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Räuber des erholsamen Schlafes
Ein Rückblick auf die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung*
Klagen über einen nicht erholsamen Schlaf nehmen zu, nicht zuletzt als Folge der COVID-19-Pandemie und der angespannten weltpolitischen Lage. Dennoch besteht kein Grund zur Panik, denn Schlafstörungen können effizient und nachhaltig behandelt werden, wie die zahlreichen Beiträge beim Kongress zum Thema Schlafmedizin und -forschung eindrucksvoll zeigten. Es ist gelungen, mit Prof. Dr. Till Roenneberg (LMU München) einen der kreativsten Forscher auf dem Gebiet der Chronobiologie als Keynote-Sprecher zu gewinnen. In zwei Vorträgen legte er facettenreich dar, wie unser Lebensstil dazu beiträgt, nicht nur weniger zu schlafen, sondern auch biologische Rhythmen (z. B. Ausschüttung von Melatonin und Cortisol) zu stören. Die Thematik ist komplex und kann nicht allein aus schlafmedizinischer Perspektive betrachtet werden. Hier muss auch die Politik auf nationaler wie internationaler Ebene tätig werden (Stichwörter: Zeitumstellung, Schulunterrichtsbeginn).
Mit dem Handy ins Bett
Digitale Endgeräte wie Smartphones sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Wie kaum ein anderes technisches Hilfsmittel beeinflussen sie auf subtile Weise den Schlaf-wach-Rhythmus. Smartphone-Displays besitzen einen hohen Anteil an blauwelligem Licht, das aktivierend wirkt und uns so wertvolle Schlafzeiten raubt, wie eine aktuelle Studie an der Universität Salzburg zeigt. Prof.in Dr.in Kerstin Hödlmoser (Universität Salzburg) warnte deshalb davor, „mit dem Handy ins Bett zu gehen“ . Wer trotzdem nicht auf seinen digitalen Bettpartner verzichten will, sollte einen Blaulichtfilter verwenden. Der wachmachende Effekt von blauem Licht könne aber auch dazu beitragen, müdigkeitsbedingte Unfälle zu reduzieren, argumentierte Prof.in Dr.in Andrea Rodenbeck (Göttingen) in ihrem Vortrag. Dennoch ist Vorsicht geboten. Da blauwelliges Licht besonders effektiv die Melatoninproduktion unterdrückt, könnte der Zusammenhang zwischen einem erhöhten Krebsrisiko (die WHO stufte chronische Nachtarbeit bereits vor Jahren als kanzerogen ein) und jahrzehntelanger Schichtarbeit auch die Folge nächtlicher Blaulichtexposition sein.
Schöne neue Welt der Wearables
Die Verwendung von Aktivitäts- und Schlaf-Trackern boomt, trotz der Kritik an deren Genauigkeit und Aussagekraft. Experten auf dem Gebiet der Artificial Intelligence meinten, dass mit Hilfe von Machine-LearningAlgorithmen tatsächlich neue Möglichkeiten eröffnet würden, erklärte Dr. Matteo Cesari (Med Uni Innsbruck). Schlaf-Tracker werden mittlerweile mit verschiedenen Typen von Sensoren ausgestattet (z. B. Beschleunigungssensoren, Plethysmografen zur Analyse der Herzfrequenz und der Pulswelle, Photozellen zur Bestimmung der Sauerstoffmenge im Blut) und können mittels neuronaler Netze Daten valide auswerten. Künstliche Intelligenz (KI) werde auch zunehmend bei polygrafischen Schlafauswertungen im Schlaflabor eingesetzt, so Dr. Peter Anderer (MedUni Wien). Vergleichsstudien von „manuellen“ Schlafstadienauswertungen und KI-Algorithmen zeigten eine hohe Übereinstimmung, sodass die American Academy of Sleep Medicine die Schaffung eines Referenzdatensatzes zur Zertifizierung KI-basierter Schlafauswertungssysteme vorbereitet.
Telemedizin & Schlafapnoe
Auf dem Gebiet der Telemedizin zeichneten sich ebenfalls neue Trends ab, nicht zuletzt aufgrund der COVID-19-Pandemie, so OA Dr. Rainer Popovic (FranziskusSpital in Wien & Ordination in Zwettl) in seinem Vortrag. Anfänglich bedeutete Telemedizin vor allem die Durchführung kontaktloser Patientenbesprechungen mittels Videokonferenzen. Bald stellte sich jedoch heraus, dass diese Technologie sowohl zur Diagnosestellung als auch für eine effiziente Therapieverlaufskontrolle aus der Ferne genutzt werden kann. Der Markt boomt, vor allem bezüglich des Angebotes von Kleingeräten und Apps für Smartphones, die nicht nur Informationen über den Schlaf liefern, sondern auch eine Therapiekontrolle, z. B. bei Heimbeatmungsgeräten, ermöglichen. Neben technischen Innovationen gebe es auch neue Ansätze in der Behandlung der obstruktiven Schafapnoe, berichtete Dr. Popovic. Habe man früher vor allem die Anatomie der oberen (subglottischen) Atemwege für die Verminderung des Atemflusses verantwortlich gemacht, zeige sich immer mehr, dass auch die Steuerung der Muskeln, die diese Atemwege offenhielten, eine große Rolle spiele. Auch Neurostimulationsverfahren des N. hypoglossus könnten laut aktueller deutscher und amerikanischer Leitlinie bei mittel- bis hochgradiger obstruktiver Schlafapnoe eingesetzt werden, erläuterte OÄ Dr.in Birte Bender (Med Uni Innsbruck). Dieses Verfahren sollte dann angewendet werden, wenn eine PAPTherapie nicht möglich ist. Residuale Tagesschläfrigkeit trotz optimaler CPAP-Therapie könne mitunter ein großes Problem sein, sei aber medikamentös therapierbar, erklärte OÄ Dr.in Angelika Kugi (LKH Villach). Ein Grund: Mehr als ein Drittel der Schlafapnoe-
Patienten leiden auch unter insomnischen Beschwerden. Diese könnten, so Doz. Dr. Michael Saletu (LKH Graz), mit einem Non-Benzodiazepin mit relativ langer Halbwertszeit erfolgreich therapiert werden. Bereits bei niedriger Dosierung zeigten sich deutliche Symptomverbesserungen.
Bewegt im Schlaf
Unruhiger Schlaf sei oft Folge anderer – vor allem neurologischer – Erkrankungen, so der Tenor eines Symposiums über Bewegungsstörungen im Schlaf unter der Leitung von OÄ Dr.in Anna Heidbreder und Prof.in Dr.in Birgit Högl (Med Uni Innsbruck). Wenn auch eine Reihe motorischer Phänomene keinen direkten Krankheitswert hat (z. B. exzessiver fragmentarischer Myoklonus, hypnagoger Fußtremor, Einschlafmyoklonien), so ist eine diagnostische Abgrenzung von schlafbezogenen Epilepsien erforderlich. Anders verhält es sich mit dem Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom, RLS), das eindeutig als pathologisch einzustufen ist. Eine neue S2k-Leitlinie zum Management des RLS empfiehlt die Kontrolle und Optimierung des Eisenstoffwechsels und einen langsamen, symptomorientierten Einsatz medikamentöser und nichtmedikamentöser Behandlungsoptionen. Neben organisch bedingten Bewegungsstörungen dürften auch Emotionen und andere psychische Faktoren bei nicht erholsamem Schlaf eine Rolle spielen. So rückt der Zusammenhang zwischen Schlaf, Impulskontrolle und Emotionsregulation zunehmend in das Blickfeld der Schlafforschung. Phänomene wie Fehlwahrnehmungen des Schlafs, ein erhöhtes Grundanspannungsniveau (Hyperarousals) oder schlafbezogenes abnormes sexuelles Verhalten (auch als „Sexsomnia“ oder „Sleep Sex“ bezeichnet) waren Thema eines Symposiums unter der Leitung von Dr. Omid Amouzadeh-Ghasikolai (LKH Graz).
Gestörter Schlaf bei Kindern
Dr. Werner Sauseng (Kumberg, Steiermark) wies in seinem Vortrag auf die Überschneidungen der klinischen Symptome von OSAS (einem der häufigsten Schlafprobleme bei Kindern) und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) hin. Bei beiden Erkrankungen könne die Hyperaktivität im Vordergrund stehen. Das Thema ADHS stand auch im Mittelpunkt eines Satellitensymposiums unter der Leitung von Prof. Dr. Osman Ipsiroglu (Vancouver), der dafür plädierte, in der Betreuung von Kindern mit ADHS und RLS dem Schlaf wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Prof. Dr. Reinhold Kerbl (Leoben) fasste wissenschaftliche Neuigkeiten auf dem Gebiet der pädiatrischen Schlafmedizin zusammen. Unter anderem zeigte sich, dass Babys und Kleinkinder während des Lockdowns eine schlechtere Schlafqualität hatten, wahrscheinlich aufgrund von elterlichem Stress.
Gastautor: Gerhard Klösch, MPH
(Pressereferent der ÖGSM)
* 30. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM/ASRA),
Juni 2022.
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