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Innovatives vom Markt

Teil 2 APOKongress 2022: Migränemedikamente im Überblick

Das zweite Kapitel des Vortrags widmete Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Helmut Spreitzer am APOkongress 2022 den neuen Medikamenten zur Therapie und Prophylaxe der Migräne. Vorab brachte der Experte einen kurzen Abriss über den Krankheitsmechanismus: Bei Migräne kommt es zu einer Überaktivität von Nervenzellen im Hirnstamm. Über den Trigeminusnerv, der alle Blutgefäße im Gehirn innerviert, werden Schmerzsignale an das Gehirn weitergeleitet, es kommt zu einer Gefäßdilatation und in weiterer Folge zu einer Steigerung der Gefäßpermeabilität sowie zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren. Die Folgen sind erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Übelkeit oder Erbrechen sowie erhöhte Licht- und Lärmempfindlichkeit. Eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne spielt das Calcium Gene Related Peptide (CGRP). Die Spiegel des Neuropeptids, das aus 37 Aminosäuren besteht, sind zu Beginn einer Attacke erhöht, was wiederum die Erweiterung der Gefäße, den Schmerz und die Entzündung auslöst. Am Ende der Attacke normalisieren sich die Spiegel wieder.

Lasmiditan für die Akuttherapie

In der Akuttherapie von Migräne sind mittlerweile seit 1993 Triptane als „Goldstandard“ im Einsatz. Diese wirken als Agonisten am 5-HT-Serotonin-Rezeptor auf die Subtypen 1B und 1D und hemmen die Freisetzung des CGRP. Es kommt zu einer Vasokonstriktion der kranialen Gefäße, gehemmt werden weiters die Schmerzweiterleitung sowie der neuronale Entzündungsprozess. Nachteil: Aufgrund ihrer peripheren vasokonstriktorischen Wirkung sind Triptane bei koronarer Herzkrankheit, Hypertonie und Gefäßerkrankungen kontraindiziert. Lasmiditan (Rayvow®) kann als Weiterentwicklung der Triptane eingestuft werden, allerdings mit einer agonistischen Wirkung auf den Serotonin-Rezeptor Subtyp 1F, der keine periphere Vasokonstriktion auslöst. Damit stellen koronare Herzkrankheiten keine Kontraindikation mehr dar. Fraglich ist, ob Triptan-Nonresponder auf Lasmiditan ansprechen.

Eptinezumab zur Migräneprophylaxe

Nach Erenumab (Aimovig®), Galcanezumab (Emgality®) und Fremanezumab (Ajovy®) gibt es nun mit Eptinezumab (Vyepti®) einen weiteren monoklonalen Antikörper zur Migräneprophylaxe. Eptinezumab ist bei mindestens vier Migränetagen pro Monat indiziert und bindet – wie seine Vorgänger Galcanezumab und Fremanezumab – direkt an CGRP, wodurch verhindert wird, dass es an seinen Rezeptor andockt. Neu: Eptinezumab zeichnet sich durch einen sehr raschen Wirkungseintritt aus und ist das erste Migräne vorbeugende Mittel, das intravenös verabreicht wird, mit dem Vorteil, dass die Infusion nur alle drei Monate indiziert ist.

EXPERTE:

Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Helmut Spreitzer Department für PharmaRimegepant zur Akuttherapie und Prophylaxe zeutische Wissenschaften, Universität Wien Rimegepant (Vydura®) ist das erste Migränemedikament aus der Gruppe der CGRP-Rezeptor-Antagonisten, das in Tablettenform verabreicht werden kann und sowohl für die Akuttherapie als auch für die Migräneprophylaxe einsetzbar ist. Zwar zeigt es etwas weniger Wirksamkeit als Triptane, weist aber eine gute Verträglichkeit auf und kann auch bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren eingesetzt werden. Da Rimegepant über CYP3A4 metabolisiert wird, sollte auf Ko-Medikationen geachtet werden.

Mag.a Ulrike Krestel

* Die wissenschaftliche Fortbildungstagung für Apothekerinnen und Apotheker fand von 5. bis 6. November in Salzburg und von 12. bis 13. November in Wien statt. © privat

© shutterstock.com/wan wei

Arzt Sicht Sache

Seitenblicke auf die Medizin

„Unsere Neujahrswünsche 2023“

© Ärztekammer Tirol, Wolfgang Lackner

OMR Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Adaptierungen Mutter-Kind-Pass

Prävention wird auch 2023 eines der wichtigsten Themen bleiben. Denn als Arzt möchte man nicht hinterherhinken, sondern die Patienten behandeln, bevor sie schwer erkrankt sind. Die Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes zielen genau darauf ab – und der Erfolg spricht für sich: Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist seit dessen Einführung rapide gesunken, die Gesundheit der Mütter und Kinder gestiegen. Wir stehen hinter diesem Erfolgskonzept, leider fehlte hierfür die Wertschätzung seitens der Politik und der Sozialversicherung. Die Leistungen wurden fast drei Jahrzehnte lang nicht einmal an die Inflation angepasst. Erst die Drohung, aus dem Vertrag auszusteigen, hat dann den Stein ins Rollen gebracht. Denn nach Jahren des Hinhaltens und der vergeblichen Proteste war es einfach genug. Die Valorisierung der Beträge über die letzten 28 Jahre wurde bereits fixiert. Zusätzlich wurde vereinbart, dass wir unverzüglich Verhandlungen über Adaptierungen und die Einführung neuer Leistungen führen werden.

Ausbau von Impfprogrammen

Was die Vorsorge angeht, haben wir bereits vor einigen Jahren einen „Jugendpass“ , also die Erweiterung des MutterKind-Passes bis zum 18. Lebensjahr, mit wichtigen Vorsorgeuntersuchungen erarbeitet. Präventionsmedizin bedeutet unter anderem, Jugendliche ärztlich zu begleiten, etwa bei Lebensstil- und Suchtproblemen. Präventionsmedizin inkludiert aber auch ein sinnvolles Impfprogramm. Es ist zu begrüßen, dass das kostenlose HPV-Impfprogramm bis zum 21. Lebensjahr erweitert worden ist. Auch der vom Ministerium ab der Wintersaison 2023 geplante österreichweite Ausbau des Influenza-Impfprogramms ist ein wichtiger Schritt in der Prävention. Aus unserer Sicht wäre es hier erstrebenswert, wenn die Influenza- genauso wie die COVID-Impfung in der Ordination bereits gelagert ist und der Patient damit direkt geimpft werden kann. Damit erspart er sich Wege und der Arzt kann nach dem durchgeführten Check des Impfpasses sowie einem Beratungs- und Aufklärungsgespräch sofort impfen.

Facharzttitel für Allgemeinmedizin

Wir blicken positiv in die Zukunft, was die Anerkennung der Allgemeinmedizin angeht. Denn unsere jahrelange Forderung nach einem eigenen Facharzt ist erfüllt worden. Es sind nun noch Gespräche offen, weil für die Umsetzung Änderungen im Ärztegesetz durchgeführt werden müssen. Ich denke, dass der neue Facharzt dazu beitragen kann, dem Kassenärztemangel entgegenzuwirken. Derzeit sind österreichweit über 160 Kassenstellen in der Allgemeinmedizin unbesetzt.

Flexibilisierung der Kassenmedizin

Was die Kassenmedizin angeht, kämpfen wir nach wie vor mit starren Strukturen und fehlender Flexibilität. So ist es derzeit beispielsweise nicht möglich, dass ein Spitalsarzt auch eine Kassenordination betreibt. Somit muss sich jeder, der in beiden Welten arbeiten möchte, als Wahlarzt niederlassen. Das ist nur ein Manko von vielen. Die Rahmenbedingungen durch die Kassenverträge mit Deckelungen und der „FünfMinuten-Medizin“ müssten sich dringend ändern, ebenso jene für Gruppenpraxen, Jobsharing etc. Auch die Richtlinien für Hausapotheken schrecken viele davor ab, eine Praxis zu eröffnen. Die anachronistische Kilometerregelung verhindert das faire duale System von Hausapotheken und öffentlichen Apotheken. Erstrebenswert wäre ein kundenfreundliches Neben- und Miteinander von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken. Und: Ärzte brauchen ausreichend Zeit für ihre Patienten. Hilfreich wäre etwa, die Chefarztpflicht bei der Arzneimittelbewilligung abzuschaffen, was zu Beginn der Pandemie auch geschehen ist. Das sollte so bleiben. In der Kassenmedizin muss alles getan werden, um Wartezeiten zu verkürzen und Aufnahmestopps zu vermeiden.

Förderung der Primärversorgung

Mehr Flexibilität benötigen wir auch in der Förderung der Primärversorgung: Derzeit werden die EU-Gelder in Österreich explizit nur an Primärversorgungszentren ausgeschüttet. Primärversorgung umfasst aber die gesamte niederschwellige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, egal ob sie in einer Einzelordination, einer Gruppenpraxis oder einer Primärversorgungseinrichtung stattfindet. <

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