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Das Team um die Patient:innen
Fünf Jahre Primärversorgungsgesetz: ein steiniger Weg zur Regelversorgung
Die sechste Primärversorgungstagung von AM PLUS, der Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit, lud im Sommer 2022 Vertreter der Stakeholder aus dem Gesundheitsbereich und der Gemeindeverwaltung nach Haslach (OÖ) ein, um Stand, Probleme und Zukunftsaussichten in der Primärversorgung zu referieren und diskutieren. Fakt ist, dass es zur künftigen Absicherung einer flächendeckenden integrativen, wohnortnahen Grundversorgung enormer Anstrengungen aller Verantwortungsträger bedarf. „Eigentlich sollten mindestens 30 Prozent jener, die ein Medizinstudium absolvieren, Hausärztinnen oder -ärzte werden. Davon sind wir weit entfernt“ , sagte Dr. Erwin Rebhandl, Präsident von AM PLUS (amplusgesundheit.at) und Allgemeinmediziner im Primärversorgungszentrum Haslach, der die zufriedenstellende Grundversorgung in den nächsten Jahren in Gefahr sieht. Seit dem Gesetz von 2017 ist einiges zur Stärkung der Primärversorgung (PV) in Bewegung gekommen. Von den bis 2023 avisierten 75 Primärversorgungseinrichtungen (PVE) in Österreich sind derzeit 36 umgesetzt – 32 davon als Primärversorgungszentrum und vier als Netzwerk. „Auftrieb erhoffen wir uns von dem 100 Millionen Euro schweren EU-Förderungstopf zur Attraktivierung und zum Ausbau der Primärversorgung bis 2026“ , erklärte Dr. David Wachabauer, Leiter der Koordination Primärversorgung bei der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Für Mitte September kündigte er den Start der „Plattform Primärversorgung“ an, eines Begegnungsraumes für alle, die sich für multiprofessionelle Primärversorgung interessieren (primaerversorgung.gv.at). Das Überwinden von Standesdünkel, Synergien von Gesundheitsinstitutionen, -berufen und -dienstleistern, die verpflichtende Konfrontation aller Medizinstudenten von Beginn der Ausbildung an mit der Allgemeinmedizin, die Umsetzung „des Facharztes/der Fachärztin für Allgemeinmedizin“ , eine umfassende Unterstützung von Jungärztinnen und -ärzten bei der Konzeptentwicklung und Umsetzung einer PVE sowie die Zusammenarbeit mit den Gemeinden – das sind wesentliche Aspekte, die bei der „Fachtagung für Ärzt:innen, Politik und Gesundheitsberufe“ thematisiert wurden. Die Vortragenden erörterten notwendige Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau der wohnortnahen, integrativen Grundversorgung und zur leichteren Bildung der „Teams um den Patienten“ in PVE. Dr. Erwin Rebhandl, Dr. Thomas Peinbauer und Mitglieder des Teams der PVE „Hausarztmedizin plus“ in Haslach stellten das zukunftsweisende Projekt „Gesundheit Steinerne Mühl“ vor, zu dem sich vier Gemeinden im Oberen Mühlviertel zusammengeschlossen haben. Alle gesundheitsrelevanten Aktivitäten von Gemeinden sowie Dienste von Institutionen in der rund 5.100 Einwohner umfassenden Region wurden zu folgenden Zwecken vernetzt: Steigerung der Awareness für Gesundheitsthemen und Prävention, Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, Unterstützung von Menschen mit chronischen Erkrankungen, Angebote zur Lebensstiländerung für alle Altersgruppen, Social Prescribing und bessere Erreichung vulnerabler Zielgruppen.
Förderung von Community Nursing
Zentral im „Team um den Patienten“ in PVE sind Vertreterinnen und Vertreter von Gesundheitsberufen, etwa der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Diätologie, Sozialarbeit, Psychotherapie. Neuerdings arbeitet man in der Region „Gesundheit Steinerne Mühl“ mit einer Community Nurse (CN) zusammen. Seit heuer werden nach internationalem Vorbild EU-geförderte Pilotprojekte für
NACHGEFRAGT: Erfahrung mit Primärversorgung
„ „Medizinstudent:innen müssen von Beginn an mit der Allgemeinmedizin konfrontiert werden. Mit dem Kennenlernen der Aufgaben und Möglichkeiten in der Praxis oder einer PVE © Kirschner wächst bei vielen das Interesse am Beruf des Hausarztes/der Hausärztin.“ Dr. Erwin Rebhandl, Präsident von AM PLUS
© Kirschner „Zum Ausbau und zur Attraktivierung der Primärversorgung gibt es bis 2026 einen 100 Millionen Euro schweren EU-Fördertopf.“
Dr. David Wachabauer, Leiter der Koordination Primärversorgung bei der Gesundheit Österreich GmbH
© Kirschner „Erste PVE-Evaluierungen zeigen die Zufriedenheit aller Beteiligten. Durch die PVE war mancherorts eine erfolgreiche Nachbesetzung von sonst schwer besetzbaren Planstellen möglich.“
Mag. Franz Kiesl, Fachbereichsleiter des Versorgungsmanagements 1 der ÖGK
© Kirschner „Welche Art der Grundversorgung Gemeinden haben möchten, können sie sich meist nicht aussuchen. Sie müssen oftmals froh sein, wenn sich nach einer Pensionierung überhaupt ein neuer Hausarzt/eine neue Hausärztin findet. Bei uns in Perg sind von fünf Stellen derzeit nur drei besetzt.“
Fabio König, Vizebürgermeister in Perg
Community Nursing in Österreich umgesetzt. Bis 2024 sollen in 500 Gemeinden solche Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte arbeiten. Community Nursing zielt auf die Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit sowie die bestmögliche Lebensqualität aus pflegerischer Sicht ab. Vornehmliche Zielgruppe sind ältere Menschen, die noch in den eigenen vier Wänden leben, sowie pflegende Angehörige. Ein zentrales Element der Arbeit einer CN stellen zum Beispiel präventive Hausbesuche bei der Generation 75 plus dar, bei denen erhoben wird, ob und welcher Pflegebedarf besteht. Sie kann aber auch präventive Maßnahmen initiieren, damit Senioren mobil bleiben. Die CN informiert über Hilfsangebote und vernetzt ihre Klienten mit Gesundheitsdienstleistern, um ihnen die optimale Begleitung zu ermöglichen.
PV-Modelle weiterentwickeln
„Erste Evaluierungen bestehender PVE zeigen, dass es eine hohe Zufriedenheit von Gesellschaftern, Gesundheitspersonal sowie Patientinnen und Patienten gibt. Durch die PVE war eine erfolgreiche Nachbesetzung von sonst schwer besetzbaren Planstellen möglich. Es bestätigt sich, dass nichtärztliche Gesundheitsberufsgruppen wie diplomiertes Krankenpflegepersonal, Sozialarbeiter und PV-Manager die Ärzte entlasten und die Versorgung durch multiprofessionelle Teams klare Vorteile für chronisch Kranke hat“ , sagte Mag. Franz Kiesl, Fachbereichsleiter des Versorgungsmanagements 1 der ÖGK. Er sieht einen klaren Aufwärtstrend bei Neugründungen und Interessenten. „Die ÖGK bekennt sich zum Ausbau der Primärversorgung, deren Weiterentwicklung und Stärkung darf sich nicht auf PVE beschränken, sondern muss umfassender gedacht werden“ , erklärte Dr. Arno Melitopulos-Daum, Leiter des Fachbereichs Versorgungsmanagement 3 der ÖGK. In der Diskussion zeigten sich Sorgen und Ohnmacht der Gemeindevertreterinnen und -vertreter, wenn hausärztliche Stellen nicht nachbesetzt werden können. „Auch wenn wir keine rechtliche Handhabe haben, liegt es aus Sicht der Bevölkerung in der Mitverantwortung der Bürgermeisterinnen und -meister, sich um die hausärztliche Versorgung zu kümmern. Das baut Druck auf. Wir müssen froh sein, wenn eine offene Stelle überhaupt besetzt werden kann. Welche Art der Grundversorgung man haben möchte, kann man sich meist nicht aussuchen“ , schilderte Fabio König, Vizebürgermeister von Perg, die prekäre Situation stellvertretend für andere Gemeinden. In Perg sind drei von fünf Hausarztposten besetzt. Sollte eine dieser Stellen vakant werden, bricht die Versorgung zusammen. „Bei der Unterstützung für die Entwicklung von Konzepten in der Primärversorgung muss man gezielt auf die individuellen Bedürfnisse eingehen, denn die Materie ist komplex“ , betonte Dr. Rebhandl abschließend. AM PLUS helfe gerne und könne diese individuelle Erstberatung von Gemeinden sowie interessierter Ärztinnen und Ärzte übernehmen.
Mag.a Christine Radmayr
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(API-Studie der GfK 01/2016)