Hausärzt:in 05/2023

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Österreichische Post AG, MZ16Z040661M, 32. Jahrgang, RegionalMedien Austria GesundheitRMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien 05/2023 Praxis-Magazin für Primärversorgung mit Sonderteil Pharmazie
Reisemedizinische Beratung in der Praxis Ausblick auf die ÖGSM-Jahrestagung 2023 Die Kunst des Schlafens Ein interdisziplinäres Spannungsfeld Gastro trifft Rheuma
REISEN TROTZ RISIKO

In Linz beginnt’s …

Bald ist es so weit: Unser Hausärzt:in DIALOGTAG am 3. Juni in Linz steht vor der Tür! Das Besondere an dieser DFP-approbierten Fortbildungsveranstaltung, zu der wir gemeinsam mit dem Ordensklinikum Linz (OKL) und der Oberösterreichischen Gesellschaft für Allgemeinund Familienmedizin (OBGAM) einladen: Spitalsund niedergelassene Ärzt:innen referieren auf Augenhöhe ausgewählte medizinische Themen. In diesem Jahr liegt der Fokus auf der modernen Schmerzmedizin. Die kurzen Vorträge samt Fallbeispielen werden ein Update zum jeweiligen Themenblock bieten (siehe Programm). Niedergelassene Mediziner:innen können sich mit Kliniker:innen austauschen – und vice versa. Nach der Mittagspause findet eine Podiumsdiskussion mit hochkarätiger Besetzung zum Thema „Was tun gegen Lücken in der Versorgung von Schmerzpatient:innen? “ statt. Mit dabei sein werden Vertreter:innen von Ärzteschaft, Betroffenen sowie der Gesundheitskasse. Nutzen Sie, werte Leser:innen, die Möglichkeit, sich noch anzumelden.

Wir freuen uns darauf, Sie bei der Vor-Ort-Veranstaltung in Linz begrüßen zu dürfen!

Fernreise in Sicht

Bis dahin entführt Sie die aktuelle Ausgabe der Hausärzt:in in etwas fernere Gefilde als die oberösterreichische Landeshauptstadt. Fernreisen trotz etwaiger Gesundheits- oder sonstiger Risiken im Zielland ist unsere Titelgeschichte diesmal gewidmet. Die reisemedizinische Beratung steht im Vordergrund.

Viel Freude damit wünscht

Ihre

8:45 Uhr: Begrüßung

9:00 – 10:00 Uhr: Vortrag

Chronischer Schmerz – eine Herausforderung: von der Diagnose bis zur Therapie

OÄ Dr.in Alexandra Bachl, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, OKL

10:00 – 11:00 Uhr: Vortrag

Geriatrie & Palliativmedizin – Schmerztherapie ist Teamarbeit

Dr. Florian Ardelt, Allgemeinmediziner und OBGAM-Präsident

OA Dr. David Fuchs, Leiter der Palliative Care, OKL

DGKP Martin Rothe, MSc, Abteilung 2D Palliativ, OKL

11:30 – 12:45 Uhr: Mittagspause

12:45 – 14:15 Uhr: Podiumsdiskussion

Ambulante Schmerztherapie heute –Was tun gegen Lücken in der Versorgung?

Dr. Erwin Rebhandl, Allgemeinmediziner, OBGAM

OA Dr. David Fuchs, OKL

Mag.a Dr.in Elisabeth Manhal, Land Oberösterreich

Dr.in Birgit Kraft, Österreichische Gesundheitskasse

Volker Hartl, Selbsthilfe Oberösterreich

14:45 – 15:45 Uhr: Vortrag

Klinische Pharmazie – Medikationsmanagement und Polypharmazie

Prof.in Dr.in Erika Zelko, Institut für Allgemeinmedizin, JKU Linz

Mag.a pharm. Elisabeth Steiner aHPh, Klinische Pharmazeutin, OKL

15:45 – 16:45 Uhr: Vortrag

Pädiatrie – Kleiner Mensch, großer Schmerz

OÄ Dr.in Elke Pernegger, Abteilung für Kinderheilkunde & Neonatologie, OKL

16:45 – 17:30 Uhr: Diskussion, Austausch, Ausklang

Veranstaltungsort: Gesundheitspark Barmherzig Schwestern Linz, Seminarzentrum, 1. OG, Herrenstraße 54, 4020 Linz

Anmeldung: meinmed.at/dialogtag-linz

Programm – Stand: 05.05.2023, Änderungen vorbehalten

Hausärzt:in Editorial © RegionalMedien Gesundheit
3 Mai 2023 PROGRAMM HAUSÄRZT:IN DIALOGTAG 2023 – MODERNE SCHMERZMEDIZIN

medizinisch dossier

06 „Verhindern, dass der Baum in Flammen steht“ Rheumatologie, Gastroenterologie und Allgemeinmedizin im interdisziplinären Spannungsfeld

11 Toleranzgrenzen erklären

Teil 3: Das RDS in der Naturheilkunde – welche Rolle Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien spielen können

24 Die Kunst des Schlafens Ausblick auf die heurige Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin

27 Arbeitsmedizin trifft Lunge

Berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen –höchst unterschätzt?

30 Typ-2-Diabetes bleibt bei Frauen länger unerkannt Geschlechtsspezifische Unterschiede werden noch zu wenig beachtet

33 „Ein oft langer und harter Leidensweg“

Über das notwendige Bewusstsein für Angsterkrankungen in der Gesellschaft und der Ärzteschaft

REISEMEDIZIN

14 Reisen trotz Risiko Impfungen: von nice to have bis dumm gelaufen

17 Urlaub als Belastungsprobe Patient:innen mit Vorerkrankungen sollten umfassend beraten und betreut werden

18 Sommer, Urlaub & kardiovaskuläre Erkrankungen

70 Prozent der Todesfälle auf Reisen sind auf HKE zurückzuführen

20 Chaos im Gastrointestinaltrakt

Reisediarrhö und ihre Folgen – ein Zusammenspiel mit dem Darmmikrobiom

47 Impressum

pharmazeutisch

36 Frühen Behandlungsbeginn empfehlen

Multiple Sklerose: Verlaufsmodifizierende Therapien können die Lebensqualität Betroffener erhalten

39 Endemie –nicht das Ende COVID-19-Auffrischung weiterhin bedeutsam

40 Krankmacher im Polster Rund 700.000 Österreicher:innen leiden unter Hausstaubmilben

41 Arzt Sicht Sache

„Biodiversität & Klima: eine Zwillingskrise“

45 SPRECHStunde

„Zuerst Alkohol-, dann Verhaltenssucht“

Neue Perspektiven in der Schlafmedizin und -forschung.

46 Rückkehr in den Alltag Ergotherapie bei Posttraumatischer Belastungsstörung

Individuelle MS-Therapie.

Hausärzt:in Inhaltsverzeichnis
Herzpatient:innen auf Ferien: Das jeweilige Krankheitsbild, das genaue Reiseziel und Vorhaben im Blick.
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extra © shutterstock.com/Juan Ramon Ramos 18
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dass der Baum in Flammen steht“

Rheumatologie, Gastroenterologie und Allgemeinmedizin im interdisziplinären Spannungsfeld

Die Behandlung rheumatologischer Erkrankungen erfordert eine gute interdisziplinäre Arbeitsweise. Das konnte letztes Jahr im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung gezeigt werden, bei der Schnittmengen rheumatologischer und pulmologischer Krankheitsbilder beleuchtet wurden („ R heuma trifft Pulmo – Pulmo trifft Rheuma“). Die diesjährige Fortset-

zung der Veranstaltung stellte das Wissen um immunologische Zusammenhänge zwischen rheumatologischen, gastroenterologischen sowie hepatologischen Erkrankungen in den Fokus. Einblick in die Themen der Fortbildung gab Programmleiter OA Dr. Gregor Holak im Gespräch mit der Hausärzt:in

HAUSÄRZT:IN: Was waren besonders spannende Themen bei der Tagung „Rheuma trifft Gastro –Gastro trifft Rheuma“?

OA HOLAK: Rückblickend kann man alle Beiträge als mehr als nur gelungen betrachten. Besonders deutlich in Erinnerung ist mir der Co-Vortrag von OA Dr. Alexander Eser und OA Dr. Georg Gonda, ein gastrorheumatologisches „ Pas de deux “ , geblieben. Ein beispielhafter Beitrag, in dem die Experten das Basiskonzept der Fortbildung optimal auf einen Nenner gebracht haben. Es wurden darin teils überlappende Fälle aus den verschiedenen Blickwinkeln der jeweiligen Fachrich-

Hausärzt:in medizinisch 6 Mai 2023
„Verhindern,
OA Dr. Gregor Holak, Leiter der Rheumaambulanz, Klinik Ottakring, Wien, im Interview.
SerieGASTRO
© privat © unsplash.com/Kaspars Grinvalds

tungen behandelt, wodurch ein besonders intensiver Austausch und damit auch ein Lerneffekt möglich wurden.

Über welche immunologischen Zusammenhänge und Überschneidungen der Fächer sollten niedergelassene Ärzt:innen Bescheid wissen?

Wenn sich Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises vorstellen – insbesondere der Gruppe der seronegativen Spondylarthropathien – ist es wichtig zu wissen, dass sie sich häufig mit entzündlichen Darmerkrankungen überschneiden. Wir sehen es daher als absolut notwendig an, jeden betroffenen Patienten dahingehend zu screenen (Calprotectin im Stuhl, gegebenenfalls Kolonoskopie), da entzündliche Darmerkrankungen anamnestisch und klinisch nicht immer eindeutig ersichtlich sein müssen.

Umgekehrt kann es bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sehr häufig zu suspekten Gelenkbeschwerden kommen. Die Kolleginnen und Kollegen sollten wissen, dass eine Enthesitis bereits ein erster Hinweis sein kann, dass im Stützapparat ein immunologisch getriebenes Entzündungsgeschehen vorliegt, das mit der womöglich bereits bekannten entzündlichen Darmerkrankung pathophysiologisch eng assoziiert ist.

Schließlich sind immunologisch hochkomplexe Überlappungen von Kollagenosen – zum Beispiel das SjögrenSyndrom oder der systemische Lupus erythematodes – und hepatologisch-immunologischen Krankheitsbildern wie der Autoimmunhepatitis oder der primär biliären Cholangitis zu erwähnen.

Warum ist der Wissenstransfer zwischen den Fachdisziplinen so wichtig?

Durch unser immer tieferes Verständnis immunologischer Zusammenhänge können wir auf den ersten Blick nicht assoziierte Organstrukturen über eine gemeinsame inflammatorische Strecke zusammenführen und sind damit in der Lage, auf Erkrankungsformen rechtzeitig und damit zielgerichteter einzugehen. Kommen wir nochmals auf die seronegativen Spondyloarthropathien in Gemeinschaft mit entzündlichen Darmerkrankungen zurück: Wir kennen mittlerweile mehrere Wirkstoffe, deren Wirkung an beiden Krankheitsbildern nachgewiesen wurde. Dieser Wunscheffekt klappt aber leider nicht immer und gilt auch beileibe nicht für alle Substanzen. Hier ist ein beträchtliches Fachwissen gefragt, um den Patienten eine Therapie zu ermöglichen, die – soweit es geht – alle Symptome einschließt.

Was bedeutet das in der Praxis?

Zuerst ist es nötig, die Diagnose so gut wie möglich abzusichern – nicht jeder Gelenkschmerz ist entzündlich, nicht jede Durchfallepisode hat einen immunologischen Hintergrund. Anschließend müssen die Fachdisziplinen optimal miteinander kommunizieren, Therapieentscheidungen müssen abgestimmt, eventuelle Änderungen rechtzeitig kommuniziert werden. Und wie gesagt wirken nicht alle <

Hausärzt:in medizinisch 7 Mai 2023

Medikamente bei allen Formen der Entzündung gleich gut. In der Rheumatologie gibt es etwa im Bereich der seronegativen Spondylarthropathien Arzneien, die hervorragend Schuppenflechte, Gelenkentzündungen oder auch Enthesitis behandeln, aber beispielsweise an der Wirbelsäule weitestgehend unwirksam sind.

Welche Problemfelder an der Schnittstelle zwischen Fach- und Hausärzt:innen gilt es zu vermeiden?

Einerseits betragen in vielen Rheumaambulanzen die Wartezeiten Wochen bis Monate. Eine Problematik liegt also darin, kompetente Ansprechpartner vom Fach zeitnah zu bekommen. Daher gibt es im Gesundheitsverbund Bestrebungen zur Vergabe von Akutterminen, welche es ermöglichen, in dringenden Fällen rascher zu reagieren. Andererseits versuchen wir, über die Vorgänge in den Spezialambulanzen so gut wie möglich zu informieren – mit einer verständlichen und kompletten Dokumentation, die dem Patienten, idealerweise auch elektronisch, vorliegt. Von Vorteil ist, wenn Allgemeinmediziner im Rahmen einer Fortbildung ihre persönliche Awareness schulen. Sie können dadurch besser erkennen, welche Symptome Warnsignale darstellen, wann eine rasche Vorstellung vonnöten ist oder ein normaler elektiver Termin ausreicht. Durch eine Schulung werden sie zudem mit den sehr neuen und der immer breiter werdenden Palette von Therapieformen besser vertraut.

Ein weiteres Thema, das bei der Tagung behandelt wurde, war die universelle Vitamin-D-Prophylaxe. Welche neuen Erkenntnisse gibt es dazu?

Priv.-Doz. Dr. Christian Muschitz hat in seinem Vortrag ganz hervorragend die neuesten Daten zu Vitamin D diskutiert. Diesbezüglich ist zu sagen, dass im letzten Jahr neue Studienergebnisse veröffentlicht wurden, welche auch durch die Nicht-Fachpresse gegangen sind. Diese haben den Anschein erweckt, dass eine

Vitamin-D-Substitution völlig sinnlos sei, was jedoch die kompletten Bemühungen der letzten zehn bis 15 Jahre ad absurdum führen würde. Doz. Muschitz konnte deutlich aufzeigen, worin das Problem dieser Studie liegt. Nämlich darin, dass sowohl in den Placebo- als auch in den Interventionsgruppen alle mit demselben Vitamin-D-Spiegel – der völlig in Ordnung war – begonnen haben. Wenn nun aber in beiden Fällen sozusagen völlig intakte Spiegel vorliegen, ist es schwierig, auf Unterschiede zu schließen. Auf den ersten Blick bestehen keine Abweichungen zwischen VitaminD-Substitution und Nicht-Substitution, weshalb man zu einem falschen Schluss gelangen könnte.

Auch der Kortisoneinsatz war ein Thema … Genau. Doz. Muschitz ging weiters darauf ein, dass es gerade beim Kortisoneinsatz keine Zeitverzögerung geben darf. Die Wichtigkeit, ein osteologisches Screening zu Beginn einer längerfristigen Kortisongabe vorzunehmen, wurde von ihm herausgestrichen. Die Knochen sind das Organ, das als erstes unter den Nebenwirkungen des Kortisons leiden kann – der Hauptschaden entsteht in den ersten Wochen. Leider liegt immer noch der Trugschluss vor, dass man zunächst abwartet und nach einem halben Jahr die Knochendichte prüft. Dann ist es aber oftmals zu spät, eine Reaktion sollte eigentlich mit Therapiebeginn stattfinden.

Warum ist oft eine „Übersetzungsarbeit“ in der Kommunikation zwischen den Fächern notwendig?

Durch die immer höhere Spezialisierung fällt es innerhalb der Fachgruppen häufig beispielsweise gar nicht mehr auf, mit wie vielen Abkürzungen gearbeitet wird, die letztlich hochspezifisch und damit allgemein oftmals unbekannt sind. Wir sind durch unsere eigenen Fortbildungen derart übersättigt, dass wir womöglich gar nicht mehr wahrnehmen, dass andere Fachgruppen vielleicht ein oder noch kein einziges Mal mit bestimmten Fällen

NACHBERICHT

konfrontiert waren. Es ist daher immer wieder notwendig, uns selbst an der Nase zu nehmen und zu überlegen, inwieweit wir es ermöglichen, unser Wissen mit den Partnerfachgruppen zu teilen.

Eine weitere Problematik liegt darin, dass angesichts zunehmender bürokratischer Anforderungen sowie der chronischen personellen Unterbesetzung kaum ausreichend Zeit füreinander gefunden werden kann, um komplexe Fälle eingehend zu erörtern. Deshalb sind Fortbildungen, bei denen man sich auch zwischenzeitlich zusammensetzen kann, wo es ausgiebige Diskussionsmöglichkeiten gibt und auf Augenhöhe miteinander umgegangen wird, enorm wichtig. Sie helfen dabei zu lernen, in den Schuhen des anderen zu denken.

Welche Rolle kommt dabei den Hausärzt:innen und ihrer Praxiskompetenz als Zuweiser:innen zu?

Von Rheumatologen, aber sicher auch von Gastroenterologen kann deren Rolle nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hausärztinnen und Hausärzte sind die erste Anlaufstelle. Ihre Wahrnehmung, ihre Sensitivität für bestimmte Symptome sind im Prinzip das, mit dem alles steht und fällt. Bei fast allen immunologischen Erkrankungen stellt die Zeit einen relevanten Faktor dar – nicht nur für bereits vorhandene Spätschäden. Je früher man ein immunologisches Geschehen abfangen kann, desto leichter ist es meist, mit relativ einfachen Therapien eine Krankheitsremission herbeizuführen. Je mehr „der Baum in Flammen steht“, desto schwieriger wird es hingegen, einen Therapieerfolg zu erzielen. Wir sind völlig davon abhängig, dass der Hausarzt die Symptome richtig deutet und rasch handelt. Wir brauchen die Hausärzte zudem ganz dringend, damit teure und sehr selektive Therapien verlässlich im niedergelassenen Bereich weiterverordnet werden. In Summe ist der Hausarzt als Ansprechpartner und Vertrauensperson des Patienten für uns unerlässlich.

Das Interview führte Mag.a Ines Pamminger, BA.

Hausärzt:in medizinisch 8 Mai 2023
Fortbildung „Rheuma trifft Gastro – Gastro trifft Rheuma“ der Karl Landsteiner Gesellschaft unter der Patronanz der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation, 24. und 25. Februar 2023, Wien.
Hausärzt:in informativ 9 Mai 2023

Haus Ärzt:in DIALOGTAG

Hausärzt:in trifft Kliniker:in

Moderne Schmerzmedizin –Möglichkeiten & Grenzen

PräsenzFortbildung

Sa., 3. Juni 2023

IN LINZ

Themen (mit Fallbeispielen aus der Allgemeinpraxis):

Chronischer Schmerz – eine Herausforderung: von der Diagnose bis zur Therapie

Geriatrie & Palliativmedizin – Schmerztherapie ist Teamarbeit

Klinische Pharmazie – Medikationsmanagement & Polypharmazie

Pädiatrie – Kleiner Mensch, großer Schmerz

Podiumsdiskussion:

Ambulante Schmerztherapie heute – Was tun gegen Lücken in der Versorgung?

Programm und Anmeldung: meinmed.at/dialogtag-linz

7 DFP-Punkte

Teilnahmegebühr:

Mitglieder der OBGAM, ÖGAM, Vinzenz Gruppe 65€, Nichtmitglieder 85€ Rückfragen an info@meinmed.at

Mit freundlicher Unterstützung von:

Veranstalter:innen:

Änderungen vorbehalten.

Toleranzgrenzen erklären

Teil 3: Das RDS in der Naturheilkunde – welche Rolle Lebensmittelunverträglichkeiten

Lebensmittelunverträglichkeiten und -allergien können zwar eine RDS-Symptomatik perfekt mimikrieren, sind nosologisch jedoch vom Reizdarmsyndrom abzugrenzen. Theoretisch erfährt die Patientin/der Patient nach Restriktion bezüglich der diagnostizierten Lebensmittel keine Symptome mehr. In der Praxis mit RDS-Betroffenen ist dies jedoch oft schwer, weil Unverträglichkeiten • unterstellt, aber noch nicht sicher diagnostiziert sind;

und Allergien spielen können

• zwar diagnostiziert sind, aber mit strittigen Methoden; oder • zumindest nicht allein als ursächlich zu erachten sind. In der jüngeren Vergangenheit wurde mit den einfachen, preisgünstigen und vielerorts verfügbaren H2-Atemtests sehr häufig eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz, aber auch eine bakterielle Dünndarmfehlbesiedlung („ small intestine bacterial overgrowth“, SIBO) diagnostiziert. Diese Untersuchungen werden v. a. bei RDS-Patienten sowie solchen mit funktioneller Dyspepsie (FD) durchgeführt.

Laktose- und FruktoseMalobsorption

Schon die Diagnose einer Laktoseintoleranz löst bei vielen Patienten ein Ge-

fühl der Stigmatisierung aus. Sie glauben oft, dass ab sofort auch minimale Mengen Laktose, z. B. aus Arzneimitteln, ihnen nicht zuträglich seien und sie dadurch in der Vergangenheit Schaden genommen hätten. Das gilt nur für die primäre Laktoseintoleranz, die extrem selten ist, nicht im Rahmen eines RDS diagnostiziert und deshalb hier nicht betrachtet wird. In einer ausführlichen und sachlichen Beratung erklärt man Betroffenen anschaulich die Laktosemenge von ca. 10 g pro Tag, die nach wissenschaftlichen Untersuchungen

GASTAUTOR: Dr. Rainer Stange Abteilung Naturheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin und Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee

Hausärzt:in medizinisch 11 Mai 2023
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„Der bei uns hohe Konsum von Kuhmilch und anderen laktosehaltigen Produkten ist auch für Laktosetolerante nachteilig.“
© Immanuel Krankenhaus

unter doppelblinden Bedingungen auch erwiesenermaßen Laktoseintolerante bei ausreichender Verteilung auf Mahlzeiten symptomfrei tolerieren. Ebenso kann man die Laktoseintoleranz als einen der vielen sinnvollen Schritte der natürlichen Reifung nach dem Abstillen darstellen.

geändert, der bei uns hohe Konsum von Kuhmilch und anderen laktosehaltigen Produkten ist auch für Laktosetolerante nachteilig.

und -allergien, etwa durch das wenig aussagekräftige nahrungsspezifische IgG, Lymphozytentransformationstests sowie Stuhlanalysen, die auf eine durchlässige Darmschleimhaut („ leaky gut“) und/oder eine bakterielle Fehlbesiedlung hinweisen.

Unabhängig von der Reliabilität der zahlreichen Parameter und Methoden am Markt sind Ursache und Folge hier oft nicht mehr sauber zu trennen, was dem Patienten in der Beratung v. a. in Hinblick auf die Ernährung sehr ausführlich erklärt werden sollte.

In der naturheilkundlichen Beratung kann man solche Befunde interpretieren, ggfs. zusätzliche erheben lassen, aber auch streng empirisch vorgehen. Am Anfang steht dann eine mehrtägige Phase der weitestgehenden Entlastung des Gastrointestinaltraktes, die man z. B. auf zweierlei Weise erreichen kann:

Die Muttermilch des Menschen hat den höchsten Laktoseanteil unter den Säugern. Sie hat auch deutlich zur – bis dahin vermutlich guten – Grundgesundheit des zu beratenden Patienten beigetragen. Die Laktosetoleranz des Erwachsenen dagegen hat sich nach phylogenetisch sehr komplizierten Evolutionsschritten lediglich bei einem Großteil der Kaukasier eingestellt, weil sie als Erwachsene in unseren Breiten ohne Rückgriff auf tierische Milch vor einigen Tausend Jahren keine Überlebenschance gehabt hätten. Die Zeiten haben sich aber

Für eine Fruktoseintoleranz gelten solche Überlegungen nicht. Anders als bei den relativ leicht entbehrlichen laktosehaltigen Lebensmitteln führt der naturheilkundlich – aber heute auch aus Sicht der konventionellen Ernährungslehre – sehr stark empfohlene Obstund Gemüseverzehr zwangsläufig zu relevanten Fruktoseaufnahmen. Noch ist wissenschaftlich strittig, ob durch natürliche Lebensmittel im Rahmen dieser „physiologischen“ Aufnahme seltener eine Fruktoseintoleranz auftritt, wohingegen durch die rasche Aufnahmesteigerung über nicht natürliche Lebensmittelanteile in nur ein bis zwei Generationen eine Überlastung des Resorptions- und Stoffwechseloptimums aufgetreten sein könnte.

Weitgehende Entlastung des Gastrointestinaltrakts

Die Symptomatik eines RDS kann auch nach strenger alimentärer Beachtung von Laktose- wie Fruktoseintoleranz unverändert bleiben, vermutlich weil das RDS dann Folge einer anderen Ätiologie ist. Kompliziert wird das Bild durch weitere häufig erhobene Befunde zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten

• deutlich hypo- bzw. nullkalorisch durch Fasten: völlig kohlenhydratfrei als Tee-Wasser-Fasten oder nach Buchinger nur mit Säften, die nicht inkriminiert werden (gemischte Gemüsesäfte enthalten z. B. das in Mitteleuropa häufigste Nahrungsmittelallergen Sellerie, auch Apfelallergien sind häufig);

• mittels der Kartoffel-Reis-Butter-Diät (KRB), d. h., hypo- wie isokalorisch werden nur weißer Reis, gekochte Kartoffeln und Butter konsumiert, ggf. ergänzt durch gedünstete Birnen.

Lebensmittel schrittweise wieder einführen

In weiterer Folge sollten insbesondere individuell verdächtigte Lebensmittel schrittweise wieder eingeführt und eventuell entstehende Symptome beobachtet werden. Dieses Vorgehen stammt aus der klinischen Praxis der Lebensmittelallergologie und wurde in Zeiten – als Liegezeiten eher Wochen als Tage umfassten – gemäß der Erfahrung des Autors recht erfolgreich praktiziert. Heute müssen solche Entlastungstherapien meist in Eigenregie ambulant erfolgen.

Literatur: Jung S et al., Dietary Fructose and Fructose-Induced Pathologies. Annu Rev Nutr. 2022 Aug 22;42:45-66. Weitere Literatur beim Autor.

Hausärzt:in medizinisch 12 Mai 2023
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„Noch ist wissenschaftlich strittig, ob bei der Aufnahme natürlicher Lebensmittelanteile seltener eine Fruktosetoleranz auftritt als beim Konsum von nicht natürlichen.“
© shutterstock.com/Kaspars Grinvalds

LEITLINIENGERECHTE THERAPIE BEI REFLUX

Neue S2k-Leitlinie empfiehlt Alginate

Alginate gewinnen stetig an Bedeutung bei der Behandlung von Refluxsymptomen. In Deutschland hat nun die DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs­ und Stoffwechselkrankheiten) Alginate in ihrer jüngst veröffentlichten aktualisierten „S2k­Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) und eosinophile Ösophagitis“ mit aufgenommen.*,1 Alginate spielen demnach künftig eine wichtige Rolle bei der leitliniengerechten Behandlung von Reflux.

Alginate für NERD Therapie empfohlen

Die neue Leitlinie empfiehlt Alginate für die Behandlung von Patienten mit nichterosiver Refluxkrankheit (NERD).1 Zuvor wurden für die Therapie mit niederpotenten Medikamenten lediglich Antazida und H2-Rezeptorantagonisten empfohlen.2 Gleiches gilt für das Behandeln typischer Refluxbeschwerden „ohne Alarmsymptome“: Hier sind laut Leitlinie Alginate für die probatorische Symptomkontrolle geeignet.1

Alginate können Acid Pocket eliminieren

Erstmalig wird in der der aktualisierten Leitlinie die sogenannte Acid Pocket beschrieben und erklärt. Die Acid Pocket ist ein Reservoir für Säurereflux, das sich im Magen unterhalb des Übergangs zum Ösophagus bildet. Mittels Alginat könne man diese Acid Pocket eliminieren – mit Antazida gelinge dies jedoch nicht, heißt es weiter in der neuen Leitlinie.1

Alternative Empfehlungen für GERD Therapie

Ebenso neuert sich die Empfehlung für PPI-Patienten mit persistierenden Refluxbeschwerden. Alternativ zum Wechsel auf einen anderen PPI oder zur Dosisverdoppelung rät das Leitlinien-Update zur Kombination des PPI mit Alginat – entweder kontinuierlich 4x am Tag oder als Add-on bei Bedarf. Und insbesondere wenn der Reflux im Rahmen einer GERD nachts auftritt, sind Alginate laut der aktualisierten Leitlinie ein probates Mittel – sie können alternativ zu einem PPI unmittelbar vor dem Schlafengehen eingenommen werden.1

Auch während der Schwangerschaft verträglich

Bei der Behandlung von Refluxbeschwerden bei Schwangeren haben sich Alginate als sichere Option bewährt: Im empfohlenen Step-up Management zählt die neue Leitlinie diese erneut an vorderster Stelle neben Antazida auf 1

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Alginaten mit GAVISCON

Erhältlich sind Alginate im Produkt Portfolio von GAVISCON: Mit GAVISCON Liquid Sachets bietet Reckitt Benckiser das passende Format bei säurebedingten und gastroösophagealen Reflux-Symptomen sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit.

1. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS; Hrsg.). S2k-Leitlinie: Gastroösophageale Refluxkrankheit, AWMF Register Nr. 021-013, März 2023, https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2023/03/LL-Reflux_Leitlinie_final_13.03.23.pdf (zuletzt aufgerufen 15.03.2023).

2. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS; Hrsg.). S2k-Leitlinie: Gastroösophageale Refluxkrankheit, AWMF Register Nr. 021-013, Stand 2014.

Gaviscon Liquid Sachets Mint Suspension zum Einnehmen. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: 10 ml Suspension enthalten: 500 mg Natriumalginat, 267 mg Natriumhydrogencarbonat und 160 mg Calciumcarbonat. Sonstige Bestandteile: Methyl (4-hydroxybenzoat) (E218) 40 mg/10 ml, Propyl (4-hydroxybenzoat) (E216) 6 mg/10 ml, Carbomer, Saccharin-Natrium, natürliches Minz-Aroma, Natriumhydroxid, gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Behandlung der Symptome des gastro-ösophagealen Reflux wie saures Aufstoßen, Sodbrennen und Verdauungsstörungen (infolge von Reflux), z.B. nach Mahlzeiten oder während der Schwangerschaft oder bei Patienten mit Beschwerden infolge von Refluxösophagitis. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe Natriumalginat, Natriumhydrogencarbonat und Calciumcarbonat oder einen der sonstigen Bestandteile, einschließlich Methyl-4-hydroxybenzoat (E 218) und Propyl-4-hydroxybenzoat (E 216). Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere Mittel bei peptischem Ulkus und gastroösophagealer Refluxkrankheit. ATC­Code: A02BX13. Pharmazeutischer Unternehmer: Reckitt Benckiser Deutschland GmbH, Darwinstrasse 2-4, 69115 Heidelberg, Deutschland. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezeptfrei, apothekenpflichtig. Die Informationen zu den Abschnitten Dosierung, Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information: 10/2020. GAV013

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Reisen trotz Risiko

Reisemedizinische Beratung in der Praxis –Impfungen: von nice to have bis dumm gelaufen

Der Sommer steht vor der Tür – und damit der Beginn der Reisezeit. Aktuelle Zahlen und Berichte aus den Reisebüros zeigen schon jetzt, dass es heuer besonders viele Menschen in die Ferne zieht. Doch eine gelungene Reise will angemessen vorbereitet sein. Dazu gehören nicht nur die richtigen Reisedokumente, passende Kleidung und ein guter Reiseführer, sondern – je nach Reiseziel – gegebenenfalls auch spezielle Impfungen oder eine korrekte medizinische Prophylaxe, z. B. jene gegen Malaria.

Egal ob man in Österreich verreist oder ans andere Ende der Welt fliegt: Man sollte vorsorgen und seinen Impfpass up to date halten. Während bei Standardimpfungen oftmals eine einfache Auffrischung ausreicht, können bei manchen Reiseimpfungen mehrere Teilimpfungen notwendig sein, zwischen denen eine gewisse Zeitspanne liegen muss. Ein guter Zeitpunkt für eine Reiseberatung und die Kontrolle des Impfpasses

ist in etwa fünf bis sechs Wochen vor einer Reise. Nicht allein für Österreich, sondern für alle Reiseziele gehören ein aufrechter Impfschutz vor Diphtherie, Tetanus, Polio und Keuchhusten sowie ein Schutz gegen Hepatitis A und B zum Standard. Je nach Urlaubsland, aber auch abhängig vom Reisestil (Badeurlaub, Rucksacktourist:in etc.), können spezielle Reiseimpfungen dazukommen. Zu den bekanntesten Standardimpfungen zählt jene gegen Hepatitis A. Auch wenn es nach einer Hepatitis A keinen chronischen Verlauf gibt, kann die Krankheit eine längere klinische Behandlung erfordern. Insbesondere ältere Personen können sehr schwer erkranken oder sogar versterben.

Empfohlen … oder doch vorgeschrieben?

Kennt man die genaue Reiseroute, kann ein Impfplan erstellt werden. Dabei ist zwischen empfohlenen und

tatsächlich vorgeschriebenen Impfungen zu unterscheiden. Empfohlene Impfungen sind für eine Einreise in das Urlaubsland zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber in jedem Fall ratsam, um sich vor regional häufig auftretenden Krankheiten zu schützen. Dazu zählen je nach Region Immunisierungen gegen Krankheiten wie Japan-B-Enzephalitis, MeningokokkenInfektionen oder Typhus.

Für einige Länder braucht es bei manchen Impfungen, etwa gegen Gelbfieber, einen verpflichtenden Nachweis, d. h., ohne Immunisierung wird einem die Einreise nicht gestattet. Im schlimmsten Fall beendet man seinen Urlaub mit einem verfrühten Flug zurück in die Heimat, oder man wird vor Ort geimpft. Das bedeutet: Reisen Urlauber:innen in den sogenannten „Gelbfiebergürtel“ – also in Länder Zentralafrikas oder in manche Länder Südamerikas –, so ist ihnen die Impfung zu empfehlen. Reisen diese dort aber länderüberschreitend herum –

14 Mai 2023 Hausärzt:in dossier © shutterstock.com/Hyejin Kang

z. B. im Rahmen von Safaris (aktuell beliebt sind Touren mit Rundreisezielen in Tansania, Botswana, Sambia) –, so kann die Bescheinigung der Gelbfieberimpfung beim Grenzübertritt zwingend erforderlich sein/werden. Dasselbe ist denkbar, wenn ein Land nur als Transitort dient, d. h. Reisende sich dort nur am Flughafen aufhalten. Obwohl gemäß den Vorgaben der WHO z. B. nach einer Gelbfieberimpfung die Impfbescheinigung als lebenslang gültig angesehen wird, ist dies nicht in allen Ländern der Fall und es wird bei der Einreise dennoch ein Impfnachweis verlangt, der nicht älter als zehn Jahre ist. Auch hier gilt es, sich vorab zu erkundigen.

Ein ähnliches Problem kann bei Polio vorliegen. Auch wenn es nur mehr wenige Fälle davon gibt, kommt der Eindämmung große Bedeutung zu. Hier besteht in manchen

– vor allem afrikanischen – Ländern die Vorgabe, dass Reisende, die sich länger als vier Wochen in diesem Land aufhalten bzw. aufgehalten haben, bei der Ausreise eine Impfung gegen Polio nachweisen müssen, die zwischen vier Wochen und einem Jahr davor durchgeführt wurde.

GASTAUTORIN: Univ.-Prof.in Dr.in Andrea Grisold, MBA Leiterin des Bereichs Klinische Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Impfungen, Med Uni Graz

Der Umfang der für ein Reiseland empfohlenen Impfungen hängt immer auch von der Art und Weise bzw. der Dauer des Aufenthalts ab. Unterschieden werden dabei reine Badeurlaube oder Städtetourismus von Rucksacktourismus, Aufenthalten im Rahmen von Hilfsprojekten oder Mitarbeit bei sozialen Projekten. Tollwutimpfungen werden insbesondere bei Reisen nach Südostasien, Südamerika oder Indien dringend empfohlen. Moderne Tollwutimpfstoffe oder Immunglobuline sind nicht in jedem Land verfügbar

– auch diesbezüglich empfiehlt es sich, vorab Informationen einzuholen bzw. die drei notwendigen Teilimpfungen bereits in Österreich vorzunehmen.

Grundimpfungen

up to date halten

Jede reisemedizinische Beratung bzw. Impfpasskontrolle sollte darüber hinaus

15 Mai 2023 Hausärzt:in dossier
© privat
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„Eine effiziente Reiseberatung sollte in etwa fünf bis sechs Wochen vor einer Reise stattfinden. Impfempfehlungen richten sich dabei nach Reiseland, Reisestil bzw. Reisezeit.“

dazu genutzt werden, die Grundimpfungen, etwa gegen Diphtherie/Tetanus/Polio/Pertussis, aktuell zu halten. Die Wiederkehr von Diphtheriefällen in Österreich bzw. in anderen europäischen Ländern zeigt, dass sogar bereits in Vergessenheit geratene Infektionskrankheiten erneut auftreten können. In Österreich sind die meisten Personen grundimmunisiert und die Ansteckungswahrscheinlichkeit dadurch gering, nichtsdestotrotz ist sie gegeben. Der Impfschutz sollte alle zehn (bis 20) Jahre aktualisiert werden, bei Personen, die älter als 60 Jahre sind, bereits alle fünf Jahre.

Derzeit gibt es in Österreich wieder einen Masernausbruch – Masern spielen aber auch bei Reisen eine Rolle. Insbesondere aus einigen afrikanischen Ländern werden aktuell größere Masernausbrüche gemeldet. Kriegsgeschehnisse und der damit verbundene Zusammenbruch von Gesundheitssystemen führen dazu, dass Masern wieder im Vormarsch sind.

Impfungen bei Immunsuppression

Fragen zu (Reise-)Impfungen können aufkommen, wenn Reisende an diversen Grunderkrankungen leiden, Medikamente einnehmen oder immunsupprimiert sind. Eine gute Übersicht über den Grad der Immunsuppression durch einzelne Medikamente und über dadurch eventuell notwendige Impfabstände ist in der Broschüre „ I mpfungen bei Immundefekten/ Immunsuppression“ enthalten (zugänglich unter: gesundheit.gv.at).

Impfungen machen immer nur einen Teil der reisemedizinischen Beratung aus. Empfehlungen betreffend Mückenschutz, je nach Reiseland Empfehlungen für die Malariaprophylaxe und der Hinweis „C ook it, boil it, peel it oder forget it “ gehören ebenso dazu wie gegebenenfalls Hilfe bei der Zusammenstellung einer reisemedizinischen Apotheke.

Informationen zum Reiseland im Allgemeinen

Ganz allgemeine Informationen zu Sicherheit, Klima, Gesundheitssystem und Impfungen findet man auf den Seiten des Außenministeriums (bmeia.gv.at/reiseservices); Impfempfehlungen und Informationen zu aktuellen Ausbrüchen von Infektionskrankheiten auf jenen der WHO (who.int) oder des CRM – Center für Reisemedizin (crm.de).

In jedem Fall sind aktuelle Reiseinformationen und Informationen zu den einzelnen Erkrankungen bzw. Impfungen auch auf den Homepages lokaler reisemedizinischer Beratungsstellen vorhanden. In Letzteren stehen Ihnen oder Ihren Reisenden speziell in Reisemedizin ausgebildete Ärzt:innen gerne beratend zur Verfügung bzw. führen sie Impfungen durch, sofern diese nicht in der Praxis erfolgen. <

16 Mai 2023 Hausärzt:in dossier

Urlaub als Belastungsprobe

Patient:innen mit Vorerkrankungen sollten umfassend beraten und betreut werden

Auch aus medizinischer Sicht ist das „Verlassen der Komfortzone“ für Risikogruppen mit einem größeren Aufwand verbunden. Das Vorausplanen einer Reise hat für Menschen mit Erkrankungen oder besonderen Bedürf-

nissen eine beträchtliche Relevanz. Sowohl die Angebote für als auch die Nachfrage von Betroffenen nehmen zu, weshalb die beratende Funktion von Hausärzt:innen und Fachpersonen für Reisemedizin an Bedeutung ge-

winnt. Das oberste Ziel lautet, den Auslandsaufenthalt so sicher wie möglich zu gestalten. Die Überlegungen hierzu sind naturgemäß abhängig von der Art der Erkrankung bzw. Beeinträchtigung und dem Reiseziel. Sie reichen von der adäquaten Medikation bis hin zum Ernstfall – der Reiserückholung (siehe Infobox).

INFO

Checkliste für die Beratung von Risikogruppen

X HAUSÄRZT:IN-Buchtipps

CRM Handbuch Reisen mit Risiko 2023

Von Tomas Jelinek

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17 Mai 2023 Hausärzt:in dossier <

Sommer, Urlaub & kardiovaskuläre Erkrankungen

70 Prozent der Todesfälle auf Reisen sind auf HKE zurückzuführen

Fast alle Herzpatient:innen können sich mittlerweile sicher in den Urlaub begeben – vorausgesetzt, sie haben eine individuelle Beratung in Anspruch genommen und sind auf alle Eventualitäten gut vorbereitet. Für die Risikoabwägung sind von der beratenden Ärzt:in die genauen Reisebedingungen zu erfragen. Besondere Umwelteinflüsse und Aktivitäten bringen Herzpatient:innen mitunter an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Um dem zu begegnen, helfen Informationen und Vorbereitungen. Bei einem kardiologischen Kontrolltermin einige Wochen vor Reisebeginn werden Untersuchungen vorgenommen, um die gesundheitliche Situation besser einschätzen zu können.

Faktor Reisetauglichkeit

Die sauerstoffarme Luft auf Flugreisen belastet das kardiovaskuläre System. Bei einer Herzinsuffizienz sind zum Beispiel folgende Mindestkriterien zu beachten:

VK: 3,0 l; FEV1: 70 %; pO2: 70 mmHg; SaO2: 85 %; beschwerdefreie Gehstrecke von 80 m oder 12 Stufen. Eine dekompensierte Herzinsuffizienz stellt eine Kontraindikation für die Anreise per Flugzeug dar. Wenn eine zusätzliche Sauerstoffgabe notwendig ist, dann sollten Patient:innen unbedingt vorab mit der Fluggesellschaft Kontakt aufnehmen.

Allgemein gilt die Reisefähigkeit bei Betroffenen bis NYHA-Stadium II als unproblematisch. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Herzinsuffizienz bekanntlich ein Symptom und keine Diagnose darstellt – eine Abklärung der Ursache ist daher unerlässlich.

Neue Umgebungen als körperliche Herausforderungen

Als „ Belastungsprobe“ gelten – neben der Art der Anreise – auch besondere Umwelteinflüsse wie klimatische Bedingungen. Tropen, Wüsten, eine

starke Kälteexposition sowie Höhenaufenthalte können – auch für gesunde Personen – sehr beschwerlich sein. Beispielsweise ist damit zu rechnen, dass der Ruhepuls pro zusätzlichen 1000 hm um etwa zehn Prozent steigt und es zu einem Leistungsabfall von bis zu 15 % kommt. Beides kann für Patient:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen eine immense Belastung bedeuten. Ein Höhenaufenthalt erhöht das Thromboserisiko um das 30-Fache, davon ist u. a. bestimmten Schlaganfallpatient:innen abzuraten. Zu bedenken sind weitere Aspekte wie die adäquate Medikation, die Ernährung, der Flüssigkeitshaushalt, aber auch die Feinstaubbelastung vor Ort.

Medikation als kritischer Punkt

sind vor allem dann anzuwenden, wenn Herzmedikamente eingenommen werden, welche die Haut sonnenempfindlicher machen. Zudem sind mögliche Wechselwirkungen zu beherzigen, diese kommen bei der Malariaprophylaxe häufig vor.

Nicht außer Acht gelassen werden sollte die Gefahr einer Dehydrierung. Bei der Einnahme von Diuretika kann aufgrund zusätzlicher Faktoren wie starker Hitze, Reisediarrhoe oder trockener Luft im Flugzeug leicht ein Flüssigkeitsmangel auftreten.

Breitspektrumsunblocker

Reisende, die Kalziumantagonisten einnehmen – zum Beispiel wegen einer arteriellen Hypertonie – sollten darauf hingewiesen werden, dass die Wirkung der Arzneimittel durch Grapefruitsaft massiv verstärkt wird und dadurch eine erhebliche Kollapsgefahr besteht. Bei dieser Risikogruppe sollte generell hervorgehoben werden, dass viele Antihypertensiva eine orthostatische Intoleranz verstärken können – vor allem bei Dehydration und in heißer Umgebung. Als Herz-Kreislauf-Medikamente sind diesbezüglich besonders ACE-Hemmer, Alpha-/Betablocker, Kalziumantagonisten, Nitrate und Hydralazin zu nennen. Um die wirksame Dosis von Arzneimitteln stabil zu halten, muss bei einer Zeitverschiebung von mehr als zwei Stunden gen Westen gemäß einer Formel erhöht, gen Osten verringert

18 Mai 2023 Hausärzt:in dossier
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Serie
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KARDIO

werden. Wird ein gerinnungshemmendes Medikament (siehe Thromboserisiko) eingenommen, so muss im Urlaub die Möglichkeit der Selbstkontrolle des INR-Wertes zur Beurteilung der Blutgerinnung gegeben sein. Dieser kann sich durch das Klima, ungewohntes Essen oder neue Situationen verändern.

Thromboserisiko

Langes Sitzen in Flugzeug, Bus, Zug oder Auto kann eine Thrombose begünstigen. Schwangeren, stillenden Müttern, Menschen über 60 Jahre oder mit einer bekannten Gerinnungsstörung sind Thrombosestrümpfe zu empfehlen. Auch bei sehr großen (über 190 cm) und sehr kleinen (unter 160 cm) Personen ist das Risiko erhöht, zudem bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva, bei familiärer Vorbelastung, Varizen oder Adipositas. Als mögliche Alternative zu Heparinspritzen stehen direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) zur Verfügung. Diese Gerinnungshem-

mer sind dann zu empfehlen, wenn ein hochgradiges Risiko (zum Beispiel Malignom) oder mehrere Risikofaktoren vorliegen – oder wenn die Reise länger als 16 Stunden dauert. Sowohl bei einer reinen Varikosis als auch bei einer Cumarin-Antikoagulation nach tiefer Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie gilt: Bei Reisen, die länger als vier Stunden dauern, sollte unbedingt auf Pausen, auf die Aktivierung der Wadenmuskulatur und auf ausreichende Hydrierung geachtet werden. Erstere Situation erlaubt eine Reise, wenn eine laufende (Kompressions-)Therapie gegeben und keine akute Behandlung notwendig ist – letztere erfordert hierfür Selbstkontrolle und eine stabile Einstellung.

Fazit

Die fachliche Beratung und Untersuchung von Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen vor dem Urlaubsbeginn stellt eine wesentliche präventivmedizinische Aufgabe dar. Für

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die Einschätzung der Reisefähigkeit und etwaiger Risiken ist das jeweilige Krankheitsbild ebenso von Bedeutung wie das genaue Urlaubsziel und Vorhaben. Dabei sind stets aktuelle Entwicklungen zu berücksichtigen und Informationen einzuholen.

Mag.a Ines Pamminger, BA

Literatur:

Jelinek T, CRM Handbuch Reisen mit Risiko 2023, CRM Centrum für Reisemedizin GmbH, 2022. PM, Centrum für Reisemedizin (Februar & März 2022), crm.de

Rolle der Prävention

Rund 70 Prozent aller auf Reisen auftretenden Todesfälle können auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückgeführt werden. Jedoch nehmen nur 40 Prozent der Herzpatient:innen vor Reiseantritt eine reisemedizinische Untersuchung und Beratung in Anspruch.

Quelle: PM, Centrum für Reisemedizin (März 2022).

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Chaos im Gastrointestinaltrakt

Reisediarrhö und ihre Folgen – ein Zusammenspiel mit dem Darmmikrobiom

Bei Auslandsaufenthalten kann das Verdauungssystem durch äußere Einwirkungen unterschiedlichster Art, etwa ungewohntes Essen, einen Kli -

mawechsel sowie einen anderen Tagesrhythmus, aus dem Gleichgewicht geraten. Bereits nach kurzer Zeit ändert sich die mikrobielle Zusammensetzung im Darm – eine Dysbiose entsteht. Diese Veränderungen begünstigen die Ansiedelung und das Wachstum von pathogenen Mikroorganismen und erhöhen das Risiko, Magen-Darm-Infektionen während der Reise zu erleiden. Darüber hinaus können durch den Genuss von Wasser, Eiswürfeln, Salaten und ungeschältem Obst fremde Keime in den Darm gelangen. Durchfallerkrankungen sind

für Betroffene äußerst unangenehm, insbesondere wenn sie während einer Reise auftreten. Deshalb ist die Zusammensetzung und Diversität des Darmmikrobioms von entscheidender Bedeutung, um das Risiko einer Reisediarrhö zu reduzieren und das Immunsystem zu stärken.

Hochrisikodestinationen

Reisedurchfall ist die häufigste Reisekrankheit. Sie betrifft jährlich Millionen von internationalen Reisenden und kann Reisepläne erheblich stören.

20 Mai 2023 Hausärzt:in dossier
„Zwischen 30 und 70 % aller Tourist:innen nehmen aus fernen Ländern multiresistente Darmbakterien mit nach Hause.“
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GASTAUTORIN:

Erregers erworben, typischerweise durch die Aufnahme von Nahrung und Wasser, welche mit Fäkalien kontaminiert sind. 80-85 % der Durchfallerkrankungen auf Reisen werden von bakteriellen Erregern ausgelöst. ETEC (Enterotoxische Escherichia coli ) sind für den Großteil der Reisediarrhöen verantwortlich: Sie produzieren Toxine, die Entzündungen in Magen und Darm hervorrufen, und führen in der Regel zu massiven wässrigen Diarrhöen, die bei immunkompetenten Erwachsenen unangenehm sind, aber selbstlimitierend verlaufen. Salmonella spp , Shigella spp , Listerien und verschiedene Arten von Campylobacter können durch eine Invasion in die Mukosazellen die Schleimhaut des Kolons angreifen, sich in der Darmwand einnisten bzw. durch die zerstörte Darmbarriere in die Blutbahn gelangen und sich in anderen Organen ansiedeln. Lebenslange Komplikationen können die Folge sein.

Expertinnentipp

Huminsäuren bei Diarrhö und Toxinbelastung

Mag. Anita Frauwallner, Darmexpertin

Wien, eat2day.at

Die Reisediarrhö geht mit gastrointestinalen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfen, Fieber oder Blut im Stuhl einher und tritt entweder direkt im Urlaubsland oder innerhalb von zehn Tagen nach der Rückkehr auf. Das Risiko zu erkranken, hängt in erster Linie vom Reiseziel ab, wobei starke Durchfallerkrankungen in Ländern mit schlechten Hygienebedingungen, insbesondere in warmen Klimaregionen, am häufigsten auftreten. Hochrisikodestinationen, bei denen die Inzidenzrate von Reisedurchfall ≥ 20 % beträgt, sind Afrika (mit Ausnahme von Südafrika), Süd- und Mittelamerika, Süd- und Südostasien sowie die Dominikanische Republik. Reiseziele mit mittlerem Risiko, also mit einer Inzidenzrate von 8 bis unter 20 %, umfassen Südund Osteuropa, Zentralund Ostasien, den Nahen Osten, Südafrika und die Karibischen Inseln.1

Obwohl die Symptome in der Regel von selbst abkligen, kann eine Reisediarrhö auch schwerwiegende Folgen haben. Wenn der Darm durch vermehrten Stress oder eine schon vorhandene Dysbiose angeschlagen ist und bereits Schäden an der Darmbarriere aufweist (Leaky Gut), können sich Toxine in der Darmwand einnisten, die nicht einfach mit dem Durchfall ausgeschieden werden. Etwa 10 % der Betroffenen entwickeln langfristige Magen-Darm-Beschwerden wie chronischen Durchfall, ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom oder Colitis ulcerosa.2

Zwischen 30 und 70 % aller Tourist:innen nehmen aus fernen Ländern multiresistente Darmbakterien mit nach Hause. Forschungsergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Reisedurchfallerkrankungen in Urlaubsländern mit unkontrolliertem Antibiotikaeinsatz durch die Einnahme von spezifischen Probiotika vorzubeugen und damit den Erwerb antibiotikaresistenter Darmbakterien und deren Import nach Europa zu minimieren.3

Potenziell invasive Erreger

Reisediarrhö wird normalerweise durch die fäkal-orale Übertragung des verursachenden

Vorsicht ist besser als Nachsicht

„ Koch es, schäl es oder lass es!“ Um das Risiko einer Reisediarrhö bestmöglich zu reduzieren, sollte Reisenden geraten werden, einige einfache Hygieneregeln bei jedem Auslandsaufenthalt zu beachten.

Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte sollten gut durchgebraten sein.

Weich gekochte Eier oder Omeletts sind zu meiden – diese können wahre Brutstätten von Keimen sein.

Salate und Früchte sollten nicht mit Leitungswasser gewaschen werden. Schälbare Früchte wie Bananen oder Mangos sind zu bevorzugen.

Im Alltag ist der Mensch oft schädigenden Umwelteinflüssen ausgesetzt. Schwermetalle sowie Rückstände aus Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln können unseren Organismus belasten und negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Darmmikrobiom haben. Dies äußert sich unter anderem in Form von unspezifischen Durchfällen und Magen-Darm-Beschwerden.

Bindung belastender Stoffe

Huminsäuren stellen eine innovative Lösung für dieses Problem dar. Dies sind natürliche Abbauprodukte von Pflanzen, die überall in der Natur vorkommen. Die in OMNi-LOGiC® HUMIN* enthaltenen Huminsäuren haben die Fähigkeit, Schadstoffe und Toxine im Darm fest an sich zu binden. So sorgen sie dafür, dass diese ausgeschieden werden.

Schutzfilm über Darmepithel

Im Gegensatz zu Aktivkohlepartikeln erreichen die speziellen Huminsäuren WH67® in OMNi-LOGiC® HUMIN alle Bereiche der Darmoberfläche und legen sich so als schützender Film über die Darmepithelzellen. Dadurch stellen sie die bei einer Durchfallerkrankung beanspruchten, peripheren Nervenenden ruhig und beschleunigen die Wiederherstellung einer physiologischen Darmfunktion. Sie dichten außerdem die Schleimhäute ab und verhindern damit, dass Schadstoffe in das Blutsystem eindringen. Darüber hinaus verdrängen sie Krankheitserreger und haben einen entzündungshemmenden Effekt.

Empfehlen Sie OMNi-LOGiC® HUMIN:

• bei unspezifischen Diarrhöen und gastrointestinalen Beschwerden

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© Sabine Klimpt
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Mag.a Veronika Macek-Strokosch Ernährungswissenschafterin, Dipl. Fachberaterin für Darmgesundheit in

Vorsicht ist bei Melonen geboten, denn deren Gewicht wird häufig durch Wasser erhöht, um die Frucht teurer verkaufen zu können.

Regelmäßiges Händewaschen und eine sorgfältige Handdesinfektion, besonders vor dem Essen und nach dem Toilettengang, reduzieren das Risiko einer Infektion.

Wasser aus original verschlossenen Flaschen trinken – auf das Zischen bzw. Ploppen beim Öffnen der Wasserflasche achten, auf Eiswürfel in Getränken verzichten.

Ist es doch zu Durchfall gekommen, können Betroffene die Genesung unterstützen, indem sie viel trinken, um den Flüssigkeitshaushalt in der Balance zu halten. Geeignet sind Tee, abgekochtes Wasser, aber keine Softdrinks, denn Zucker entzieht dem Körper noch mehr Wasser. In puncto Ernährung bei Diarrhö ist auf leicht verdauliche Schonkost zu setzen, z. B. helles Brot, gedünstete Karotten, Reis, Haferbrei etc. Außerdem ist die Einnahme von Probiotika ratsam, um die Darmflora bei der Abwehr der Durchfallerreger zu unterstützen.

Prävention mit Probiotika Reiseexpert:innen empfehlen, den Darm vor jeder Reise mit speziellen Reiseprobiotika vorzubereiten und während der Urlaubszeit zu stärken. Große Metaanalysen zeigen, dass der Darm durch probiotische Bakterien auf Reisen in fremde Länder vorbereitet werden kann.4 Eine wissenschaftlich untersuchte Kombination aus humanen Lactobacillus - und Bifidobacterium -Stämmen hat sich

als effektives Mittel zur Prävention von Reisediarrhö erwiesen. Durch die Einnahme vor und während der Reise kann dazu beigetragen werden, die Darmflora positiv zu modulieren und somit die Kolonisationsresistenz gegenüber pathogenen Keimen zu erhöhen. Eine Studie mit 264 Reisenden zeigte, dass sich durch die Gabe des Multispezies-Probiotikums einmal täglich spätestens ab Beginn der Reise bei 88 % der Proband:innen der Reisedurchfall verhindern ließ. Zudem wurden bereits bestehende Magen-Darm-Beschwerden bei über 90 % der Studienteilnehmer:innen gelindert.5

Literatur:

1 Leung AKC et al., Recent Pat. Inflamm. Allergy Drug Discov. 13, 38–48 (2019).

2 Steffen R et al., JAMA 313, 71–80 (2015).

3 Kantele A et al., The Lancet Microbe 2, e151–e158 (2021).

4 McFarland LV, Travel Med Infect Dis. 2007 Mar;5(2):97-105.

5 Müller H, Flug u Reisemed 2016;23(5):232–236.

Illustrationen: shutterstock.com/ BlueRingMedia/ Victoria Sergeeva/mything/WinWin artlab/ Good Job/ He2/yusufdemirci

22 Mai 2023 Hausärzt:in dossier
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HOYA MiYOSMART

Das kindgerechte Myopie-Management

HOYA MiYOSMART Brillengläser mit der innovativen D.I.M.S.Technologie (Defocus Incorporated Multiple Segments) sind eine sichere und effektive Methode zur Verlangsamung der progressiven Myopie im Kindesalter. Sie werden in der Leitlinie1 der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft als Teil des Behandlungsplans empfohlen. Was MiYOSMART außerdem auszeichnet: die einfache Handhabung im Alltag. Das Aufsetzen einer Brille gestaltet sich „kinderleicht“, verglichen etwa mit dem Einsetzen von Kontaktlinsen oder der Verwendung von Augentropfen.

Die D.I.M.S.-Technologie ist sehr gut untersucht, auch im Langzeitsetting. So präsentierte HOYA anlässlich der Konferenz der Association for Research in Vision and Ophthalmology (ARVO) 2022, in Denver Colorado, die Ergebnisse der sechsjährigen klinischen Nachfolgestudie zum MiYOSMART Brillenglas. 2 Es ist die bisher längste Studie zu einem Myopie-Management-Brillenglas. Die Untersuchung zeigte eine langanhaltende Verlangsamung der Myopie-Progression auf. Neben Daten aus dem asiatischen Raum stehen zahlreiche aus Europa zur Verfügung – erst kürzlich erschien eine unabhängige Studie aus Deutschland3, welche den Fokus auf die Sicherheit im Straßenverkehr legte.

Verkehrssicherheit bestätigt

Die aktuelle Studie von Prof. Hakan Kaymak et al. 3 stellte fest, dass MiYOSMART Brillengläser allein, aber auch in Kombination mit gering dosiertem Atropin die Sicherheit im Straßenverkehr nicht beeinträchtigen. Sowohl niedrig dosiertes Atropin als auch HOYA MiYOSMART Brillengläser sind nachweislich für das MyopieManagement wirksam. Die visuellen Nebenwirkungen und Effekte dieser Methoden könnten sich bei einer möglichen Kombination verstärken. In der deutschen Studie wurden die für das Sehen und die Verkehrssicherheit relevanten Parameter unter dem Einfluss von MiYOSMART Brillengläsern und 0,01 % Atropin untersucht. Die Resultate zeigen, dass die zentralen Sehfunktionen von Brillengläsern mit D.I.M.S.-Technologie alleine sowie in der Kombination mit 0,01 % Atropin nicht klinisch relevant eingeschränkt werden und die kurzzeitig in der Peripherie wahrnehmbaren optischen Effekte die Objekterkennung nicht beeinflussen. MiYOSMART selbst wie auch die Kombinationstherapie mit 0,01 % Atropin ist daher als unbedenklich im Straßenverkehr anzusehen.

„Die Studie belegt nochmals, wie sicher die HOYA MiYOSMART Brillengläser mit der innovativen D.I.M.S.-Technologie im Stra -

ßenverkehr sind und dass sie das tägliche Leben der Kinder nicht beeinträchtigen“, unterstreicht Christian Zsidek, MSc, Geschäftsführer bei Hoya Lens Österreich.

Positive Praxiserfahrungen

In Österreich sind die MiYOSMART Brillengläser seit April 2021 auf dem Markt. „Mittlerweile konnten viele Kinder mit MiYOSMART versorgt werden. Der Erfahrungsschatz aus dem Alltag ist reich und spiegelt die Wirksamkeitsbelege, die wir aus Studien haben, wider“, berichtet Zsidek. Dabei hebt der Geschäftsführer den Stellenwert einer multidisziplinären Kooperation hervor: „HOYA Lens arbeitet mit Optiker:innen, Orthoptist:innen sowie Ophthalmolog:innen gleichermaßen eng zusammen.“ Der rege Austausch zwischen allen Beteiligten stelle eine wichtige Bereicherung dar. Letztendlich komme es darauf an, dass die von Myopie betroffenen Kinder bestmöglich betreut werden.

Referenzen:

1 Leitlinie zur Hemmung der Myopieprogression im Kindes- und Jugendalter (Version 1.01), Kommission für Refraktion und Optometrie der ÖOG, 17.09.2021. Download unter: augen.at/fuer-aerztinnen/kommissionen

2 Lam CSY et al., Long-term myopia control effect and safety in children wearing DIMS spectacle lenses for 6 years. Sci Rep 13, 5475 (2023). doi.org/10.1038/s41598-023-32700-7

3 Kaymak H et al., Safety of DIMS Spectacle Lenses and Atropine as Combination Therapy for Myopia Progression. Klin Monbl Augenheilkd. 2022 Oct;239(10):1197-1205.

Kontakt : Hoya Lens Österreich

Eine Niederlassung der Hoya Lens Deutschland GmbH

Web: hoya.at und miyosmart.at

Neue Sonnenbrillengläser

Um das Fortschreiten der Myopie bei Kindern mithilfe der D.I.M.S.Technologie effektiv zu verlangsamen und gleichzeitig Schutz vor intensivem Sonnenlicht zu bieten, wurden die phototropen Brillengläser MiYOSMART Chameleon und die polarisierenden Brillengläser MiYOSMART Sunbird entwickelt. MiYOSMART Chameleon passt sich schnell an die Intensität der Sonneneinstrahlung an und wird in Innenräumen innerhalb von Sekunden wieder klar. MiYOSMART Sunbird ist die ideale Ergänzung zu den farblosen MiYOSMART Brillengläsern und schützt zusätzlich vor intensivem Sonnenlicht und Blendung. Langzeitschäden an den Augen durch einen wirksamen und zuverlässigen Sonnenschutz zu verhindern, ist ebenso wichtig für die Kinder, wie der Aufenthalt im Freien.

Nähere Informationen und Literatur unter: hoyavision.com/de/produkte/miyosmart/miyosmart-sun

Hausärzt:in informativ 23 Mai 2023 BEZAHLTE
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Die Kunst des Schlafens

Ausblick auf die heurige Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin

In den Lehrplänen mittelalterlicher Klostergemeinschaften war neben der „Kunst des Sterbens“ („a rs moriendi“) immer auch die „Kunst des Schlafens“ („a rs dormiendi“) als Unterrichtsgegenstand enthalten. Diese Tradition hatte ihre Wurzeln in der griechischen Mythologie, nach welcher Nyx, die Göttin der Nacht, zwei Söhne gebar: Hypnos, den Gott des Schlafes, und Thanatos, den Gott des Todes. Knüpft das Motto der diesjährigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM) an diese mittelalterliche Idee einer „a rs dormiendi“ an? „ Ein wenig schon, wenn auch das Wortspiel ‚Die Kunst des Schlafens/ Schlaf in der Kunst‘ eher unseren Überlegungen bei der Konzeption der Tagung entsprach“, meint OA Dr. Andreas Kaindlstorfer, Tagungsorganisator und Schlafmediziner am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums Linz, in einem Interview. Die thematische Ausrichtung der Veranstaltung, so OA Kaindlstorfer, setzt eine bereits mehrjährige Linzer Tradition von Projekten fort, die immer wieder das Thema Schlaf und Kunst zum Inhalt hatten. Etwa beim „sleep battle“, der im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2018 stattgefunden hat, haben zwei freiwillige Testschläfer live vor Publikum darum gewetteifert, wer am schnellsten einschlafen kann.

Diskussionsthema neue Technologien

Den Schlaf aus dem wissenschaftlichmedizinischen Bereich herauszulösen und in einen anderen Kontext zu setzen, eröffnet Perspektiven und bringt Neues ans Tageslicht. „Vom künstlerischen Zugang erhoffen wir uns eine Bereicherung der Auseinandersetzung mit dem Thema und eine Erweiterung hin zu einer kunstvolleren Gestaltung des eigenen Schlafs“, schildert OA Kaindlstorfer. Nicht zuletzt der boomende Markt der Schlaftracker und der vielen Möglichkeiten, den eigenen Schlaf zu vermessen und zu optimieren, lässt vermuten, dass sich unsere Schlafgewohnheiten in Zukunft drastisch verändern werden. Nach Meinung des Experten unterliegt Schlaf wie kaum eine andere Lebensform einem kulturellen Wandlungsprozess, der sich nicht nur in veränderten Schlafzeiten widerspiegelt, sondern ebenso in der Art und Weise, wie wir mit unserem Schlaf umgehen oder wie Schlaf in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird –Stichwort: „ Schlafen kann ich, wenn ich tot bin!“ Die Möglichkeiten, aber auch Risiken, die sich aus diesen neuen Technologien zur Selbstoptimierung des Schlafs ergeben, sind Gegenstand intensiver Diskussionen, auch im Rahmen der Jahrestagung.

Selbstfürsorge statt -optimierung

Unser modernes Leben bringt eine Vielzahl von Problemen mit sich, die uns den Schlaf rauben. „Postpandemische Belastungen oder psychische Probleme sind einige der Gründe, warum viele nicht zur Ruhe kommen, nicht abschalten können, grübeln und deshalb nicht ein- und durchschlafen können“, weiß OA Dr. Thomas Mitterling, PhD, der ebenfalls am Neuromed Campus in Linz tätig sowie Mitorganisator der Jahrestagung ist. Strategien, um auch ohne Medikamente gut schlafen zu können, stellen wichtige neue Optionen bei der Behandlung von Schlafstörungen dar. Vorgehensweisen wie das penible Einhalten von Schlafhygieneregeln sind zwar gut gemeint, aber nicht immer zielführend. Wichtiger ist ein generelles Umdenken und Neubewerten unseres Umgangs mit dem Schlaf. Nicht Selbstoptimierung – also das Steigern von Schlafeffizienz oder -dauer –, sondern das effiziente Zuarbeiten und Vorbereiten eines erholsamen Schlafs soll das Ziel sein. „Ein Hypnosespezialist hat in diesem Zusammenhang den Begriff ‚Schlafselbstfürsorge‘ geprägt“, erzählt OA Kaindlstorfer, „ein Bild bzw. ein Wort, das viel besser beschreibt, worauf es ankommt: aufbauend auf unserem Wissen über Schlaf, den Körper dahingehend zu unterstützen,

Hausärzt:in medizinisch 24 Mai 2023
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besser einzuschlafen, z. B. mit Hilfe von chronobiologischen Maßnahmen wie dem Vermeiden von exzessivem abendlichem Medienkonsum.“

Hierbei können Hausärztinnen und -ärzte eine wesentliche Rolle spielen. Denn sie sind – nach den Erfahrungen von OA Mitterling – in der Regel die ersten Ansprechpersonen bei Schlafproblemen. Wichtig ist es, dass Mediziner sich bei Klagen über schlechten Schlaf mehr Zeit nehmen und versuchen, mögliche psychische oder lifestylebedingte Ursachen herauszuarbeiten, ohne sofort ein Schlafmittel zu verschreiben. Schlafstörungen haben viele Gründe und sind entsprechend ernst zu nehmen. Unter allen Umständen soll eine Chronifizierung vermieden werden, denn: Je länger eine Schlafstörung bereits anhält, desto schwieriger wird es, diese im Laufe der Zeit zu behandeln. Wünschenswert wäre, dass Hausärztinnen und -ärzte bei persistierenden Schlafproblemen eine weiterführende Abklärung in einer Schlafambulanz möglichst früh in Erwägung ziehen und entsprechend zuweisen, so OA Mitterling.

Zukünftige Entwicklungen in der Forschung

Kongresse sind immer auch die erste Anlaufstelle, um sich über neue Trends oder Entwicklungen zu informieren. „Schlaf könnte dabei auch einen Blick in die Zukunft ermöglichen“, macht OA Mitterling aufmerksam. Laut aktuellen Studien zeigen sich charakteristische Schlafprobleme bei bestimmten neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. beim Morbus Parkinson, schon Jahre vor deren Erstmanifestation und könnten so eine frühzeitige Therapie ermöglichen. OA Mitterling sieht darin ein großes Potential und einen entsprechenden Bedarf an systematischer Forschung. Eines ist jedoch klar: Personen, die ausreichend schlafen, zeigen ein geringeres Erkrankungsrisiko und leben auch länger. Den Organisatoren der diesjährigen Jahrestagung der ÖGSM/ASRA (Austrian Sleep Research Society) zufolge ist gut zu schlafen aber keine große Kunst und unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen von jedem erlernbar. Wichtige Schrit-

te sind, sich bereits am frühen Abend zu entspannen, den Alltag bewusst hinter sich zu lassen und mit positiven Gedanken den Tag abzuschließen. Was noch dabei hilft, wollen die beiden Fachärzte für Schlafmedizin nicht verraten – ein Kongressbesuch würde sich dafür allemal lohnen. So viel soll aber doch noch preisgegeben werden: Bei den bisherigen Veranstaltungen gab es immer auch etwas Besonderes, zum Beispiel einen Schlaftanz oder ein speziell gebrautes Schlafbier. Mit solchen Überraschungen ist auch heuer wieder zu rechnen.

TERMIN

Die Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin (ÖGSM/ASRA) lädt zu ihrer 31. Jahrestagung nach Linz ein, die von 23. bis 24. Juni im Palais Kaufmännischer Verein stattfinden wird. Detaillierte Informationen zur Veranstaltung sind auf der Webseite der ÖGSM/ASRA zu finden – unter: schlafmedizin.at/de/jahrestagung

Hausärzt:in medizinisch 25 Mai 2023 Fachkurzinformation siehe Seite 50

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26 Mai 2023
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Arbeitsmedizin trifft Lunge

Berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen –höchst unterschätzt?

COPD ist eine der wichtigsten Ursachen für Mortalität und Morbidität weltweit. Die Zunahme der COPD ist verbunden mit einer hohen gesundheitsökonomischen Belastung für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Neben dem inhalativen Zigarettenrauchen als wichtigstem Risikofaktor für die Entstehung einer COPD ist die berufliche Exposition gegenüber Gasen, Stäuben, Dämpfen oder Rauchen mit einem erhöhten Risiko assoziiert, eine chronische Atemwegserkrankung zu entwickeln.

Fehlende Versicherungsgegenstände

Obstruktive Atemwegserkrankungen, das Asthma bronchiale und die COPD, haben eine Prävalenz von jeweils etwa 5 % in unserer Bevölkerung. Rauchen ist nach wie vor die Hauptursache für die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD). 5-25 % der Fälle gehen aber auf die Einwirkung von Schadstoffen in der Arbeitswelt zurück. Dabei sind pathophysiologisch und nach dem Berufskrankheitenrecht allergische Krankheitsbilder (Berufskrankheit Nr. 30) von solchen chemisch irritativer Genese (BK Nr. 41) zu unterscheiden. Die nicht in der Liste der Berufskrankheiten vorkommenden obstruktiven Atemwegserkrankungen wie COPD, verursacht durch z. B. Quarz-

staub oder Passivrauch, sind kein Versicherungsgegenstand der gesetzlichen Unfallversicherung und werden auch nicht entschädigt.

2018 wurden 70 Fälle von Asthmabronchiale-Erkrankungen gemeldet, die durch allergisierende Stoffe verursacht wurden (BK 30). In puncto Erkrankungen der Atemwege durch chemisch-irritative oder toxische Stoffe (BK 41) gab es 63 anerkannte Fälle. Bei allen anderen obstruktiven Atemwegserkrankungen muss von einer hohen nicht diagnostizierten oder nicht als beruflich bedingt betrachteten Anzahl ausgegangen werden.

Pathogenese der BK 30: Asthma bronchiale

Berufsbedingtes Asthma bezeichnet eine reversible Atemwegsobstruktion, die sich nach Monaten bis Jahren der Sensibilisierung auf ein am Arbeitsplatz vorkommendes Allergen entwickelt. Das Krankheitsbild wird sowohl durch immunologische als auch durch nicht immunologische Pathomechanismen verursacht. Immunmediierte Mechanismen umfassen IgE- und nicht-IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen auf am Arbeitsplatz vorkommende Allergene. Es gibt Hunderte von beruflichen Allergenen, die von niedermolekularen Chemikalien bis hin zu großen Proteinen reichen. Beispiele sind Getreidestäube, typischerweise Mehlstaub beim „ Bäckerasthma“, proteolytische Enzyme, die bei der Waschmittelherstellung eingesetzt werden, rotes Zedernholz, Isocyanate, Formalin (selten), Anti-

biotika, z. B. Ampicillin, Epoxidharze und Tee. Berufsbedingtes Asthma ist die am häufigsten diagnostizierte berufsbedingte Lungenerkrankung in den Industrieländern. Zu den allergisch bedingten pneumologischen Berufskrankheiten zählt auch die exogene allergische Alveolitis, welche eine IgGvermittelte Typ-III-Reaktion darstellt (BK 43). Nicht immunologisch vermittelte entzündliche Mechanismen beinhalten die direkte Reizung des respiratorischen Epithels und der Mukosa der oberen Atemwege. Häufige Ursachen sind die Exposition gegenüber Chlorgas, Salzsäure und wasserfreiem Ammoniak.

Diagnose rechtzeitig sichern

Berufsasthma (BK 30) ist folgendermaßen definiert: „ Durch allergisierende Stoffe verursachte Erkrankungen an Asthma bronchiale (einschließlich Rhinopathie), wenn und solange sie zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit zwingen “ Die Symptomatik umfasst Dyspnoe, Giemen, Husten und gelegentlich allergische Symptome der oberen Atemwege. Die Diagnose basiert auf der Berufsanamnese, einschließlich der Erfassung der beruflichen Aktivitäten, der Allergene am Arbeitsplatz und eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Arbeit und Symptomatik. Die Therapie besteht darin, die Person aus der krankheitsauslösenden Arbeitsumgebung zu entfernen, jedoch unterscheidet sich die medikamentöse Behandlung nicht von der üblichen antiasthmatischen Medikation.

Die Sicherung diagnostischer Bausteine noch zu Zeiten der Tätigkeit ist wichtig und in einem späteren Berufskrankhei-

Hausärzt:in medizinisch 27 Mai 2023
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GASTAUTOR: Dr. Erich Pospischil FA für Innere Medizin, Arbeits- und Betriebsmedizin, Mitglied des Vorstandes und des wiss. Beirates der Österr. Ges. f. Arbeitsmedizin (ÖGA) © privat
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tenverfahren durch nichts zu ersetzen. Hierzu gehören insbesondere:

• Anamnese (Frage nach Besserung an arbeitsfreien Tagen),

• unspezifische Provokationstestungen (möglichst seriell),

• Peak-Flow-Messungen mit und ohne Arbeitsexposition,

• spezifische IgE-Bestimmungen,

• serielle NO-Bestimmungen.

COPD durch Arbeit

Bei Noxen, die ursächlich für beruflich bedingte obstruktive Atemwegserkrankungen (siehe Tabelle) sind, dominieren die Staubexposition durch Schweiß-, Gieß- und Schneidrauchen sowie mineralische Stäube. Die Prognose ist in der Mehrzahl der Fälle schlecht und von der Dauer der Schadstoffeinwirkung abhängig. Dies weist auf die Dringlichkeit der Frühdiagnose und der gezielten Individualprävention hin.

Ursache Quarzstaubexposition –eine neue Berufskrankheit?

Das Krankheitsbild der chronischen obstruktiven Bronchitis einschließlich des Emphysems durch arbeitsbedingte Quarzstaubexposition entsteht durch Einwirkung alveolengängiger Staubpartikel, welche Quarz, Cristobalit oder Tridymit enthalten. Die Gefährdung nimmt mit der Staubkonzentration in der Atemluft und der alveolengängigen Staubfraktion sowie mit dem Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid (SiO2) und der Expositionszeit zu. Gefahrenquellen sind z. B. die Gewinnung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Quarzitschiefer, Granit und keramischen Massen. Auch silikatisches Material kann, wenn freie kristalline Kieselsäure darin enthalten ist, eine Gefahrenquelle darstellen, beispielsweise Talkum. Exponiert sind insbesondere Tunnelbauer, Gußputzer, Sandstrahler, Ofenmaurer, Former in der Metallindustrie und Personen, die in der Steingewinnung, -bearbeitung und -verarbeitung tätig sind.

COPD-RELEVANTE BERUFLICHE NOXEN

Mineralstäube

Asbest

Rußpartikel

Keramikfasern

Kohlestaub

Eisen-/Stahlstäube

Silikogene Stäube (Quarz)

Schweißrauche

Fazit für die Praxis

• Bei zahlreichen pneumologischen Krankheitsbildern (ca. 10-30 %) spielen Einflüsse des Arbeitsplatzes eine kausale Rolle. Diese gilt es unter präventiven, aber auch kompensatorischen Erwägungen herauszufiltern und professionell abzuklären.

• Eine frühzeitige Diagnose der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankungen ist sehr wichtig, um einen weiteren Rückgang der Lungenfunktion aufgrund anhaltender Exposition zu verhindern und die gesundheitliche und sozioökonomische Belastung durch COPD zu reduzieren.

• Bei unklaren Syndromen ist eine erhöhte Aufmerksamkeit auch für bisher noch unschlüssige pathophysiologische Zusammenhänge gefordert.

• Die Expositionsanamnese bei COPDPatientinnen und -Patienten hört nicht bei der Erhebung des Raucherstatus auf, denn auch ein Raucher, eine Raucherin kann eine COPD als beruflich bedingte Atemwegserkrankung haben.

• Ein Ausbau der arbeitsmedizinischen Vorsorge und des Screenings ist gefordert.

• Merke: Berufskrankheiten sind meldepflichtig für alle Ärztinnen und Ärzte bei begründetem Verdacht!

Literatur beim Verfasser.

NACHBERICHT

Organische Stäube und Chemikalien

Getreide und Futtermittel

Baumwolle

Holzstäube

Gase/Rauche/Chemikalien

Ammoniak

Kadmium, Vanadium

SO2 (Papierfabriken), Diisocyanate

Hausärzt:in medizinisch 28 Mai 2023
Beim 42. Workshop „Lunge.Umwelt Arbeitsmedizin“, von 3. bis 4. März 2023 in Linz, war „COPD und Arbeit“ ein Schwerpunktthema.
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Quelle: Nach Werner B, Nowak D. Atemw.-Lungenkrkh., Jg 34, 2/2008.
Fachkurzinformation siehe Seite 50

SCHLUSS

MIT HANDGESCHRIEBENEN TAGEBÜCHERN.

Typ-2-Diabetes bleibt bei Frauen

länger unerkannt

Geschlechtsspezifische Unterschiede werden

noch zu wenig beachtet

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Eine Übersichtsstudie der MedUni Wien zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes auf. Die Untersuchung von Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra KautzkyWiller, Priv.-Doz. Dr. Michael Leutner, MSc PhD und Dr. Jürgen Harreiter, MSc von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien ergab, dass weltweit mehr Männer von Diabetes mellitus betroffen sind als Frauen, jedoch wird Typ-2-Diabetes bei Ersteren oft früher diagnostiziert als bei Letzteren. Männer sind zum Zeitpunkt der Diagnose in der Regel weniger übergewichtig, weisen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und hormonellen Situation jedoch eine höhere Insulinresistenz und mehr Viszeralfett auf. Bei Frauen wird die Diagnose Typ-2Diabetes hingegen oft erst im Zuge von Untersuchungen während der Schwangerschaft gestellt. Gestationsdiabetes gilt als starker Risikofaktor für einen später auftretenden Typ-2-Diabetes. Schätzungen zufolge ist jede siebente werdende Mutter davon betroffen. Das bedeutet, dass diese Frauen ein 50- bis 70-prozentiges Risiko haben, einen Typ2-Diabetes zu entwickeln, auch wenn nach der Geburt die Blutzuckerwerte ohne Therapie wieder völlig normal sind. „Hormonelle Unregelmäßigkeiten bei Frauen – wie Zyklusstörungen oder polyzystisches Ovarsyndrom – sollten stärker beachtet werden, da sie Einfluss auf das Risiko eines Typ-2-Diabetes haben können“, erklärt Prof.in Kautzky-Willer. „ Auch chronischer Stress und Übergewicht sind Risikofaktoren bei Frauen “ Die Experten empfehlen, bereits vor der Erfüllung des Kinderwunsches Prädiabetes auszuschließen. Zudem wird darauf hinge-

30 Mai 2023
ACCU-CHEK, ACCU-CHEK GUIDE, ACCU-CHEK INSTANT, ACCU-CHEK MOBILE und MYSUGR sind Marken von Roche. Alle weiteren Produktnamen und Marken gehören den entsprechenden Eigentümern. © 2023 Roche Diabetes Care | www.accu-chek.at | Roche Diabetes Care Austria GmbH | 1210 Wien | Engelhorngasse 3
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Simone hat Typ-2 Diabetes. Sie ist mySugr Fan.
Patil

EXPERTIN: Univ.-Prof.in Dr.in Alexandra KautzkyWiller Fachärztin für Innere Medizin und Professorin für Gendermedizin an der MedUni Wien

wiesen, dass sich das Risikoprofil von Frauen nach der Menopause aufgrund des Abfalls von Östrogen als hormonellem Schutzfaktor ändert und ihr Risiko, einen Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln, stark steigt. Eine Hormonersatztherapie kann das Diabetesrisiko bei Frauen in der Menopause deutlich senken.

Frühzeitige Diagnose und Therapie wesentlich

Die Studie hebt auch hervor, dass die derzeitigen Grenzwerte für die Diagnose von Typ-2-Diabetes bei Frauen möglicherweise problematisch sind, da Nüchternblutzuckerwerte und HbA1cWerte im frühen Stadium oft noch im Normbereich liegen.

„ Es ist notwendig, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Typ-2-Diabetes berücksichtigt werden, um die Gesundheit von Frauen besser zu schützen“, fügt Internistin Prof.in Kautzky-Willer hinzu. Die Autoren betonen die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und einer konsequenten medikamentösen Therapie bei Frauen mit Typ-2-Diabetes, um den Krankheitsverlauf zu verbessern und das Risiko eines Myokardinfarkts und Insults zu reduzieren.

Die Rolle der psychosozialen Faktoren

Eine große Rolle in puncto Typ-2-Diabetes spielen bei Frauen auch psychosoziale Faktoren wie ein geringerer Bildungsgrad, Traumatisierung, emotionaler Stress bis Depressionen und ein schlechter sozioökonomischer Status. Liegt bereits eine Diabeteserkrankung vor, kommt der spezifische Diabetes-Distress hinzu, der sich in Sorgen, Ängsten und Belastung im Zusammenhang mit der fordernden Krankheit äußert. „ Das ist bei Frauen ein größeres Thema, nicht zuletzt wegen einer anderen Planung der Schwangerschaft im gebärfähigen Alter“, so Prof.in Kautzky-Willer.

Margit Koudelka

Literatur:

Kautzky-Willer et al., Diabetologia. 2023 Mar 10; DOI: 10.1007/s00125-023-05891-x.

MEINMED-VORTRAG

Im Rahmen von MeinMed hielt Univ.-Prof. in Dr. in Alexandra Kautzky-Willer einen Vortrag über gendermedizinische Aspekte des Diabetes. Das gesamte Video dazu finden Sie auf meinmed.at/2182

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Hausärzt:in medizinisch 31 Mai 2023
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Hausärzt:in medizinisch 32 Mai 2023
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oft langer und harter Leidensweg“

Unser Thema heute sind Angsterkrankungen. Welche Bedeutung kommt diesen in der Gesellschaft zu? Angststörungen zählen mit einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 25 Prozent zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Für sich macht jede aber nur wenige Prozent aus – je nach Erkrankung und Studie. Die allermeisten Patientinnen und Patienten mit einer Angststörung werden letztlich im hausärztlichen Umfeld behandelt. Allerdings nehmen Betroffene leider kaum bzw. sehr spät wegen des Leitsymptoms Angst professionelle Hilfe in Anspruch. Umso wichtiger ist es, dass Hausärztinnen und -ärzte sich mit Angsterkrankungen gut auskennen: im Sinne des frühen Ansprechens eines Verdachts, der Diagnostik und der Therapie.

ihnen besteht aber auch eine größere Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln, als bei anderen Patientengruppen. Das heißt: Anxiolytika/Benzodiazepine sollten immer sehr, sehr wohlüberlegt und zeitlich begrenzt verschrieben werden, etwa um die Zeit zu überbrücken, bis ein Antidepressivum wirkt. Wenn man auf Substanzen aus einer anderen Wirkstoffklasse zurückgreifen möchte, ist der Kalziumkanalmodulator Pregabalin einen Versuch wert. Dieser hat bei Patienten mit generalisierter Angststörung gute Ergebnisse gezeigt. Trotzdem werden nicht alle darauf ansprechen.

Die Genetik bei psychiatrischen Erkrankungen ist ein Forschungsschwerpunkt von Ihnen.

HAUSÄRZT:IN: Herr Prof. Rujescu, am 1. Mai waren es zwei Jahre, dass Sie die Professur für Psychiatrie und die Leitung der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie an der MedUni/Uniklinik Wien von Prof. Kasper übernommen haben. Wie ist es Ihnen seither ergangen?

Prof. RUJESCU: Die zwei Jahre waren sehr spannend. So ein Wechsel ist natürlich immer mit Veränderung verbunden. Allerdings habe ich durchwegs positive Überraschungen erlebt –ich habe eine hervorragende Abteilung übernommen und wir arbeiten in einem hervorragenden Forschungsumfeld innerhalb der medizinischen Universität, in dem auch die Neurowissenschaften ein Schwerpunkt sind. Insofern gibt es nur Gutes zu berichten.

Worauf sind Sie besonders stolz, es in den zwei Jahren erreicht zu haben?

Gute Frage (lacht)! Ich denke, darauf, dass in der Abteilung, in der generell viel exzellente Bildgebung gemacht wurde und gemacht wird, auch zunehmend die genetischen und molekularen Mechanismen psychiatrischer Erkrankungen besser verstanden werden.

Welches Wissen braucht es hierzu vorrangig?

Viele Angstpatienten wissen gar nichts von ihrer Erkrankung und haben einen langen und harten Leidensweg hinter sich. Daher gilt es zunächst, die verschiedenen Angsterkrankungen zu erkennen (siehe INFO, S 34). In der Folge lassen sie sich auch im Hausarztsetting hervorragend mit Antidepressiva, insbesondere SSRIs oder Venlafaxin, behandeln. Zusätzlich kann, abhängig von der Erkrankung, eine psychotherapeutische Mitbehandlung angeregt werden.

Keinesfalls sollte bei Angsterkrankungen mittel- oder langfristig auf Anxiolytika zurückgegriffen werden. Diese können zwar zu kritischen, zeitlich umschriebenen Zeitpunkten gegeben werden. Selbstverständlich reagieren Patienten mit Angsterkrankungen auf angstlösende Mittel sehr gut. Bei

Welche Rolle spielt sie bei Angsterkrankungen?

Wie bei allen häufigen Erkrankungen in der Psychiatrie und außerhalb der Psychiatrie gibt es eine genetische Vulnerabilität. Und es gibt Umweltfaktoren. Beide interagieren miteinander.

Hausärzt:in medizinisch 33
„Ein
Über das notwendige Bewusstsein für Angsterkrankungen in der Gesellschaft und der Ärzteschaft
©
feelimage/Matern Univ.-Prof. Dr. Dan Rujescu, Leiter der Allgemeinen Psychiatrie an der MedUni Wien, im Gespräch.

Der genetische Anteil bei Angsterkrankungen liegt unter 50 Prozent, Umweltfaktoren spielen also die größere Rolle. In großen genomweiten Assoziationsstudien haben sich viele Stellen im Genom assoziiert gezeigt. Es ist davon auszugehen, dass diese eher in der Summe für Angsterkrankungen prädestinieren. Derzeit sind wir allerdings noch weit davon entfernt, diese Erkenntnisse klinisch umsetzen zu können. Was sich aber aus molekulargenetischen sowie formalgenetischen Studien für die Praxis folgern lässt, ist, dass Angst- und andere psychische Erkrankungen oft zusammen vorkommen, und zwar in unterschiedlichen Kombinationen. Daher sollte, wenn eine Angsterkrankung diagnostiziert wird, immer auf komorbide psychische Störungen, und dabei insbesondere auf affektive Erkrankungen, geachtet werden. Und umgekehrt: Wenn z. B. eine affektive Störung oder eine Suchterkrankung diagnostiziert wird, gilt es zu schauen, ob zusätzlich eine Angsterkrankung vorliegt.

Ziel der multimodalen Forschung ist, dass kausale, individuell zugeschnittene und nebenwirkungsarme Therapien verordnet werden können – heißt es

auf der Homepage Ihres Instituts. Wie weit ist man diesbezüglich? (lacht) So weit sind wir ganz sicher noch nicht, dass wir bei Angsterkrankungen individuell zugeschnittene Therapien anbieten können! Leider können wir nach wie vor auch nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Medikament voraussichtlich dazu führt, dass es bei dem spezifischen Patienten zu einer Remission kommt. D. h., wir befinden uns nach wie vor im Trial-and-Error-Bereich. Natürlich können die Medikamente auch Nebenwirkungen haben und eine entsprechende Aufklärung muss erfolgen. Aber: Wenn Nebenwirkungen vorkommen, dann meist eher passager in der Aufdosierungsphase.

Umweltfaktoren spielen eine größere Rolle als genetische, haben Sie gesagt. Inwiefern müssen diese mitberücksichtigt werden?

Die Faktoren, die dazu beitragen, dass eine ernste psychische Erkrankung entsteht, können individuell sehr unter schiedlich sein. Entsprechend der individuellen Belastung des Betroffenen kann versucht werden, diese Umweltfaktoren zu modellieren, bzw. besprochen werden, wie der Patient das tun kann.

Wie wichtig ist die Einbeziehung der Hausärzt:innen und anderer Berufsgruppen für die Qualität der Patient:innenversorgung?

Wie gesagt wissen wir, dass relativ wenige Patienten mit Angst als Leitsymptom zum Arzt gehen. Angenommen, sie würden es tun, was wünschenswert und das Ziel wäre: Die Psychiater wären gar nicht in der Lage, diesen Ansturm sofort zu bewältigen. Aber auch in der jetzigen Situation kann die Bedeutung der Hausärzte in der Betreuung von Patienten mit Angststörungen kaum überschätzt werden – sie sind das A und O. Reicht die Behandlung im Hausarztsetting nicht aus, ist eine Überweisung zum Facharzt notwendig. Ebenfalls kann eine Überweisung zur Psychotherapie erfolgen. Für die kognitive Verhaltenstherapie beispielsweise gibt es hervorragende Daten zur Wirksamkeit bei Angsterkrankungen. Die drei wichtigsten Berufsgruppen für die ambulante Behandlung sind also: Hausarzt, Psychiater, Psychotherapeut.

Was ist Ihnen abschließend wichtig, in puncto Bewusstseinsbildung hervorzuheben?

Oft suchen Patienten nicht wegen der Angststörung, sondern wegen anderer Leiden den Arzt auf. Das liegt u. a. an der mangelnden Kenntnis der Erkrankungen in der Öffentlichkeit. Ein klassisches Beispiel: Eine Patientin mit Panikattacke löst einen Notarzteinsatz wegen körperlicher Symptome aus. Ein solches Geschehen lässt sich nur vermeiden, wenn die Bedeutung von Angsterkrankungen und die Symptome verstärkt über die Medien oder andere Kanäle transportiert werden. Einerseits würden dann mehr potenziell Erkrankte erkennen, dass sie eine Angsterkrankung haben könnten, und erfahren, dass Angsterkrankungen sehr gut behandelbar sind. Andererseits ist es wichtig, dass auch im hausärztlichen Setting öfter differentialdiagnostisch an Angsterkrankungen gedacht wird, z. B., wenn Patienten primär über körperliche Symptome klagen (siehe INFO).

Hausärzt:in medizinisch 34 Mai 2023
INFO
Das Interview führte Mag.a Karin Martin.

Frühen Behandlungsbeginn empfehlen

Multiple Sklerose: Verlaufsmodifizierende Therapien können die Krankheit bremsen und die Lebensqualität Betroffener erhalten

Multiple Sklerose stellt die häufigste autoimmun vermittelte Erkrankung des zentralen Nervensystems dar. Sie ist charakterisiert durch inflammatorische Demyelinisierung sowie axonale/neuronale Schäden, wobei sich die multifokalen ZNS-Läsionen klinisch als Defizite in allen neurologischen Funktionssystemen äußern können.1,2 Da sowohl die Symptomatik als auch

die Verläufe differieren, wird die MS häufig als „ K rankheit der 1.000 Gesichter“ bezeichnet. Wenngleich die Erkrankung derzeit nicht heilbar ist, haben sich Prognose und Verlauf deutlich verändert. Zurückzuführen ist dies auf die Zulassung verschiedener verlaufsmodifizierender Therapien („d isease modifying therapies“ – DMTs) sowie auf das bessere Verständnis der Krank-

heitsmechanismen und -entwicklung in den letzten Jahren.2

Langzeitverlauf beeinflussen

Die verfügbaren Immuntherapeutika erlauben eine zunehmend an den Krankheitsverlauf und das individuelle Risikoprofil angepasste Behandlung. Die Immuntherapie bei schubförmiger MS

36 Mai 2023 Hausärzt:in pharmazeutisch
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zielt beispielsweise darauf ab, die klinische Krankheitsaktivität zu verhindern bzw. zu reduzieren sowie die Lebensqualität zu erhalten – außerdem stellt die Reduktion der mittels Kernspintomographie messbaren subklinischen Krankheitsaktivität ein Therapieziel dar.1 Wesentlich ist ein baldmöglichster Behandlungsbeginn. Mittlerweile besteht Einigkeit, dass die DMTs im frühen Krankheitsverlauf eine bessere Wirkung zeigen als im späteren.2 Zudem kann ein späterer Beginn einer DMT zu einer stärkeren Behinderung im Langzeitverlauf führen, wie Registerdaten aufzeigen.2;3-5

Unterschiedliche Strategien

Die Auswahl der initialen DMT muss individuell erfolgen und eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, etwa

AKTUELL

Biomarker unterstützen bei der Prognosestellung

die klinische Symptomatik, die MRTAktivität, die Wirksamkeit und Nebenwirkungen des Therapeutikums, die Handhabung und Applikationsform, außerdem Aspekte wie das Alter, das Geschlecht, etwaige Komorbiditäten und die Familienplanung der Betroffenen. Prinzipiell sollte die Therapieentscheidung auf einem „ shared decision making“ zwischen Arzt und Patient basieren.2

Gemäß der S2k-Leitlinie1 lassen sich die Immuntherapeutika – nach den Effekten auf die Reduktion der Schubrate – in drei Wirksamkeitskategorien einteilen (nach aufsteigendem Wirksamkeitspotenzial):

1) Beta-Interferone, Fumarate, Glatirameroide, Teriflunomid

2) Cladribin, S1P-RezeptorModulatoren

3) CD20-Antikörper: Ocrelizumab, Ofatumumab und Rituximab (off-label); Alemtuzumab, Natalizumab Hauptsächlich gibt es zwei verschiedene Behandlungskonzepte, nach denen sich die Auswahl der verlaufsmodifizierenden Therapie bei der (hoch-)aktiven MS richtet. Sie basieren auf der Evaluation des Risikos des weiteren MS-Verlaufs und von Wirksamkeit versus Risiken der DMTs.2 Die erste Strategie verfolgt einen sog. Eskalationsansatz, bei dem

zunächst niedrigpotentere Medikamente mit einem bekannten und relativ sicheren Risikoprofil zum Einsatz kommen. Lässt sich trotz hinreichend langer und regelmäßiger Anwendung eine Erkrankungsaktivität nachweisen, wird eine Eskalation zu potenteren Medikationen durchgeführt. Die zweite Vorgehensweise besteht in der Initiierung mit einer Medikation höherer Wirkeffizienz ggf. auch schon zum Zeitpunkt der Diagnose.2

Diskussion und Ausblick

In den letzten Jahren wird der primäre Einsatz hochaktiver Substanzen als Standard der Therapie bei allen Betroffenen in frühen Krankheitsphasen vermehrt diskutiert.1;6-8 Jene „ H it-hardand-early “ - Strategie bei MS stützt sich auf einige große Kohortenstudien.1;4,9-10 Die retrospektiven Untersuchungen deuten darauf hin, dass der frühzeitige Einsatz hochwirksamer DMTs, verglichen mit dem von moderat wirksamen, bei Patienten mit Krankheitsaktivität die spätere Behinderungsprogression bzw. den Übergang in eine sekundär progrediente MS verzögern kann.2;4,9 Zwei große prospektive randomisierte Studien (DELIVER-MS und TREAT-MS)11-12, welche die Effekte einer frühen intensivierten Immuntherapie untersuchen, wurden bereits initiiert.

Anna Schuster, BSc

Zukünftig könnten die Biomarker NfL („neurofilament light chain“) und GFAP („glial fibrillary acidic protein“) bei der Wahl der Therapie eine Unterstützung darstellen. Laut Forschenden der Universität Basel kann NfL frühzeitig und sensitiv Krankheitsaktivität voraussagen, und während erhöhte NfL-Blutwerte auf neuronale Schädigungen hinweisen, deutet der neue Biomarker GFAP spezifisch auf chronische Krankheitsprozesse hin. „GFAP und NfL ergänzen sich somit gegenseitig“, erklärte Prof. Dr. Jens Kuhle in einer Pressemeldung anlässlich einer Studienpublikation13 seiner Forschungsgruppe. „Sie können uns dabei unterstützen, die Behandlung von MS individueller und vorausschauender zu gestalten.“

Eine aktuelle multizentrische Kohortenstudie eines Teams um Dr. Enric Monreal von der Universidad de Alcalá bekräftigt die Ergebnisse der schweizerischen Forschungsgruppe. Sie untersuchte die Assoziation zwischen sNfL zu Krankheitsbeginn und der Prognose der weiteren Krankheitsaktivität.14 Hohe initiale sNfL-Level könnten den Studienergebnissen zufolge Patienten mit einem hohen Progressionsrisiko identifizieren. Zudem hatten Probanden, die hohe sNfL-Basalwerte aufwiesen und anschließend eine hochwirksame krankheitsmodifizierende Therapie erhielten, ein geringeres Risiko einer Progression zu EDSS(„Expanded Disability Status Scale“)-Werten von 3 und höher. „Die Messung der sNfL-Spiegel könnte dabei helfen, optimale Kandidaten für eine hochwirksame krankheitsmodifizierende Therapie zu erkennen“, schlussfolgerten die Studienautor:innen.

Quelle und weiterführende Information: gelbe-liste.de/neurologie/multiple-sklerose-therapie-an-nfl-werten-orientieren (Stand: 17.04.2023).

Literatur :

1 S2k-Leitlinie zur Diagnose und Therapie der MS, NMOSD und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, 1. Aktualisierung als Living Guideline 2023, AWMFRegisternummer: 030/050 (Zugriff am 19.4.2023).

2 Wiendl H et al., Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG): Positionspapier zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose 2021 (White Paper). Nervenarzt 92, 773–801.

3 Chalmer TA et al., Eur J Neurol. 2018 Oct;25(10): 1262-e110.

4 He A et al., MSBase study group, Lancet Neurol. 2020 Apr;19(4):307-316.

5 Kavaliunas A et al., Mult Scler. 2017 Aug;23(9): 1233-1240.

6 Ontaneda D et al., Lancet Neurol, 2019. 18(10):973-80.

7 Derfuss T et al., Lancet Neurol, 2020. 19(4):336-47.

8 Stankiewicz JM, Weiner HL, Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm, 2019. 22;7(1):e636.

9 Brown JWL et al., JAMA, 2019. 321(2):175-87.

10 Harding K et al., JAMA Neurol, 2019. 76(5): 536- 41.

11 DELIVER-MS: Determining the effectiveness of early intensive versus escalation approaches for RRMS (NCT03535298).

12 TREAT-MS: Traditional versus early aggressive therapy for multiple sclerosis trial (NCT03500328).

13 Meier S et al., JAMA Neurol. 2023;80(3):287–297.

14 Monreal E et al., JAMA Neurol. 2023;80(4):397–403.

Hausärzt:in pharmazeutisch 38 Mai 2023
Die verfügbaren Immuntherapeutika erlauben eine zunehmend an den Krankheitsverlauf und das individuelle Risikoprofil angepasste Behandlung.

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Endemie –nicht das Ende

COVID-19-Auffrischung

weiterhin bedeutsam

Der Verband der Impfstoffhersteller ruft in einer Aussendung zur COVID-19-Auffrischungsimpfung auf. In Österreich haben bisher 1,7 Millionen Menschen eine vierte solche Impfung erhalten, 56 Prozent der Bevölkerung gelten derzeit als grundimmunisiert. Prim. Priv.Doz. Dr. Arschang Valipour von der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf in Wien erläutert: „ A ktuell haben viel zu wenige Menschen einen aufrechten COVID-19-Impfschutz. Wenn wir hier nicht gegensteuern, werden wir bald wieder mehr Personen mit Corona im Spital behandeln müssen.“

Zugeschnittene Anreize

Ein Forscherteam der MedUni Wien publizierte in diesem Zusammenhang eine Studie in der Fachzeitschrift Nature Medicine.1 In zwei Conjoint-Experimenten bewerteten die Wissenschafter die Akzeptanz der Immunisierung, wobei Determinanten wie neue Impfstoffe, Kommunikation, Kosten/Anreize und rechtliche Bestimmungen untersucht wurden. Als Probanden fungierten 6.357 Menschen in Österreich und Italien. Die Ergebnisse: Eine Kampagne, welche auf den Gemeinschaftsnutzen hinweist, würde die Wahrscheinlichkeit einer Immunisierung von ungeimpften Menschen um 34 Prozent erhöhen. Materielle Anreize, beispielsweise eine Geldprämie, würden die Chance einer Drittimpfung um knappe 72 Prozent steigern. Von den dreifach Immunisierten ließen sich knappe 28 Prozent eher „booster n“, sollten angepasste Vakzine angeboten werden.

Überlastung vermeiden

Das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) empfiehlt daher eine Kombination von zwei Impfkampagnen – eine jetzt im Frühjahr, eine weitere im Herbst. 2 Sie sollten sich unter anderem an die stark gefährdete Personengruppe 60 plus richten. Dadurch solle eine Reduktion der Krankenhausaufenthalte um 36 bis 44 Prozent im Vergleich zu den vorigen Jahren erzielt werden können.

Literatur:

1 Stamm TA et al., Determinants of COVID-19 vaccine fatigue. Nat Med. Epub Mar 2023.

2 ecdc.europa.eu/sites/default/ files/documents/covid-19-interimpublic-health-considerationsvaccination-2023.pdf

PA/mat

Hausärzt:in pharmazeutisch 39 Mai 2023
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Krankmacher im Polster

Rund 700.000 Österreicher:innen leiden unter Hausstaubmilben

Global existieren rund 12.000 verschiedene Arten der Spinnentiere. Die Dermatophagoides (= Hausstaubmilben) – der Fachbegriff geht auf den russischen Zoologen Prof. Anatoli Bogdanov zurück – zählen zu den häufigsten Auslösern einer allergischen Reaktion beim Menschen. Sie besiedeln heimische Matratzen, Polstermöbel und sonstige Textilien. Ihre lipidhaltigen Ausscheidungen lösen eine Abwehrreaktion des Humanorganismus aus.1 Jene Eiweiße dringen im Frühling und Sommer durch Luftzirkulation in die Schleimhäute ein. In den kühlen Monaten sind abgestorbene Milben der Grund für Reaktionen. Es kommt zu Symptomen wie geröteten Augen, allergischer Rhinitis oder Kurzatmigkeit.1

Der zeitliche Konnex lässt manchmal vermuten, man sei Opfer eines grippalen Infekts oder einer Influenzaerkrankung geworden. Eine zu späte Diagnose kann chronische Krankheiten wie beispielsweise Asthma bronchiale nach sich ziehen.

Mit antiallergischen und antientzündlichen Medikamenten lassen sich akute hypergische Beschwerden lindern. Die zugrunde liegende Erkrankung bleibt allerdings bestehen. Um einen dauerhaften Therapieerfolg zu erzielen, wird eine ursächliche Behandlung gegen die Allergie eingesetzt, die spezifische Immuntherapie (AIT).2 Man unterscheidet hierbei zwischen einer subkutanen und einer sublingualen Immuntherapie. Bei ersterer wird das reaktive Allergen alle

vier bis sechs Wochen unter die Haut injiziert. Reagiert der Patient „a llergisch“ auf Spritzen, ist die sublinguale Immuntherapie ein probates Mittel. Dabei wird das Allergen in Form von Tropfen, Sprays oder Tabletten in der Regel täglich unter die Zunge verabreicht. Mit beiden Behandlungen kann ganzjährig begonnen werden. Sie hindern einen bestimmten Typ von T-Lymphozyten (TH2) an seiner Aktivität. Gleichzeitig wird durch die Aktivierung von TH1-Lymphozyten die natürliche Immunantwort wiederhergestellt. Mat

Referenzen:

1 Schimmer H, Allergien, Jan 2023;

ISBN: 978-3-99052-283-7.

2 gesund.gv.at

X HAUSÄRZT:IN-Buchtipp

Allergien

Von Helga Schimmer Verlagshaus der Ärzte 2023

Hausärzt:in pharmazeutisch 40 Mai 2023
© shutterstock.com/SciePro

Artensterben,

Nationen über eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Der aktuelle Living Planet Index des WWF (2022) zeigt, dass sich die global untersuchten Wildtierbestände seit 1970 im Schnitt um 69 Prozent reduziert haben. Ganze Ökosysteme, etwa Korallenriffe, drohen schon bald unwiederbringlich zu verschwinden.

MSc, Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin, Zentrum für Public Health, MedUni Wien.

Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig, umfassende Belege für den massiven Biodiversitätsverlust sind vorhanden und die Appelle seitens der Wissenschaft werden immer eindringlicher: Unsere natürlichen Lebensgrundlagen stoßen an die Grenzen der Belastbarkeit und steuern auf unumkehrbare Kipppunkte zu. Unser Überleben, unsere Gesundheit, die Wirtschaft und vieles mehr stützen sich also auf ein Fundament, das – bildlich gesprochen – erodiert. Infolge menschlicher Eingriffe bekommt es immer augenscheinlichere Brüche und verliert rasant an Stabilität.

Angesichts des jüngsten Berichts des Weltklimabeirates kann man hierbei nicht von Alarmismus sprechen. Gleichzeitig sollen uns diese Auswirkungen schon gar nicht in eine Schockstarre versetzen. Vielmehr bedarf es einer klaren und ehrlichen Auseinandersetzung mit dem problematischen Ist-Zustand, um rasch und konsequent Weichen in Richtung des Soll-Zustandes zu stellen – für

OA Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Hans-Peter Hutter, Stv. Leiter der Abt. für Umwelthygiene und Umweltmedizin, Zentrum für Public Health, MedUni Wien.

eine langfristig tragfähige natürliche Basis bei gleichzeitig naturverträglicherem Handeln.

Biodiversität oder biologische Vielfalt stellt den lebendigen Teil dieses Fundaments dar. Sie umfasst die genetische Diversität, die Mannigfaltigkeit der Arten, die Vielfalt der Ökosysteme sowie alle natürlichen Prozesse und Interaktionen, die darin ablaufen. Im Vergleich zur Klimakrise stehen ihr dramatischer Zustand sowie die dringend notwendigen Maßnahmen für den Biodiversitätsschutz weit weniger im Fokus der breiten Öffentlichkeit. Doch beide Krisen sind in Hinblick auf ihre Ursachen und ihre Folgen (für die Gesundheit) sowie in Bezug auf ihre Bewältigung untrennbar miteinander verbunden.

Biodiversitätskrise, was ist das?

Global sind laut Schätzungen des Weltbiodiversitätsrates der Vereinten

NACHBERICHT

Und in Österreich? 44 Prozent der Lebensraumtypen und 34 Prozent der Arten der Fauna-Flora-HabitatRichtlinie (EU-Schutzgüter) befinden sich in ungünstigem bis schlechtem Erhaltungszustand. Von den insgesamt 488 in Österreich vorkommenden Biotoptypen sind 246 als gefährdet und stark gefährdet eingestuft. Bei Reptilien und Amphibien ist der Anteil gefährdeter Arten mit 64 bzw. 60 Prozent besonders hoch (BMK 2022).

Massive Gesundheitsfolgen

Hinter diesen nüchternen Zahlen verbirgt sich die unrühmliche Bilanz menschlichen Handelns bzw. Wirtschaftens. Dabei wird der Erhalt funktionierender Ökosysteme als Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung nicht ausreichend anerkannt – trotz der immer augenscheinlicheren Alarmsignale. Ernährungssicherheit und Lebensmittelproduktion, Bereitstellung von Trinkwasser, Klimaregulierung, Ressourcen von Arzneimitteln, Rückzugsgebiete für Erholung, Schutz vor Naturgefahren u. v. m: All diese Ökosystemleistungen ermöglichen erst unser Leben und sind elementare Faktoren für Wohlbefinden, Gesundheit, Lebensqualität und – nicht zuletzt – Sicherheit. Dem gegenüber stehen die „Haupttreiber“ der

Die Gastautor:innen waren Vortragende zum Thema „Biodiversität und Klimawandel“ bei der 68. Fortbildungstagung der Österreichischen wissenschaftlichen Gesellschaft für prophylaktische Medizin und Sozialhygiene, 6. bis 9. März 2023, Bad Hofgastein.

Hausärzt:in Arzt Sicht Sache 41 Mai 2023
„Biodiversität & Klima: eine Zwillingskrise“
FOKUS UMWELT MEDIZIN
Verlust von Ökosystemleistungen und Klimakrise verstärken sich wechselseitig –mit vielfältigen Auswirkungen auf die Gesundheit
© Bubu Dujmic Kathrin Lemmerer, © Bubu Dujmic
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Biodiversitätskrise, die gleichzeitig mit teils massiven Gesundheitsrisiken verbunden sind: Intensivierung der Landund Meeresnutzung, überbordende Ressourcenentnahme, Schadstoffeinträge in die Umwelt, gebietsfremde „invasive“ Arten – und der Klimawandel. Dieselben menschlichen Eingriffe, die den Biodiversitätsverlust vorantreiben, erhöhen zudem das Risiko, dass neue Krankheiten und schließlich (virale) Pandemien auftreten, u. a. durch Wildtierhandel, fortschreitende Urbanisierung, Entwaldung und Umwandlung von Flächen für die Landwirtschaft oder Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch Rohstoffindustrien.

Ragweed, Tigermücke & Co.

Auch weitere indirekte Effekte sind aus gesundheitlicher Sicht zu berücksichtigen. Mit dem Temperaturanstieg kommt es etwa durch die Verschiebung von Klimazonen zu einer Verbreitung gebietsfremder (gesundheitsrelevanter) Arten (Neobiota, „ A liens“). Häufig können sich diese „ A liens“ besonders gut in Lebensräumen etablieren, die von Menschen bereits stark verändert wurden.

Unter den gebietsfremden Pflanzenarten (Neophyten) ist das aus Nordamerika stammende Ragweed (Ambrosia artemisiifolia) mit seinen hoch allergenen Pollen die derzeit bei uns gesundheitlich bedeutendste Art. Durch ihre späte Blüte bis in den Oktober verursacht sie im Spätsommer den „ Herbstheuschnupfen“ und zieht damit eine Verlängerung der Pollensaison sowie eine zusätzliche Belastung für Allergikerinnen und Allergiker nach sich. Das hat neben ernst zu nehmenden gesundheitlichen Auswirkungen u. a. erhebliche Gesundheitskosten zur Folge. Allergien gehören schon jetzt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Österreich (2019: 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung) und weltweit. Weiters ist zu beobachten, dass sich Krankheitsüberträger in Regionen ausbreiten, in denen sie bisher nicht vorkamen. In dieser Hinsicht haben insbesondere Stechmücken und Zecken die höchste Relevanz. Ein bekanntes Beispiel ist die Asiatische Tigermücke

(Aedes albopictus) als potenzieller Überträger u. a. von Dengue- und Chikungunya-Erregern. Sie wurde 2022 bereits in allen Bundesländern nachgewiesen. Fortlaufendes Monitoring ist hier essenziell. Aber auch heimische Zecken verlagern ihr Vorkommen z. B. in höhere Lagen – und damit das Risikogebiet von FSME und Borreliose.

Was tun?

Wie eingangs erwähnt wurde, lassen sich die Klima- und die Biodiversitätskrise nur gemeinsam bewältigen. Dementsprechend ist der wichtigste Dreh- und

Angelpunkt die verbindliche Umsetzung politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen für den Klima- und Biodiversitätsschutz auf nationaler wie internationaler Ebene. Dazu bestehen ganz klare Verpflichtungen und Handlungsaufträge durch unterzeichnete Klima- und Biodiversitätsabkommen. Die (Pariser) Klimaziele sind bekannt und für den Biodiversitätsschutz hat man u. a. mit der aktuellen nationalen Biodiversitätsstrategie Handlungsbereiche und Ziele eindeutig festgelegt. Es bleibt nun schlicht keine Zeit mehr für Verzögerungstaktiken und Hintertürchen, deren Preis nur wir selbst und speziell die nächsten Generationen bezahlen. Daher braucht es ebenso unser persönliches Engagement. Jeder einzelne Beitrag ist ein wichtiger Schritt und Gewinn für die Zukunft, die Zuversicht und die Gesundheit aller.

Take-home-Message

Die Stabilisierung der Biodiversität und jene des Klimas gehen Hand in Hand. Auch im Interesse unserer Gesundheit braucht es jetzt ehrliches Engagement in allen Bereichen und politisches Rückgrat für eine rasche und wirksame Zielerreichung. Von der Zwillingskrise hin zu doppelten und dreifachen Benefits – wenn wir es klüger und energischer angehen als bisher.

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Gesundheit in der Klimakrise Auswirkungen. Risiken. Perspektiven

Von Hans-Peter Hutter (Hrsg.)

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Das Handbuch

Von Christopher Schrader oekom Verlag 2022

Hausärzt:in Arzt
42 Mai 2023
Sicht Sache
2. Auflage, Reihe „Aspekte der Wissenschaft“, MedUni Wien im MANZ Verlag 2023 Klima sprechen
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Lund <
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SPRECHStunde

Patient:innen-Fragen kompetent beantworten

„Zuerst Alkohol-, dann Verhaltenssucht“

Sandra K. hat ihre Alkoholkrankheit überwunden, jetzt aber eine Solariumsucht entwickelt. Wie vorgehen?

Dr. PSOTA: Im Grunde ist jede Sucht eine Form abhängigen Verhaltens, egal, ob dieses mittels einer Substanz (z. B. Alkohol) oder ohne eine solche (z. B. Spielsucht) erfolgt. Die dahinterstehenden biologischen Suchtmechanismen haben große Ähnlichkeiten: Der Beginn, die Dauer, das Ausmaß und die Beendigung eines mehr oder weniger ungünstigen Verhaltens geraten bei Betroffenen außer Kontrolle, es wedelt sozusagen der Schwanz mit dem Hund, die adäquate Beendigung des Tuns ist mit erheblichen Schwierigkeiten bzw. Entzugssymptomen verbunden.

Neurobiologisch geht es darum, dass wir Menschen gerne Dopaminkicks haben und mit süchtigen Verhaltensweisen diese (und andere Ausschüttungen unseres Belohnungssystems) auslösen können.

Deshalb sind Süchte oft multipel, ohne gleich die Kriterien einer Polytoxikomanie zu erfüllen. Die Entwicklung einer zusätzlichen Benzodiazepinabhängigkeit bei „aktiver“ Alkoholsucht ist eine solche „Suchterweiterung“. Es kann sogar sein, dass eine Substanzsucht voll abstinent bewältigt wird, sich in der Folge aber eine „Suchtverschiebung“ zeigt.

Genauso war es bei Sandra K., sie hatte eine schwere jahrzehntelange Alkoholerkrankung, die beinahe zur Alkoholdemenz führte, vor zwei Jahren überwunden und war 57-jährig nicht in einem Pflegeheim (in der Zeit ihrer Alkoholsucht war sie knapp davor gewesen), sondern in einer bescheidenen kleinen Wohnung gelandet. Davor hatte drei Jahre lang eine intensive ambulante und stationäre Therapie stattgefunden. Sie war alleinstehend, aber nicht einsam, mit einer Minimalpension, aber finanziell geschickt.

Im Laufe mehrerer Monate entglitt ihr jedoch zunehmend die Kontrolle über ihr neues Hobby, das Sonnenbaden im Solarium. Die Patientin selbst hatte bemerkt, dass sie geradezu eine Gier danach entwickelt und erhebliche Teile ihres geringen Einkommens dafür verwendet hatte. Aufgrund ihrer „Bräunungssucht“ hatte sie einen schon beinahe braunschwarzen Teint, mit deutlichen Hautschäden.

Sich gegen Ende des Monats die „Turbobräunungen“ nicht mehr leisten zu können, konnte Entzugserscheinungen auslösen: hochgradige Nervosität, innere Anspannung, psychomotorische Unruhe, übermäßiges Schwitzen. Offenbar hatte sich die Abhängigkeit vom Suchtmittel Alkohol in eine Abhängigkeit vom Suchtmittel UVStrahlen verändert, die Dosisentgleisung war vergleichbar. Bemerkenswert, dass ihr selbst das als ein süchtiges Momentum auffiel, inkl. der Parallelen wie des reduzierten Interesses an anderen Dingen und des zunehmenden Cravings nach immer mehr, immer öfter! Letztlich führte diese Einsicht zur Inanspruchnahme einer neuerlichen ambulanten Behandlung.

Wie also die „Solariumsucht“ behandeln? Abstinenz orientiert? Schadensminimierung orientiert? Verhaltenstherapeutisch orientiert? Psychodynamisch orientiert? Psychopharmakologisch unterstützt? (Sie war mittlerweile bis auf eine Minidosis eines schlaffördernden Antidepressivums medikationsfrei). Literatur zur Stateof-the-Art-Behandlung von „Solariumsucht“ liegt nicht vor – es konnte daher nur höchst individuell behandelt werden (manchmal ein Vorteil). Folgende Vorgehensweise war letztlich erfolgreich:

• Es galt, die Problematik nicht zu bagatellisieren.

• Langwierige tiefenpsychologische Interpretationen des Verhaltens einer Pa-

tientin, die im Rahmen ihrer jahrzehntelangen Alkoholsucht auch bleibende kognitive Defizite erlitten hatte, schienen ungeeignet.

• Eine gute Vertrauensbasis mit dem Behandler und ein im Rahmen ihrer Möglichkeiten hohes Reflexionsniveau, waren eine gute Basis.

• Auch die Konzentration auf ihre zahlreichen gesunden Anteile diente der Genesung. Für Verbrennungen im Solarium NICHT verwendetes Geld wurde als Belohnung für anderes aufgehoben (z. B. Kurzurlaub).

• Sandra K. hatte bereits Jahre zuvor im Rahmen der Alkoholentwöhnung von einem SSRI-Antidepressivum profitiert. Nun kam dieses in gleicher Dosierung wieder zur Anwendung.

Kurzum: Empathisches Gespräch, Beratung und ein Antizwang-SSRI führten nach einer kurzen Reduktionsphase der „Bestrahlungen“ innerhalb weniger Wochen zur Aufgabe dieses schädigenden Verhaltens – die Genesung von Sandra K. hält seit Jahren an.

X HAUSÄRZT:IN-Buchtipp

Sucht Erkennen – Verstehen – Überwinden

Von Georg Psota und Michael Horowitz Residenz Verlag 2022

Hausärzt:in extra 45 Mai 2023 © feelimage_matern
© shutterstock.com und RegionalMedien Gesundheit
EXPERTE: Chefarzt Dr. Georg Psota Kuratorium für Psychosoziale Dienste in Wien

Rückkehr in den Alltag

Ergotherapie bei Posttraumatischer Belastungsstörung

sind, merken wir in der Regel erst dann, wenn sie wegbrechen. Wir alle haben diese Erfahrung im Frühjahr 2020 mit dem Beginn der COVID-19-Pandemie in Österreich gemacht. Unsere gewohnten Alltagsstrukturen, Handlungsrollen und bedeutsamen Betätigungen sind plötzlich weggefallen. Die Teilnahme am Schulunterricht, die Ausübung des Berufes, der Ausgleich durch Freizeitaktivitäten – das und noch vieles mehr, was für uns so selbstverständlich zu unserem alltäglichen Leben gehört, war von heute auf morgen nicht mehr möglich.2

Die grundlegende Überzeugung der Ergotherapie ist es, dass „Tätigsein“ ein menschliches Grundbedürfnis ist und eine heilende Wirkung hat. Das Ziel der Ergotherapie ist daher die Förderung, Entwicklung, Erhaltung und Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit – unabhängig davon, ob eine Person aufgrund einer körperlichen oder seelischen Belastung oder anderer Ereignisse in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist bzw. wird.1 Wie wichtig bedeutungsvolle Betätigungen für unsere Gesundheit

Erleben Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) eine Einschränkung bzw. den Verlust der eigenen Handlungsfähigkeit im Alltag, dann ist Ergotherapie indiziert. Aufgrund einer PTBS werden alltägliche und bedeutungsvolle Betätigungen vermieden. Betroffene ziehen sich sozial zurück, um möglichen Gefahren zu entgehen und sich angstauslösenden Faktoren wie Gerüchen, Geräuschen, Stimmen und Berührungen, die mit dem Trauma verbunden sind, nicht wieder auszusetzen.3

Betätigungsorientierte Ziele

Betätigungen eines Menschen ist es oftmals unerlässlich, mögliche Bezugspersonen miteinzubeziehen und zu beraten. Zu einer solchen ergotherapeutischen Beratung von Bezugspersonen gehören im Kontext von PTBS konkrete Tipps für den veränderten Alltag, etwa das Aufweichen des Vermeidungsverhaltens. Anstatt mit in den sozialen Rückzug zu gehen, sollten Familienaktivitäten wieder aufgenommen und so adaptiert werden, dass die betroffene Person daran teilhaben kann. Gemeinsam mit der Ergotherapeutin, dem Ergotherapeuten wird ermittelt, was umsetzbar ist, wo die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Belastbarkeit liegen.

Weiterführende Information

Seit 2021 gibt es für selbstständige Ergotherapeutinnen und -therapeuten die Möglichkeit, einen Kassenvertrag mit der ÖGK abzuschließen, auch ergotherapeutische Hausbesuche werden von der ÖGK abgedeckt. Verfügbar sind weitere Informationen zur Ergotherapie auf der Website von Ergotherapie Austria, Bundesverband der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten Österreichs: ergotherapie.at

Quellen:

IM ÜBERBLICK

Zu den Maßnahmen in der Ergotherapie bei PTBS zählen insbesondere:

„ Erarbeitung einer Tagesstruktur,

„ Anpassung und Wiederaufnahme von Aktivitäten des täglichen Lebens,

„ Entwicklung, Überarbeitung, Analyse und gemeinsame Durchführung von Strategien zur Angstbewältigung und zur Selbstregulation,

„ Begleitung bei der Wiederaufnahme subjektiv bedeutsamer Betätigungen,

„ Unterstützung bei der (Wieder-)Eingliederung in Schule, Ausbildung oder Berufsalltag.

In der Ergotherapie werden gemeinsam mit der Patientin, dem Patienten Therapieziele erarbeitet, um zurück in den individuellen Alltag zu finden. Beispiele für solche individuellen Ziele sind die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit, das Erledigen von Haushaltstätigkeiten, der Spaziergang mit dem Hund, das selbstständige Einkaufen im Supermarkt oder das Spielen mit Freundinnen und Freunden. Um die betätigungsorientierten Ziele zu erreichen, werden unter Berücksichtigung der personenbezogenen Faktoren und Umweltfaktoren entsprechende Maßnahmen in der Ergotherapie gesetzt (siehe Infobox). In Hinblick auf die verschiedenen Handlungsrollen und bedeutungsvollen

1 DACHS. (2007). Ergotherapie – Was bietet sie heute und in Zukunft? CLAUDIANA – Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe.

2 Ergotherapie Austria. (2021, 10. Oktober). ergotherapie.at/sites/default/files/tag_der_seelischen_ gesundheit_10_oktober_2021.pdf

3 DVE. (2019, 6. November). dve.info/service/presse/2004schlimmes-mobbing-kann-ebenso-zu-trauma-führenwie-körperliche-gewalt-und-missbrauch

Hausärzt:in extra 46 Mai 2023 © shutterstock.com/shevtsovy
GASTAUTORIN: Christina Wagner, MSc Mitarbeiterin im Ressort Berufspolitik, Ergotherapie Austria
©
< PARTNER:IN
Ergotherapie Austria

IMPRESSUM

Herausgeber und Medieninhaber:

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Redaktion: Mag.a Karin Martin, Anna Schuster, BSc, Mag.a Ines Pamminger, BA, Margit Koudelka, Marcel Toifl.

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47 Mai 2023

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