
5 minute read
Neues aus der Phyto-Welt
Es gibt viele interessante Untersuchungen über pflanzliche Arzneimittel, doch häufig handelt es sich dabei leider um sehr kleine Studien. Zudem sind in diesen Präparaten meist Extrakte enthalten, die in derselben Form wie in der Untersuchung nicht immer erhältlich sind. Weil wir in Österreich jedoch das große Privileg der Magistralen Rezeptur haben, kann bei verfügbarem Wirkstoff oft schnell die Studienmedikation in Apothekenqualität nachgebaut werden. Diese weltweit selten gewordene Kompetenz erhöht das Ansehen österreichischer Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker. Darüber hinaus kann sie für Patientinnen und Patienten – gerade in Zeiten von Lieferengpässen und Versorgungsnotständen sowie in Katastrophenfällen – sehr nützlich sein.
Eibisch- und Malvenextrakte
Im letzten Jahr kamen mehrere Studien über die dermatologische Anwendung von Eibisch- und Malvenextrakten heraus.1,2 Unter ihnen stechen vor allem Arbeiten aus dem Iran hervor, weil dort einerseits sanktionsbedingte Lieferprobleme bei synthetischen Arzneimitteln bestehen, andererseits auch eine eigene Fakultät für Traditionelle Persische Medizin (TPM) existiert. Aus diesen Gründen werden öfters Studien publiziert, die zwar kleine Teilnehmerzahlen haben, aber meist ein gutes Studiendesign aufweisen. Wenn solche Studienmedikationen rezeptiert und magistral nachgebaut werden sollen, dann fast immer nur für eine kleinere Patientenzahl. Dennoch ist es sehr wichtig, bei der magistralen Zubereitung genau auf die Studienmedikation zu achten und zu prüfen, ob sich diese ohne Probleme mit den Mitteln, die auf unserem Markt verfügbar sind, reproduzieren lässt. In mehreren rezenten Studien wurden Eibisch- und Malvenextrakte in Hinblick auf die Indikation atopische Dermatitis in der pädiatrischen Praxis untersucht. Dabei konnte eine einprozentige Eibischcreme bei einer zweimaligen Anwendung pro Tag über zwei Wochen und bei anschließender Erhaltungstherapie (dreimal pro Woche) ein gleichwertiges Ergebnis erzielen wie eine einprozentige Hydrokortisoncreme im Endpunkt „Vergleich des Hautbildes“ . Die Studie zu einem Malvenextrakt in Basiscreme vs. Basiscreme ergab eine Überlegenheit der Malvenzubereitung der Placebocreme im „Vergleich von Hautregeneration und Rötungen“ . Interessant sind auch die mitpublizierten In-silico-Untersuchungen über mögliche Wirkmechanismen. Die Gruppe um Naseri et al.2 konnte zeigen, dass die Oligosaccharide des Eibischs an PDE4, IL-6 und TNFα binden. Damit gibt es nun eine Erklärung für die entzündungshemmende Wirkung des Eibischs. Bei den beiden Studienmedikationen handelt es sich um ethanolische Extrakte, die reduziert und anschließend in eine Cremegrundlage eingearbeitet wurden und leider nicht in derselben Form bei uns verfügbar sind. Daher können wir nur eine ähnliche Rezeptur verschreiben, bei der wir den aufgedeckten Wirkmechanismus der wasserlöslichen Wirkstoffe beider Schleimdrogen ausnützen. Dazu kann ein Infus rezeptiert werden, der mit einem Konservierungsmittel (0,15 g Kaliumsorbat und 0,2 g wasserfreie Zitronensäure auf 100 g) versetzt und mit einem Gelbildner (z. B. 1 g Hydroxyethylzellulose) zu einem in der Akutphase lindernden, kühlenden und entzündungshemmenden Gel wird.
GASTAUTOR: Mag. Heinrich Justin Evanzin
Apotheker, Heilpflanzenexperte, Mediziner in Ausbildung
Schwarzkümmelöl
Neues aus der Forschung gibt es auch zur Wirkung des Schwarzkümmels (Nigella sativa) bei Acne vulgaris. Zum einen wurde ein Schwarzkümmeltrockenextrakt in einer Hydrogelformulierung mit einem einfachen Placebohydrogel verglichen.3 Dabei konnte mit einer täglich zweimaligen Anwendung über 60 Tage eine Verbesserung des Acne Disability Index Scores um 63 % erreicht werden. In der Placebogruppe verbesserte sich dieser Wert nur um 4,5 %. Zum anderen konnte eine etwas ältere – aber für die Praxis interessante Studie – darstellen, dass topisch appliziertes Schwarzkümmelöl bei zyklusbedingten Brustschmerzen eine mit topisch appliziertem Diclofenac vergleichbare Wirkung zeigte.4 Dabei wurden beide pharmakologisch aktiven Formulierungen mit einer Placebogruppe verglichen. Zwar ist die topische Anwendung von Diclofenac bei Brustschmerzen relativ unüblich, dennoch eignet sie sich dazu, die Wirkung des Schwarzkümmelöls bezüglich schmerstillender Eigenschaften abzuschätzen. Topisch appliziertes Schwarzkümmelöl kann somit als analgetische Option zur Senkung des Schmerzmittelverbrauchs bei zyklusbedingten Brustschmerzen herangezogen werden. In der Studie wurde ein dreißigprozentiges Schwarzkümmel-
INFO
Eibischgel
Rp./ Rad. Altheae 40 g Aqua purif. ad 98,65 g M.f. Infusum (!) deinde add Kalium sorbicum 0,15 g Acidum citricum anhydricum 0,2 g Hydroxyaethylcellulosum 1,0 g/q. s. Misce at fiat Ius gelatum. Abzufüllen in eine Tube.
ölgel eingesetzt. Um die Studienmedikation nachzubauen, ist es jedoch sinnvoller, eine Cremegrundlage zu verwenden. Es können 30 g Schwarzkümmelöl in 100 g einer Creme- oder Salbengrundlage eingearbeitet werden. Die topische Anwendung von Schwarzkümmelöl kann so als sichere und unbedenkliche Option für die symptomatische Behandlung von Mastodynie genutzt werden.
Anwendung bei Infektionen
Schwarzkümmelöl steht im Fokus vieler Studien der letzten Jahre, insbesondere bei SARS-CoV-2-Infektionen. Es enthält neben essenziellen Fettsäuren auch interessante Wirkstoffe wie das entzündungshemmende Thymochinon und das spasmo- und bronchiolytische α-Hederin. Diese Kombination scheint gerade bei akutem Husten bzw. bei einem Infekt der oberen, aber auch der unteren Atemwege förderlich zu sein. Die Summe dieser Studien deutet darauf hin, dass eine Schwarzkümmelölsubstitution von ca. 1 g pro Tag bei milder bis moderater COVID-Erkrankung sinnvoll eingesetzt werden kann. Eine rezente Studie von November 2022 weist überdies darauf hin, dass sogar mit Long Covid assoziierte Symptome – etwa Fatigue, Geruchsverlust sowie langanhaltender Hustenreiz – signifikant gelindert werden können.5 Hierbei wurde festgestellt, dass sich dieser Effekt in Kombination mit einer Vitamin-D-Substitution noch synergistisch verstärken lässt.5 Besagte Ergebnisse können aus phytotherapeutischer Sicht gut nachvollzogen werden und lassen sich natürlich auch auf andere virale Infekte der Atemwege und die Rekonvaleszenzphasen danach umlegen. Die Studienresultate laden regelrecht dazu ein, in den praktischen Alltag integriert zu werden. Im Vergleich mit der Kontrollgruppe erhielten die Patienten in den Verumgruppen entweder 900 mg Schwarzkümmelöl oder 2.000 IE Vitamin D oder beides über einen Zeitraum von 14 Tagen. Beides ist auch in Österreich in sehr ähnlicher Form verfügbar.
Pelargoniumextrakt
Neuigkeiten gibt es auch in Bezug auf Pelargoniumextrakt (EPs 7630). Es konnten eine Reduktion der Hustenattacken sowie eine Verkürzung der Schnupfendauer nachgewiesen und im Vergleich mit Amoxicillin bei bakterieller Sinusitis eine Gleichwertigkeit beschrieben werden.6,7 In vitro zeigt der Standardextrakt auch eine Wirkung gegen SARSCoV-2.8 Somit gibt es viele neue Studien, die zum rationalen Einsatz von Phytopharmaka im klinischen Alltag anregen. <
* Der Experte war Vortragender bei den 37. Südtiroler Herbstgesprächen von 19. bis 23.
Oktober 2022 in Bozen.
Quellen: 1 Meysami M et al., Endocr Metab Immune Disord Drug Targets. 2021;21(9):1673-1678. doi: 10. 2174/1871530320666201023125411. 2 Naseri V et al., Phytother Res. 2021 Mar;35(3):1389-1398. doi: 10.1002/ptr.6899. 3 Soleymani S et al., Phytother Res. 2020 Nov;34(11):3052-3062. doi: 10.1002/ptr.6739. 4 Huseini HF et al., Planta Med. 2016 Mar;82(4):285-8. doi: 10.1055/s-0035-1558208. 5 Said S et al., Front. Pharmacol., 08 November 2022/13, 4648. doi.org/10.3389/ fphar.2022.1011522 6 Gökçe Ş et al., Eur J Pediatr. 2021 Sep;180(9):3019-3028. doi: 10.1007/s00431-021-04211-y. 7 Perić A et al., Ann Otol Rhinol Laryngol. 2020 Oct;129(10):969-976. doi: 10.1177/0003489420918266 8 Papies J et al., Front. Pharmacol., 25 October 2021, 2871. doi.org/10.3389/fphar.2021.757666