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Wenn Kinder nachts einnässen …
Über die multiplen Ursachen der Enuresis nocturna – mit Fokus auf der Ausprägung des Biorhythmus des antidiuretischen Hormons
Aus medizinischer Sicht bedeutet Bettnässen, dass Kinder über fünf Jahre mindestens zweimal pro Monat im Schlaf einnässen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der primären und der sekundären Enuresis, wobei erstere weitaus häufiger vorkommt. Bei der primären Enuresis war das Kind noch nie oder nur über eine kurze Zeit hinweg trocken, bei der sekundären Enuresis bereits über einen längeren Zeitraum hinweg (mindestens sechs Monate), es beginnt jedoch erneut damit, ins Bett zu machen. Mit fünf Jahren ist zwar ein Großteil der Kinder trocken, 15 bis 20 Prozent nässen nachts allerdings nach wie vor (sporadisch) ein. Zu den klassischen Folgen nächtlichen Bettnässens zählen sozialer Rückzug, mangelndes Selbstwertgefühl sowie erhöhter psychischer Stress – für das Kind und somit meist für die gesamte Familie. Druckausübung ist daher fehl am Platz, vielmehr braucht es Beruhigung und positive Motivation seitens behandelnder Ärztinnen und Ärzte.
Bettnässen als Entwicklungsverzögerung
Obgleich dem nächtlichen Einnässen gewisse Krankheiten zugrunde liegen können, ist der Großteil der betroffenen Kinder klinisch gesund. In den allermeisten Fällen ist Bettnässen daher nicht als Krankheit, sondern als Entwicklungsverzögerung zu betrachten. „Die kindliche Entwicklung verläuft sehr individuell. Es ist wichtig, Bettnässen nicht automatisch als krankheitswertig einzustufen bzw. überaktionistisch aufzutreten“ , betont Dr.in Romana Altenhuber, Fachärztin für Urologie mit Schwerpunkt auf Kindern und Frauen. Abgesehen davon, sei häufig nicht nur eine einzige Ursache für die Enuresis nocturna verantwortlich.
Spannungsfeld überlappender Ursachen
Generell unterscheidet man zwischen drei Ursachengruppen. Zum einen kann die hormonelle Steuerung im Hinblick auf das antidiuretische Hormon (ADH, Vasopressin), welches normalerweise dafür sorgt, dass der Harn nachts stärker konzentriert wird und ergo die Harnmenge die Blasenkapazität nicht übersteigt, noch nicht ausgereift sein. „Abgesehen von einer potenziell mangelhaften oder fehlenden Ausprägung des Biorhythmus des ADH, besteht die Möglichkeit, dass auch die betreffenden Nierenrezeptoren noch nicht gereift sind und das Hormon demnach nicht adäquat wirken kann“ , erklärt Dr.in Altenhuber. Ein zusätzlicher Faktor sei die Aufwachschwelle: Kinder, die einnässen, wachen durch den Reiz einer vollen Blase oftmals gar nicht auf. Weiters können Probleme im Hinblick auf die Blasenkapazität eine beträchtliche Rolle spielen, etwa wenn die Blase an ihrer unteren Kapazitätsgrenze, sehr klein oder überaktiv ist. Neben den genannten Ursachengruppen, im Rahmen derer sich letztlich auch therapeutische Ansatzpunkte bewegen, kommt die genetische Disposition zum Tragen: „War ein Elternteil als Kind Enuretiker, so hat der Nachwuchs ein 40- bis 42-prozentiges Risiko, ebenfalls betroffen zu sein. Waren es beide Elternteile, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf etwa 70 Prozent“ , so Dr.in Altenhuber.
Diagnose und Therapieoptionen
Der erste und wesentliche Schritt in Richtung der Therapiewahl ist stets die ausführliche Anamnese. Die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt kann bereits anhand eines Miktionsprotokolls wichtige und vor allem objektive Informationen im Hinblick auf die Therapieentscheidung herausfiltern. Neben der Führung eines Miktionsprotokolls und der anschließenden Verhaltensadaptierung besteht bei einer mangelhaften Ausprägung der hormonellen Steuerung des ADH-Biorhythmus die Option, eine leicht veränderte, synthetisch hergestellte Abwandlung des Hormons zu verabreichen – zunächst über drei Monate hinweg. Diverse Alarmsysteme, die auf die Aufwachschwelle des Kindes abzielen, stellen eine weitere Behandlungsalternative dar. „Bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Therapieform ist allenfalls der Leidensdruck des betroffenen Kindes ins Zentrum zu rücken“ , unterstreicht Dr.in Altenhuber abschließend.