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Herr Doktor, testen Sie mich auf alles …

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Dos und Don’ts in der Typ-1-Allergiediagnostik

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Allergiediagnostik gestaltet sich prinzipiell einfach, solange man gewisse Richtlinien beachtet. Die eigentliche Kunst ist die Interpretation der Ergebnisse. Gerade hier gibt es immer wieder Probleme, die eine Irreführung des Patienten und – insbesondere bei vermeintlichen Nahrungsmittelallergien – unnötige Einschränkungen verursachen können. Die Typ-1-Allergiediagnostik besteht immer aus einer ausführlichen Anamnese inklusive der Evaluierung potenzieller Allergenbelastungen am Arbeitsplatz und/oder durch Hobbys, beispielsweise die Zucht seltener Tiere. Zudem beinhaltet sie eine Hautpricktestung und die Serologie unter Bestimmung von Allergenkomponenten – soweit verfügbar.

Fragestellung: „Herr Doktor, testen Sie mich auf alles … “ Diesen Satz werden Sie wohl schon einmal gehört haben. Wie bei jedem diagnostischen Vorgehen ist zuerst eine konkrete Fragestellung erforderlich, um ein konkretes Ergebnis zu erzielen. Die Allergiediagnostik beginnt mit einer gründlichen Anamnese, wobei die Aussagen der Patientinnen und Patienten nicht immer schlüssig sind. Daher ist etwa bei der Abklärung einer Pollenallergie die Testung auf alle häufigen Pollen notwendig. Selbverständlich stellt ein umfassendes allergologisches Wissen die Vorausetzung für eine zielführende Diagnostik und ihre Interpretation dar.

Was kann man (nicht) pricken?

Bei der Prüfung in Hinblick auf inhalative Allergene ist die Verwendung handelsüblicher Testsubstanzen Standard – die Herstellung eigener, soweit dies nötig ist, gehört in die Hand von Spezialistinnen und Spezialisten. Techniken wie der Scratchtest auf Tierhaare sind nur dann sinnvoll, wenn keine Testsubstanzen zur Verfügung stehen. Generell müssen bei selbstgemachten Stoffen immer Kontrollen bei Nichtallergikern durchgeführt werden, um falsch positive Reaktionen zu vermeiden. Auch die Sensitivität des Scratchtestes ist zu hinterfragen.

Ebenso sollten bei der Testung auf Lebensmittel handelsübliche Extrakte eingesetzt werden, allerdings ist die Prick-to-Prick-Testung mit nativen Nahrungsmitteln oftmals notwendig, da zu wenige Präparate existieren oder ihre Qualität fraglich ist. Auch hier empfiehlt sich bei seltenen Allergenen eine Überprüfung an Kontrollpersonen, um falsch positive Reaktionen auszuschließen – z. B. Reizungen bei sehr sauren Nahrungsmitteln. Scharfe Nahrungsmittel wie Chilli kann man aufgrund der Irritationen nicht Prick-to-Prick testen. Generell sind Expertise und Praxiserfahrung bei der Durchführung notwendig, da sich das Ablesen mitunter schwierig gestaltet und bei Dermatographismus gerne eine Fehlinterpretation im Sinne von „auf alles allergisch“ kommuniziert wird. Das Testen der Positiv- und der Negativkontrolle (NaCl) ist obligat. Auch ist das Mitpricken von Profilin GASTAUTOR: Univ.-Doz. Dr. bei Pollen- oder NahrungsmittelallergiFelix Wantke kern ratsam, um das Pricktestergebnis Facharzt für Pneumologie, Leiter des besser interpretieren zu können. Eine Floridsdorfer Allergie- Selbstverständlichkeit am Rande: Pro zentrums, Wien Allergen muss eine eigene Pricknadel verwendet werden, das Abwischen ist nicht zulässig, da es falsch positive Reaktionen ergeben würde.

Don’ts:

• Testung ohne klare Fragestellung, • Testung mit nichtstandardisierten, selbstgemachten Testsubstanzen, • Testen ohne Positiv- und

Negativkontrolle, • Pricktest mit nur einer Nadel, • Fehlinterpretation eines Testergebnisses aufgrund von Dermatographismus oder bei Pollenextrakt aufgrund von Profilinpositivität.

Serologie

Die serologische Diagnostik hat in den letzten Jahren die größten Fortschritte gemacht. Dank der Komponentendiagnostik können die Majorallergene der wichtigsten inhalativen Allergene, vieler Nahrungsmittel und von Bienen- und Wespengift bestimmt werden. Wo immer es möglich ist, ist die Allergenkomponente zu bevorzugen. Wir wissen, dass Pollen auch klinisch nicht relevante Minor-/ Panallergene enthalten, die sowohl die Pricktestung (Profilin) als auch die Serologie bei Verwendung von Gesamtextrakten „stören“ , da sie irrelevante positive Resultate liefern. In der Serologie bei Pflanzen- und Insektengesamtextrakten besteht noch die CCD(„cross-reactive carbohydrate determinants“)-Problematik, die bei etwa 20 % der Patienten vorkommt. Die Allergenchiptestung ist ein breites serologisches Testverfahren, das meines Erachtens insbesondere bei komplexen Lebensmittelallergien seine Berechtigung hat, aber bei der Interpretation großes Fachwissen voraussetzt.

Don’ts:

• Nichttesten oder Ignorieren von Profilinsensibilisierung oder CCD-Positivität bei Gesamtextrakten in Bezug auf

Pollen, Nahrungsmittel oder Insekten, • generelles Nichtverwenden von

Komponentendiagnostik, • Komponenten für unfehlbar halten (eine gute, aber sehr spezifische

Testung),

SEROLOGISCHE BESTIMMUNGEN IM VERGLEICH

Vorteil Nachteil

Gesamtextrakt enthält (fast) alle Allergene

Komponente enthält nur ein Allergen; keine Profilin- und meist keine CCDProblematik

Allergenmixes Screening Profilin- und CCD-Problematik

Komponenten sind nach wie vor unvollständig – falsch negative Ergebnisse möglich

wenn positiv, ist eine weitere Testung nötig • Allergenchiptestung, nachdem bereits mehrere ausführliche Tests negativ waren, • Überinterpretation der Serologie bei sehr hohem Gesamt-IgE (falsch positiv), • Sensitivitätsschwäche der Serologie bei sehr niedrigem Gesamt-IgE nicht berücksichtigen (falsch negativ), • alleinige serologische Diagnostik, ohne den Patienten je gesehen zu haben.

Interpretation

Die Kunst der Allergologie besteht in der Interpretation der Ergebnisse. Diese sollte bzw. müsste durch eine allergologisch geschulte Person erfolgen, welche auch die Untersuchung angeordnet oder durchgeführt hat. Die wichtigste Unterscheidung betrifft Allergie und Sensibilisierung: Eine allergische Sensibilisierung liegt dann vor, wenn ein positives Testergebnis gefunden wurde, der Patient jedoch beschwerdefrei ist. Eine Allergie besteht nur dann, wenn der Patient bei einem positiven Ergebnis auch klinische Symptome hat. Das zeigt, dass eine Interpretation der Untersuchungen nur >

AKTUELL

Der Gastautor ist Vortragender bei der 46. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und der Österreichischen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (OGTC), 29.9.–1.10.2022, Salzburg Congress. ogp-kongress.at

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im Gespräch mit dem Patienten möglich ist, eine Bewertung von Befunden ohne Anamnese lässt sich nicht vornehmen. Fairerweise muss erwähnt werden, dass unsere Diagnostik in gewissen Bereichen noch suboptimal ist. Inhalative Allergien, z. B. gegen Pollen, Milben, Tiere, sind weitgehend abklärbar, da die wichtigsten Allergenkomponenten zur Verfügung stehen. Die Schimmelpilzdiagnostik wäre aber noch ausbaufähig, etwa die Testsubstanzen betreffend. Die wesentlichsten Lebensmittelallergien, also gegen Milch, Ei, Erdnuss, Haselnuss, Fisch etc., lassen sich gut ermitteln, allerdings wären weitere Allergenkomponenten zur Abklärung der Weizenallergie wünschenswert.

Dont´s:

• Interpretation eines positiven Allergenmixes ohne

Aufsplitterungstestung, • Interpretation des Ergebnisses, ohne den Patienten je gesehen zu haben, • Interpretation des Risikoprofils von Nussallergien bei alleiniger Testung mit Gesamtextrakt – hier ist die

Komponententestung unumgänglich (DD: Kreuzreaktion Birke, Profilin, CCD, Lipidtransferprotein, echte Speicherproteinsensibilisierung), • Allergietestergebnisse Laien vorlegen (etwa in Schulen,

Kindergärten usw.).

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Dos der Allergiediagnostik:

„ klare Fragestellung, „ Testung nur nach ausführlicher Anamnese, „ Pricktest: standardisierte Testsubstanzen verwenden, „ Serologie: CAVE: Profilin & CCD, „ Interpretation der Ergebnisse nur nach ausführlicher Anamnese gemeinsam mit dem Patienten, „ Provokation: bei unklaren Ergebnissen –

CAVE: systemische Reaktionen, daher nur stationär in Zentren.

Provokationstests

Bei unklaren Ergebnissen oder unklarer/widersprüchlicher Anamnese empfiehlt sich die spezifische Provokation, weil ein positiver Allergietest lediglich über die Sensibilisierung, aber nicht über die klinische Relevanz des Ergebnisses Aufschluss gibt. Insbesondere bei Nahrungsmittelallergien liefert die Provokation wichtige Informationen, ob das Lebensmittel noch gemieden werden muss oder ob es schon wieder konsumiert werden darf. Bei einer Monoallergie auf ein inhalatives Allergen mit einer klaren Beschwerdenanamnese ist eine spezifische Provokation nicht nötig. Generell birgt jene Untersuchung Risiken, wobei im Extremfall eine schwere systemische Reaktion (Anaphylaxie) auftreten kann. Daher dürfen Provokationen nur in klinischen Settings mit Notfallausrüstung durchgeführt werden. <

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