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Prävention rechnet sich!
Vorsorgeprogramme haben sich bei Profis bewährt und sind ebenso im Breitensport notwendig
Egal ob an einem Nachmittag im Fußballstadion … oder in einer Sporthalle bei einem Volleyballturnier: Sportverletzungen passieren schnell. Oft knickt bei einer unkontrollierten Handlung wie dem Landen nach einem Sprung das Bein weg. „Meist ist eine Kaskade der Instabilität des Beckens und der unteren Extremitäten dafür verantwortlich“ , erklärt Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, MSc, Dekan der Fakultät für Gesundheit und Medizin an der Donau Universität Krems.* „Eine verbesserte Koordination könnte viele solcher Sportunfälle verhindern.“ Beim Fußball kommen Knieverletzungen am häufigsten vor. Die vordere Kreuzbandruptur (VKB) wird meist durch den bereits erwähnten medialen
Stabilisierungskollaps verursacht. „Bei Fußballspielerinnen und Fußballspielern der FIFA11+ hat sich gezeigt, dass das Verletzlichkeitsrisiko dank eines Präventionsprogramms um zirka 30 Prozent gesenkt werden kann, bei Knieverletzungen sogar um 48 Prozent“ , hebt Prof. Nehrer hervor. „Prävention funktioniert also. Das gilt auch für andere Ballsportarten. ImplementationsEXPERTE: Univ.-Prof. Dr. strategien sind gefragt, auch Stefan Nehrer, MSc im Breitensport.“ Dekan der Fakultät für Gesundheit und Wichtig sei, dass schon im Medizin an der Donau Kindesalter BewegungsabläuUniversität Krems fe spielerisch erlernt werden, etwa die richtige und falsche Haltung bei der Sprunglandung, und dass auf Stabilitätsübungen und auf die Kräftigung der Gelenke gesetzt wird. Sportmediziner fordern seit Jahrzehnten die „tägliche Turnstunde“ .
Langzeitfolgen wie Osteoarthrose
„Generell passieren Sportverletzungen bei Mädchen im Fußball und beim Skifahren häufiger“ , fügt Prof. Nehrer einen weiteren interessanten Aspekt hinzu. „Während sie bei ganz kleinen Kindern noch selten vorkommen, werden sie bei Adoleszenten fast zur Epidemie.“ Die Ausfälle – z. B. nach einem Kreuzbandriss – dauerten meist lange: ein Jahr und mehr. Wer einmal verletzt gewesen sei, verletze sich schneller wieder. Nicht zu vernachlässigen seien auch die Langzeitfolgen. Studien zeigen: Intensive sportliche Aktivität und entsprechende Verletzungen führen zu signifikant höheren Arthroseraten. Eine hohe Inzidenz von Kniearthrosen gibt es daher im HighImpact-Sport (z. B. im Fußball). Multiple Verletzungen ziehen eine hochgradige Osteoarthrose nach sich. Ein Kniegelenkersatz kann notwendig werden. „Das
Risiko ist fünf- bis zwölfmal höher als das der Normalbevölkerung“ , gibt der Sportmediziner zu bedenken. „Die Arthrose beginnt fünf bis zehn Jahre früher, wie etwa bei angeborenen Fehlstellungen. “ Das gelte auch für die Schulter, z. B. beim Handball. 93 Prozent der Sportlerinnen und Sportler hätten strukturelle Veränderungen. Es gebe aber auch für diesen Bereich komplexe Strategien (Technik, Training …), um Gelenkschäden zu vermeiden. Sie sollten verstärkt implementiert werden. Platz eins nehmen in Österreich übrigens Skiverletzungen ein. Zirka 60.000 werden pro Jahr gezählt. 88 Prozent passieren im Freizeitsport. Am häufigsten kommt es auch hier zu Kreuzbandverletzungen und zu Meniskusrissen.
IM ÜBERBLICK
Modifizierbare Risikofaktoren sind:
Biomechanische Faktoren
Dynamischer Valgus Geringe Knie- und Hüftflexion bei Landung Verminderte Hüft- und Rumpfkontrolle
Neuromuskuläre Faktoren
Relative Schwäche der Knieflexoren und Hüftabduktoren im Vergleich zu den
Knieextensoren Verzögerte Aktivierung der Flexoren Defizite der Propriozeption Muskelermüdung
Mangelhafte generelle Fitness
Nichtmodifizierbare Faktoren sind:
Frauen Alter unter 20 Hormonstatus (präovulatorische Phase) Risikosportarten: Fußball, Handball, Basketball, alpines Skifahren Narrow intercondylar notch Generalisierte Ligamentlaxizität Pes pronatus valgus Vorbestehende muskuloskelettale Verletzungen Wetter, Bodenbeschaffenheit (z. B.
Kunstrasen) Infektionskrankheiten
Quelle: Mehl J et al., ArchOrthopTrauma Surg. 2018;138(1):51-61.
Präventionsstrategien sind kosteneffektiv
„Sport bleibt trotzdem gesund“ , unterstreicht Prof. Nehrer. „Doch 40 bis 50 Prozent der durch körperliche Aktivität erzielten Gesundheitsbenefits gehen aufgrund von Sportverletzungen verloren. “ Der Sportmediziner kennt interessante Zahlen: In der EU erfasst man 300 Millionen Sportverletzungen pro Jahr. Sie verursachen Kosten von 78 Milliarden Euro. Das sind 7,8 Prozent des EU-Gesundheitsbudgets (ohne Langzeitkosten). Durch zweieinhalb Stunden moderater Bewegungs-Aktivität pro Woche ist eine eine Sterberisikoreduktion (Mortalität) von zehn Prozent möglich, bei fünf Stunden pro Woche eine um 20 Prozent, bei acht Stunden intensiven Sports (Laufen) pro Woche sogar eine von über 40 Prozent. „Das bezieht sich auf regelmäßige Bewegung“ , macht der Experte aufmerksam. „Präventionsstrategien sind kosteneffektiv. Sie reduzieren Verletzungshäufigkeiten und sozioökonomische Folgekosten, verhindern Frustration und psychosoziale Folgen. “ Die beste Evidenz gebe es im Fußball, für Sprunggelenk-, Knie- und Muskelverletzungen. „Ärzte und Physiotherapeuten sind heute effektiver als früher, was die Identifizierung von bzw. die Intervention bei Verletzungen und deren Ursachen betrifft, und haben die Muskel- und Kreuzbandverletzungen im Profifußball reduziert“ , resümiert Prof. Nehrer. Eine Verpflichtung zur Sorgsamkeit bestehe auch bei Amateuren und im Freizeitsport, vor allem bei Jugendlichen. „Prävention funktioniert und rechnet sich!“
Mag.a Karin Martin
* Der Experte war Vortragender bei den 7. Praevenire Gesundheitstagen 2022 von 18. bis 20. Mai in Seitenstetten. Er ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention.
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TERMIN
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