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Komplementärmedizin Optionen bei Krebs ausschöpfen

Komplementärmedizinische Optionen bei Krebs ausschöpfen

Verbesserung der Lebensqualität und Prognose onkologischer Patient:innen

Die Diagnose Krebs zu bekommen, erschüttert Patientinnen und Patienten in ihren Grundfesten. Eine aktuelle Studie aus Kalifornien deutet darauf hin, dass die Pandemie dazu beitragen könnte, dass die Diagnose von Krebserkrankungen erst in späteren Stadien erfolgt. Ein Mammakarzinom wurde 2020 signifikant seltener in Stadium I und signifikant häufiger in Stadium IV diagnostiziert als noch 2019.1 Dieses Ergebnis macht deutlich, wie wichtig die Nutzung von Vorsorgeprogrammen sowie die rasche Behandlung maligner Neoplasien ist. Rund zwei Drittel der Patientinnen und Patienten wünschen sich, zusätzlich zur klinischen Therapie Behandlungen nutzen zu können, welche die Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie lindern und im besten Fall auch das Tumorwachstum einschränken. Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und insbesondere die Misteltherapie besprachen Ass.-Prof. Dr. Leo Auerbach, Leiter der Komplementären Ambulanz an der Frauenheilkunde, MedUni Wien, sowie Dr.in Ilse FleckVáclavik, Allgemeinmedizinerin in Perchtoldsdorf und Mödling, im Rahmen eines Symposiums in Wien.2

Die Misteltherapie verbessert u. a. die Lebensqualität, das Fatigue-Syndrom und tumorbedingte Schmerzen.

Patient:innen über Komplementärmedizin informieren

Im vergangenen Jahr wurde die erste deutschsprachige Leitlinie für Komplementärmedizin in der Onkologie publiziert, als S3-Leitlinie auf höchstem Qualitätsniveau.3 Prof. Auerbach betont: „Wir brauchen für alle Kolleginnen und Kollegen so eine evidenzbasierte Zusammenfassung der komplementärmedizinischen Möglichkeiten. Diese Leitlinie erfolgte gemeinsam mit den relevanten onkologischen Gesellschaften und sollte hiermit allen Patientinnen und Patienten im Rahmen der onkologischen Therapie angeboten und diskutiert werden.“ Unter den federführenden onkologischen Fachgesellschaften der S3-Leitlinie herrscht starker Konsens darüber, dass alle onkologischen Patienten frühestmöglich über komplementärmedizinische Maßnahmen informiert werden sollen. Außerdem empfehlen sie die Aus-, Weiter- und Fortbildung des medizinischen Fachpersonals im Bereich der Komplementärmedizin.

Maßnahmen von Sport bis Misteltherapie

Verschiedene komplementäre Maßnahmen ermöglichen es, die Lebensqualität und die Nebenwirkungen der klinischen Therapien wirksam zu beeinflussen. So kann laut Prof. Auerbach körperliche Aktivität Fatigue und andere Nebenwirkungen reduzieren und die Lebensqualität steigern. Weitere wichtige und evidenzunterstützte Behandlungen sind die Therapie mit Selen, Mariendistel, Cannabis und etwa japanischen Heilpilzen, um nur einige zu nennen. Vitamin-C-Infusionen können ebenfalls eine sinnvolle Ergänzung bei der Behandlung von Krebs-Patienten darstellen (unbedingt mit mindestens fünf Tagen Abstand zur Chemotherapie). Auch zur Misteltherapie gibt es eine Vielzahl von Studien. „Sie verbessert die Lebensqualität, reduziert die Menge und Intensität der Nebenwirkungen und mildert Fatigue-Syndrom und tumorbedingte Schmerzen“ , hebt Prof. Auerbach hervor. Außerdem mehren sich die Hinweise, dass auch das Tumorwachstum gehemmt werden könne (siehe Tabelle). „Die Misteltherapie moduliert die körpereigene Abwehr, sie fördert sowohl die Nekrose als auch die Apoptose der Tumorzellen. Darüber hinaus sorgt sie für eine DNA-Stabilisierung“ , berichtet Dr.in Fleck-Václavik. Bei einer Inkubation von Zellen mit Cyclophosphamid komme es in der Regel zu einer Erhöhung der SchwesterchromatidAustauschrate, welche ein Maß für die Zellschädigung sei. Werde dem Gemisch allerdings Mistelextrakt hinzugefügt, sinke diese Rate.4 Zwei Studien sprechen sogar dafür, dass die Überlebenszeit durch den komplementären Einsatz der Mistel bei onkologischen Patienten verlängert werden kann.5,6

Tipps für die praktische Anwendung

Die Allgemeinmedizinerin betreut in ihren Praxen auch viele Mammakarzinom-Patientinnen. „Diese Frauen haben fast nie Beschwerden durch den Tumor, werden aber durch dessen Behandlung in eine Lebensphase gedrängt, in der sie relativ starke Beschwerden haben und ihre Lebensqualität deutlich abnimmt“ , so Dr.in Fleck-Václavik. „Sie wünschen sich eine Therapie, die es ihnen ermöglicht, selbst aktiv zu werden und nicht nur Passagierin zu sein. “ Hierfür – aber auch für das palliative Setting – sei die

Misteltherapie gut geeignet, da die Patientinnen und Patienten geschult würden, sich die Mistelextrakte selbst subkutan zu verabreichen. In Österreich ist die Misteltherapie für die Behandlung aller soliden Tumoren zugelassen. Vorteilhaft sei, dass sie nicht nur vor oder nach der klinischen Therapie stattfinden könne, erläutert Prof. Auerbach: „Es gibt mittlerweile viele Studien, die zeigen, dass die Misteltherapie auch gefahrlos neben einer Behandlung mit Chemotherapeutika oder monoklonalen Antikörpern verabreicht werden kann. Es kommt zu keinen Interaktionen zwischen den Arzneimitteln. “ Laut Dr.in Fleck-Václavik ist aber darauf zu achten, dass die Misteltherapie zu einem geeigneten Zeitpunkt begonnen wird, wenn man die Möglichkeit hat, die Patienten langsam an ihre ideale Mistelextraktdosis heranzuführen.

NACHGEWIESENE WIRKUNGEN DER MISTELTHERAPIE

Wirkungen auf zellulärer Ebene Systemische Wirkungen

„ Aktivierung von natürlichen Killerzellen,

Monozyten/Makrophagen, Granulozyten,

Zytokinen „ Steigerung der Zelldifferenzierung „ Verminderung der chronischen Entzündung „ Angiogenese-Hemmung „ DNA-Stabilisierung „ Direkte Zytotoxizität und Apoptose „ Mehr Appetit „ Bessere Stimmung „ Weniger Schmerzen „ Weniger Fatigue

Fazit

„Es gibt eine Reihe von guten komplementärmedizinischen Optionen, die man problemlos einsetzen kann“ , fasst Prof. Auerbach zusammen. „Komplementäre und klinisch-onkologische Behandlungen bilden letztlich eine Partnerschaft, sie vereinen das Beste aus allen Welten. “ Das spiegele sich im Konzept einer integrativen Onkologie wider. Dr.in Fleck-Václavik fügt hinzu: „Die Misteltherapie stellt eine bewährte und mit Studien sehr gut untermauerte Methode dar, mit der man sich auseinandersetzen sollte.“

Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc

Quellen: 1 Zhou JZ et al., JAMA Netw Open 2022; 5(2): e2148581. 2 Symposium „Neue Standards in der komplementären

Krebstherapie. Erste S3-Leitlinie von Mistel, Selen & Co im deutschsprachigen Raum“ am 06.09.2022 in Wien. 3 Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen

PatientInnen“, Stand: 09/2021. 4 Bussing A et al., Eur J Cancer 1994; 30(12): P1836-41. 5 Tröger W et al., Eur J Cancer 2013; 49(18): P3788-97. 6 Schad F et al., PLoS One 2018; 13(8): e0203058.

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