2 minute read

Das weibliche Gehirn altert anders

Auch bei Demenz geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen

Rund 150.000 Menschen in Österreich leben mit der Diagnose Demenz, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Warum das so ist, welche Rolle dabei die Hormone spielen und was es bezüglich der Therapiemöglichkeiten Neues gibt, erläuterte die Leiterin der Ambulanz für Demenzerkrankungen an der Medizinischen Universität Wien, Assoc.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Elisabeth Stögmann, in einem MeinMed-Webinar (siehe Aktuell). Grundsätzlich lässt die kognitive Fähigkeit bei allen Menschen im Alter nach, hier besteht bei gesunden Menschen kein UnterEXPERTIN: schied zwischen Männern und Assoc.-Prof.in Priv.Frauen. Ebenso geschlechter- Doz.in Dr.in Elisabeth Stögmannunabhängig ist es, dass eine Leiterin der Ambulanz für frühe Diagnose und ein bal- Demenzerkrankungen an der MedUni Wien diger Behandlungsbeginn den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. In Bezug auf Demenzerkrankungen sind Frauen jedoch klar im Nachteil. Vor allem spielt ihre höhere Lebenserwartung bei der Entwicklung von dementiellen Erkrankungen eine Rolle. Aber auch neurobiologisch sind Frauen benachteiligt. Aktuelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich schädliche Eiweißablagerungen, die Plaques, im Gehirn bei Frauen häufiger bilden. Diese können in der Folge bekanntlich Entzündungsprozesse und im höheren Lebensalter eine Demenzerkrankung auslösen.

Hormoneller Schutz für das Gehirn

Eine wichtige Rolle im Hinblick auf Alzheimer und andere Formen der Demenz spielt der Östrogenspiegel, der bei Frauen mit der Menopause rasch absinkt. „Wir wissen heute, dass die Lebenszeitexposition gegenüber Östrogen ein entscheidender Faktor ist“ , so Prof.in Stögmann. Östrogen wirkt in mehrfacher Hinsicht neuroprotektiv. Es verbessert die Synapsenregenerierung, die Hippocampusleistung, den Blutfluss, den zerebralen Glukosehaushalt sowie die Acetylcholinproduktion. Östrogen ist also eine günstige Substanz für die Gehirnleistung. Zum Thema Hormonersatztherapie bei Demenz gab es bereits zahlreiche Studien. „Dabei hat man gesehen, dass eine Substitution im mittleren Leben, also vor dem 70. Lebensjahr, wahrscheinlich einen protektiven Einfluss hat. Aber es ist nachteilig, Östrogen im späteren Leben zu geben. Insgesamt ist es sehr unklar, wann und wie lange man es geben soll. Und natürlich kommen auch die negativen Aspekte der Hormonersatztherapie hinzu“ , erklärt die Expertin. Diesbezüglich sind also noch wichtige Fragen offen, auf die Studien noch keine ausreichenden Antworten liefern konnten.

Neues Medikament in Sicht

Seit rund 20 Jahren stehen Medikamente zur Verfügung, die Demenzerkrankungen zwar nicht ursächlich behandeln, jedoch den Verlauf abschwächen oder verlangsamen können. Derzeit wird ein Antikörper-Medikament (Lecanemab) erforscht, das erstmals die krankmachenden Eiweißverbindungen im Gehirn abbauen kann. In ersten Studien zeigte sich eine deutliche Verzögerung des Krankheitsverlaufes, wenn frühzeitig mit der Behandlung begonnen wird. In Europa ist ein Antrag auf Marktzulassung dieses neuen Medikaments bis Ende März 2023 geplant. Allerdings warnt Prof.in Stögmann vor zu hohen Erwartungen, da Lecanemab auch deutliche Einschränkungen aufweist. So ist bislang beispielsweise unbekannt, ob und wie sehr die Wirkung des Medikaments über die Studiendauer von 18 Monaten hinaus anhält. Zudem eignet sich Lecanemab nur zum Einsatz bei Menschen, die zwar Beta-AmyloidPlaques im Gehirn aufweisen, aber erst sehr geringe Einschränkungen ihrer Hirnleistungsfähigkeit haben.

Margit Koudelka

AKTUELL

Im Rahmen von MeinMed hielt Assoc.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Elisabeth Stögmann einen Vortrag zum Thema „Demenz: Mann und Frau unterschiedlich krank“. Das gesamte Video dazu finden Sie auf meinmed.at/mediathek.

Das Webinar wurde unterstützt von: MedUni Wien

This article is from: