eine möglichst hohe Impfrate von Kindern erreicht werden kann, kommt somit eine noch größere Bedeutung zu.

Eine Kostenübernahme der Impfungen durch die öffentliche Hand – auch bei älteren Personen – würde zu finanziellen Einsparungen für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem führen. Dies zeigten die Ergebnisse einer BudgetImpact-Analyse des Institutes für Pharmaökomische Forschung.

Mag.a Ines Pamminger, BA

© shutterstock.com/Katy Flaty

* Hybride Pressekonferenz des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller: „(Notwendige) Impfungen im Herbst: Ein Überblick“, 5. Oktober 2023, Wien.

36

Quellen: Impfplan Österreich 2023/2024, Version 1.0.

November 2023

Hausärzt:in medizinisch

Schutz vor der nächsten RSV-Welle Jährlich ist mit etwa 248 Millionen Euro RSV-bedingten Krankheitskosten zu rechnen – so das Ergebnis einer Analyse des Institutes für Pharmaökonomische Forschung. Neben diesen Zahlen wurden im Rahmen einer Pressekonferenz des ÖVIH* auch die derzeit möglichen Maßnahmen präsentiert, um die RSVInfektionen zu minimieren.

Im vergangenen Winter habe RSV neben COVID-19 und Influenza zu den „großen Playern“ gezählt, insbesondere Doppel- oder Mehrfachinfektionen hätten eine Belastung für das Gesundheitssystem dargestellt, berichtete Priv.Doz.in Dr.in Monika Redlberger-Fritz, MedUni Wien, Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Bislang sei der Fokus auf der gefährdeten Gruppe der Säuglinge und Kleinkinder gelegen. Daten für Erwachsene habe es bisher nur wenige gegeben. Mittlerweile wisse man aber, dass RSV für Seniorinnen und Senioren mindestens so gefährlich sein könne wie die echte Grippe. Der Anteil der hospitalisierten Erwachsenen, die auf die Intensivstation gebracht werden müssten oder versterben würden, sei sogar um 40 bis 60 Prozent höher als bei Influenza1, machte Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, Klinik Floridsdorf, aufmerksam. Bei Kleinkindern stellt RSV die häufigste Ursache von Infektionen der unteren Atemwege dar.2 „Die Mehrheit der hospitalisierten Kinder hat keine bekannten Risikofaktoren“, gab Prim. MedR. Ass.-Prof.

DDr. Peter Voitl, MBA, vom Ersten Wiener Kindergesundheitszentrum Donaustadt zu bedenken. Die Möglichkeiten, diese zu schützen, sind sehr begrenzt.

Passive Immunisierung für Kinder Für den Schutz vor schweren Krankheitsverläufen stehen erstmalig zwei Vakzine zur Verfügung – ein adjuvantierter Subunit-Impfstoff und ein bivalenter (A/B) Subunit-Impfstoff, nicht adjuvantiert.

38

November 2023

© stock.adobe.com/mikey

Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen können nur symptomatisch behandelt werden – neue Möglichkeiten der Immunisierung

Beide sind ab dem vollendeten 60. Lebensjahr – letzterer auch für Schwangere – zugelassen. Eine Kostenübernahme ist derzeit nicht gegeben.

Empfohlen wird die Impfung gegen RSV ab dem vollendeten 60. Lebensjahr sowie bei bestimmten Risikofaktoren ab 18 Jahren.3 Für Kinder gibt es keine aktive Immunisierung, die passive können lediglich bestimmte Risikokinder (Frühgeborene, Kinder mit Herzfehler/ bronchopulmonaler Dysplasie) in Form von monoklonalen Antikörpern erhalten. Diese monatliche Immunisierung sei jedoch für Eltern mit Aufwänden verbunden und erfordere eine chefärztliche Bewilligung, so Prim Voitl. Für 2024 wird eine weitere passive Immunisierungsmöglichkeit erwartet, die mit einer einmaligen Applikation einen Schutz für mindestens fünf Monate bieten soll.

Neu ist, dass nun für werdende Mütter die Option einer Impfung zwischen der 24. und der 36. SSW besteht. Über die Plazenta werden die Antikörper an das Kind weitergegeben. Auf Wunsch können Schwangere – vorzugsweise zwischen September und März – geimpft werden.

Unterschätztes Risiko von Älteren Bei Erwachsenen geht man von einer hohen Dunkelziffer von RSV-Infektionen aus. Zu den gefährdeten Personen zählen solche ab 60 Jahren, Patientinnen und Pa-

tienten mit chronischen Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, funktionellen Beeinträchtigungen oder schwachem Immunstatus. Zudem führen schwerwiegende Grunderkrankungen wie Asthma, COPD oder Herzinsuffizienz bei älteren Betroffenen zu einer Verschlechterung dieser Leiden. Bei RSVErkrankten besteht, auch nach der Akutphase, ein deutlich höheres Risiko, Sekundärerkrankungen zu entwickeln.4,5 Mag.a Ines Pamminger, BA * Journalist:innenworkshop „RSV wird impfbar: Wer sich wann impfen lassen sollte“, veranstaltet vom Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) am 20.09.23 in Wien.

Quellen: 1 Ambrosch A et al., J Clin Virol. 2023 Apr;161:105399.

2 Li Y et al., Lancet. 2022 May 28;399(10340):2047-2064.

3 BMSGPK, Österreichischer Impfplan 2023/24, Version 1.0 vom 05.09.2023.

4 Falsey AR et al., Open Forum Infect Dis. 2021 Oct 5;8(11):ofab491.

5 Ivey KS et al., J Am Coll Cardiol. 2018 Apr 10;71(14):1574-1583.

INFO Tipp für Patient:innen In Apotheken ist ein Mehrfachantigentest erhältlich, mit welchem bei Erkältungssymptomen auf COVID-19, Influenza A und B sowie RS-Viren getestet werden kann.

Dieser erleichtert neben der adäquaten Behandlung nach ärztlicher Absprache auch den Schutz von Risikopersonen im Umfeld.

85

Hausärzt:in medizinisch

Längerfristige Antikoagulation bei VTE-Patient:innen?

Ein Update aus den ESC- und S2K-Leitlinien zur venösen Thromboembolie zeit gültige Guidelines publiziert: einerseits die Europäische Kardiologische Gesellschaft (ESC), andererseits mehrere deutsche Gesellschaften, welche bei der Erstellung der S2KLeitlinien zusammenarbeiten.

Die venöse Thromboembolie (VTE) kann sich als tiefe Beinvenenthrombose (TVT) sowie – als mögliche Komplikation ebenjener – als Pulmonalarterienembolie (Lungenembolie, PAE) manifestieren. Die Behandlung der

VTE umfasst die Akuttherapie sowie die Dauersekundärprophylaxe und besteht üblicherweise in der Hemmung des plasmatischen Gerinnungssystems (Antikoagulation). Hierzu haben mehrere große Gesellschaften der-

In der Akutsituation, welche ein Präparat mit sofortigem Wirkungseintritt erfordert, erfolgt die Antikoagulation mit einem Heparinpräparat, dem Pentasaccharid Fondaparinux oder auch Rivaroxaban bzw.

Apixaban.

In der Praxis ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass bei zwei Substanzen (Dabigatran und EdoxaGASTAUTOR: ban) aufgrund unterAssoz. Prof. Priv.schiedlicher StudienDoz. Dr. Thomas Gary Klinische Abteilung für designs noch vor dem Angiologie, Start der oralen BeUniversitätsklinik für handlung zumindest > Innere Medizin Graz

NON-VITAMIN-K-ANTIKOAGULANTIEN Substanz

Dabigatran

Rivaroxaban

Apixaban

Edoxaban

Gerinnungsfaktor

II

X

X

X

Renale Elimination

80 %

35 %

27 %

50 %

Standarddosis

150 mg 1-0-1

15 mg 1-0-1 für 3 Wochen; danach 20 mg 0-1-0, Einnahme zum Essen!

Optional nach 6 Monaten Reduktion auf 10 mg 0-1-0 je nach Blutungsrisiko

10 mg 1-0-1 für 1 Woche; danach 5 mg 1-0-1 für 6 Monate; danach 2,5 mg 1-0-1

60 mg 0-1-0; 30 mg bei Krea-Cl von 30-50 ml/min oder bei KG unter 60 kg

Reduzierte Dosis

110 mg 1-0-1

Siehe oben

Siehe oben

Siehe oben

Dosisreduktion bei …

> 80 a oder gleichzeitig verabreichtem Verapamil, sonst individuell (Nierenfunktion etc.)

Siehe oben

Siehe oben

Siehe oben

Nicht bei …

CrCl < 30 ml/min

CrCl < 15 ml/min

CrCl < 15 ml/min

CrCl < 15 ml/min

Heparin-Lead-in (mind. 5 Tage)

Ja

Nein

Nein

Ja

40

November 2023

© privat

© shutterstock.com/Kateryna Kon

Akuttherapie und Dauersekundärprophylaxe

Zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF-Patient:innen* ®

Hausärzt:in medizinisch

ELIQUIS : WEIL MIR WIRKSAMKEIT UND SICHERHEIT *, 1, 2 WICHTIG SIND

FÜR MICH SELBST

MEINE MUTTER

MEINEN MENTOR

MEINE PATIENT:INNEN

*Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patient:innen mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren bietet ELIQUIS® (Apixaban) eine signifikant überlegene Wirksamkeit und signifikant weniger schwere Blutungen vs. Warfarin.1,2 Literaturangaben: 1. Granger CB, et al. N Engl J Med. 2011;365(11):981–92. 2. ELIQUIS® Fachinformation, aktueller Stand.

Abkürzungen: VHF – nicht-valvuläres Vorhofflimmern, VTE – Venöse Thromboembolie; In klinischen Studien zu VHF und VTE häufig (≥ 1/100 - < 1/10) beobachtete Nebenwirkungen unter Apixaban waren Blutungen, Kontusion, Epistaxis und Hämatome (vollständige Auflistung der bekannten Nebenwirkungen in Abschnitt 4.8. der aktuellen Fachinformation).

FACHKURZINFORMATION: Bezeichnung des Arzneimittels: Eliquis 2,5 mg Filmtabletten. Eliquis 5 mg Filmtabletten. Pharmakotherapeutische Gruppe: direkte Faktor Xa Inhibitoren, ATC-Code: B01AF02. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 2,5 bzw. 5 mg Apixaban. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede 2,5 mg Filmtablette enthält 51,43 mg Lactose. Jede 5 mg Filmtablette enthält 102,86 mg Lactose. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Lactose, Mikrokristalline Cellulose (E460), Croscarmellose-Natrium, Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (E470b), Filmüberzug: Lactose-Monohydrat, Hypromellose (E464), Titandioxid (E171), Triacetin; Eliquis 2,5 mg Filmtabletten: Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E172); Eliquis 5 mg Filmtabletten: Eisen(III)-oxid (E172). Anwendungsgebiet: Eliquis 2,5 mg Filmtabletten: Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen. Eliquis 2,5 mg und Eliquis 5 mg Filmtabletten: Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie Schlaganfall oder TIA (transitorischer ischämischer Attacke) in der Anamnese, Alter ≥ 75 Jahren, Hypertonie, Diabetes mellitus, symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II). Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen (bei hämodynamisch instabilen LE Patienten siehe Abschnitt 4.4. der Fachinformation). Gegenanzeigen: - Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. - akute, klinisch relevante Blutung. - Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie und einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind. - Läsionen oder klinische Situationen, falls sie als signifikanter Risikofaktor für eine schwere Blutung angesehen werden. Dies umfasst akute oder kürzlich aufgetretene gastrointestinale Ulzerationen, maligne Neoplasien mit hohem Blutungsrisiko, kürzlich aufgetretene Hirn- oder Rückenmarksverletzungen, kürzlich erfolgte chirurgische Eingriffe an Gehirn, Rückenmark oder Augen, kürzlich aufgetretene intrakranielle Blutungen, bekannte oder vermutete Ösophagusvarizen, arteriovenöse Fehlbildungen, vaskuläre Aneurysmen oder größere intraspinale oder intrazerebrale vaskuläre Anomalien. - Die gleichzeitige Anwendung von anderen Antikoagulanzien z.B. unfraktionierte Heparine (UFH), niedermolekulare Heparine (Enoxaparin, Dalteparin etc.), Heparinderivate (Fondaparinux etc.), orale Antikoagulanzien (Warfarin, Rivaroxaban, Dabigatran etc.) außer in speziellen Situationen einer Umstellung der Antikoagulationstherapie, wenn UFH in Dosen gegeben wird, die notwendig sind, um die Durchgängigkeit eines zentralvenösen oder arteriellen Katheters zu erhalten oder wenn UFH während der Katheterablation von Vorhofflimmern gegeben wird. Pharmazeutischer Unternehmer: BristolMyers Squibb/Pfizer EEIG, Plaza 254, Blanchardstown Corporate Park 2, Dublin 15, D15 T867, Irland. Kontakt in Österreich: Bristol-Myers Squibb GesmbH, Wien, Tel. +43 1 60143 -0. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: NR, apothekenpflichtig. Stand: 08/2022. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.

Bristol Myers Squibb GesmbH, Wien, www.bms.com/at (432-AT-2200075, 09/2022) & Pfizer Corporation Austria GmbH, Wien, www.pfizer.at (PP-ELI-AUT-0870/09.2022)

Hausärzt:in medizinisch eine fünftägige Heparintherapie indiziert ist – der sogenannte „HeparinLead-in“.

Die Dauersekundärprophylaxe erfolgt vorzugsweise mit einem Non-VitaminK-Antikoagulans (NOAK, siehe Tabelle S. 40) oder im Einzelfall (z. B. bei stark eingeschränkter Nierenfunktion) mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA).

Im Falle einer paraneoplastischen VTE (Ursache für die VTE ist ein Tumor) hat sich die Dauersekundärprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) über Jahre gegenüber anderen Therapieformen als überlegen erwiesen. Im Winter 2017 wurde jedoch erstmals der Einsatz von Edoxaban bei tumorassoziierter VTE mit dem von NMH verglichen. Edoxaban war dem bisherigen Goldstandard NMH nachweislich nicht unterlegen, somit kann das Antikoagulans seit 2018 auch in der Therapie der tumorassoziierten VTE als Alternative verwendet werden. Seine Anwendung ist auch bei Chemotherapiepatientinnen und -patienten mit einer Thrombozytenzahl von bis zu 50.000 G/L untersucht

und sicher. In den darauf folgenden Jahren wurden zudem sehr gute Ergebnisse von Studien zu den Faktor-XHemmern Rivaroxaban und Apixaban publiziert, sodass derzeit die Behandlung mit einem Faktor-X-Hemmer bei den meisten Tumorpatienten mit venöser Thromboembolie der Heparintherapie vorgezogen wird.

Definition unterschiedlicher VTE-Risikosituationen Bei der Beurteilung der Dauer der Antikoagulation gilt es das Re-VTE-Risiko zum Blutungsrisiko in Relation zu bringen. Wohingegen früher die VTE in Risikosituationen den spontanen VTEEreignissen gegenübergestellt wurden, hat sich in den letzten Jahren eine exaktere Klassifizierung etabliert. In der aktuellen Literatur werden die Risikosituationen folgendermaßen differenziert: • große transiente Risikofaktoren (z. B. Polytrauma, große Operation unter Allgemeinnarkose mit einer Dauer von zumindest 30 Minuten),

• große persistierende Risikofaktoren (z. B. aktive Krebserkrankung, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom), • kleine persistierende Risikofaktoren (z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankung, Übergewicht) • kleine transiente Risikofaktoren (z. B. Schwangerschaft, Pilleneinnahme, Gipsbein) In diesen Gruppen ist das VTE-Rezidivrisiko ohne Antikoagulation unterschiedlich und in der Gruppe der großen transienten Risikofaktoren am niedrigsten.

Blutungsrisiko Nach den initialen drei bis sechs Monaten muss dem Rezidivrisiko bei der Entscheidung für oder gegen ein Fortsetzen der Antikoagulationstherapie das Blutungsrisiko gegenübergestellt werden. Dafür wurde z. B. mit dem VTE-BLEED-Score ein Rechenmodell entwickelt, das mit den Faktoren aktive Krebserkrankung, hoher Blutdruck bei männlichem Geschlecht, Anämie, Blutungsvorgeschichte, Alter > 60 Jahre

boso medicus exclusive Automatisierte Dreifachmessung mit Mittelwertanzeige boso medicus exclusive lässt sich auf die persönlichen Bedürfnisse einstellen, bietet zahlreiche Statistikfunktionen für eine optimale Beurteilung der Blutdruckwerte und ist besonders empfohlen bei erhöhter Blutdruckvariabilität. Überzeugend in jeder Beziehung: das elegante Design, die hochwertige Verarbeitung und ein Funktionsumfang, der keine Wünsche offen lässt. Und das alles so einfach und benutzerfreundlich, wie Sie und Ihre Patienten es von boso gewohnt sind: Die große Anzeige und die zuschaltbare Sprachausgabe machen die Blutdruckmessung besonders einfach und komfortabel – nicht nur für ältere oder sehbehinderte Menschen.

Erhältlich in d SanitätsApotheke un l. fachhande 42

November 2023

BOSCH + SOHN GmbH & Co. KG Zweigniederlassung Österreich Handelskai 94– 96 | 1200 Wien | www.boso.at

boso medicus exclusive Oberarm-Blutdruckmessgerät | Medizinprodukt

So individuell wie die Gesundheit.

und eingeschränkte Nierenfunktion die wichtigsten Blutungsrisikofaktoren zusammenfasst. Auch der in der Indikation VHFA etablierte HASBLED-Score wurde bereits bei Personen mit VTE untersucht und für aussagekräftig befunden.

Modelle zur Errechnung des Rezidivrisikos Ebenso wurden Rechenmodelle zur Einordnung des Rezidivrisikos publiziert. Diese haben sich in den letzten Jahren in der klinischen Praxis etabliert.

Diesbezüglich sind speziell das „Vienna prediction model“, der DASH-Score und der HERDOO2-Score zu nennen.

Bei diesen Modellen wird anhand unterschiedlicher Parameter (D-DimerWert nach Absetzen der Antikoagulation, Alter, Geschlecht etc.) versucht, das Rezidivrisiko zu beurteilen, um sich speziell bei Menschen mit spontanen VTE-Ereignissen ein Bild vom Rezidivrisiko zu machen.

Individualisiertes Vorgehen Ein derzeit übliches und evidenzbasiertes Vorgehen zur Entscheidung über die Dauer der Antikoagulation bei VTEPatientinnen und -Patienten wäre somit folgendes: Nach der Mindestdauer der Antikoagulation von drei bis sechs Monaten würde man bei VTE-Patienten mit hohem Blutungsrisiko die Antikoagulation stoppen.

Bei einem niedrigen Blutungsrisiko und einem niedrigen Rezidivrisiko (definiert als: VTE nach einem großen vorübergehenden Risikofaktor, Frauen mit VTE und HERDOO2-Score von 0 oder 1, isolierte Unterschenkelvenenthrombose) kann die Antikoagulation auch nach drei bis sechs Monaten abgesetzt werden, da das VTE-Rezidivrisiko als sehr gering angesehen wird. Bei Menschen mit einem niedrigen Blutungsrisiko und einem mittleren und hohen VTE-Rezidivrisiko sollte die Antikoagulationstherapie fortgesetzt und in regelmäßigen Abständen reevaluiert werden (zumindest einmal jährlich). Zu jener Risikogruppe zählen: VTE-Patientinnen und -Patienten mit persistierenden Risikofaktoren, Männer mit spontanen

VTE, Frauen mit spontanen VTE und einem HERDOO2-Score von 2 und mehr.

Diskussionswürdig ist sicher die längerfristige Antikoagulation bei VTEEreignissen mit kleinen transienten Risikofaktoren. Hier ist ein individualisiertes Vorgehen wichtig. Die in vielen Artikeln angedachte längerfristige Antikoagulation der besagten Patientengruppe wird zumindest vom Autor dieses Textes nicht restlos befürwortet. Das niedrige Blutungsrisiko der NOAK speziell in der reduzierten Dosis (Dosisreduktion von Rivaroxaban und Apixaban nach sechs Monaten Antikoagulation: siehe Tabelle) mag zu einem Fortsetzen der Antikoagulation ad infinitum auch bei jüngeren Betroffenen verleiten. Die Nachteile betreffend Freizeitgestaltung (z. B. Sportunfälle etc.) oder auch bei jüngeren Frauen in Bezug auf die Familienplanung (Absetzen von NOAK und Umstellung auf ein subkutan zu applizierendes Heparinpräparat vor Eintreten einer Schwangerschaft) sollten hierbei unbedingt bedacht werden.

Fazit Die rezente Literatur und auch die rezenten Guidelines, welche die einzelnen VTE-Risikofaktoren aufdröseln, machen die Entscheidung für oder gegen eine längerfristige Antikoagulation bei VTE-Patientinnen und -Patienten nicht immer leichter. Ein Vorgehen, welches nach drei bis sechs Monaten das Blutungsrisiko und danach das individualisierte Rezidivrisiko berücksichtigt, scheint sinnvoll zu sein. Die Lebensumstände der Betroffenen (sportliche Aktivitäten, Familienplanung etc.) sollten hierbei beachtet werden. <

Hier geht es zu den aktuellen Leitlinien: European Heart Journal, Volume 41, Issue 4, 21 January 2020, Pages 543–603, doi.org/10.1093/ eurheartj/ehz405 S2K-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie. Version: 5.5; Stand: 14.02.2023.

ENERICONG E N E

G

NG

R I C

E N E NG

CO

O

NG

EN

ERICONGE

NE R I

C O N

E

NE

RI

GENERI N O C CO RI

NE

GE C RI

E N RICO E G N N O

www.genericon.at

Ein Loop beginnt nahtlos und zuverlässig immer wieder von vorne.

So geht Präzision in Serie und

Gesundheit für alle.

2023_11_Image_I_HA_01

Hausärzt:in medizinisch

Ernährungsschulung in der medizinischen Praxis

Folgeerkrankungen und Todesfälle vermeiden, Kosten sparen

Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin (ÖAIE), Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien

Mag.a Karin Fallmann Ernährungswissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ÖAIE, Wien

© privat

GASTAUTOR:INNENTEAM:

© privat

Die Ernährungsschulung in der ärztlichen Praxis spielt eine zentrale Rolle in der Prävention und Therapie von zahlreichen sogenannten LifestyleErkrankungen wie zum Beispiel Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und Fettleber. In der Realität findet sie jedoch selten statt.

© ÖAIE, citronenrot.at

Obwohl es viele verschiedene „Empfehlungen“ gibt, steigt die Prävalenz ernährungsabhängiger Erkrankungen laut WHO deutlich. Deshalb wurden die „10 Gebote der gesunden Ernährung“ vom Österreichischen Akademischen Institut für Ernährungsmedizin als Leitfaden entwickelt. Sie sind ein Versuch, wissenschaftliche Fakten in ein bekanntes Schema zu bringen. Die zehn Gebote richten sich an alle gesunden Menschen, besonders aber an jene, die ein Problem mit Über- oder Fehlernährung haben. Sie sollen die Basis einer gesunden Ernährung sein (siehe unten, PDF unter oeaie.org).

Maddalena Strukul Ernährungstherapeutin, Diabetesberaterin, Fachberaterin für Darmgesundheit, Vorstandsmitglied des ÖAIE, Wien

1. Du sollst dein Leben nachhaltig gestalten.

2. Du sollst eine ausgeglichene Energiebilanz anstreben, um dein Normalgewicht zu halten.

3. Du sollst dich täglich körperlich bewegen.

4. Du sollst deinen Flüssigkeits bedarf vor allem durch Wasser und ungezuckerte Tees decken und auf gezuckerte Getränke möglichst verzichten.

5. Du sollst deine Lebensmittel nach regionalen und saisonalen Angeboten wählen.

6. Du sollst dich möglichst pflanzen basiert ernähren.

7. Du sollst möglichst wenig rotes Fleisch sowie verarbeitete Wurst- und Fleischwaren essen (max. 35 g/Tag).

Decke deinen Eiweißbedarf besser mit heimischen Fischen, mageren Milchprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen und bevorzuge bei Fleisch mageres weißes Fleisch.

8. Du sollst möglichst wenig freien Zucker (max. 10 TL pro Tag) essen.

9. Du sollst Getreideprodukte vor allem in Form von ballaststoffreichen Vollkorn produkten essen und auf raffinierte Produkte möglichst verzichten.

10. Du sollst möglichst wenig Lebensmittelabfälle verursachen.

46

November 2023

Quelle: Österreichisches Akademisches Institut für Ernährungsmedizin

© stock.adobe.com/ Ivan

10 Gebote der gesunden Ernährung für Patient:innen

Hausärzt:in medizinisch

Adipositas Krankhaftes Übergewicht entsteht oft über viele Jahre. Zu den Gründen zählen ungesundes Essverhalten und körperliche Inaktivität (mehr Energiezufuhr als -verbrauch). Laut der Weltgesundheitsorganisation stellt Adipositas weltweit die größte Gesundheitsbedrohung dar.

Sie wird vielfach nicht rechtzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt und verursacht eine Reihe von chronischen Folgeerkrankungen, z. B. Diabetes mellitus Typ 2 oder kardiovaskuläre Erkrankungen. Die OECD-Studie geht davon aus, dass übergewichtsbedingte Erkrankungen in den nächsten 30 Jahren 90 Millionen Todesfälle nach sich ziehen und die Lebenserwartung um drei Jahre verkürzen werden. In OECD-Ländern ist ca. die Hälfte der Bevölkerung übergewichtig und ein Viertel adipös. Die Kosten für Übergewicht machen bereits 3,3 % des BIP aus. Prävention und die damit verbundenen Ernährungsschulungen in der Praxis sind daher ein zentrales Element und das beste Investment.1 In Österreich gibt es eine Reihe von Therapieangeboten für übergewichtige und adipöse Kinder, Jugendliche und Erwachsene (lt. SIPCAN2 2021 über 100 Programme) aus allen Bundesländern. Sie vermitteln den Eindruck einer „erfolgreichen Adipositastherapie“ und die Verantwortlichen berichten von „Erfolgsgeschichten“ auf ihrer Homepage. Es gibt aber keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit besagter Angebote und es fehlen Daten aus Langzeitstudien zu langfristigen Erfolgen bzw. einer nachhaltigen Gewichtsreduktion.

Ernährungsschulung bei Adipositas Eine erfolgreiche Gewichtsreduktion kann relativ einfach erzielt werden. Gemäß den S3-Leitlinien3 ist bei Erwachsenen im Rahmen der Gewichtsabnahme ein Energiedefizit von 500 bis 800 kcal pro Tag erforderlich. Die größte Herausforderung in der Ernährungsschulung bei Adipositas besteht darin, eine für die Klientin/den Klienten optimale und auf ihre/seine Bedürfnisse zugeschnittene Ernährungstherapie zu erstellen, sodass es zu einer langfristigen und nachhaltigen Veränderung der Ernährungsgewohnheiten kommt. Im Alltag der/des Diätologin/Diätologen bzw. Ernährungsmedizinerin/-mediziners bedeutet das, dranzubleiben, den Betroffenen Mut zu machen und für jede/n das jeweils passende Programm zu konzipieren. In vielen Fällen kann gemäß dem „Low Carb“-Prinzip vorgegangen werden, was eine deutliche Reduktion des Kohlenhydratanteils beinhaltet. Weiters sollte der Schwerpunkt unbedingt immer auf das Gute und niemals auf die Verbote gelegt werden.

Neue kreative Wege, zu kochen, sowie Mahlzeiten, die rasch zubereitet und in den Alltag gut integriert werden können, werden besprochen. Die Begleitung und Betreuung der Klienten soll über mehrere Jahre stattfinden beziehungsweise so lange in Anspruch genommen werden, bis das gesunde Essverhalten Teil der täglichen Routine geworden ist.

Fettstoffwechselstörungen Bei einer Fettstoffwechselstörung (Dyslipoproteinämie) liegen die Wer-

te der im Blut enthaltenen Fette über dem normalen Bereich. Mögliche Ursachen sind eine ungünstige Lebensweise, eine genetische Veranlagung oder andere Erkrankungen. Als Beispiel ist die Familiäre Hypercholesterinämie (FH) zu nennen. Während bei den meisten Menschen erhöhte Cholesterinwerte erst im höheren Lebensalter zum Problem werden, ist dies bei FH anders. Die Prävalenz beträgt ca. 1 : 200, unter 200 Menschen ist einer von dieser Erkrankung betroffen.

Der Familiären Hypercholesterinämie liegt eine genetische Veränderung zugrunde. Durch einen Gendefekt funktionieren die sogenannten LDLRezeptoren („Schlüssellöcher“) in der Leber nur zum Teil. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass in Europa ca. 4,5 Millionen Menschen mit FH leben – davon sind 20-25 % Kinder und Jugendliche. Weltweit kommt ca. jede Minute ein Kind mit FH auf die Welt.

Diagnose & Behandlung der Familiären Hypercholesterinämie Die Familiäre Hypercholesterinämie wird sehr häufig zu spät und insgesamt zu selten diagnostiziert. Dies liegt daran, dass die Betroffenen zunächst keine Symptome zeigen. Sogar bei einer klinischen Untersuchung durch eine praktische Ärztin/einen praktischen Arzt oder eine Pädiaterin/einen Pädiater, sind auch bei gründlichstem Vorgehen keine Veränderungen festzustellen.

Die Grundpfeiler der Behandlung sind neben der medikamentösen Therapie vor allem eine Veränderung des Lebensstils sowie eine Ernährungs- >

Hausärzt:in medizinisch

ÜBER INTERFERENZ STANDARDS HINAUS GETESTET

Es wurde nachgewiesen, dass Accu-Chek Instant und Accu-Chek Guide in 99 % der > 200 potenziell störenden Substanzen störungsfreie Resultate liefern.1,2*

1.

2.

3.

1. SGLT2-Hemmer & orale Antidiabetika 2. Antihypertensiva & Antiarrhythmika 3. Psychopharmaka & Antidepressiva

MELDEN SIE SICH ZUM KOSTENLOSEN WEBINAR AN!

www.accu-chek.at/webinar-interferenzen

weitere Informationen: www.accu-chek.at

* Substanzen, die sich als störend erwiesen haben: Ascorbinsäure (Genauigkeitsschwelle >5 mg/dL), Xylose (Genauigkeitsschwelle >10 mg/dL) 1 Hauss O, Hinzmann R, Huffman B. Drug interference in self-monitoring of blood glucose and the impact on patient safety: we can only guard against what we are looking for. J Diabetes Sci Technol.

2022; 0(0). doi:10.1177/19322968221140420.

2 Jedes Medikament und jede Substanz wurde bei verschiedenen Blutzuckerkonzentrationen im Bereich von 50 bis 350 mg/dL (2.8 bis 19.4 mmol/L) mit einer Abweichung von <10 mg/dL oder 10 % zu den Zielblutzuckerwerten.

Folge uns auf: ACCU-CHEK, ACCU-CHEK INSTANT und ACCU-CHEK GUIDE sind Marken von Roche. Alle weiteren Produktnamen und Marken gehören den entsprechenden Eigentümern. © 2023 Roche Diabetes Care | www.accu-chek.at | Roche Diabetes 48 November 2023Care Austria GmbH | 1210 Wien | Engelhorngasse 3

therapie. Als wesentliche Punkte der Lebensstiländerung gelten eine gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung. Erstere stellt bei allen Hyperlipoproteinämien die wichtigste Basismaßnahme einer Intervention dar. In der Regel ist davon auszugehen, dass durch gezielte Ernährungsmaßnahmen langfristig eine ca. 10- bis 15-prozentige Senkung der Cholesterin- und LDL-Konzentration möglich ist. Die Zielwerte liegen beim LDL unter 100. Wenn diese mit Ernährungsmaßnahmen nicht erreicht werden, ist ein Einsatz von Medikamenten „State of the Art“.

Ernährungsschulung bei Dyslipoproteinämie In der Ernährungsschulung bei Fettstoffwechselstörungen wird der Schwerpunkt auf eine fettmodifizierte, aber keineswegs auf eine fettarme Kost gelegt. Die Basis der Ernährungstherapie sind der reduzierte Konsum von gesättigten Fettsäuren und die erhöhte Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Außerdem sollte die alimentäre Cholesterinaufnahme unter 300 mg pro Tag betragen. Die Verwendung von Ölen mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren (Alpha-Linolen-, Eicosapentaen- und Docosahexaensäure) zeigt positive Effekte.

Dazu gehören Walnuss-, Argan-, Lein- und Hanföl. Der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sollte zwischen 7 und 10 % der Nahrungsenergie ausmachen.

Weiters sollte die Kost bei Fettstoffwechselstörungen vorwiegend frisch, größtenteils pflanzlich und somit antioxidativ wirksam sein.

In der Beratungspraxis erfolgt eine ausführliche Ernährungsanamnese. Die Makro- und Mikronährstoffzufuhr wird genau ausgewertet und dokumentiert. Im Anschluss werden Maßnahmen besprochen, beispielsweise der Einsatz von Fisch- oder Algenölpräparaten, der tägliche Verzehr von zwei bis drei großen Gemüseportionen und die Verwendung von Oliven- und Rapsöl für die Speisenzubereitung. Eine Reevaluierung der Maßnahmen findet bei den Kontrollterminen statt. Optimierungen werden bei Bedarf vorgenommen, beispielsweise wenn keine Normalwerte der Fettstoffwechselparame< ter in der Labordiagnostik erreicht werden.

Quellen: 1 OECD Health Policy Studies, OECD Publishing, Paris, 2019 doi.org/10.1787/67450d67-en 2 SIPCAN, ÖAG 2021, sipcan.at/adipositas (abgerufen am 07.07.2023).

3 Hauner H et al., Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“, Version 2.0, April 2014; S. 46.

Weitere Literatur: NCD Risk Factor Collaboration, The Lancet 2017: 390: 2627-2642.

Bixby H et al., Nature 2019, 569: 260–264.

Wiegman A et al., European Heart Journal 2015; 36: 2425-2437.

Nordestgaard BG et al., European Heart Journal 2013; 34: 3478-3490.

Widhalm K et al., The Journal of Pediatrics 2011; 158: 167.

Steffanutti C et al., Journal of Clinical Lipidology 2017; 11: 858-871.

Negele L et al., Eur J Clin Nutr. 2015; 69(3): 337-343.

Widhalm K et al., Atherosclerosis 2017; 257: 86-89.

Hausärzt:in informativ

Inteferenztests bei Blutzuckermesssystemen Warum es wichtig ist, ein breites Spektrum von Substanzen auf Interferenzen zu testen

Die Blutzuckermesssysteme Accu-Chek® Guide und Accu-Chek® Instant wurden auf über 200 Substanzen1 getestet und übertreffen damit die internationalen Testanforderungen.

Weltweit anerkannte Organisationen für Leistungsrichtlinien, wie das Clinical and Laboratory Standards Institute (CLSI), die Food and Drug Administration (FDA) und die Internationale Organisation für Normung (ISO), verlangen von den Herstellern von Blutzuckermessgeräten,

die Auswirkungen von 24 verschiedenen potenziell störenden Substanzen zu testen.

Studien zeigen jedoch, dass angesichts der sich ständig weiterentwickelnden Therapien und neuen Medikamentenklassen, die Prüfung anhand von Leistungsrichtlinien alleine möglicherweise keine ausreichende Gewähr für die Patient:innensicherheit darstellt.1,2 Alle Richtlinien nennen zu prüfende Stoffe, aber erwarten auch von den Herstellern, dass sie eine kontinuierliche eigene Risikoanalyse durchführen, um mögliche potenzielle andere Störfaktoren und/oder neue Störfaktoren zu identifizieren, und fortlaufend Tests mit neuen Substanzen vornehmen. Roche z. B. testet eine Liste von über 200 Substanzen für ihre SMBGSysteme Accu-Chek® Guide und AccuChek® Instant – einschließlich Interferenzen, die aus Hinweisen aus der Literatur oder von Kunden stammen, und neuen Substanzen, wie SGLT2-Hemmern.

Am Ball bleiben Störende Substanzen können eine bedeutende Fehlerquelle für Messungen sein und so eine Gefahr für Patient:innen darstellen.

Bei Roche Diabetes Care bedeutet unser Engagement für die Blutzuckermessung,

umfangreiche Tests gegen potenziell störende Substanzen durchzuführen, um das Risiko einer Beeinträchtigung der Genauigkeit der Ergebnisse zu reduzieren.1 Wir erweitern stetig unsere Interferenztestungen, um auch neue und aufkommende Therapien – einschließlich Natrium-Glukose-Transportprotein-2(SGLT2)-Inhibitoren, die bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes zur Anwendung kommen – auf Störungen zu testen.1,2 Zu den getesteten Medikamenten gehören unter anderem:1 • SGLT2-Hemmer & andere orale Antidiabetika, • Psychopharmaka, • Antihypertensiva, • Wirkstoffe gegen Fettstoffwechselstörungen, • Antiarrhythmika.

Erfolgreiche Therapie ermöglichen Die umfangreichen Interferenztests der Systeme Accu-Chek® Guide und AccuChek® Instant schließen eine Verfälschung der Ergebnisse durch 99 % der über 200 getesteten Substanzen aus und ermöglichen Ihren Patient:innen eine verlässliche Messung ihres Blutzuckers. Diese ist die Grundlage einer erfolgreichen DiabetesTherapie.1,2,* MELDEN SIE SICH ZUM KOSTENLOSEN WEBINAR AN accu-chek.at/webinar-interferenzen * Substanzen mit Störpotenzial: Ascorbinsäure: Genauigkeitsgrenzwert > 5 mg/dL; Xylose: Genauigkeitsgrenzwert > 10 mg/dL. Referenzen: 1 Hauss O, Hinzmann R, Huffman B, Drug interference in self-monitoring of blood glucose and the impact on patient safety: we can only guard against what we are looking for. J Diabetes Sci Technol. 2022; 0(0). doi:10.1177/19322968221140420.

2 Mills K, Roetschke J, Patients with SGLT2 inhibitor therapy can reliably measure their blood glucose without interference issues when up-to-date potentiometric and amperometric blood glucose measurement systems are used. J Diabetes Sci Technol. 2022;16:261-263.

ACCU-CHEK, ACCU-CHEK GUIDE und ACCU-CHEK INSTANT sind Marken von Roche. Alle anderen Produktnamen und Marken sind Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber. © 2023 Roche Diabetes Care accu-chek.at | Roche Diabetes Care Austria GmbH | Engelhorngasse 3 | 1210 Wien

November 2023

49

BEZAHLTE ANZEIGE

Die Ergebnisse der Blutzuckerselbstmessung (SMBG) werden häufig verwendet, um die Blutzuckerkontrolle von Menschen mit Diabetes zu beurteilen und bei Therapieentscheidungen, z. B. hinsichtlich der Dosierung von Insulin, zu unterstützen.

Allerdings können einige Medikamente, die Patient:innen aufgrund von Begleiterkrankungen verschrieben werden, die Blutzuckermessungen beeinflussen. Abweichungen bei den Blutzuckermessungen können zu nicht erfassten oder falschen Hypo- oder Hyperglykämie-Ereignissen führen und wichtige Entscheidungen zur Diabetestherapie verfälschen.1

Hausärzt:in medizinisch

Die unterschätzte Volkskrankheit „Die Diagnose Herzinsuffizienz wird von Betroffenen erstaunlicherweise oft verharmlost und etwa im Vergleich zu einer onkologischen Erkrankung als weniger dramatisch empfunden“, gab Univ.-Doz. Dr. Bernhard Jäger, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie an der Klinik Ottakring, bei einem Medien Round Table in Wien zu bedenken.* Dabei sei die Prognose unter Umständen schlechter als bei gewissen Malignomen.

Etwa 30 Prozent der wegen einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz hospitalisierten Patientinnen und Patienten versterben innerhalb eines Jahres …

Von der Erkrankung Herzinsuffizienz generell betroffen sind in Österreich schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen.

Beim überwiegenden Teil hat sich das klinische Syndrom als Folge von Zivilisationskrankheiten wie Hypertonie, Hypercholesterinämie und Diabetes Typ 2 oder durch einen ungesunden Lebensstil mit Alkohol- und Nikotinabusus entwickelt. Dazu kommen Vorerkrankungen wie Myokardinfarkt, Arrhythmien oder Erkrankungen der Herzklappen. Dementsprechend leiden vor allem ältere Patientinnen und Pati-

© shutterstock.com/Digital Storm

Bei Herzinsuffizienz stehen die Behandlung der Grunderkrankungen sowie die Linderung der Symptome im Vordergrund

enten daran. Deutlich seltener kommt Herzschwäche bei jungen Menschen vor – dann meist wegen eines angeborenen Herzfehlers oder nach einer Myokarditis, wie sie typischerweise nach einer Infektion auftritt.

AKTUELL Update der europäischen Herzinsuffizienz-Leitlinie Die wichtigste Neuerung der 2021 veröffentlichten Herzinsuffizienz-Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) war die Empfehlung einer medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) mit vier prognoseverbessernden Substanzen gleichzeitig: entweder ACE-Hemmern, AT1-Rezeptorblockern oder ARNI sowie Betablockern, Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten und SGLT2-Inhibitoren. Das Update 2023 enthält folgende neue Empfehlungen: SGLT2-Inhibitoren sollten unabhängig von der linksventrikulären Ejektionsfraktion verabreicht werden.

Eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie sollte nach akuter Herzinsuffizienz möglichst binnen sechs Wochen etabliert werden.

Bei Personen mit chronischer Nierenerkrankung und Diabetes mellitus Typ 2 sollten präventiv SGLT2-Inhibitoren sowie der nichtsteroidale Mineralocorticoid-Rezeptorantagonist Finerenon eingesetzt werden.

Eine intravenöse Eisengabe wird bei symptomatischen Personen mit HFrEF und HFmrEF sowie Eisenmangel empfohlen, bei asymptomatischen Personen mit reduzierter Ejektionsfraktion kann diese zur Reduktion von Hospitalisierungen erwogen werden.

Quellen: Amboss Studien-Telegramm Innere Medizin Nr. 271, Oktober 2023.

McDonagh TA et al., 2023 Focused Update of the 2021 ESC-Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure, doi.org/10.1093/eurheartj/ehad195

50

November 2023

Lebensstilmodifikation und Medikamente Die frühzeitige Diagnose einer beginnenden Herzinsuffizienz ist für die Behandlung entscheidend. „Bei neu aufgetretenen Beschwerden und jedenfalls, wenn sich Symptome wie Schwellungen, Herzklopfen, Herzstolpern oder rascher, unregelmäßiger Puls verstärken, sollten die Ursachen unbedingt ermittelt werden“, hielt Doz. Jäger fest. Die dafür empfohlenen Diagnoseschritte: Abhören der Lunge, Check auf Beinödeme, EKG, Blutabnahme, Analyse der Biomarker Protein BNP und NT-proBNP sowie bei erhöhten Werten Herzultraschall. „Bestätigt sich die Verdachtsdiagnose Herzinsuffizienz, so ist eine Lebensstiländerung in den allermeisten Fällen immens wichtig. Sie reicht aber keinesfalls aus“, betonte der Experte. „Auch Medikamente sind unverzichtbar. Das sollten wir unseren Patientinnen und Patienten vermitteln, damit sie keine falschen Erwartungen haben.“ Um zunächst beim Lebensstil zu bleiben: Schon 20 Minuten Walking etwa können >

Hausärzt:in medizinisch

Rezeptstudie Österreichischer Verschreibungsindex

Werden Sie Teil einer Studie zur Arzneimittelversorgung in Österreich – völlig anonym melden Sie einmal pro Quartal die Verschreibungen und Diagnosen einer Arbeitswoche über ein bedienerfreundliches Online Tool, auf das Sie völlig flexibel auch von Ihrem Tablet oder Smartphone zugreifen können.

FÜR WEITERE FRAGEN: 0800 677 026 (kostenlos)

Yulia Petkova

Hier scannen um sich zur Teilnahme zu registrieren.

medicalindex@iqvia.com 0800 677 026 (kostenlos) Lidia Wojtkowska medicalindex@iqvia.com 0800 677 026 (kostenlos)

weltweit

Weltweite Studie zu indikationsbezogenen Verordnungen!

52

November 2023

anonym

Sichere und anonyme Datenübermittlung 1x/Quartal.

flexibel

Flexibler Zugriff auf ein bedienerfreundliches Online-Tool.

120 €

Bis zu 120 € pro Stunde Aufwandsvergütung

Hausärzt:in medizinisch „Wunder wirken“ und selbst bei einer manifesten Störung eine Besserung erzielen. Wichtig ist laut dem Experten zudem, dass Betroffene Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, regelmäßig Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker messen lassen … „Natürlich spielt auch die Genetik eine Rolle“, so Doz. Jäger weiter. „Doch sie wird oft überschätzt. Zuerst gilt es, andere Ursachen auszuschließen bzw. zu beheben.“ Auch im Rahmen der Vorsorge und Therapie ist die Behandlung der Grunderkrankungen eine wesentliche Säule.

Komorbiditäten behandeln Dass eine Myokardie wieder ausgeheilt werden kann, ist die Ausnahme. Auch dabei kommt es auf die Ursache an. Tritt die Herzschwäche nach einer Infektion auf, sind die Chancen auf Regeneration gut.

Auch in Fällen von Alkohol- oder Drogenabusus kann das Herz wieder gesunden, wenn Betroffene auf die Suchtmittel verzichten. Bei allen anderen Ursachen ist die Erkrankung bekanntlich nicht heilbar:

Weder bei Diabetes noch nach einem Herzinfarkt lässt sich der Umbau des Myokards rückgängig machen. Ein gesünderer Lebensstil kann aber dazu beitragen, dass die typischen Beschwerden der Herzinsuffizienz nicht schlimmer werden.

Dasselbe gilt für die Behandlung der Komorbiditäten. Dabei geht es um die optimale Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Diabetes mellitus ebenso, wie um eine optimale Therapie von Anämie, Hypertonie, koronarer Herzerkrankung, Gicht, Atemwegserkrankungen u. a. m. Selbst die Behandlung etwaiger Suchterkrankungen und Depressionen kann zu einer Verbesserung der Diagnose beitragen.

Symptomlindernd und lebensverlängernd „Bei einer gezielten Therapie der Herzinsuffizienz kommen einerseits Medikamente zur Anwendung, die den Stress am Herzen mindern, andererseits Arzneien, die über den Salzhaushalt im Blut oder über die Niere eine Wirkung entfalten“, führte Doz. Jäger weiter aus. „Ihr Einsatz

ist abhängig vom Einzelfall, von der Art der Herzinsuffizienz und den Ursachen.

Sehr oft spielen zum Beispiel in der Praxis die drei schwerwiegenden Erkrankungen Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankung und Diabetes Typ 2 zusammen.

Dann braucht es einen einheitlichen Ansatz für die Behandlung derselben.“ Für die vier heute für Herzinsuffizienz zur Verfügung stehenden Medikamentengruppen gebe es gut belegte Daten aus randomisierten Studien, so der Experte abschließend: „Wir können Betroffenen den Leidensdruck nehmen, also die Symptome lindern. Und die Lebenserwartung steigt im Mittel um drei bis fünf Lebensjahre. Das ist fantastisch.“ Noch besser wäre es freilich, wenn es gelänge, die Zahl der von der Volkskrankheit Betroffenen in Zukunft deutlich zu senken. Dafür braucht es in erster Linie ein gesteigertes Bewusstsein für die modifizierbaren Ursachen und Risikofaktoren.

Mag.a Karin Martin * Medien Round Table „Herzgesundheit in Österreich“, 18.10.2023, Österreichische Gesellschaft vom Goldenen Kreuze, Wien.

November 2023

53

Ein realistischer Ansatz

© shutterstock.com/Tond Van Graphcraft

Harm Reduction für Raucher:innen bei Atemwegs- und Lungenerkrankungen Rauchen und vor allem das Zigarettenrauchen hat auch heute noch eine besondere gesellschaftliche Bedeutung. Nicht nur Ärztinnen und Ärzte würden sich wünschen, dass wir allen Raucherinnen und Rauchern bei der Tabakentwöhnung helfen könnten. In der Realität bleibt aber – wie wir aus vielen Beobachtungen wissen – fast die Hälfte der Betroffenen über lange Zeit unwillig oder viel zu wenig entschlossen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Die Erkrankungen drohen meist erst nach jahrzehntelangem Abusus und sind dann kaum mehr behandelbar.

zeitvergnügungen zu reduzieren; das Auftragen von Sonnenschutzmittel, wenn wir uns ins Freie begeben wollen oder – wie in Australien bei hoher UV-Exposition – damit wir es überhaupt können. Ein Exempel für eine Erfolgsgeschichte stellt das gesamte Suchtprogramm mit der ganzheitlichen Betreuung von Drogenkranken dar – und zwar ohne den apodiktischen Ansatz der „Heilung“. Der „Quit or die“-Ansatz ist irreal, inhuman und veraltet. Das Konzept „Harm Reduction“ bietet hingegen einen oft realistischeren Ausweg und findet vor allem im Rahmen der Sekundär- und Tertiärprävention Anwendung.

Auf der Suche nach dem kleinsten Übel „Quit-or-die“ ist vorbei Schadensreduktion oder „Harm Reduction“ ist für viele Menschen mit einer „Raucherkarriere“ ein sinnvoller Ansatz.

Bei „Harm Reduction“ handelt sich um ein alltägliches Konzept mit vielen Beispielen: die Verwendung von Sicherheitsgurten und eines Aufprallschutzes, da Autos nicht verboten werden können; das Anlegen von Sturzhelmen, um die Gefahr bei der Ausübung von Sport und bei Frei-

Harm Reduction erfolgt beim Rauchen durch die Verwendung weniger schädlicher Zufuhrmittel. Am schädlichsten ist die Verbrennungszigarette, da beim Verbrennungsprozess mit über 900 °C der Großteil der Kanzerogene und viele andere Schadstoffe, inklusive CO, entstehen. Auf der anderen Seite der Belastung steht das reine Nikotin, welches die Sucht erzeugt und bei den Betroffenen einen „Kick“ auslöst sowie als „Genuss“ wahrgenommen wird. Hier stellt sich

Quellen: Stephens WE, Tobacco Control 2018;27:10-17. tobaccocontrol.bmj. com/content/27/1/10.citation-tools Slot W et al., Risk Analysis, Volume 40, Issue 7 2020, 1355-1366: doi.org/10.1111/risa.13482 Pieper E et al., Bundesgesundheitsbl 61, 1422–1428 (2018): doi.org/10.1007/s00103-018-2823-y

Abbildung: Risiken in Relation zur Verbrennungszigarette.

54

November 2023

© privat

Hausärzt:in medizinisch natürlich die Frage, was ein Genussmittel (Schokolade, Zucker, Alkohol, Nikotin …) ausmacht bzw. ab wann es als Suchtmittel definiert wird.

Nikotin Nikotin selbst verursacht – im Unterschied zu manchen anderen „Genussmitteln“ – jedoch keinen körperlichen Schaden. Im „Harm Reduction“-Konzept steht Nikotin somit auf der Seite der stark schadenreduzierenden oder besser gesagt risikoreduzierenden Mittel. Beispiele hierfür sind Nikotinsublingualtabletten, -kaugummis, -lutschtabletten, -nasensprays, -inhalatoren oder -depotpflaster, welche auch in unterschiedlichen Dosierungen in der Apotheke erhältlich sind. Risikoreduzierende Alternativen sind sogenannte Nikotinbeutel bzw. „Patches“ (mit oder ohne Geschmackszusatz), Tabakbeutel („snus“ – wie sie in den skandinavischen Ländern verwendet werden), E-Zigaretten (idealerweise nur mit Nikotin oder zur Verbesserung der Akzeptanz mit gewissen Geschmacksrichtungen, auch „Tabakgeschmack“) und Tabakerhitzer.

Elektrozigaretten E-Zigaretten stellen eine relativ neue Alternative des Rauchens dar und können mit unterschiedlichen Nikotindosierungen zur Entwöhnung beitragen. Sie hatten teilweise den Ruf eines LifestyleProduktes und unterlagen unterschiedlichen behördlichen Regelungen. Viele Einflussfaktoren (die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten, der Suchteffekt, die Möglichkeit der Zigarettenreduktion, die Gesundheitsschäden etc.) sind wissenschaftlich gut erforscht. Seit ca. zehn Jahren zeigen viele Studien, dass die Elektrozigarette – immer auch im Vergleich mit der Verbrennungszigarette betrachtet – ein ebenso effizientes Mittel zur Raucherentwöhnung ist wie andere Nikotinersatztherapien oder Behandlungsansätze. Ein Cochrane-Review bestätigt die Wirksamkeit dieser Therapieansätze mit der E-Zigarette („Risk Reduction“: 2,29). Faktoren, die dabei mitberücksichtigt werden müssen, sind die Dosierung von Nikotin, die Häufigkeit des „Dampfens“ und die dadurch bedingte Belastung mit zu verdampfenden Substanzen.

Insgesamt liegt die Schadstoffbelastung

Hausärzt:in medizinisch bei E-Zigaretten im einstelligen Prozentbereich – im Vergleich zur Verbrennungszigarette.

Tabakerhitzer Einen noch neueren Ansatz stellen die Tabakerhitzer dar.

Die elektrischen Geräte scheinen in der Wahrnehmung des Users dem Rauchen am ähnlichsten zu sein und sind daher auch gut akzeptiert. Diese und andere Optionen, die in die Kategorie der rauchfreien alternativen Produkte fallen, sind für Personen, die stark an der Verbrennungszigarette hängen und keinen kompletten Rauchstopp erreichen können oder wollen, als sinnvolle Alternative mit reduzierter Schadstoffbelastung gedacht. Tabakerhitzer verwenden zwar Tabak, dieser wird aber nur mit ca. 300 °C erhitzt und nicht verbrannt. Somit entsteht kein CO und deutlich weniger schädliche Substanzen werden freigesetzt. Einzelne kanzerogene Stoffe werden um 80-99 % reduziert.

Ein neuer Aspekt ist mit der Zulassung eines Tabakerhitzers als „Modified Risk Tobacco Product“ (MRTP) durch die FDA hinzugekommen. Da viele Raucherinnen und Raucher auch gerne weniger schädliche Produkte benutzen würden, erscheint dieses erhitzte Tabakprodukt für sie ebenfalls interessant, insbesondere da die kumulative Exposition gegenüber Karzinogenen zehn bis 25 Mal niedriger ausfällt als beim Zigarettenrauchen mit dem Verbrennungsprozess. Analysen von Verbrauchern von E-Zigaretten und Tabakerhitzern haben gezeigt, dass diese beiden nicht als Einstiegsmedien zu sehen sind, sondern in der Personengruppe bisheriger Zigarettenraucher als Alternativen verwendet werden. Als wesentlich gilt, dass die besagten Produkte zur Schadensreduktion und als eventuelle Hilfe beim Ausstieg aus dem Rauchen von Verbrennungszigaretten eingesetzt werden können und sollen.

Hierbei ist eine Reduktion von COPD-Exazerbationen ebenso erwartbar wie eine Abnahme von Herz- und Gefäßkomplikationen. Denn: Diverse Schadstoffe werden reduziert und auch CO wird bei der Verwendung von „Heets“ im Tabakerhitzer praktisch nicht mehr produziert. < Literatur (auszugsweise): McRobbie H et al., Cochrane Database of Systematic Reviews 2014, Issue 12: doi.org/10.1002/14651858.CD010216.pub2 Pieper E et al., Bundesgesundheitsbl 61, 1422–1428 (2018): doi.org/10.1007/s00103-018-2823-y Phillips B et al., Lebensmittel- und chemische Toxikologie, Volume 126, April 2019, 113-141: doi.org/10.1016/j.fct.2019.02.008 Slot W et al., Risk Analysis, Volume 40, Issue 7 2020, 1355-1366: doi.org/10.1111/risa.13482

HARM REDUCTION: DEFINITION „Schadensreduktion“ Harm = Noxe x Anwendung (Dosis/Konzenration, Dauer, „Gebrauch" ...)

Harm-Reduction: Produkt mit reduziertem Risiko „Reduced Risk Product“ geringere Toxizität … x Produktnutzung (Akzeptanz, Umstieg ...)

November 2023

55

Hausärzt:in medizinisch

Die Psyche in allen Phasen im Blick behalten Onkologische Patient:innen: Regelmäßiges Screening bezüglich Angst- und depressiver Störungen nötig Die psychischen Folgen einer Krebserkrankung werden oftmals unterschätzt: Symptome werden als „normale“ Reaktion auf die Diagnose abgetan oder als sekundär gegenüber den körperlichen Beschwerden betrachtet.1 Angst und Depression stellen die häufigsten psychischen Störungen bei onkologischen Patientinnen und Patienten dar, wobei ein gemischtes Vorliegen verbreitet ist.

Natürlich können sich auch non-pathologische Zustände wie Sorgen, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit nach der Diagnose einer malignen Erkrankung zeigen, die von psychiatrischen Syndromen abzugrenzen sind.2 Werden psychische Störungen nicht adäquat behandelt, kann das zu einer schlechteren Prognose führen. Physi-

INFO Risikofaktoren für Angst und Depressionen bei onkologischen Patient:innen1 Medizinisch: Fortgeschrittenes Krankheitsstadium Intensive oder aggressive Therapie(n), mehrere Therapien Höhere Symptomlast bzw. vermehrte Nebenwirkungen Komorbiditäten Wenige rehabilitative Möglichkeiten Schlechte Arzt-Patienten-Beziehung Persönlich: Psychiatrische Vorerkrankungen Traumata in der Krankengeschichte Von Hilf- bzw. Hoffnungslosigkeit dominierte Einstellung Niedriges Bildungsniveau Geringes Einkommen Konflikte in der Partnerschaft Jüngeres Alter (unter 40 Jahren) Sozial: Alleinstehend Wenige Sozialkontakte Unzureichende soziale Unterstützung Eingeschränkter Zugang zu Ressourcen wie Dienstleistungen Stressoren im sozialen Umfeld Soziales Stigma

56

November 2023

sche Symptome wie Schmerz oder Übelkeit treten vermehrt auf und es kommt zu einer verstärkten Inflammation.

Zudem sind Mortalität und Suizidrisiko erhöht. Nicht zuletzt nimmt die Adhärenz hinsichtlich der onkologischen Therapie ab.1,2

Häufige psychiatrische Krankheitsbilder 12-25 % der Krebspatientinnen und -patienten sind von Angststörungen betroffen. Die am häufigsten bei ihnen diagnostizierten Angststörungen umfassen generalisierte Angststörung, Panikstörung und Anpassungsstörung mit Angst. Ferner gibt es einige krebsspezifische Angstzustände, die allerdings keine formellen psychiatrischen Diagnosen darstellen. Zu diesen zählen die Angst vor einer Progression, vor einem Rezidiv sowie vor dem Tod.2 Zu den verbreitetsten depressiven Störungen bei onkologischen Patientinnen und Patienten gehören indessen Major Depression, persistierende Depression, Anpassungsstörung mit depressiver Stimmung sowie Demoralisierung. Jede bzw. jeder Vierte mit der Diagnose Krebs leidet unter einer Depression – von Karzinomen Betroffene haben ein fünf Mal höheres Risiko, an einer solchen zu erkranken, als die Normalbevölkerung.2

Wichtige Risikofaktoren erkennen Es gibt eine ganze Reihe von Risikofaktoren, die bei onkologischen Patientinnen und Patienten die Manifestation von Angst- und depressiven Störungen fördern können (siehe Infobox).1 Depressive Episoden in der Krankengeschichte begünstigen deren Auftreten nach einer Krebsdiagnose. Obwohl Angst in der Krankengeschichte ebenfalls einen Risikofaktor darstellen kann, muss betont werden, dass diese

bei zwei Dritteln der Krebskranken ohne eine entsprechende Krankengeschichte vorkommt.2 Einige maligne Entitäten weisen eine höhere Prävalenz von Angst und Depression auf als andere. Dazu zählen Pankreas- und Lungenkarzinome, bei denen beide Beschwerden gehäuft auftreten, sowie Schilddrüsenkarzinome, welche öfter mit einer Depression einhergehen.²

Regelmäßig und mit validierten Tools screenen In allen Krankheitsphasen muss die Möglichkeit einer Angst- oder depressiven Erkrankung in Betracht gezogen werden. Für das Screening auf Angsterkrankungen empfiehlt die European Society for Medical Oncology (ESMO) diese Tools:² • Generalized Anxiety Disorder Scale-7 (GAD-7), • Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS).

Für das Screening auf Depression können hingegen folgende Instrumente eingesetzt werden:² • Beck-Depressions-Inventar (revidierte Fassung, BDI-II), • Patient Health Questionnaire-9 (PHQ-9), • und im palliativen Setting: Brief Edinburgh Depression Scale (BEDS).

Psychotherapeutische Maßnahmen wie Psychoedukation, achtsamkeitsbasierte Therapie oder kognitive Verhaltenstherapie sind besonders gut geeignet, die psychischen Beschwerden zu mildern. Bei schwerer Angst und/oder Depression sollte auch eine Pharmakotherapie eingeleitet werden. Obwohl es bis dato noch nicht viele Daten zur Wirksamkeit von Antidepressiva gibt, empfiehlt die ESMO deren Verwendung dank der beobachteten Vorteile in anderen klinischen Settings und ihres harmlosen Nebenwirkungsprofils. Selektive Serotonin-Wiederauf-

Hausärzt:in medizinisch nahmehemmer (SSRI) werden hervorgehoben, da nur wenige signifikante Arzneimittelinteraktionen bekannt sind.

Einzig bei Brustkrebspatientinnen unter Tamoxifen-Therapie sollte von einer Paroxetin-Gabe abgesehen werden.2

Schlüsselrolle der Allgemeinmedizin in puncto Adhärenz Da bekannt ist, dass bis zu 50 % der Krebskranken Hilfe trotz Vorliegen

von psychischen Symptomen ablehnen und nur etwa ein Viertel Überweisungen zu Fachärztinnen und -ärzten in Anspruch nimmt, kommt der Allgemeinmedizin eine bedeutende Rolle zu. Hausärztinnen und -ärzte können dabei helfen, regelmäßig Symptome zu erfassen, die Adhärenz in Bezug auf Psycho- und Pharmakotherapie zu prüfen, Sorgen über Nebenwirkungen und die Zufriedenheit mit der Behandlung abzufragen. Wenn die

Adhärenz schlecht ist, können sie dazu beitragen, eventuelle Hürden hinsichtlich der Therapie zu reduzieren bzw.

Alternativen aufzeigen.1,2 Mag.a Marie-Thérèse Weitzl, BSc, BSc

Quellen: 1 Andersen BL et al., Journal of Clinical Oncology (2023), 41(18): 3426-3453.

2 Grassi L et al., Anxiety and depression in adult cancer patients: ESMO Clinical Practice Guideline (2023).

November 2023

57

Hausärzt:in medizinisch

„Ein weites Land, das einen nicht mehr loslässt“ Angst und nervöse Unruhezustände in der hausärztlichen Praxis

© Theresa Maria Werinos

ungezielt, hat eher mit Verunsicherung, mangelnder Geborgenheit, Informationsüberflutung, Sinnverlust, Zukunftslosigkeit zu tun. Es gibt verschiedene Hintergründe, die bis hin zu schweren Traumen reichen. Die allgemein gefühlte Unsicherheit hat im Rahmen der Pandemie zugenommen.

Dr.in Reingard Glehr, Allgemeinmedizinerin in Hartberg, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Med Uni Graz, ÖGPAM-Vorstandsmitglied, im Gespräch.

HAUSÄRZT:IN: Wie häufig werden Hausärzt:innen im Praxisalltag mit Angststörungen konfrontiert?

Dr.in Glehr: Angst stellt einen der häufigsten Beratungsanlässe sowohl im Bereich primär psychischer Störungen als auch als Komorbidität bei somatischen Erkrankungen dar. Insbesondere bei chronischen Erkrankungen ist sie ein häufiger Begleiter. Die Herausforderung, Angst zu erkennen und wenn möglich zu mildern, gilt es aber ebenso bei schweren akuten Erkrankungen zu meistern.

Inwiefern sind Angsterkrankungen und nervöse Unruhezustände ein und dasselbe … und doch wieder nicht?

Es handelt es sich um unterschiedliche Problemlagen. Patient:innen mit nervöser bzw. innerer Unruhe kommen oft mit Symptomen wie Herzrasen, Schwindelgefühl oder Oberbauchschmerzen zur Konsultation. Neben Somatischem, das dahinterstecken kann, ist diese Unruhe häufig durch eine hektische Lebensführung bedingt – oft auch durch teils unbewusste und manchmal überbordende bewusste Sorgen im Alltag. Angst ist im Gegensatz zur Sorge ungerichtet,

58

November 2023

Können Sie uns kurze Beispiele aus der Praxis nennen?

Mir fällt zum Beispiel eine sehr engagierte Lehrerin ein, die primär mit einer unspezifischen Schwindelsymptomatik vorstellig wurde. Sie befand sich in den Wechseljahren, auf Nachfrage gab sie Schlafstörungen, innere Unruhe und Belastungen am Arbeitsplatz als mögliche Ursachen an. Häufig treten derartige Symptome in Wendezeiten des Lebens auf. Die Schwindelsymptomatik muss natürlich trotzdem somatisch abgeklärt werden. Das frühzeitige Erkennen seelischer Komponenten ist aber in der allgemeinmedizinischen Praxis wesentlich.

Ein weiteres Beispiel: Zu Beginn des Krieges in der Ukraine waren Angstsymptome in der Ordination ein besonders häufiger Konsultationsgrund, die Ursache der Angst konnte häufig nicht benannt werden. Unsicherheit, Existenz- und Zukunftssorgen … – auch dafür sind wir Hausärzt:innen oftmals die erste Anlaufstelle. Darin bestätigt sich das Vertrauen der Patient:innen in uns.

Welche Rolle kommt der Psychosozialen Medizin und der Psychosomatischen Medizin sowie den entsprechenden Ausbildungen in diesem Kontext zu?

Die Bedeutung nimmt aus meiner Sicht rasch zu, psychosoziale und psychosomatische Problematiken in der allgemeinmedizinischen Praxis sind mittlerweile alltäglich. Der Trend zur algorithmenbasierten Medizin und Digitalisierung sollte dem nicht entgegenstehen, vielmehr kann beides symbiotisch wirken. Es gibt Studien, denen zufolge ChatGPT bei der Beantwortung

von Patient:innenfragen mehr Empathie zeigt als Hausärzt:innen.* Das ist bedenklich.

Was ist für die Diagnose und Therapie in hausärztlichen Praxen besonders wichtig? Gibt es aktuelle Leitlinien, die hilfreich sind?

Wichtig ist vor allem, gleichzeitig mit den meist im Vordergrund „angebotenen“ körperlichen Beschwerden, einen möglichen psychischen Hintergrund in die Erwägungen einzubeziehen. In diesem Zusammenhang zeigt sich die Bedeutung einer guten Ausbildung in Gesprächsmedizin. Leitlinien und Scores für den diagnostisch-therapeutischen Umgang mit Angststörungen gibt es (siehe S. 60). Es gilt Frühsymptome oder Angst, die noch keine manifestierte Angststörung darstellt, rechtzeitig zu erkennen.

„Es gibt Studien, denen zufolge ChatGPT bei der Beantwortung von Patient:innenfragen mehr Empathie zeigt als Hausärzt:innen.

Das ist bedenklich.“ Von Baldrian über Passionsblume bis Lavendel: Wann reicht es, bei nervösen Unruhezuständen und Angsterkrankungen auf pflanzliche Heilmittel zu setzen?

Kreisende Gefühlszustände zu unterbrechen ist eines der wichtigen Ziele in der Praxis. Eine der Möglichkeiten dazu sind Medikamente, deren Wirkkraft der Intensität der Beschwerden entsprechen sollte. Das reicht von leicht bis stark und spiegelt sich auch in den möglichen Nebenwirkungen. Wesentlich ist nach umfassender Aufklärung der Patient:innen eine gemeinsame Entscheidung bezüglich der Therapie. >

Hausärzt:in medizinisch

53. Kongress für Allgemeinmedizin 23.-25.11.2023 Stadthalle Graz

Besuchen Sie uns am Stand von y-doc.

Wir informieren Sie gerne über aktuelle News bei einem RICH Prosecco und/oder einem 2B [to be].

Mitmachen und gewinnen!

Einen Kaffeevollautomaten von De‘Longhi im Wert von € 499,-.

Versüßen Sie Ihren Tagungsbesuch mit unserem beliebten Mini-SchokoAdventkalender.

Nehmen Sie Ihre Kolleg*innen mit, wir freuen uns auf Sie! +43-732-60 27 28-0 www.y-doc.at

Wartezimmer TV

Hausärzt:in medizinisch

LEITLINIE S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e. V. (DGPM), Version: 2.0, Stand: 6.4.2021, gültig bis 5.4.2026: register.awmf.org/ de/leitlinien/detail/051-028

Patient:in die Anbahnung einer psychotherapeutischen Behandlung so leichter näherbringen können.

Der Zugang der Hausärzt:innen bei psychischen Erkrankungen wird wohl für Stadt- und Landärzt:innen etwas unterschiedlich sein?

Ich glaube nicht, dass hier Stadt-LandUnterschiede eine große Rolle spielen.

Für entscheidend halte ich vielmehr die Ausbildung in diesem Bereich, die leider oft eine sehr große Unterschiedlichkeit aufweist.

Was macht es für junge Landärzt:innen spannend, sich in diesem Bereich auszukennen?

Der psychosoziale Bereich ist ein weites Land – um mit Schnitzler zu sprechen –: Wenn man sich dort einmal auf die Suche gemacht hat, lässt es einen nicht mehr los.

Welche Hürden gibt es – haben Sie gesundheitspolitische Forderungen – die Möglichkeiten in Allgemeinpraxen betreffend?

Vor allem geht es um Zeit, die das kostbarste Gut in einer Praxis ist. Sie braucht man für gute Interventionen und deshalb muss Zeit ausreichend gewertet werden.

Technische Mittel werden oft unvergleichlich höher bewertet als der Faktor Zeit …

Das Interview führte Mag.a Karin Martin.

„Die allgemein gefühlte Unsicherheit hat im Rahmen der Pandemie zugenommen.“

* Ayers JW et al., Comparing Physician and Artificial Intelligence Chatbot Responses to Patient Questions Posted to a Public Social Media Forum. JAMA Intern Med 2023, doi.org/10.1001/jamainternmed.2023.1838

© shutterstock.com/Lucian3D

Wann wird eine Überweisung zur Fachärzt:in oder zur Psychotherapie notwendig?

Die Weiterweisungen ergeben sich aus einer Vielfalt von Gegebenheiten: der Bedrohlichkeit, der Vieldeutigkeit, der Leidensdauer, der Bereitschaft der Betroffenen, die Frage des psychotherapeutischen Settings zu beantworten …

Die Frage lässt sich daher ebenso nur sehr individuell beantworten. Gut ist es, wenn die Überweisenden in ihrem Umfeld Therapeut:innen, deren Persönlichkeit und Methoden kennen, und der

© shutterstock.com/Rumiantsava Alena

Hausärzt:in pharmazeutisch

Der Kern der Sache ...

Wirtsbaum, Präparat und Dosierung sind bei jeder Misteltherapie individuell abzustimmen

Die Misteltherapie wird sowohl adjuvant als auch palliativ – meist in Kombination mit konventionellen Behandlungsverfahren – angewandt. Insbesondere sollen Nebenwirkungen von Standardtherapien reduziert, das unspezifische Immunsystem aktiviert sowie die Lebensqualität verbessert werden. Wenngleich die Akzeptanz naturheilkundlicher Maßnahmen im Allgemeinen zunimmt, wird ihnen in Diskussionen und Veröffentlichungen mit Vorbehalten und Misstrauen begegnet. In einem Live-Webinar* wurde deshalb aufgezeigt, welche Evidenz für die Misteltherapie aktuell vorliegt. Außerdem wurden praktische Gesichtspunkte dargestellt, sodass es auch Ärztinnen und Ärzten mit wenig Vorerfahrung möglich ist, eine solche Behandlung bei ihren onkologischen Patientinnen und Patienten sicher einzuleiten.

Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung der Lebensdauer In einer von Loew et al. (2020) durchgeführten Metanalyse, in der 26 Publikationen eingeschlossen waren, zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität bei Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zur standardisierten onkologischen Therapie eine Misteltherapie erhielten. Die mittlere Differenz (Random-Effects-Modell) für die Lebensqualität nach Behandlung mit Mistelextrakten versus Kontrolle wurde mit d = 0,61 (95-%-KI 0,41-0,81, p < 0,00001) angegeben. Der Effekt war bei jüngeren Personen und bei längerer

62

November 2023

Behandlung am stärksten ausgeprägt.

Sensitivitätsanalysen unterstützen die Validität des Ergebnisses. In 50 Prozent der QoL-Subdomänen (z. B. Schmerzen, Übelkeit, Dyspnoe und Diarrhoe) war eine deutliche Abnahme der Symptomintensität erkennbar.

Die Ergebnisse einer Metaanalyse von Ostermann et al. (2020) deuten darauf hin, dass eine adjuvante Behandlung mit einem Mistelextrakt das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben von Menschen, die an Krebs erkrankt sind, verlängern kann. Jedoch wurden signifikante Unterschiede zwischen diversen Tumorentitäten festgestellt (p < 0,01) – mit den stärksten Auswirkungen bei Zervixkarzinom (HR = 0,43) und weniger ausgeprägten Auswirkungen bei Bronchialkarzinom (HR = 0,84).

Wirksamkeit der Chemotherapie nicht vermindert Gelegentlich wird die Sorge geäußert, dass Mistelextrakte möglicherweise auch Tumorzellen in ihrem Wachstum anregen könnten. Weißenstein et. al (2014) haben an humanen Krebszellen die Wirkung standardisierter Mistelpräparate auf die zytostatische und zytotoxische Aktivität unterschiedlicher Chemotherapeutika untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Misteltherapie die Wirkung der Chemotherapie nicht herabsetzt. „Aus der Grundlagenforschung lässt sich gar die Hypothese aufstellen, dass die Kombination von leitliniengerechter Standardtherapie und Misteltherapie zu einer

besseren Effizienz führen könnte“, meint Referentin Dr.in Myriam Odeh, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Exemplarisch sei der monoklonale Antikörper Trastuzumab erwähnt: Hier zeigte sich in der Studie bei der simultanen Gabe in höherer Dosierung eine stärkere antiproliferative Wirkung.

Der wichtige Stellenwert der Misteltherapie wird nun auch von einer der höchsten schulmedizinischen Instanzen bestätigt: In der neuen S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ wurde für sie eine Kann-Empfehlung mit höchstem Evidenzgrad 1a zur Verbesserung der Lebensqualität bei soliden Tumoren festgehalten.

Die Wahl des passenden Wirtsbaums Für die therapeutische Anwendung steht ein breites Spektrum unterschiedlicher Mistelpräparate zur Verfügung, die mit jeweils anderen Extraktionsmethoden hergestellt werden und in verschiedenen Konzentrationsstufen vorliegen. „Es gibt außerdem eine Vielfalt von Wirtsbäumen, die sich alle in ihren pharmakologisch wirksamen Substanzen grundlegend unterscheiden“, weiß Dr.in Odeh. Relevante Inhaltsstoffe sind unter anderem Mistellektine und Viscotoxine. Eine erste Entscheidung erfordert die Frage, ob primär eine Laubbaum- oder eine Nadelbaummistel eingesetzt werden soll – maßgebend ist hierfür die Tumorentität. Der Fachärztin zufolge bieten die Übersichtstabellen der

Hausärzt:in pharmazeutisch Hersteller eine gute Orientierungshilfe. „Ärztinnen und Ärzten mit wenig Vorerfahrung empfehle ich, sich zunächst anzusehen: Mit welchen Tumorerkrankungen habe ich es in der onkologischen Praxis am häufigsten zu tun?“, so die Medizinerin. Vor diesem Hintergrund könne man zwei passende Wirtsbäume – in der Gynäkologie seien das häufig die Apfel- und die Kiefermistel – auswählen. „Bleibt die gewünschte Wirkung bei den Patientinnen und Patienten aus, dann lohnt es sich, die Anzahl der Wirtsbäume entsprechend zu erweitern“, erklärt Dr.in Odeh die wichtigsten Schritte.

Lokalreaktion als Steuerungsparameter Die Anwendung erfolgt in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich als subkutane Injektion. In Abhängigkeit von der erfolgten Dosierung können systemische Reaktionen wie Fieber und

Gliederschmerzen auftreten. „Eine Lokalreaktion um die Einstichstelle ist erwünscht“, macht die Fachärztin auf eine mögliche Hautrötung – als Ausdruck der Aktivierung des Immunsystems – aufmerksam. Ihr Ausmaß dient gleichzeitig dem Therapiemonitoring. „Bei einer sehr großen örtlichen Reaktion über fünf Zentimeter Durchmesser sollte die Dosis reduziert werden. Bei ausbleibender Lokalreaktion kann die Dosis hingegen gesteigert werden.“ Es gibt zwei Möglichkeiten: Zum einen kann die Behandlung mit einer konstanten Wirkstärke eingeleitet werden. „Es empfiehlt sich, in sehr niedriger Dosierung anzufangen – zum Beispiel mit 1 mg oder weniger, nämlich im Kommabereich“, zeigt die Expertin am Beispiel des Apfelbaum-Mistelextraktes auf, welche Anfangsdosis ratsam ist. Fühlten sich die Betroffenen daraufhin besser, träten bei einer systemischen Therapie weniger Nebenwirkungen auf und bestehe nur

eine geringe Lokalreaktion, dann könne man mit dieser Dosierung gut arbeiten.

Andernfalls müsse sie angepasst werden.

Zum anderen können Serien mit unterschiedlichen Konzentrationen in einer Packung eingesetzt werden. „Die Ampullen werden in aufsteigender Reihenfolge gegeben – von ganz niedriger bis ganz hoher und wieder zurück zu ganz niedriger Stärke“, erklärt sie. Vor allem im niedergelassenen Bereich bringt diese Variante Vorteile. Dr.in Odeh: „Die Patientinnen und Patienten haben so die Möglichkeit, selbst zu eruieren, welche Stärke ihnen guttut und welche sich weniger positiv auswirkt.“ Mag.a Sylvia Neubauer

Hier geht es zur aktuellen Leitlinie:

NACHBERICHT * Live-Webinar: „Misteltherapie mit Iscador: Grundlagen und Anwendung“, FFF-Fortbildungsforum Naturheilkunde, September 2023.

November 2023

63

Hausärzt:in pharmazeutisch

© stock.adobe.com/Оксана Смышляева

Das komplexe Wirkstoffgemisch pflanzlicher Arzneien nutzen Potenzial und Grenzen von Phytotherapeutika bei respiratorischen Infekten

64

November 2023

© privat

Hausärzt:in pharmazeutisch Etwa zwei- bis viermal im Jahr „erwischt“ es Erwachsene, Kinder sogar zehn- bis zwölfmal: Atemwegsinfekte haben wieder Hochsaison. Sie sind eines der Hauptanwendungsgebiete pflanzlicher Arzneimittel. Rund 40 Prozent aller Phytopharmaka werden gegen Erkältungskrankheiten eingeEXPERTIN: setzt. Die drei wichtigsten Gruppen, die in Dr. Caroline Braundabei zur Anwendung kommen, sind hofer Ärztin für AllgemeinAromastoffe, Schleimstoffe und Sapomedizin mit Diplom nine. „Viele Patientinnen und Patienten für Phytotherapie in Innsbruck entdecken immer mehr die Pflanzenheilkunde für sich und sehen darin eine gute Option. Besonders bei unkomplizierten Atemwegserkrankungen lohnt es sich, pflanzliche Arzneimittel einzusetzen“, berichtet Dr.in Caroline Braunhofer, Ärztin für Allgemeinmedizin mit Diplom für Phytotherapie in Innsbruck. Phytopharmaka zeichnen sich unter anderem durch ihr geringes Nebenwirkungspotenzial aus. Im Gegensatz etwa zu chemisch-synthetischen Nasensprays werden bei pflanzlichen Präparaten auch bei längerer Anwendung kaum Schädigungen der Nasenschleimhaut oder Rhinitis medicamentosa beobachtet.

Vielseitig talentiert Ein weiterer Punkt, der für pflanzliche Arzneimittel spricht, ist ihr komplexes Wirkstoffgemisch. Sie greifen multifaktoriell in die Pathogenese der Infektionskrankheit ein und wirken antibakteriell, antiviral, sekretolytisch, sekretomotorisch und immunmodulatorisch. Sie kommen den Bedürfnissen der Patienten in der Regel sehr entgegen: Wer krank ist, wünscht sich ein Medikament, das ihm hilft, die Symptome zu lindern und die Krankheitsdauer zu verkürzen, um schnell wieder in den Alltag zurückkehren zu können. Darüber hinaus können pflanzliche Präparate den geschwächten Körper dabei unterstützen, Folgeerkrankungen wie eine schwere Bronchitis oder Pneumonie zu vermeiden. Wichtig ist jedoch, die Patienten darüber aufzuklären, dass auch Phytopharmaka wirksame Medikamente sind, deren Dosierung und Einnahmevorschriften genau beachtet werden müssen. „Es kommt beispielsweise mitunter vor, dass einfach ‚ein Hustensaft‘ eingenommen wird. Man kann hierbei allerdings zwischen hustenstillenden – beispielsweise mit Eibisch – und schleimlösenden Hustensäften – wie jene mit Efeu – unterscheiden und sie je nach Symptomatik gezielt einsetzen“, so Dr.in Braunhofer.

Zusammen meist stärker Je nach Krankheitsbild und -stadium (trocken, akut mit serösem oder zähem Schleim) stehen verschiedene Drogen zur Verfügung. „Besonders Kapland-Pelargonientropfen oder auch Kombinationen aus Thymian und Primel als Dragees oder Tropfen haben sich bei Bronchitis und COVID-19 bewährt. Eine fertige Arznei aus Schlüssel- >

November 2023

65

Hausärzt:in pharmazeutisch blume, gelbem Enzian, schwarzem Holunder, Ampfer und Eisenkraut funktioniert sehr gut bei Nebenhöhlenentzündungen“, berichtet Dr.in Braunhofer aus ihrer Praxis. Weniger bekannt für ihren Einsatz bei Atemwegsinfektionen sind Kapuzinerkresse und Kren. Diese werden zumeist mit unkomplizierten Harnwegsinfekten in Verbindung gebracht. Eine Studie demonstrierte jedoch eine signifikante Effektivität dieser beiden Pflanzen in Kombination bei akuten respiratorischen Infekten, vor allem in der Prophylaxe.1 Verschiedene Tees, welche im Österreichischen Arzneibuch als Magistrale zu finden sind, können zur Symptomlinderung und Bekämpfung ebenfalls beitragen.

Bei Atemwegsinfektionen ist es wichtig zu unterscheiden, welcher Abschnitt

des Respirationstraktes betroffen ist.

Erkrankungen der oberen Atemwege – also Pharyngitis, Laryngitis, Tussis, Rhinitis und Sinusitis – werden in etwa 90 Prozent der Fälle durch Viren verursacht. Hier sind vor allem Rhinoviren, Adeno-, humane Metapneumo-, Corona-, Parainfluenza-, Influenzaviren und RS-Viren zu nennen. Bei der Mehrzahl dieser Infektionen ist die Gabe von Antibiotika kontraproduktiv und nicht heilungsfördernd. Auch bei der Bronchitis handelt es sich zumeist um eine Virusinfektion. Dauert diese jedoch länger als sieben bis zehn Tage an, kommt häufig eine bakterielle Superinfektion hinzu.

Bei der Pneumonie sind dagegen häufiger Bakterien die Erreger, vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, bei älteren Menschen und

INFO „Erkältungspflanzen“ im Überblick (Auswahl) Sonnenhut (Echinacea purpurea L., Echinacea pallida Nutt. und Echinacea angustifolia DC.) Die Wurzeln von Purpur-Sonnenhut, Blassem und Schmalblättrigem Sonnenhut wurden vom HMPC für die innerliche Anwendung als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Zubereitungen der drei Drogen innerlich zur Linderung von Erkältungssymptomen eingesetzt werden.

© shutterstock.com/Artist Vaska, Foxyliam, Cat_arch_angel, Alexander_P

Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides DC.) Das HMPC hat Pelargoniumwurzel als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): zur Behandlung einer akuten Bronchitis. Die Anwendung von Pelargoniumwurzel bei Nasennebenhöhlenentzündungen ist noch in der Diskussion.

ESCOP: Symptome von Atemwegsinfektionen und banalen Erkältungen wie verstopfte oder laufende Nase, Halsschmerzen und Husten.

Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus L.) Kapuzinerkressenkraut wurde bisher weder vom HMPC noch von der ESCOP bearbeitet. In Kombination mit Kren (Meerrettichwurzel) durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): zur Besserung der Beschwerden bei akuten entzündlichen Erkrankungen der Bronchien und Nebenhöhlen.

Kren (Armoracia rusticana G.) Kren (Meerrettichwurzel) wurde bisher weder vom HMPC noch von der ESCOP bearbeitet. In Kombination mit Kapuzinerkressenkraut durch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung): zur Besserung der Beschwerden bei akuten entzündlichen Erkrankungen der Bronchien und Nebenhöhlen.

Quelle: arzneipflanzenlexikon.info (zuletzt abgerufen 11/2023).

66

November 2023

bei Personen mit Grunderkrankungen.

Die Farbe des Sputums ist für die Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Infektion nicht immer hilfreich, da der Schleim auch bei einer viralen Erkrankung durch Leukozyten gelblichgrün gefärbt sein kann.

Wann sie an ihre Grenzen gelangen Phytopharmaka stellen in vielen Fällen eine gute Therapieoption bei Atemwegsinfektionen dar. Sie haben aber auch ihre Grenzen. Dies gilt zum Beispiel für Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Da diese Patienten häufig stärkere Symptome und eine längere Krankheitsdauer aufweisen, sollte bei ihnen möglichst frühzeitig mit einer antiviralen Therapie begonnen werden.

Ebenso sind eventuelle Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten. „Hier ist vor allem Johanniskraut zu nennen, das über die Leber verstoffwechselt wird und daher mit vielen anderen Substanzen interagiert“, betont die Innsbrucker Medizinerin.

Vorsicht ist bei der Anwendung von Phytotherapeutika bei Kindern und Schwangeren geboten. Vor allem bei Säuglingen sollten die Eltern nicht einfach zu Pflanzen greifen, ohne sich vorher zu informieren. So dürfen ätherische Öle, wie Eukalyptus, Menthol oder Kampfer, bei Kindern unter zwei Jahren nicht angewendet werden, da sie zu Kehlkopfspasmen oder Atemstörungen führen können. Auch auf Allergien ist zu achten. Lösen beispielsweise Korbblütler allergische Reaktionen aus, können Präparate mit Sonnenhut problematisch werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Behandlung mit Phytopharmaka ist, die Patienten darüber zu informieren, dass Tees oder Säfte aus dem Supermarkt oder der Drogerie nicht unbedingt die gleiche Wirkung haben wie Präparate aus der Apotheke. Denn nur in der Apotheke gelten bestimmte Richtlinien bezüglich Dosierung, Herstellung und Qualität.

Margit Koudelka 1 Fintelmann V et al., Curr Med Res Opin. 2012 Nov;28(11):1799-807.

Auswirkungen von Antibiotika auf das kindliche Mikrobiom

Bei kleinen Patient:innen besonders genau abwägen Die Entdeckung des Penicillins zählt zweifelsohne zu den hellsten Glanzlichtern der Medizingeschichte, können doch durch antibiotische Therapien zahlreiche Menschenleben gerettet werden. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Nebst Resistenzbildung und Nebenwirkungen wie Nausea, Diarrhö oder Exanthem ist auch die nachhaltige Beeinträchtigung des Mikrobioms zu beachten. Vor allem bei Patientinnen und Patienten im Säuglings- und Kindesalter gilt es deshalb, bei der Verschreibung von Antibiotika mit Bedacht vorzugehen.

Kommunikation für weniger unnötige Antibiotikagaben Fiebrige Infekte gehören zum Säuglingsund Kleinkindalter dazu wie das Amen im Gebet, schließlich muss sich das kindliche Immunsystem erst allmählich an die Umweltkeime gewöhnen. Akute Infektionen – vor allem der Atemwege – sind die häufigsten Gründe für eine ärztliche Konsultation bei Kindern und auch die häufigsten Gründe für die Gabe von Antibiotika. Das Wissen über Antibiotika, darüber, wann sie indiziert sind und was es mit der Resistenzbildung auf sich hat, nimmt in der Bevölkerung zu. Den-

68

November 2023

noch fragen Patienten respektive deren Eltern nach wie vor – ob aus Unwissenheit oder Unsicherheit – aktiv nach einer antibiotischen Behandlung bei respiratorischen Infekten, obgleich diese in etwa 90 Prozent der Fälle viralen Ursprungs sind. Dementsprechend werden Antibiotika häufig noch unnötigerweise verschrieben. Studien zeigen, dass eine adäquate Kommunikation dazu beitragen kann, Antibiotikaverordnungen bei akuter Bronchitis, Sinusitis, Pharyngitis & Co noch weiter zu reduzieren. Von großer Bedeutung sind demnach unter anderem die Exploration der Erwartungshaltung des Gegenübers sowie die Aufklärung in Bezug auf das therapeutische Konzept.1,2

Unerwünschte Nebenwirkungen Eine der gefürchteten Schattenseiten von Antibiotika ist die Resistenzbildung. Eine im Fachmagazin Lancet veröffentlichte Studie geht davon aus, dass im Jahr 2019 weltweit 1,2 Millionen Menschen an einer Infektion mit multiresistenten Keimen gestorben sind.3 Die WHO befürchtet, dass – sollte sich bis dahin nichts ändern – im Jahr 2050 mehr Menschen an Infektionen mit re-

sistenten Erregern sterben werden als an Krebs, und macht darauf besonders im Rahmen der World Antimicrobial Resistance Awareness Week von 18. bis 24. November aufmerksam.

Eine weitere Problematik bei der Verordnung von Antibiotika, die vor allem ganz junge Patienten betrifft, ist die negative Veränderung der Darmmikrobiota, wodurch das Immunsystem geschwächt werden kann. Zumindest gibt es dafür eine ganze Reihe von Hinweisen. So soll der Einsatz von Antibiotika in den ersten Lebensjahren etwa dazu führen, dass Erkrankungen wie Asthma bronchiale, Adipositas und chronisch entzündliche Darmerkrankungen sich künftig „akuter oder schlimmer“ manifestieren.4 Mit den Folgen frühkindlicher Antibiotikagaben hat sich auch ein Forscherteam um Dr.in Zaira Aversa von der US-amerikanischen Mayo Clinic beschäftigt.

Demnach entwickeln Kinder, die in ihren ersten beiden Lebensjahren mit gängigen Antibiotika wie Penicillin, Cephalosporinen und Macroliden behandelt wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit Asthma, allergische Rhinitis, aber auch Neurodermitis, Nahrungsmittelallergien und Zöliakie. Das Risiko, dass eine der erwähnten Erkrankungen entsteht, ist der Studie zufolge von der Dosis

© stock.adobe.com/catalin

Hausärzt:in pharmazeutisch

abhängig: Je öfter und höher dosiert die Kinder Antibiotika einnahmen, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, später an einer dieser Krankheiten zu leiden. Auch vermuten die Forscher einen Einfluss einer frühen Antibiotikagabe auf neurophysiologische Störungen wie ADHS oder Autismus. Die einzelnen Antibiotikaklassen wurden in dieser Studie ebenfalls berücksichtigt.5 Menschen, die an einer juvenilen idiopathischen Arthritis erkranken, haben zudem als Kleinkinder doppelt so häufig Antibiotika erhalten wie andere Gleichaltrige.6 Ein unerwünschter Effekt einer antibiotischen Therapie im Kleinkindalter ist zudem, dass sie offenbar in Zusammenhang mit geringeren Antikörperleveln nach Impfungen steht. Die Schutzwirkung könnte dadurch nicht erreicht werden.7

Mit Probiotika entgegenwirken

Antibiotikum?

Darmflora ergänzen!

OMNi-BiOTiC® 10 AAD Kids: Für Kinder entwickelt – von Eltern empfohlen.

Für jene kleinen Patienten, die um die Einnahme von Antibiotika nicht umhinkommen, gibt es jedoch auch eine gute Nachricht: Durch die Gabe von Probiotika lassen sich einige ungünstige antibiotikainduzierte Veränderungen betreffend Diversität und Zusammensetzung des Darmmikrobioms minimieren. So empfiehlt sich zur Vermeidung der antibiotikaassoziierten Diarrhö (AAD) eine mikrobiommodulierende Therapie mit Probiotika. Eine Metaanalyse der Cochrane-Gruppe ergab, dass Probiotika das Risiko einer Clostridium-difficile-assoziierten Durchfallerkrankung (CDAD) um 60 Prozent verringern können.8 Bei Kindern zeigte eine weitere Cochrane-Metaanalyse von 33 Studien mit insgesamt 6.352 Teilnehmern bis 17 Jahre, dass Probiotika eine AAD verhindern können.9 Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Probiotika die Durchfalldauer um fast einen Tag verkürzen können. Das klingt nicht nach viel, ist bei einer vulnerablen Gruppe wie Kindern aber ein relevanter Effekt.

Vom richtigen Zeitpunkt Ausschlaggebend für die Durchfallprophylaxe ist jedoch, dass das Probiotikum möglichst gleich zu Beginn der antibiotischen Therapie, spätestens 48 Stunden danach, gegeben wird. Beginnt das Kind später mit der Einnahme eines Probiotikums, kann sich der gewünschte Effekt umkehren und die Regeneration des Darmmikrobioms verzögern.

Wichtig ist zudem, die Eltern der jungen Patienten darauf hinzuweisen, dass das Antibiotikum und das Probiotikum nicht gleichzeitig, sondern zwei bis drei Stunden zeitversetzt eingenommen werden sollten.

Margit Koudelka Quellen: 1 Wollny A et al., Dtsch Med Wochenschr. 2022 Sep; 147(18):e82-e90.

2 Sturmann C et al., journal.pone, May 2020; 15(5), 0233345.

3 Antimicrobial Resistance Collaborators, Lancet. 2022 Feb 12; 399(10325):629-655.

4 Ramirez J et al., Front Cell Infect Microbiol. 2020 Nov 24; 10:572912.

5 Aversa Z et al., Mayo Clin Proc. 2021 Jan; 96(1):66-77.

6 Horton DB et al., Pediatrics. 2015 Aug;136(2):e333-43.

7 Chapman TJ et al., Pediatrics. 2022 May 1; 149(5):e2021052061.

8 Goldenberg JZ et al., Cochrane Database Syst Rev. 2017 Dec 19;12(12).

9 Guo Q et al., Cochrane Database Syst Rev. 2019 Apr 30;4(4):CD004827.

Kostenloses Webinar (19.12.2023): Warum gerade die kindliche Darmflora während und auch nach der AntibiotikaGabe Unterstützung braucht.

Jetzt anmelden!

www.omni-biotic.com Institut AllergoSan Pharmazeutische Produkte Forschungs- und Vertriebs GmbH

Hausärzt:in pharmazeutisch

Mehr als die Summe seiner Teile

Bereits ab 6 Jahren

Hausstaubmilbenallergie ist komplexer als bisher angenommen Patientinnen und Patienten, die sich auf eine Allergie gegen Hausstaubmilben testen lassen, erhalten im Regelfall lediglich Auskunft über einen Bruchteil der potenziellen Allergene. Obwohl in der WHO/IUIS-Allergendatenbank 32 Proteine registriert sind1, die allergische Reaktionen hervorrufen können, sind in Routinetests nur vier davon enthalten – nämlich die Hauptallergene Der p 1, 2, 10 und 23.

Wie eine in der Fachzeitschrift Allergy erschienene Studie zeigt, hängen Art und Schwere der allergischen Symptome jedoch sowohl mit der Anzahl als auch mit der Identität der Allergene zusammen, gegen die die Betroffenen sensibilisiert sind. 2 Diese Erkenntnis könnte die Diagnostik und damit die Behandlung wesentlich verbessern.

Für gewöhnlich kommt bei Allergietests heutzutage eine der folgenden Methoden zum Einsatz: Einerseits gibt es Hauttestlösungen, die auf wässrigen Extrakten der Hausstaubmilben basieren, andererseits kann ein IgE-Antikörpernachweis im Blut durchgeführt werden. Dieser ist zuverlässiger als der Hauttest, auch hier stehen für die Einzeldiagnose aber nur die vier gängigsten Allergene zur Verfügung. Somit ist es möglich, dass der Auslöser der Allergie unerkannt bleibt, und damit nicht adäquat berücksichtigt werden kann. Eine frühzeitige Erkennung wäre aber wichtig, denn Hausstaubmilbenallergien können unbehandelt bekanntlich zur Entwicklung von allergischem Asthma und atopischer Dermatitis führen.

Ipratropiumbromid

Damit alles läuft, außer die Nase!

• Zur symptomatischen Behandlung von Rhinorrhoe bei allergischer und nicht-allergischer Rhinitis

Über die Luft übertragene Allergien

• Kein Gewöhnungseffekt1 Nasipral 0,3 mg/ml Nasenspray, Lösung. Qualitative und quantitative Zusammen­ setzung: 1 ml Nasenspray, Lösung enthält 0,3 mg Ipratropiumbromid (entspricht 0,31 mg Ipratropiumbromid 1 H2O). Ein Sprühstoß enthält 21 Mikrogramm Ipratropiumbromid (entsprechend 22 Mikrogramm Ipratropiumbromid 1 H2O). Enthält 17,5 Mikrogramm Benzalkoniumchlorid pro Sprühstoß entsprechend 0,25 mg/ml. Sonstige Bestandteile: Natriumchlorid, Benzalkoniumchlorid, Natriumedetat (Ph.Eur.), Salzsäure 36 %, Natriumhydroxid, gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Zur symptomatischen Behandlung von Rhinorrhoe bei allergischer und nicht-allergischer Rhinitis bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern. ab 6 Jahren. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Dekongestiva und andere Rhinologika zur topischen Anwendung. ATC-Code: R01AX03. Packungsgrößen: 20 ml. Inhaber der Zulassung: INFECTOPHARM Arzneimittel und Consilium GmbH, Von-Humboldt-Str. 1, D-64646 Heppenheim.

Rezept­ und apothekenpflichtig. Stand 05/2021. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation.

Vertrieb: INFECTOPHARM · Arzneimittel und Consilium GmbH · Von-Humboldt-Straße 1 D-64646 Heppenheim. Kontakt: InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH · LeopoldUngar-Platz 2 /1. Stock / Stiege 2 · 1190 Wien · Tel.: 01/227 60 65-6060 · Fax: 01/227 60 65-6061 www.infectopharm.at · austria.kontakt@infectopharm.com

70

November 2023

A8001925-02-1022

1 PRAC PSUR assessment report dated 28 September 2017; PSUSA/00001780/201701

Fortschritte in diesem Bereich sind umso relevanter, da Hausstaubmilben – neben etwa Pollen oder Tierhaaren – zu den wichtigsten Ursachen luftübertragener Allergien zählen. Da sich die Tiere vor allem von Hautschuppen ernähren, sind sie überall, wo Menschen auch sind. Dort gerät ihr Kot auf Staubpartikel und in die Luft – auf Eiweiße in diesen Ausscheidungen reagieren viele Menschen allergisch. In Deutschland sind laut dem Allergieinformationsdienst des deutschen Gesundheitsministeriums ungefähr sieben Prozent der Bevölkerung betroffen 3, für Österreich gibt es dazu keine genauen Zahlen.

In der oben genannten Studie – einer Kooperation des Forschungszentrums Borstel, des Leibniz Lungenzentrums, der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität zu Lübeck – wurden nun neben den vier bereits erwähnten auch fünf weitere Allergene der europäischen Hausstaubmilbe genauer untersucht. Konkret

© stock.adobe.com/RealPeopleStudio

Hausärzt:in pharmazeutisch

gingen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Frage nach, welche Bedeutung diese für Patientengruppen mit verschiedenen Formen der Hausstaubmilbenallergie haben. Zu diesem Zweck wurden die 384 Probandinnen und Probanden nach Symptomatik in Gruppen aufgeteilt, und ihr Serum anschließend bezüglich der Sensibilisierung auf die allergenen Proteine getestet.

Routinetestungen ausweiten Tatsächlich konnten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden: Lag etwa eine Sensibilisierung in Bezug auf mehr als drei Allergene der Hausstaubmilbe vor, so war diese häufig mit allergischem Asthma assoziiert, bei der Reaktion auf nur eines der 32 potenziellen Allergene trat bei den Betroffenen vor allem isolierter Schnupfen ohne weitere Symptomatik auf. Individuen mit Asthma zeigten außerdem eine signifikant erhöhte Sensibilisierung auf die Allergene Der p 21

und Der p 5, die in Routinetests nicht enthalten sind. Menschen mit atopischer Dermatitis hatten ähnliche Reaktionen. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich, wie wichtig es ist, die Routinediagnostik auszuweiten und weitere Allergene in diese Testungen aufzunehmen,“ so Prof.in Dr.in Uta Jappe, Leiterin der Forschungsgruppe Klinische und Molekulare Allergologie am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum. „Bisher wurde das Augenmerk nicht ausreichend auf die Sensibilisierungszahl und auf besonders risikobehaftete Allergene gelegt.

Dies ist aber ein wichtiger Faktor, um die Risikoabschätzung für Erkrankte zu verbessern.“ Felicia Steininger

Quellen: 1 allergen.org 2 Walsemann T, Böttger M, Traidl S, Schwager C, Gülsen A, Freimooser S, Roesner LM, Werfel T, Jappe U. Specific IgE against the house dust mite allergens Der p 5, 20 and 21 influences the phenotype and severity of atopic diseases. Allergy. 2023;78(3): 731-742. doi: 10.1111/all.15553.

3 allergieinformationsdienst.de

November 2023

71

SCIENTIFIC

UPDATE Unterstützt von Dr. Böhm®

WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE ZU PHYTOTHERAPIE UND MIKRONÄHRSTOFFEN

DIPL. ING.

KATHARINA MÜLLER RESEARCH AND DEVELOPMENT SCIENTIST APOMEDICA

Pflanzliche Ballaststoffe

Natürliche Hilfe bei Obstipation Jeder Siebte in Europa ist von Obstipation (Verstopfung) betroffen.

Betroffene leiden an einer unbefriedigenden Stuhlentleerung, die mit unangenehmen Begleiterscheinungen wie Völlegefühl, Blähungen und Bauchschmerzen einhergeht.

Die erste Strategie bei Obstipation sind laut S2k-Leitlinie Ballaststoffe.

Gerade Ballaststoffmischungen aus unterschiedlichen Pflanzen haben studienbelegt mehrere Wirkmechanismen (Quelleffekte, präbiotische Wirkung und Erhöhung der Gleitfähigkeit) und zeigen sehr gute Verträglichkeit.

In weiterer Folge fördern sie außerdem ein gesundes Darmmikrobiom und stärken die Darmbarriere nachweislich.

BEZAHLTE ANZEIGE

Ballaststoffe Als Ballaststoffe bezeichnet man eine äußerst komplexe und heterogene Stoffgruppe ohne einheitliche chemische Struktur. Ihnen gemein ist, dass sie Bestandteile pflanzlicher Lebensmittel sind, die vom menschlichen Organismus nicht gespalten und verwertet werden können.

Der Stoffwechsel gewinnt keine Energie aus den Ballaststoffen, was der Grund dafür ist, dass sie in der Ernährungswis-

senschaft lange als „nutzloser Ballast“ betrachtet wurden. Mittlerweile kennt man jedoch die Bedeutung und vielfach gesundheitsfördernden Wirkungen. Gerade Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte beinhalten meist sehr große Mengen an Ballaststoffen. Daneben stellen Nüsse, verschiedene Gemüse- (Kohl, Kraut, Wurzelgemüse) und Obstarten (vor allem als Trockenfrüchte) gute Ballaststoffquellen dar.1

In der Natur liegen Ballaststoffe nicht isoliert, sondern im Verband vor. Daher treten in einem Lebensmittel immer Kombinationen aus löslichen und unlöslichen Ballaststoffen auf. Es macht also auch bei Ballaststoffprodukten aus ernährungsphysiologischer Sicht Sinn, auf Mischungen aus unterschiedlichen Ballaststoffen statt isolierter Substanzen zu setzen.2,3

Beispiel für eine synergistische Ballaststoffkombination Yacón-Wurzel • Enthält 75 % fermentative Ballaststoffe in Form von Fructooligosacchariden und Inulin, die präbiotisch wirken.

Indische Flohsamen • Können die 40-fache Menge ihres Eigengewichtes an Wasser binden und enthalten 30 % Schleimstoffe, die die Stuhlkonsistenz verbessern.

Gerstengras • Enthält unlösliches Lignin als Faserstoff (kann große Mengen Wasser binden und das Stuhlvolumen erhöhen) und lösliches Betaglucan.

Apfel • Enthält lösliches Pektin, das viskose Gele bildet und dem Stuhl mehr Gleitfähigkeit verleiht.

Pflaume • Enthält lösliche und unlösliche Ballaststoffe • Sorbitol (osmotische Effekte) Abb. 1: Ballaststoffe sind eine heterogene Stoffgruppe aus löslichen, unlöslichen und fermentativen pflanzlichen Inhaltsstoffen.

Ballaststoffe lassen sich sehr gut nach ihrer Löslichkeit unterscheiden (siehe Abb. 2).

Als lösliche Ballaststoffe bezeichnet man jene, die sich im wässrigen Milieu des Gastrointestinaltrakts lösen. Der Großteil von ihnen bildet dabei kolloidale Lösungen oder viskose Gele und erhöht die Gleitfähigkeit des Speisebreis. Unlösliche Ballaststoffe hingegen lösen sich nicht im Verdauungstrakt. Allerdings können sie große Mengen Wasser in ihren Gerüsthohlräumen binden und so auf ein Vielfaches ihres Volumens quellen.

Die Löslichkeit allein lässt nicht unbedingt auf die physiologischen Wirkungen und funktionellen Eigenschaften von Ballaststoffen schließen. Ein Beispiel dafür ist der Vergleich von Psyllium (enthält viele lösliche Schleimstoffe mit starken Quelleffekten) mit Zellulose (enthält unlösliche Faserstoffe). Obgleich ihrer Unterschiede in der Löslichkeit haben beide Stoffe Einfluss auf die Transitzeit im Verdauungstrakt, Viskosität des Darminhalts und die Defäkation.

Grundlegend hat die Löslichkeit auch Einfluss auf die Fermentierbarkeit von Ballaststoffen. Bestimmte lösliche Bal-

laststoffe sind fermentierbar, können von Darmbakterien enzymatisch abgebaut werden und wirken präbiotisch. Als Reaktionsprodukte entstehen die kurzkettigen Fettsäuren Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure (Abkürzung SCFAs – short-chain fatty acids). Fermentierbare Ballaststoffe sind zum Beispiel FruktoOligosaccharide, die im Besonderen in der Yacón-Wurzel mit über 70 Prozent enthalten sind.4 Eigentlich haben alle natürlichen Pflanzenfasern ein Maß an Fermentierbarkeit, sogar die unlösliche Zellulose oder Lignin. Nur synthetisch hergestellte Fasern wie Methylcellulose sind zu 100 Prozent nicht fermentierbar.3,5

Unlösliche Ballaststoffe

(z.B. Zellulose , unlösliche Hemicellulosen, Lignine)

Effekte der Ballaststoffe auf die Verdauung Im Magen kommt es durch das Wasserbindungs- und Quellvermögen vieler Faserstoffe zu einer Viskositätserhöhung und starken Volumenzunahme des Speisebreis. Das Resultat ist eine verlängerte Verweildauer der Nahrung im Magen.

Im Dünndarm sind Ballaststoffe essenziell für die regelmäßige Darmbewegung.

Das größere Volumen des weichen Speisebreis erhöht den Druck auf die Darmwand. Dadurch wird die Darmperistaltik angeregt und die Nahrung schneller durch

Lösliche Ballaststoffe

(z.B. Pektine, Schleimpolysaccharide, lösliche Hemicellulosen)

Fermentative Ballaststoffe

(z.B. β-Glucan, Pektin, Fructo-Oligosaccharide, Kartoffelfaser) Abb. 2: Ballaststoffeinteilung nach der Wasserlöslichkeit und Lokalisation ihres Wirkortes.

BEZAHLTE ANZEIGE

Physiochemische Eigenschaften

nellen Einflüssen (auch Schwangerschaft) und der Einnahme von Medikamenten, ist vor allem eine falsche Ernährung mit einem Mangel an Ballaststoffen dafür die Ursache.11–14

Dickdarm

Viskosität der Stuhlmasse

SCFAs Acetat Propionat Butyrat

Viskose Gele Mikroorganismen Resorption von Nährstoffen

Darmepithelzellen

pH-Wert

Stuhl

Ballaststoffe

Stuhlmasse

Darmbarriere

Große Fasern

Darmperistaltik

Abb. 3: Wirkmechanismen von Ballaststoffen im Gastrointestinaltrakt.3

den Dünndarm transportiert. Aus diesem Grund führt die Zufuhr von quellenden löslichen (z.B. Flohsamen) und unlöslichen Ballaststoffen (z.B. Gerstengras) zu einer kürzeren Transitzeit und einer regelmäßigeren und gleichzeitig angenehmeren Stuhlentleerung.

BEZAHLTE ANZEIGE

Zusätzlich haben Ballaststoffe eine große Bedeutung bei der natürlichen Gewichtskontrolle durch die Regulierung der Nährstoffaufnahme und des Hungergefühls.

Die Aufspaltung und Resorption von Nährstoffen (bestimmte Fette, Proteine und Polysaccharide) im oberen Dünndarm wird durch Ballaststoffe gemindert, da die gelartige Matrix um die Nahrung den Zugang der Verdauungsenzyme zu den Makronährstoffen erschwert. Bestimmte Ballaststoffe (z. B. Fructo-Oligosaccharide) sind außerdem in der Lage, die Sekretion von gastrointestinalen Hormonen (u. a. diejenigen, die für die Regulation des Hungergefühls verantwortlich sind) zu regulieren.6–8 Im Dickdarm kommt den Ballaststoffen noch eine wichtige Bedeutung bei der Stuhlbildung zu. Die Stuhlmenge wird über mehrere Wege erhöht. Lösliche Schleimstoffe und unlösliche Faserstoffe vergrößern durch ihre Quelleffekte und Wasserbindungsfähigkeiten das Stuhlvolumen und verbessern die Stuhlkonsistenz. Lösliche fermentative Ballaststoffe erhöhen die Stuhlmenge durch die Vermehrung der mikrobiellen Zellmas-

se (Laktobacillus und Bifidus ssp.) und wirken präbiotisch. Der pH-Wert wird gesenkt, zusätzlich das Wachstum von unerwünschten Mikroorganismen unterdrückt. Anders als Probiotika stärken Präbiotika das individuelle Darmmikrobiom nachhaltig. Die von den Bakterien produzierten kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs) werden schließlich von den Darmepithelzellen aufgenommen und dienen als Hauptenergiequelle für deren Proliferation und Differenzierung. Somit haben sie eine große Bedeutung für eine intakte Darmbarriere.3,9,10

Ballaststoffe bei Obstipation Obstipation zählt zu den häufigsten Gesundheitsproblemen des GastrointestinalTraktes. Jeder Siebte in Europa ist davon betroffen und hat mit Obstipationssymptomen wie abdominellen Schmerzen oder hartem Stuhl zu kämpfen. Studien belegen, dass Frauen weitaus häufiger darunter leiden als Männer (Abb. 3).11 Mit steigendem Alter nimmt die Prävalenz noch deutlich zu: In der Gruppe der ≥ 60-jährigen leidet sogar jeder Dritte unter Obstipation. Betroffene haben eine Vielzahl an Symptomen und sind dadurch in ihrer Lebensqualität bedeutend eingeschränkt. Wie die Symptomatik sind auch die Ursachen der Obstipation multifaktoriell.

Neben Flüssigkeits- und Bewegungsmangel, bestimmten Erkrankungen, hormo-

Ob man es mit einer gelegentlichen Verstopfung oder mit chronischer Obstipation zu tun hat, ist in der S2k-Leitlinie für Obstipation der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) definiert und kann unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Kriterien vom Arzt bestimmt werden. Für die Bezeichnung „chronische Obstipation“ müssen 3 Kriterien der untenstehenden Symptome mindestens 3 Monate bestehen:15 • < 3 spontane Stuhlgänge pro Woche * Weiche Stühle kommen ohne die Einnahme von Laxantien nur selten vor. * Die Kriterien für ein Reizdarmsyndrom sind nicht erfüllt.

• klumpiger oder harter Stuhl (Bristol Stool Form Scale 1-2) bei > 25 % der Stuhlentleerungen • starkes Pressen bei > 25% der Stuhlentleerungen • subjektiv unvollständige Entleerung bei > 25 % der Stuhlentleerungen Ballaststoffe und hier im speziellen Ballaststoffsupplemente werden in der Leitlinie als erste Strategie zur Behandlung von Obsitpation empfohlen.15 25 Prävalenz in %

Dünndarm

20 15 10 5 0

Frauen

Männer

Abb. 4: Prävalenz der Obstipation bei Frauen und Männern.11

Klinische Studien

serung der Stuhlkonsistenz, sowie die Wiederherstellung eines regelmäßigen Stuhlgangs. Das ist auf ihr gutes Quellvermögen und die enthaltenen Schleimpolysaccharide zurückzuführen.16,17 Auch getrocknete Pflaumen zeigten in einer klinischen Studie an 40 Probanden eine signifikante Verbesserung von Obstipationssymptomatiken.18

Insbesondere bei wiederkehrender oder chronischer Obstipation sind Ballaststoffe in der Lage, die Defäkationsfrequenz auf sanfte und natürliche Weise zu erhöhen. In einer Metaanalyse, die insgesamt sieben randomisierte, placebo-kontrollierte Studien mit über 280 PatientInnen mit chronischer idiopathischer Obstipation einschloss, zeigten mehr als ¾ der behandelten Personen eine signifikante Verbesserung ihrer Verdauung.

Im Vergleich zu Placebo wurde durch die Ballaststoffe eine Verbesserung sowohl in der Stuhlkonsistenz als auch in der Stuhlentleerungshäufigkeit festgestellt. Gerade Ballaststoffmischungen zeigten im Vergleich zu Monopräparaten einen maßgeblichen Vorteil.2

Eine weitere Metaanalyse bestätigte den Zusammenhang zwischen Ballaststoffzufuhr und Vermehrung physiologischer Bakterien. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere Fructane und Galactooligosaccharide die Anzahl der nützlichen Darmbakterien Bifidobacterium und Lactobacillus signifikant erhöhten. Ebenso wurde eine signifikant höhere ButyratKonzentration festgestellt.19

Verbesserung der Stuhlkonsistenz und Stuhlentleerungsfrequenz (standardisierte mittlere Differenz im Vergleich zu Placebo auf 95 % der Patienten mit chronischer Obstipation)

Die Anwendung von Ballaststoffen wie Flohsamenschalen (5 g bis 7 g täglich) zeigte in placebo-kontrollierten Studien eine Erhöhung der Stuhlmasse, Verbes-

Butyrat zählt zu den schon erwähnten SCFAs, die eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung der epithelialen Barrierefunktion im Darm spielen. Aktuelle

Verbesserung vs. Placebo Stuhlkonsistenz Stuhlentleerungsfrequenz 1,2

1,2

1

1

0,8

0,8

0,6

0,6

0,4

0,4

0,2

0,2

0

0 einzelner Ballaststoff

Flohsamen

Ballaststoffmischung

Inulin

Inulin Mischung Flohmit Guarkern- samen mehl oder Maltodextrin

GOS (Galactooligosaccharide)

Abb. 5: Ballaststoffe erhöhten die Stuhlfrequenz signifikant (SMD, standardisierte mittlere Differenz = 0,39; 95% CI 0,03-0,76; P = 0,03) und die Konsistenz des Stuhls wurde weicher (SMD = 0,35; 95% CI 0,04-0,65; P = 0,02) im Vergleich zu Placebo.

Studien zeigen insbesondere die Wirkung von Butyrat (Buttersäure) auf Permeabilitätsstörungen wie dem sogenannten Leaky-Gut-Syndrom in vitro. Hier zeigt sich das Potential kurzkettiger Fettsäuren in der Behandlung von Darmerkrankungen.20

Zusammenfassung Ballaststoffe stellen einen wesentlichen Bestandteil der gesunden Ernährung dar und leisten über verschiedenste Wirkmechanismen (Quelleffekte, präbiotische Wirkung und Erhöhung der Gleitfähigkeit) ihren Beitrag zu einer regelmäßigen Verdauung. Eine ausreichende Zufuhr von pflanzlichen Ballaststoffmischungen unterstützt einen regelmäßigen Stuhlgang, beugt Obstipation gezielt vor und wird von der S2k-Leitlinie als erste Strategie bei Obstipation empfohlen. Besonders Flohsamen und getrocknete Pflaumen haben in placebo-kontrollierten Studien ihre positiven Effekte auf die Symptome von chronischer Obstipation gezeigt.

Präbiotische Wirkungen von fermentativen Ballaststoffen spielen außerdem eine essenzielle Rolle beim Aufbau und der Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora und Darmbarriere durch den Abbau zu SCFAs. Aktuelle klinische Studien haben SCFAs nicht nur als Energiequelle zur Aufrechterhaltung einer gesunden Darmwand identifiziert, sondern auch ihr Potential in der Behandlung von Permeabilitätsstörungen wie dem Leaky-GutSyndrom.

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail: science@apomedica.com SECHS MARKENZEICHEN FÜR QUALITÄT:

BEZAHLTE ANZEIGE

REFERENCES: 1Hahn A et al. Ernährung: Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie ; mit 160 Tabellen. 2nd edn. Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges, 2006.; 2Christodoulides S et al. Systematic review with meta-analysis: effect of fibre supplementation on chronic idiopathic constipation in adults. Aliment Pharmacol Ther 2016; 44 (2): 103–16.; 3Gill SK et al. Dietary fibre in gastrointestinal health and disease. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2021; 18 (2): 101–16.; 4Souza Lima Sant'Anna M de et al. Yacon-Based Product in the Modulation of Intestinal Constipation. J Med Food 2015; 18 (9): 980–6.; 5Nicola M McKeown, George C Fahey Jr, Joanne Slavin, Jan-Willem van der Kamp. Fibre intake for optimal health: how can healthcare Fibre intake for optimal health: how can healthcare professionals support people to reach dietary recommendations? https://doi.org/10.1136/bmj-2020-054370.; 6G. Dunaif, B. O. Schneeman. The effect of dietary fiber on human pancreatic enzyme activity in vitro. https://doi.org/10.1093/ajcn/34.6.1034.; 7Milagros Galisteo, Juan Duarte AZ. Effects of dietary fibers on disturbances clustered in the metabolic syndrome. https://doi.org/10.1016/j.jnutbio.2007.02.009.; 8Weickert MO, Pfeiffer AFH. Metabolic effects of dietary fiber consumption and prevention of diabetes. J Nutr 2008; 138 (3): 439–42.; 9Tom Sanders PE. Molecular Basis of human nutrition. 11th edn. London: Taylor & Francis, 2003.; 10Lattimer JM, Haub MD. Effects of dietary fiber and its components on metabolic health. Nutrients 2010; 2 (12): 1266–89.; 11Verkuijl SJ et al. The influence of demographic characteristics on constipation symptoms: a detailed overview. BMC Gastroenterol 2020; 20 (1): 168.; 12Andresen V et al. S2k-Leitlinie Chronische Obstipation: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Z Gastroenterol 2013; 51 (7): 651–72.; 13Forootan M et al. Chronic constipation: A review of literature. Medicine (Baltimore) 2018; 97 (20): e10631.; 14 Vaupel P et al. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen: 158 Tabellen. 7th edn. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015.; 15Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilitä e.V. 021-019l_S2k_Chronische_Obstipation_2022-04_01. DGVS 2022.; 16W. ASHRAF, F. PARK, J. LOF & E. M. M. QUIGLEY. Effects of psyllium therapy on stool characteristics, colon transit and anorectal function in chronic idiopathic constipation. Aliment Pharmacol Ther 1995: 639–47.; 17Major G et al. Demonstration of differences in colonic volumes, transit, chyme consistency, and response to psyllium between healthy and constipated subjects using magnetic resonance imaging. Neurogastroenterol Motil 2018; 30 (9): e13400.; 18Attaluri A et al. Randomised clinical trial: dried plums (prunes) vs. psyllium for constipation. Aliment Pharmacol Ther 2011; 33 (7): 822–8.; 19So D et al. Dietary fiber intervention on gut microbiota composition in healthy adults: a systematic review and meta-analysis. Am J Clin Nutr 2018; 107 (6): 965–83.; 20Usuda H et al. Leaky Gut: Effect of Dietary Fiber and Fats on Microbiome and Intestinal Barrier. Int J Mol Sci 2021; 22 (14).

EXPERTIN: Mag.ª Angelika Kirchmaier, MMSc., Dipl. DA Praxis für ernährungsmedizinische Beratung, Sporternährung und Therapie Hopfgarten (Tirol)

SPRECH Stunde Patient:innen-Fragen kompetent beantworten

© FotoTrinkl

© shutterstock.com/Archiv

Hausärzt:in extra

„Zu wenige Reserven für den Muskelaufbau?“ Patientin Hanna F. (40) mutmaßt, dass sie an Sportmagersucht leidet, und fragt, ob sie weiterhin trainieren sollte Was kann ihr geraten werden?

Mag.a KIRCHMAIER: Eine Pauschalantwort lässt sich leider nicht geben.

Je nach Körperzusammensetzung und Ernährungszustand kann die Weiterführung des Sports durchaus möglich sein.

Manchmal gibt es aber Situationen, in denen das Sportpensum vorübergehend reduziert werden sollte. Diese treten dann ein, wenn körpereigene Muskelmasse und Fettreserven nicht mehr ausreichen, um den Körper zu stabilisieren.

Folglich würde jede weitere Sporteinheit zu Problemen führen, etwa zu Herzbeschwerden oder ständigen Infekten.

Um zu wissen, wie fit der Körper ist, empfiehlt sich vorab eine erweiterte Gesundenuntersuchung. Mit dem Befund kann dann eine diätologische Praxis aufgesucht werden. Diätolog:innen sind im Gesundheitsberuferegister* angeführt. Im Fall einer Sportmagersucht gesellt sich außerdem der Faktor „Suchterkrankung“ dazu, sodass Betroffenen geraten wird, eine psychologische Therapie zu ergänzen.

Ab wann spricht man von Untergewicht?

Ein Körpergewicht mit einem BMI unter 18,5 wirkt sich negativ auf die sportliche

INFO So berechnet man die Untergrenze des eigenen Körpergewichts: 18,5 x Körpergröße in m x Körpergröße in m (z. B.: 18,5 x 1,69 m x 1,69 m = 52,84 kg) Das Gewicht einer Frau mit einer Körpergröße von 169 cm sollte zum Beispiel nicht unter 52,84 kg liegen.

76

November 2023

Performance aus. Trotz Trainings fühlen sich die Betroffenen zumeist schlapp und leistungsschwach. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ein zu dünner Körper hat zu wenige Reserven und Bausteine für einen stabilen Muskelaufbau. Bei Untergewicht ist es daher besonders wichtig, so früh wie möglich eine Ernährungstherapie in Anspruch zu nehmen. Mit einer geschickten Kombination von verschiedenen Eiweißen sowie mit einer sorgfältigen Auswahl wirkstoffreicher Lebensmittel lässt sich das Problem in den meisten Fällen binnen kürzester Zeit deutlich mindern oder sogar lösen.

Supplements oder spezielle Diätlebensmittel sind nicht notwendig – oft sogar kontraproduktiv. Leider zeigt die Praxis, dass viele Betroffene zu spät Hilfe suchen.

Ihre Angst, der Fettanteil würde explodieren und die Muskeln schrumpfen, kann aus der Praxiserfahrung heraus nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, im Normalfall erholt sich primär die Muskelmasse.

Lebensmitteln mit Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Ei, Milchprodukten, Fleisch oder Fisch. Zum Beispiel: Erbsen-Gemüse-Reis (= Hülsenfrucht + Getreide), Palatschinke (= Milch, Ei + Getreide), Nudeln mit käsehaltigem Pesto etc.

Eiweiße dienen dem Muskelaufbau, Kohlenhydrate dem Muskelschutz. Wenn zu wenig Energie getankt wird – also zu wenige Kohlenhydrate –, baut sich der „Energie verschlingende“ Muskel wieder ab.

Zusammengefasst: Zuerst sollte ein ärztlicher, dann ein diätologischer Check erfolgen. Dadurch können Defizite relativ einfach durch geschickte und individuell angepasste Eiweißkombinationen behoben werden. Im Fall einer Anorexie ist es ratsam, eine psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen, um den „Knoten“ Suchterkrankung zu lösen. < Gesundheitsberuferegister: gesundheit.gv.at

*

Muskelwachstum auch ohne Sport, geht das?

Während der Therapie einer Sportmagersucht tritt ein Phänomen auf, das es in dieser Form sonst kaum gibt. Es wächst der Muskel auch ohne entsprechenden Trainingsreiz, d. h. ohne Sport. Die alleinige Zufuhr des richtigen Eiweißmixes in Kombination mit einer entsprechenden Muskelenergie reicht hierfür bereits aus. Umgekehrt heißt das: Der Muskel schrumpft, wenn Eiweiß und Energie fehlen.

Wie findet man den richtigen Eiweißmix?

Der perfekte Eiweißmix lässt sich sehr einfach umsetzen: Die Patient:innen wählen eine Kombination von folgenden Lebensmitteln: getreidehaltigen

X

HAUSÄRZT:IN-Buchtipp

Ernährung und Sport Von Angelika Kirchmaier, Heinz Bédé-Kraut, Corinna Welser, Ronald Newerkla Tyrolia 2023

Fachkurzinformation siehe Seite 50

Hausärzt:in extra

„Exposomansatz bietet große Präventionschance“

FOKUS UMWELT MEDIZIN

© Global Exposomics and Biomonitoring Laboratory

Wie sich Schadstoffe in Lebensmitteln auf die Gesundheit auswirken können – ein multifaktorielles Zusammenspiel im Fokus der Forschung

Univ.-Prof. Dr. Benedikt Warth, Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie, Uni Wien, Leiter von Exposome Austria*, im Gespräch.

HAUSÄRZT:IN: Welche Bedeutung hat „next-generation human biomonitoring“ im Kontext von schadstoffbelasteten Lebensmitteln?

Prof. WARTH: In den letzten Jahren hat sich im Bereich der Technologieentwicklung sehr viel getan.

Mithilfe von neuen analytischen Methoden wie dem „next-generation human biomonitoring“ können wir aktuell bis zu hundert höchst unterschiedliche Lebensmittelkontaminanten sowie Umweltgifte, welche über die Lebens- und Futtermittelketten in unsere Nahrung gelangen, in menschlichen Proben nachweisen. Das Ziel ist es, jene Kontaminanten in großen epidemiologischen Studien mit Gesundheitseffekten zu korrelieren.

Wir stehen hier noch ganz am Anfang.

Beispielsweise hat an der Universität Wien im März ein Projekt im Bereich der Brustkrebsforschung begonnen.

In der prospektiven Kohortenstudie analysieren wir mehrere tausend Blutund Urinproben von Frauen, die ein Mammakarzinom entwickelt haben, bzw. die einer Kontrollgruppe.

78

November 2023

Was weiß man heute über die Schäden, welche durch Kontaminanten im menschlichen Körper verursacht werden?

Das ist natürlich sehr unterschiedlich.

Wir reden hier von tausenden, zehntausenden, vielleicht sogar hunderttausenden chemischen Molekülen, die alle sehr verschiedene Eigenschaften haben. Manche werden sofort ausgeschieden und richten kaum Schaden an, andere werden über das Blut aufgenommen und kommen mit sehr vielen Gewebearten in Kontakt. Prinzipiell sind Organe wie Leber, Niere oder Darm häufig betroffen. Von gewissen Kontaminanten, die schon sehr lange bekannt sind, weiß man, dass sie etwa in einem bestimmten Organ Tumoren verursachen können.

Können Sie ein Beispiel geben?

Wir wissen von den Aflatoxinen, also einer Gruppe von Schimmelpilzgiften, dass sie Leberkrebs auslösen können.

Ein anderes Beispiel sind die Aristolochiasäuren, Pflanzengifte, welche die Nieren schädigen.

Wie verhält es sich bei so einer großen Anzahl von Schadstoffen mit Wechselwirkungen?

Toxikologische Mixeffekte sind definitiv ein „Hot Topic“ in der Forschung.

Diese steht erst am Anfang. Wir wissen aber aus Tier- und Zellmodellen, dass es Wechselwirkungen gibt – prominent beispielsweise bei endokrinen Disruptoren. Ein besonders bekannter Vertreter ist Bisphenol A. Jedoch gibt es allein innerhalb der Bisphenolgruppe verschiedenste Derivate, die häufig auch in BPAfreien Produkten eingesetzt werden – toxikologisch aber durchaus ähnlich wirken.

Ein Beispiel für einen endokrinen Disruptor, der etwa mit Bisphenolen wechselwirken kann, ist Zearalenon – ein Pilzgift bzw. Pilzöstrogen, das viel poten-

ter ist als die bekannten Bisphenole. Erst kürzlich haben wir mit dem Umweltbundesamt Proben von Volksschulkindern in Österreich untersucht1 und konnten bei fast allen Kindern Zearalenon nachweisen.

Welche Effekte sind noch bekannt?

Viele über die Nahrung aufgenommene Substanzen haben grundsätzlich eine positive bioaktive Wirkung. Genistein zum Beispiel, ein Isoflavon bzw. Polyphenol, wird gegen Beschwerden während der Wechseljahre eingesetzt. In Zellmodellen konnte man sehen, dass es allerdings zu Wechselwirkungen mit endokrinen Disruptoren kommen und die Bindung an den Östrogenrezeptor dadurch verstärkt werden kann. Ob bzw. wie dieses Wechselspiel im Menschen wirklich relevant ist, gilt es noch zu klären.

Also ist nicht alles schwarz-weiß zu sehen ...

Genau, das ist ganz wichtig. Ich formuliere es in meinen Vorlesungen immer so: Die Dosis, die Kombination und der Zeitpunkt der Belastung machen das Gift. Relevant sind also nicht nur die Mengen der einzelnen Substanzen, sondern auch die Co-Belastungen. Und wir wissen, dass eine frühe Belastung – während der Schwangerschaft, der ersten tausend Lebenstage oder der Pubertät – sich viel stärker auswirken kann als jene im Erwachsenenalter. Gleichzeitig geht die Evidenz in die Richtung, dass man mit positiven bioaktiven Lebensmittelinhaltsstoffen gegensteuern könnte. Wie man sieht, ist die Komplexität enorm.

Das heißt, die Belastung einer einzelnen Substanz zu kontrollieren, ist zu kurz gedacht?

So ist es. Auf EU-Ebene denkt man bereits weiter und reguliert teilweise bereits Chemikaliengruppen, nicht nur Einzelsubstanzen. Aber man muss noch weiter gehen und wirklich ganzheitlich >

Hausärzt:in informativ

Orthomol: Das Unternehmen Orthomol hat über 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Mikronährstoff-Präparaten.

Im Zentrum des Unternehmens steht die

ganzheitliche und zugleich gezielte Anwendung von Mikronährstoffkombinationen auf Basis der orthomolekularen Ernährungsmedizin. Die Produkte basieren auf einer sorgfältigen Auswahl von Inhaltsstoffen, die den Bedürfnissen in verschiedenen Lebenssituationen gerecht werden.

Dabei zeichnet sich die Produktpalette von Orthomol durch ein breitgefächertes Angebot aus. Diese reicht von Augen-, Darm-, über Frauen- und Männergesundheit bis hin zu Sport und Bewegungsapparat. Im Rahmen der Supplementierung von Mikronährstoffen ermöglicht Orthomol den Menschen auf praktische und standardisierte Weise die Bereitstellung eines individuell angepassten Werkzeugs, mit dem sie ihre eigene Gesundheit langfristig positiv beeinflussen und steuern können. Dieser Ansatz konzentriert sich nicht ausdrücklich auf Krankheiten, sondern vielmehr darauf, Menschen in einem hektischen Alltag, in dem gesunde Ernährung oft zu kurz kommt, die Möglichkeit zu bieten, ihrer eigenen Gesundheit etwas Gutes zu tun und somit ein positives Lebensgefühl zu vermitteln.

Orthomol-Produkte sind unabhängig geprüft und zertifiziert Die hohe Qualität und wissenschaftliche Überprüfbarkeit sind dabei von zentraler Bedeutung. Aufgrund dessen unterliegt Orthomol regelmäßigen Prüfungen nach der ISO 22.000, der höchsten internationalen Norm für Lebensmittelsicherheit, um die Seriosität, WirkHolen Sie Ihr gratis Exemplar des PRAEVENIRE samkeit und Sicherheit Papers „Ernährung bei Arthrose“ seiner Produkte sicherbeim Stand von Orthomol am 53. Kongress für Allgemeinzustellen. Zudem bemedizin oder online hier: findet sich auf jeder Orthomol-Packung ein individueller Code, der zum einen die Originalität des Produkts sicherstellt und zum anderen im Bedarfsfall zielgenaue Nachverfolgungen ermöglicht.

Ernährung

bei Arthrose

basierend auf dem 224. PRA in Wien vom EVENIRE Gip 27. September felgespräch 2023

Impulsstate

ment:

Univ.-Prof.

Dr. Stefan NEH RER | Facharz Franziska von t für Orthopä MOELLER | die und orth Ökotropholo opädische Chir gin und Scie urgie ntific Manage Diskussion r bei Orthomo steilnehmen l de (in alphabe tischer Reih enfolge): Univ. Prof.

Dr. Catharina CHIARI, MS Orthopädie c und orthopä dische Chirurgi | Präsidentin der Österreic Univ.-Prof. e hischen Ges Dr. Ronald ellschaft für DOROTKA | Facharzt für Barbara EGG Orthopädie ER-SPIESS und orthopä | Arthrose Foru dische Chirurgi Margit HAL m Austria BFURTER, e MSc | Präsiden Univ.-Lekt. tin der Öste Dr. med. Pier rreichischen o LERCHER Gesellschaft und Präventi für Osteopa | on (ÖGSMP thie ) und Vizepräs Vorstandsmitglied der Ges (GKSM) ident der Ges ellschaft für Sportmedizin ellschaft für konservative Dr. Erwin REB Sportmedizin HANDL | Allg emeinmediz Prim. Univ.-P iner PVE Has rof. lach Mineralstoffwec Dr. Heinrich RESCH | Österreichisc hsel he Gesellsc Constance haft für Knoche SCHLEGL, n- und MPH | Präs therapeut:in identin Physio nen Österreic Austria – Beru hs fsverband der Dr. Andreas PhysioSTIPPLER, MSc | Facharz Univ.-Prof. t für Orthopä Dr. Kurt WID die und orthopä HALM | Präs für Ernährun dische Chirurgi ident des Öste gsmedizin e rreichischen FH-Prof. Bar Akademisch en Institutes bara WONDR ASCH, PT PhD schaften, FH St. Pölten | Institutsleite rin Institut für Gesundheitswis senModeration: Johannes OBE RNDORFER

2023

GIPFELGES PRÄCH

Verschiedene Darreichungsformen Orthomol ist es ein Anliegen, die Einnahme für Verbraucher:innen praktikabel und unkompliziert zu gestalten. Deshalb

bietet die umfassende Produktpalette von Orthomol verschiedene Darreichungsformen, darunter Tabletten, Kapseln, Sachets, Trinkfläschchen und Direktgranulate. Dies ermöglicht eine einfache Integration der Produkte in den Alltag, insbesondere für Menschen, die mit langfristigen Gesundheitsproblemen kämpfen und bereits viele Medikamente einnehmen müssen. Außerdem schätzen sowohl Ärzt:innen als auch Apotheker:innen die Konzentration der Präparate auf spezifische Indikationsgebiete, welche diese mit einer breiten Palette an Mikronährstoffen abdecken.

Fokus: Nährstoffe für die Gelenke Studien haben deutlich gezeigt, dass eine zusätzliche gezielte Zufuhr von Mikronährstoffen einen positiven Einfluss auf die Gelenkgesundheit hat, insbesondere bei Patient:innen mit Gelenkverschleiß. Mithilfe spezieller Nährstoffe, wie etwa Vitamin D, Kalzium, Glucosamin, Chondroitin, Hyaluronsäure und Kollagen, lässt sich der gesundheitliche Zustand der Knochen, Gelenke und Knorpel positiv beeinflussen. Antioxidantien, also sekundäre Pflanzenstoffe, sowie Vitamin C und E spielen eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung von oxidativem Stress, Omega-3-Fettsäuren wirken dank ihrer antientzündlichen Eigenschaften dem Entzündungsgeschehen im Körper entgegen. Die GelenkPräparate von Orthomol bieten eine umfassende Kombination dieser Inhaltsstoffe, um die Ernährung gezielt und effektiv supplementieren zu können.

November 2023

79 79

BEZAHLTE ANZEIGE

Gesund werden, gesund bleiben, leistungsfähig und bestmöglich versorgt – so lautet die Mission des deutschen Familienunternehmens Orthomol, das neben wissenschaftlicher Evidenzbasiertheit allem voran auf hohe Qualität bei ihren komplexen MikronährstoffPräparaten setzt.

Eine ausgewogene Ernährung und somit eine ausreichende Zufuhr von Mikronährstoffen ist eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt bzw. für die Wiederherstellung der Gesundheit. Jedoch können verschiedene Faktoren wie chronische Erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus, oder besondere Lebenssituationen wie eine Schwangerschaft, die Stillzeit oder Stress zu einem erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen führen, welcher über die Ernährung nur schwer zu decken ist. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, zusätzlich Mikronährstoffe durch Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Hausärzt:in extra denken. Dazu braucht es den Exposomansatz – dass man keine Scheuklappen aufsetzt, sondern die Gesamtheit der chemischen Belastungen anschaut, die auf unseren Körper wirkt. Dadurch kommt man zu viel stärkeren Aussagen darüber, welcher Zusammenhang mit Pathologien bestehen kann.

„Die Dosis, die Kombination und der Zeitpunkt der Belastung machen das Gift.“ Welche Rolle spielt Exposome Austria* dabei?

Diese neu etablierte Forschungsinfrastruktur verfügt über modernste Technologien wie die Massenspektrometrie, bei der man hunderte – und hoffentlich bald tausende – Belastungen gleichzeitig messen kann. Untersucht werden die gemeinsamen Gesundheitsauswirkungen auf toxikologischer und epidemiologischer Ebene. Dabei sollte man stets genetische Faktoren berücksichtigen.

Dass eine Krankheit ausbricht, hängt meistens sowohl mit der Genetik als auch mit Umwelteinflüssen zusammen,

an denen toxische Chemikalien einen wesentlichen Anteil haben. Das heißt, wir müssen über die Grenzen der Fachdisziplinen hinweg denken, um echte Transformation zu ermöglichen. Bei Exposome Austria arbeiten Lebensmittel-, Umweltwissenschafter, Chemiker und Mediziner sehr eng zusammen. Das fördert das gegenseitige Verständnis.

Ein Ziel von Exposome Austria ist es außerdem, Forschenden, Medizinerinnen und Medizinern und auch innovativen Industriepartnern unkompliziert Zugang zu diesen Spitzentechnologien bzw. unserer Forschungsinfrastruktur zu ermöglichen.

Wir wollen diese Messungen breitflächig einsetzbar machen sowie europaweit harmonisieren, damit sich zukünftige Studien besser interpretieren lassen.

Was können Ärzt:innen Personen mitgeben, die sich hinsichtlich der Schadstoffbelastung von Lebensmitteln sorgen?

Nur weil wir Giftstoffe messen können, bedeutet es nicht automatisch, dass sie einen negativen Effekt auf uns haben.

Oder dass man Angst haben muss. Es ist wichtig, das Risiko richtig einzuschätzen.

Die häufige übermäßige Nahrungsaufnahme, AlkoholkonSS E EEÄRÄÄZRRTZZETTEEAIKUAAIKUU! S! LL LL A A S sum und Rauchen sind R R U Ü Ü F F LL E A T Z R UNUDNDKLIKKNLILINNIK !

IS FÜR ALLE NÄDRPKRFPLIÜARRNXAAIS !

D X N IK U bei uns nach wie vor IS X PRAXIS U P Hauptfaktoren für die toxikologische Belastung bzw. gesundheitsrelevante Probleme, die DER DER AG AG HERZINSUFFIZIENZ DER AGHERZINSUFFIZIENZ HERZINSUFFIZIENZ mit Ernährung in ZuDER AG HERZINSUFFIZIENZ sammenhang stehen.

Atemnot Atemnot bei beiHerzinsuffi Herzinsuffi zienz Atemnot bei Herzinsuffi zienz Wer sich vor SchadAtemnot bei Herzinsuffi zienz zienz und und Co Co stoffbelastung schützen und Co und Co will, sollte in erster Linie abwechslungsreich 9.00–13.00 9.00–13.00 Uhr Uhr essen – zudem wenig 9.00–13.00 Uhr 9.00–13.00 Uhr Novotel Novotel Wien Wien Hauptbahnhof Alkohol trinken und Novotel WienHauptbahnhof Hauptbahnhof Novotel Wien Hauptbahnhof nicht rauchen. Bei Wissenschaftliche Wissenschaftliche Leitung Leitung und und Vorsitz: Vorsitz: Wissenschaftliche Wissenschaftliche Leitung und Vorsitz: Leitung und Vorsitz: Univ.-Doz. Univ.-Doz. Dr.Dr. Martin Martin Hülsmann Hülsmann (AKH (AKH Wien) Wien) schwangeren Frauen Martin Hülsmann (AKH Wien) Univ.-Doz. Dr. MartinUniv.-Doz. HülsmannDr. (AKH Wien) Priv.-Doz. Priv.-Doz. Dr.Dr. Deddo Deddo MÖRTL MÖRTL (Universitätsklinikum (Universitätsklinikum St.St. Pölten) Pölten) Dr. Deddo MÖRTL (Universitätsklinikum St. Pölten) Priv.-Doz. Dr. DeddoPriv.-Doz. MÖRTL (Universitätsklinikum St. Pölten) gibt es darüber hinAtemnot Atemnot und und Lebensqualität Lebensqualität aus Empfehlungen Atemnot und Lebensqualität Atemnot und Lebensqualität Priv.-Doz. Priv.-Doz. Dr.Dr. Deddo Deddo Mörtl Mörtl Dr. Deddo Mörtl Priv.-Doz. Dr. DeddoPriv.-Doz. Mörtl wie beispielsweise weAtemnot Atemnot aus aus Sicht Sicht derder Notfallmedizin Notfallmedizin Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz und und Atemnot Atemnot Atemnot aus Sicht der Notfallmedizin Atemnot aus Sicht der Notfallmedizin Herzinsuffizienz und Atemnot zinsuffizienz und Atemnot niger Meeresfisch zu Assoc.-Prof.

Assoc.-Prof.

Priv.-Doz. Priv.-Doz. Dr.Dr. Christoph Christoph Testori Testori Dr.Dr. Henrike Henrike Arfsten, Arfsten, PhD PhD Assoc.-Prof.

Dr. Christoph TestoriDr. Christoph Testori Dr. Henrike Arfsten, PhD Assoc.-Prof.

Priv.-Doz. Dr. Henrike Arfsten, PhD Priv.-Doz. verzehren, um die Lungenhochdruck Lungenhochdruck und und Atemnot Atemnot Klappenerkrankungen Klappenerkrankungen und und Atemnot Atemnot Atemnot krankungen und Atemnot Lungenhochdruck und Atemnot Klappenerkrankungen und Atemnot Lungenhochdruck und Priv.-Doz. Priv.-Doz. Dr.Dr. Christian Christian Gerges, Gerges, PhD PhD Dr.Dr. Andreas Andreas Strouhal Strouhal Quecksilberbelastung Priv.-Doz. Dr. Christian Gerges, PhD Dr. Andreas Strouhal Priv.-Doz. Dr. Christian Gerges, PhD Dr. Andreas Strouhal gering zu halten, oder Kräutertees unterDiese Diese Veranstaltung Veranstaltung entspricht entspricht 5 DFP-Punkten 5 DFP-Punkten Diese Veranstaltung entspricht DFP-Punktenentspricht 5 DFP-Punkten Diese 5Veranstaltung derder Österreichischen Österreichischen Ärztekammer. Ärztekammer. der Österreichischen Ärztekammer. schiedlicher Produder Österreichischen Ärztekammer.

ANMELDUNG: ANMELDUNG: zenten zu konsumieren.

ANMELDUNG:

23 23

Sa 27.

Jänner 2024 Sa27.

27.Jänner Jänner 2024 Sa 27.Sa Jänner 2024 2024

perper E-Mail E-Mail an an fortbildung@medcongress.at fortbildung@medcongress.at bildung@medcongress.at per E-Mail an fortbildung@medcongress.at DieDie Teilnahme Teilnahme ist kostenlos. ist kostenlos. ostenlos.

Die Teilnahme ist kostenlos.

DieDie Anmeldung Anmeldung ist ist unbedingt unbedingt erforderlich. erforderlich. unbedingt erforderlich.

Die Anmeldung ist unbedingt erforderlich.

ORGANISATION: ORGANISATION: ORGANISATION: Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz Herzinsuffizienz medCongress medCongress GmbH, GmbH, Gabriele Gabriele Rech Rech Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz bH, Gabriele Rech Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz medCongress GmbH, Gabriele Rech der der Österreichischen Österreichischen Kardiologischen Kardiologischen Gesellschaft Gesellschaft 2221 2221 Gr.Gr. Schweinbarth, Schweinbarth, Hochleitengasse Hochleitengasse 34/Top 34/Top 1 1 der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft arth, Hochleitengasse 34/Top 1 der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft 2221 Gr. Schweinbarth, Hochleitengasse 34/Top 1 Tel.: Tel.: 0680 0680 213213 61 61 91 91 91 Tel.: 0680 213 61 91

Viele Menschen, die auf eine gesunde Ernährung achten, setzen auf biologische Lebensmittel.

Ist „bio“ gleich gesund?

Dass biologische und regionale Produkte prinzipiell gesünder seien, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Zwar lassen sich bei biologischen Lebensmitteln weniger Pestizide nachweisen. Dafür kann es sein, dass zum Beispiel mehr giftige Beikräuter oder mehr Schimmelpilzgifte in ihnen enthalten sind, die eben nicht durch Herbizide oder Fungizide vernichtet wurden wie bei konventionellen Lebensmitteln.

Die gesundheitsschädlichen Effekte von Pestiziden direkt auf den Menschen werden tendenziell überschätzt. Hier sind die möglichen Auswirkungen von Schimmelpilzgiften oder endokrinen Disruptoren meist deutlich größer. Ein anderes Thema sind die ökologischen Konsequenzen des Pestizideinsatzes.

Festzuhalten ist: Jene Lebensmittel, die in der EU verkauft werden – ob heimisch oder importiert –, sind so sicher, wie sie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte waren. Wir haben sehr strenge Richtlinien und ein etabliertes Kontrollsystem. Und wenn die wissenschaftliche Evidenz neue Erkenntnisse hervorbringt, kann man da oder dort nachbessern.

Welcher Schluss lässt sich ziehen – auch mit Blick auf die Zukunft?

Mein Plädoyer gilt der Prävention. Die Exposomforschung und das Humane Biomonitoring bieten die einmalige Chance, Risikofaktoren für die Gesundheit zu identifizieren, damit so früh wie möglich gegengesteuert werden kann.

Dafür benötigen wir nationale Präventionsprogramme, zum Beispiel in puncto Monitoring während kritischer Lebensphasen wie der Schwangerschaft.

Das Interview führte Anna Schuster, BSc. * Die Exposome-Austria-Forschungsinfrastruktur untersucht den Einfluss von Fremdstoffen auf die Gesundheit. Sie wird von der Fakultät für Chemie der Universität Wien koordiniert. Partner sind die Medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck sowie das Umweltbundesamt. Zudem ist Exposome Austria Teil der europäischen Forschungsinitiative EIRENE (Environmental Exposure Assessment in Europe).

Siehe: exposome.at Quelle: 1 Ayeni KI et al., The Austrian children's biomonitoring survey 2020 Part B: Mycotoxins, phytotoxins, phytoestrogens and food processing contaminants.

Food Chem Toxicol. 2023 Nov 2:114173.

Hausärzt:in extra

TERMINE

Aktuelle Kongresse und mehr

30.11.2023

06.12.2023

11.-12.12.2023

Runde der Regionen „Freiheit versus öffentliche Gesundheit“ (siehe S. 83)

„State of the Art“ – Eisenmangel – Diagnose und Therapie

25. Jahrestagung der ÖGPB (Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie)

Ort: Live Diskussion

Ort: Live Webinar

Ort: Universität Wien

18.-19.01.2024

18.-19.01.2024

20.01.2024

Jahrestagung der Österreichischen Schlaganfall Gesellschaft

10. Theodor Escherich Symposium (Mikrobiomforschung)

Österreichischer Impftag

Ort: Europahaus Wien

Ort: Graz – MED CAMPUS

27.01.2024

27.01.2024

AG Herzinsuffizienz Consensus Meeting

ÖGGH Wintersymposium (Gastroenterologie und Hepatologie)

Ort: Novotel Wien Hbf.

Ort: Universität Wien

Ort: Austria Center Vienna und Online

Weitere Infos und Veranstaltungen finden Sie in unserem Kongresskalender unter:

gesund.at/ kongresskalender

IMPRESSUM Herausgeber und Medieninhaber: RegionalMedien Gesundheit – RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien, Tel. 01/74321708114, office@gesund.at.

Geschäftsführung: Mag.a Birgit Frassl, Marlis Rumler.

Redaktionsleitung: Mag.a Karin Martin.

Redaktion: Mag.a Karin Martin, Anna Schuster, BSc, Mag.a Ines Pamminger, BA, Margit Koudelka, Mag.a Ulrike Krestel, Felicia Steininger.

Lektorat: Mag.a Katharina Maier.

Produktion & Grafik: Angie Kolby.

Cover-Foto: shutterstock.com/Maliutina Anna.

Verkaufsleitung: Mag.a Birgit Frassl, birgit.frassl@regionalmedien.at.

Kundenbetreuung: Mag.a Dagmar Halper, dagmar.halper@regionalmedien.at, Claudia Szkutta, claudia.szkutta@regionalmedien.at.

Druckerei: Bösmüller Print Management GesmbH &­Co. KG. Verlags- und Herstellungsort: Wien.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir in den Artikeln teilweise auf die gendergerechte bzw. gänzlich orthografisch/grammatikalisch korrekte Schreibweise. Sofern nicht anders vermerkt, gelten alle Bezeichnungen für sämtliche Geschlechter.

Grundlegende Richtung: Unabhängige österreichische Fachzeitschrift für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.

Mit „Bezahlte Anzeige“ gekennzeichnete Beiträge/Seiten sind gemäß §26 Mediengesetz bezahlte Auftragswerke.

Die HAUSÄRZT:IN – Praxis-Magazin für Primärversorgung – ist ein interdisziplinäres Informations- und Fortbildungsmedium.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder, sondern fallen in den Verantwortungsbereich der Autor:innen. Der Inhalt von entgeltlichen Einschaltungen und Beilagen sowie die Angaben über Dosierungen und Applikationsformen liegen außerhalb der Verantwortung der Redaktion oder des Verlages und sind vom/von der jeweiligen Anwender:in im Einzelfall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt, verwertet oder verbreitet werden.

Offenlegung: gesund.at/impressum

November 2023

81

Hausärzt:in informativ

Mit großem Engagement Mit Dr.in Naghme Kamaleyan-Schmied ist seit Oktober eine Frau im Präsidium der Wiener Ärztekammer vertreten. Nachdem der ehemalige Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte, Dr. Erik Randall Huber, Anfang Oktober nach internen Turbulenzen zurückgetreten war, wurde nun die Allgemeinmedizinerin mit Kassenordination im 21. Bezirk zu dessen Nachfolgerin gewählt. „Ein Zeichen, das schon lange notwendig war“, betont die neue Vizepräsidentin und Kurienvorsitzende. Ebenso ist sie weiterhin als Obmann-Stellvertrete-

rin der Bundeskurie niedergelassene Ärzte standespolitisch aktiv.

Bereits im Mai 2022 wurde Dr.in KamaleyanSchmied die Leitung der Wiener Niedergelassenen-Kurie angeboten, damals hatte sie sich aber aus familiären Gründen – aktiv – dagegen entschieden. „Ich bin eine Person, die – wenn sie etwas macht – es gerne hundertprozentig und meistens sogar zweihundertprozentig macht.“ Jetzt will sich die Kurienobfrau insbesondere auf die anstehenden Verhandlungen des Kassenvertrags konzentrieren.

© ÖÄK/Stefan Seelig

Ärztekammer Wien: Erste Frau im Präsidium

Quelle: Ärztekammer Wien

Runde der Regionen

Live-Diskussion: Wenn Freiheit öffentliche Gesundheit beeinträchtigt Das Recht auf persönliche Freiheit ist ein Menschenrecht. Doch wo hört dieses auf, und wo beeinträchtigt es das Recht auf öffentliche Gesundheit? Zu diesem Thema veranstalten die RegionalMedien Austria gemeinsam mit der Hausärzt:in eine Podiumsdiskussion mit Expert:innen. Mit dabei: Mag.a Dr.in Maria Kletečka-Pulker, Institut für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien, Mag.a Dr.in Katrin

Praprotnik, Bakk., Politikwissenschafterin an der Universität Graz, Dr.in Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien und Obfrau der Kurie niedergelassene Ärzte, sowie eine Vertreter:in der Gesundheitskassen.

Die Themen der Diskussionsrunde „Freiheit versus öffentliche Gesundheit“ reichen von Impf-, Helm- und Anschnallpflicht bis hin zu Rauchverboten und verpflichtenden Führerscheintests

für Ältere. Moderieren werden Mag.a Karin Martin, Chefredakteurin Hausärztin, und Mag.a Maria JelenkoBenedikt, Chefredakteurin RegionalMedien Austria.

Termin: Donnerstag, 30.11., ab 19 Uhr, live auf gesund.at und meinbezirk.at Fragen vorab erwünscht, an: rundederregionen@regionalmedien.at

Impflücken schließen Bei einer Pressekonferenz am 10. November in Wien legten Gesundheitsminister Johannes Rauch und ApothekerkammerPräsidentin Mag.a Dr.in Ulrike MurschEdlmayr einen Fokus auf die Bedeutung von Apotheker:innen in puncto „Impflücken schließen“. So ging es etwa um eine Aktionswoche (13.-18.11.) zur Beratung von Kund:innen über fehlende Impfungen und nötige Auffrischungen sowie zur Möglichkeit einer kostenlosen Nachtragung in den e-Impfpass. „Die Durchimpfungsraten in Österreich sind nicht besonders hoch. Das liegt auch daran, dass viele Mythen und Falschinformationen dazu kursieren“, erläuterte

Dr.in Mursch-Edlmayr. Gesundheitsminister Rauch betonte: „Es ist wichtig, dass Apotheker:innen mit den Menschen über ihren Impfstatus sprechen und beratend zur Seite stehen, denn sie genießen besonders hohes Vertrauen in der Bevölkerung.“ Gleichzeitig mit der Eintragungswoche wurde der Beginn einer neuen Info-Kampagne der Apothekerkammer angesetzt.

Die sowohl analog als auch digital ausgespielten Botschaften stellen das vielfältige und mitunter lebensnotwendige Wissen und Können der mehr als 6.800 Apotheker:innen dar. Nicht zuletzt wird das umstrittene Thema Impfen in Apotheken aufgegriffen.

© Michele Agostinis

Apothekerkammer setzt Aktionen

Quelle: ÖAK, BMSGPK

November 2023

83