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Mehr Wissen führt nicht zum Handeln“
Wie klimafreundliche und gesundheitsbewusste Verhaltensweisen gefördert – und sabotiert – werden
Wenn das Wissen vorhanden ist, aber die entsprechende Handlung ausbleibt, dann folgt die Frage nach dem Warum. Umweltpsychologin Dr.in Isabella Uhl-Hädicke, Universität Salzburg (PLUS), griff unter diesem Gesichtspunkt das brisante Thema Klimakrise in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Warum machen wir es nicht einfach?“ auf. Welche Überschneidungen es zwischen klima- und gesundheitsbewussten Verhaltensweisen gibt, erläuterte die Autorin nun im Gespräch mit der Hausärzt:in.
HAUSÄRZT:IN: Oft wissen Menschen, welche Verhaltensweisen gut wären, handeln aber anders. Das betrifft genau genommen nicht nur die Klimakrise, oder?
Dr.in UHL-HÄDICKE: Wie Sie richtig sagen: Diese Diskrepanz, dass wir eigentlich etwas wissen, aber nicht dementsprechend handeln, zieht sich beim Menschen durchs Leben. Oft nehmen wir an, dass wir rationale Wesen sind – dem ist aber nicht so. Wir sind vielfach durch unbewusste Faktoren gesteuert. Die Psychologie beschäftigt sich schließlich damit, warum die Menschen wie und wann handeln. Mein Fokus liegt dabei auf dem klimafreundlichen Verhalten.
Kann man klima- und gesundheitsfreundliches Verhalten so gesehen „über einen Kamm scheren“?
Ja und nein. Es gibt Faktoren, die verschiedenste Verhaltensweisen beeinflussen. Natürlich ist es so, dass je nach Gebiet spezifische Variablen relevant sind. Faktoren, die generell eine Rolle spielen, sind die Gewohnheiten, ein Großteil unseres Alltagsverhaltens: sei es, was ich esse, wie ich mich bewege, ob ich rauche, aber auch, ob ich klimafreundlich handle. Das ergibt aus psychologischer Sicht Sinn, weil wir sonst eine kognitive Überlastung hätten. Es erleichtert einem, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Wenn es nun darum geht, dass diese Gewohnheiten gesundheitsschädigend oder klimaschädigend sind, dann stehen sie uns jedoch eher im Wege.
Wie kann es uns gelingen, solche Gewohnheiten zu ändern?
Es ist herausfordernd, Gewohnheiten zu ändern – aber es ist möglich. Die Forschung zeigt, dass Intentionen der Gewohnheitsänderung in bestimmten Zeitfenstern besonders fruchten: zum Beispiel, wenn sich natürliche Lebensumstände ändern, weil man umzieht, einen neuen Job annimmt oder in Pension geht. Wenn es wirklich darum geht, Gewohnheiten bewusst zu ändern, dann ist es wichtig, dass die betroffene Person eine entsprechende Bereitschaft zeigt. Gewohnheiten finden regelmäßig statt, im selben Kontext, und werden durch einen Hinweisreiz ausgelöst: Das kann zum Beispiel ein Autoschlüssel sein, den ich sehe und mir nehme, anstatt auf den Bus zu warten. Es hilft daher, die Situation durchzuspielen und zu überlegen: Was ist so ein Auslöser? Und was sind die Alternativen? Was kann ich stattdessen in der Situation tun? Idealerweise kann man unterstützende Hinweisreize setzen, damit man aus diesem Automatismus herausgerissen wird. Zum Beispiel: Ich lege meinen Fahrradhelm über den Autoschlüssel. Das sind Mechanismen, bei denen sich gezeigt hat, dass sie wirken können. Dabei ist es wichtig, konkrete, realistische, aber auch messbare Ziele zu wählen. Sonst werden schnell Ausreden gesucht.
Wie können umweltfreundliche und gesundheitsfreundliche Verhaltensweisen gefördert werden?
Wir müssen weg von dem Gedanken, andere überzeugen zu wollen. Das kann so-


© Alex Gotter
gar einen gegenteiligen Effekt haben. Es zeigt sich klar: Mehr Wissen führt nicht zum Handeln. Wenn sich Personen angegriffen fühlen, neigen sie zu Widerstand. Macht man beispielsweise einen Raucher beim Zigarettengenuss darauf aufmerksam, wie schädlich das ist, dann wird er sich eher verteidigen. Das ist nicht der richtige Kontext. Das Gleiche gilt natürlich für das klimafreundliche Verhalten. Ein Faktor, den man jedoch nutzen kann, sind soziale Normen – ungeschriebene Gesetze in unserer Gesellschaft. Wie sich mein Umfeld verhält, das hat einen extremen Einfluss darauf, wie ich mich selbst verhalte. Gehe ich zum Beispiel in die Kantine und der Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen greift zum gesunden Gericht, werde ich das auch eher tun. Dazu gibt es viele Studien aus unterschiedlichen Verhaltensbereichen. Eine davon betrifft den Energieverbrauch im Haushalt. Hier wollte man wissen, was Personen tatsächlich dazu motiviert, ihren Energieverbrauch zu verringern. Die Faktoren Geld sparen oder etwas Positives für die Umwelt tun zeigten dabei keine Wirkung. Langfristig reduziert haben aber diejenigen, die erfahren haben, dass sie mehr Strom verbrauchen als ihre Nachbarn. Dieser soziale Vergleich ist ein wichtiger Faktor. Er kann aber auch hinderlich sein, beispielsweise wenn andere nicht klimafreundlich oder gesundheitsbewusst handeln. Verhaltensweisen können also gefördert werden, indem man selbst als Vorbild vorangeht und einen entsprechenden Lebensstil führt.
Umweltpsychologin und Buchautorin
Dr.in Isabella Uhl-Hädicke forscht zum Thema Klimawandelkommunikation.
„Wir müssen weg von dem Gedanken, andere überzeugen zu wollen. Das kann sogar einen gegenteiligen Effekt haben.“
Wie gehen Personen mit bedrohlichen Fakten wie dem Klimawandel um?
Auch hier bestehen große Überlappungen mit dem Gesundheitsbereich. In der >
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Psychologie gibt es eine lange Forschungstradition, die sich damit beschäftigt, wie Personen auf existenzielle Bedrohungen reagieren. Beispiele dafür sind die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit oder Endlichkeit, aber auch Themen wie der Klimawandel. Es hat sich gezeigt, dass solche Bedrohungen eine Art von Schockstarre und ein ungutes Gefühl auslösen. Diese Leute müssen eine Strategie finden, um wieder aus diesem Gefühl herauszukommen. Als Reaktion auf so eine Bedrohung legen sie zwei unterschiedliche Handlungen an den Tag: Es gibt eine direkte Reaktion, diese steht im Zusammenhang mit der Bedrohungsquelle. Wenn ich zum Beispiel über den Klimawandel lese, dann kann eine mögliche direkte Reaktion sein, dass ich versuche,
meinen Lebensstil umzustellen und klimafreundliche Verhaltensweisen in meinem Alltag zu implementieren. Wenn man Leute mit Fakten konfrontiert, reagieren sie aber nicht immer direkt – trotzdem brauchen sie eine Möglichkeit, dieses Bedrohungsgefühl für sich selbst zu lösen. Sie tendieren dann zu sogenannten symbolischen Reaktionen – ohne Konnex zur Bedrohungsquelle. Bisherige Forschungen zeigten: Wenn man Personen die eigene Sterblichkeit bewusst macht, zum Beispiel durch Warnungen auf Zigarettenschachteln, oder wenn man Personen mit dem Klimawandel konfrontiert, dann setzen sie scheinbar irrationale Handlungen. Zum Beispiel verteidigen sie ihre eigene Gruppe hartnäckiger, sie werten Fremdgruppen zunehmend ab, fordern plötzlich die Einhaltung der sozialen Normen stärker ein oder wollen Straftäter härter bestrafen. Sie verteidigen die eigene Weltanschauung plötzlich viel, viel stärker als Personen in der Kontrollgruppe, die diese Bedrohung nicht erlebt haben.
Weshalb reagieren Menschen so?
Existenzielle Bedrohungen wie die Sterblichkeit und der Klimawandel lösen in uns einen extremen Kontrollverlust aus. Unsere Gruppenzugehörigkeit, Werteinstellungen, sozialen Normen und unsere Weltanschauung – das sind Dinge, die uns Halt geben. Indem wir uns auf diese fokussieren, haben wir zumindest subjektiv den Eindruck von Kontrolle. Wir können so für uns selbst das Bedrohungsgefühl lösen. Das ändert aber überhaupt nichts an der Bedrohungsquelle. Das ist die Herausforderung.
Was kann man Personen mit Klimaangst raten?
Zunächst einmal ist es wichtig, die Gefühle anzuerkennen. Wenn man in diesem Bereich aktiv ist, dann ist es auch okay, Hilflosigkeit zu empfinden. Oft fragt man sich: „Was soll ich als Einzelperson machen?“ Das ist völlig legitim und es geht wirklich jeder und jedem so. Man kann sich außerdem Strategien überlegen, damit umzugehen. Ich würde zwei Ansätze vorschlagen: Eine Möglichkeit besteht darin, sich das Positive vor Augen zu führen. Welche positiven Veränderungen hat es schon gegeben? Zweitens ist es gut, sich mit anderen zusammenzuschließen. Wenn man sieht, dass es viele gibt, die ein ähnliches Anliegen haben und sich dafür einsetzen, dann ist das motivierend. Das zeigt auch die Forschung und nennt sich kollektive Wirksamkeit. Gleichzeitig sollte man achtsam mit sich selbst umgehen, sich Fehler eingestehen können. Allein schon durch unser System, das Ressourcen verbraucht, werden wir nicht alle einen perfekten Lebensstil führen können.
Ebenso wie der Klimawandel stellt die Coronapandemie ein komplexes Problem dar, welches das Mittragen verschiedener Maßnahmen von Einzelnen erfordert. Gibt es Fehler bei der Umsetzung der Pandemiebekämpfung, aus denen wir lernen können?
Bei der Coronapandemie war eine Handvoll Handlungen auszuführen. Das ist schon ein großer Unterschied zum Klimawandel, bei dem klar ist: Selbst wenn ich jetzt alles umstelle, heißt das nicht automatisch, dass ich die Konsequenzen abfedern kann. Deshalb kann man hier schwer Parallelen ziehen. Es braucht einen Systemwandel. Das macht es schon viel schwieriger. Was man von der Pandemie mitnehmen kann, ist zum einen das Wissen, wie wichtig politische Rahmenbedingungen sind. Als die Maskenpflicht gekommen ist, wurde sie dann doch vom Großteil mitgetragen. Sobald die Maßnahmen fallen, fühlt es sich komisch an – sobald es verpflichtend ist, wird es doch stärker umgesetzt. Dabei spielen wieder die sozialen Normen eine große Rolle. Was natürlich wichtig ist, ist offen zu kommunizieren, transparent zu kommunizieren, klar zu kommunizieren – und auch möglichst übersichtlich.
Welche Ratschläge wollen Sie zusammenfassend mitgeben?
Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass wir Menschen sehr gut darin sind, Ausreden zu finden, die unser schlechtes Gewissen beruhigen. Das Thema der kognitiven Dissonanz ist in meinem Buch genauer beschrieben. Beispiele sind: Es ist eh nicht so schlimm, wenn ich zum Schnitzel greife, denn mein Kollege macht das ja täglich. Das kann man auch auf den Gesundheitsbereich ummünzen: Ich rauche zwar jetzt, aber dafür mache ich Sport. Diese Denkweisen führen dazu, dass wir unser Verhalten nicht ändern müssen. Gleichzeitig sollten wir achtsam mit uns selbst umgehen. Man kann nicht alles von heute auf morgen ändern, sondern sollte sich eher Schritt für Schritt Bereiche herausgreifen – mit einer gewissen Fehlertoleranz sich selbst und anderen gegenüber.
Das Interview führte Mag.a Ines Riegler, BA.
X HAUSÄRZT:IN-Buchtipp
Warum machen wir es nicht einfach?
Die Psychologie der Klimakrise
Von Isabella Uhl-Hädicke Molden Verlag 2022
