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Positive Energie

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Alles, was bleibt

Alles, was bleibt

Der Verein adventurecare e.V. organisiert für Familien mit krebskranken Eltern einwöchige Freizeitcamps in der Natur.

Kraft tanken in Oberbayern: In Reit in Winkl organisiert der Verein adventurecare e.V. für Familien, in denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist, eine Auszeit vom Alltag. (Alle Fotos: adventurecare e.V. Tatjana Leuzzi)

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Birgit Fülscher hat vor fünf Jahren den Verein gegründet. (Foto: privat)

Zu Ostern und im Sommer jagt Abenteuer-Roland mit einer Horde Kinder den gemeinen Gummi-Bär. Er haust in Oberbayerns Wäldern nahe Reit im Winkl und versteckt sich hinter Baumrinden oder in kleinen Höhlen. Wenn die Kinder ihn aufgespürt haben, kennen sie in der Regel keine Gnade und verspeisen ihn mit Haut und Haar. Wenn die Kinder mit dem 66-jährigen durch Feld und Flur streifen, denken sie nicht daran, dass Mama oder Papa Krebs haben und das Leben zu Hause viel zu oft alles andere als abenteuerlustig ist. Genau das ist Birgit Fülschers Ziel.

Vor fünf Jahren hat die Münchnerin, die selbst Brustkrebs überlebt hat, den Verein adventurecare gegründet, der zwei bis drei Mal im Jahr Familien mit einem an Krebs erkrankten Elternteil zu einem Feriencamp nach Oberbayern einlädt. In einer einwöchigen Auszeit sollen die Kinder spielen, Spaß haben, Abenteuer in der Natur erleben. Im Abenteuer-Camp dreht sich alles um sie, „weil die Kinder im Alltag mit einem krebskranken Elternteil viel zu oft zurückstecken müssen“. Birgit Fülscher hat während ihrer Erkrankung viele dieser Kinder gesehen, auch die Mütter oder Väter dazu, die um ihr Leben ringen und gleichzeitig für ihre Kinder da sein wollen, eine schwere Herausforderung. Sie wollte diesen Familien etwas Gutes tun.

Als Unternehmensberaterin arbeitet Birgit Fülscher schon lange nicht mehr; sie will sich auf andere Dinge im Leben konzentrieren – und adventurecare steht

Mehr als 100 Familien haben bereits mit adventurecare Abenteuer erlebt.

auf der Liste dieser Dinge ganz weit oben. „Ich hatte immer so viel Stress, habe so viel gearbeitet, schlecht gegessen, hatte keine Auszeiten“, sagt die 55-Jährige. „Das ist vorbei. Ich will anderen Familien eine schöne, stressfreie Zeit mit adventurecare ermöglichen und die Eltern inspirieren, ihren Focus weg von der Krankheit hin zu den schönen Dingen des Lebens zu lenken.“ Um den Verein finanziell gut zu stellen, pflegt Birgit Fülscher gute Kontakte zur Wirtschaft. Eine dieser Firmen schickt zu jedem Camp junge Mitarbeiter als Volunteers, „Helpies“ werden sie liebevoll bei adventurecare genannt.

Katharina Bruch schwärmt noch heute von ihrer Woche im Camp. Im September 2017 war die heute 38-Jährige mit ihrer Familie in Reit im Winkl dabei. Ihre Schwägerin hatte sie heimlich für das Camp angemeldet. Dafür wird Katharina Bruch ihr ewig dankbar sein. „Ich hätte das niemals gemacht“, sagt die Erzieherin aus dem rheinland-pfälzischen Göllheim. „Aber im Nachhinein bin ich so froh darüber. Unsere Kinder sprechen noch heute von adventurecare.“ Ein Dreivierteljahr vorher war bei der Erzieherin Brustkrebs diagnostiziert worden, die Chemotherapie hatte sie gerade hinter sich gebracht, die Bestrahlung stand noch aus. Den geplanten Sommerurlaub in Bulgarien hatte die Familie abgesagt, zu unsicher war, ob Katharina Bruch die Reise würde antreten können. Statt an die Goldküste ging es für die Bruchs dank der Initiative der Schwägerin an den Chiemsee. Ein mehr als vollwertiger Ersatz.

Abseilen in der Natur: ein Highlight für die Kinder.

Denn Birgit Fülscher und ihr Team lesen den Familien jeden Wunsch von den Augen ab: „Wir sind unwahrscheinlich flexibel und versuchen so gut wie nur irgendwie möglich auf die Familien einzugehen“, sagt die Vereinsgründerin. Neun bis zwölf Familien sind jedes Mal dabei, je nach Anzahl der Kinder; insgesamt haben seit Vereinsgründung mehr als 100 Familien eine Woche mit adventurecare verbracht. „Es kommen auch viele Alleinerziehende mit“, sagt Birgit Fülscher. Um Eltern und Kinder kümmert sich ein Kernteam aus einem Dutzend Helfern, zu dem auch „Abenteuer-Roland“ Schneider gehört, und etwa zehn Volunteers, die von Camp zu Camp wechseln. Anfangs habe man nur ein Programm für die Kinder auf die Beine gestellt, mittlerweile gebe es auch Workshops und Angebote für die Eltern, sagt Birgit Fülscher. Während die Eltern Yoga machen oder wandern gehen, sind die Kinder die meiste Zeit draußen in der Natur.

Zu Ostern gehen sie je nach Wetterlage Schneewandern, Rodeln oder Skifahren, im Sommer brechen sie zu Bootstouren auf dem Chiemsee auf, es gibt Nachtwanderungen, Bogenschießen, die Kinder gehen klettern, seilen sich ab, schnitzen Stöcke, malen oder basteln, spielen Theater. „Wir schauen immer, was unsere Freiwilligen können und stimmen dann das Programm darauf ab“, sagt die 55-Jährige. „Alles ist sehr flexibel, weil wir ja nie wissen, welche Kinder kommen und in welcher Situation die Familien sich befinden.“ Idealerweise seien die Kinder zwischen vier und 14 Jahren alt, sagt Birgit Fülscher, weil man mit dieser Altersgruppe am einfachsten ein Abenteuerprogramm machen könne. Es seien aber auch schon jüngere Kinder dabei gewesen. „Wir sind da sehr beweglich.“ Neben dem Programm ist der Vereinsvorsitzenden auch die Verpflegung ausgesprochen wichtig. Auf täglich frisches, gesundes und regionales Essen in Bio-Qualität legt Fülscher sehr viel Wert. „Wir haben einen hohen Anspruch an die Küche.“ Katharina Bruch und ihre Familie mixen sich heute noch

Info ZUM PROJEKT:

Der Verein adventurecare organisiert Abenteuercamps für Familien, in denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. Die Camps finden zwei bis drei Mal im Jahr statt. Das Camp ist bis auf einen Selbstkostenbeitrag in Höhe von 100 Euro kostenfrei; die Selbstbeteiligung kann auf Antrag vom Verein übernommen werden. Eine medizinische Betreuung wird im Camp nicht angeboten.

www.adventure.care

Smoothies, die sie bei adventurecare getrunken haben.

Das Programm mit den „Adventschees“ habe ihren Kindern unwahrscheinlich gut gefallen, erinnert sich die 38-Jährige. „Meine Erkrankung war nicht leicht für unsere ganze Familie. Im Camp hatten mein Mann und ich endlich einmal Zeit nur für uns, weil das Team uns wirklich alles abgenommen hat. Die Betreuer haben sogar die Kinder ins Bett gebracht.“ Es sei schön gewesen, dass die Krankheit im Camp nicht das dominierende Gesprächsthema gewesen sei.

Sie selbst aber hat etwas anderes mit nach Hause genommen: „Die positive Energie, all die Liebe, mit der das Team uns begegnet ist. Die Betreuer waren ja eigentlich Fremde für uns und doch so mitfühlend.“ Zwei Tage nach Ankunft feierte ihr Sohn Leon Geburtstag; das Team überraschte ihn mit einem Geburtstagslied und Geschenken. So viel

Aufmerksamkeit und Herzlichkeit in einer so schwierigen Zeit habe einfach sehr gutgetan. Diese positiven Gedanken „habe ich sehr verinnerlicht und denke noch heute daran“.

Für das Camp mietet der Verein immer das evangelische Jugendbildungsheim Wiedholzerlkaser in Reit in Winkl, vor der Haustür warten Almwiesen und der Weitsee, ein Paradies fürs Glücklich-Sein. „Die Eltern müssen sich um n ichts kümmern“, sagt Birgit Fülscher. Nur eines bietet das Camp nicht an: medizinische Versorgung. „Das haben wir ganz bewusst so entschieden“, sagt Birgit Fülscher. „Die Krankheit steht bei uns nicht im Vordergrund, sondern die Kinder im Mittelpunkt. Wir wollen ihnen schöne, unvergessliche Erlebnisse in der Natur ermöglichen.“ n

BEWERBEN BEI ADVENTURECARE

Für wen? Familien, in denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist

Wann? Zu Ostern und im Sommer

Wie? Email senden an info@adventure.care mit folgenden Angaben: Namen aller Familienmitglieder und Geburtstage, Adresse, E-Mail, Telefonnummer, kurze Beschreibung der familiären Situation, Wünsche für das Camp, Allergien und Essgewohnheiten

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„Ich lebe mit und in der Natur“

Roland Schneider ist bei adventurecare fürs Abenteuer zuständig. Der pensionierte Polizeibeamte aus der Nähe von Karlsruhe hat fünf Enkel und riesigen Spaß daran Kinder für Natur zu begeistern. Hummer statt Krebs sprach mit dem 66-Jährigen über sein Engagement für den Verein.

Woher kennen Sie Birigt Fülscher, die Gründerin von adventurecare?

Wir haben uns vor vier Jahren bei einem Seminar kennengelernt. Ich habe mich damals mit den Worten vorgestellt, ich muss nicht mehr arbeiten und genieße mein Leben, und da sagte Birgit: „Das machen wir ähnlich!“ So sind wir ins Gespräch gekommen. Wir haben gemerkt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Ich erzählte, dass ich wandere und auf eigene Faust Abenteuer erlebe. Da sagte sie: „Du bist unser Mann.“

Und wofür sind Sie bei adventurecare genau der richtige Mann?

Ich bin zuständig für das Überlebenstraining in der Natur für die Kinder, natürlich auf kindgerechte Art. Ich mache ein wenig Baum- und Pflanzenkunde. Wir klären zum Beispiel, wovon ich mich im Wald ernähren kann, wie man mit einem Stein Feuer macht, wie man sich eine Hütte baut.

Ich versuche Kindern Natur nahezubringen und ihre Fähigkeiten zu wecken. Wenn sie das erste Mal mit einem Stein Feuer anmachen, ist das für sie ein Highlight, und am Schluss kann es wirklich jeder. Die Kinder haben daran riesigen Spaß. Sie hacken auch unter Aufsicht mit dem Beil ihr Holz, mit dem wir dann Feuer machen. Oder wir schnitzen Stöcke mit einem Messer. Wenn ein sechsjähriges Kind mit einem Hackebeil hantiert, kriegt seine Mutter erstmal einen Schreck, aber irgendwann müssen die Kinder es lernen, und manchmal lernen sie es bei adventurecare.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Engagement?

Ich habe schon immer Kinder- und Jugendarbeit gemacht, war auch einige Zeit in der Schule engagiert. adventurecare macht richtig Laune. Ich habe einerseits Spaß daran, den Kindern Dinge nahezubringen, mit ihnen Natur zu erleben. Die Kinder haben so ein Leuchten in den Augen, auch eigentlich banale Dinge faszinieren sie. Das macht mir riesigen Spaß. Und andererseits ist das Team toll. Es sind Menschen, die gerne der Gesellschaft etwas zurückgeben und mit denen ich einfach gern zusammen bin. Ich komme ein, zwei Tage vor Beginn des Camps, und dann machen wir mit dem Team zum Beispiel eine kleine Wanderung, damit wir uns auf das Camp einstimmen.

Waren Sie schon immer so naturverbunden?

Als Kind war ich bei den NaturFreunden engagiert. Wir haben schon zu einer Zeit, als das noch gar nicht in war, die Natur geschützt, Müll und Papier gesammelt. Diese Erfahrungen haben mich immer begleitet. Ich lebe mit und in der Natur. Ich bin viel unterwegs, gehe auch bei schlechtem Wetter raus. Im Wald, in der Natur kann man am besten regenerieren, da findet man zu sich selbst.

Wie schaffen Sie es sich in so kurzer Zeit auf immer neue Kinder einzulassen?

Bei den Teambildungs-Spielen am ersten Tag sieht man schon, wie man die Kinder einschätzen muss. Und darauf versucht man einzugehen während der Woche, das Programm so zu machen, dass jedes Kind einmal ein Erfolgserlebnis hat, dass kein Kind in der Gruppe untergeht. Ich habe eine etwas flapsige Art, die bei den Kindern ganz gut ankommt. Aber man kann nichts planen. Manche Kinder sind mit neun Jahren weniger selbständig als mit sechs. Es sind natürlich Kinder mit schweren Biografien. Von ihnen am Ende ein Lächeln zu bekommen ist ein Geschenk. n

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Die Seele baumeln lassen

Der Verein „Auszeit für die Seele“ organisiert Ferienwochen für Krebserkrankte mit geringem Einkommen. Die „Benefiz-Biker“ unterstützen das Angebot mit Spenden.

ür diesen Anruf musste Michaela Rüping all ihren Mut zusammennehmen. „Normalerweise gebe ich lieber, als dass ich nehme. Und dann bei fremden Leuten anzurufen und zu sagen, ihr organisiert doch diese kostenfreien Urlaube für Krebskranke mit wenig Geld! Ich würde mal einen machen wollen! Das ist mir wahnsinnig schwergefallen.“ Trotzdem hat sie zum Hörer gegriffen, und heute ist sie froh darüber. „Ich kann es nur jedem empfehlen.“ Schon zwei Mal hat die Coesfelderin über den Verein „Auszeit für die Seele“ Urlaub an der Nordsee gemacht, das erste Mal auf Norderney, das zweite Mal in Carolinensiel. F

(Foto: StAul Pixabay)

„Auszeit für die Seele“ organisiert seit der Gründung im Jahr 2017 kostenfreie Ferienwochen für Krebspatienten, die in Folge ihrer Erkrankung in finanzielle Nöte geraten sind und sich keinen Urlaub leisten können. Dafür arbeiten sie mit Vermietern von Ferienwohnungen und Ferienhäusern aus ganz Deutschland und auf Mallorca zusammen; die Vermieter stellen kostenfrei oder gegen ein geringes Entgelt ihre Wohnungen zur Verfügung; eine Woche ist der Urlaub in der Regel lang. Der Verein übernimmt die Nebenkosten, zum Beispiel die Endreinigung, und die Anreise, soweit diese nicht über den Schwerbehindertenausweis abgedeckt ist. Als

Nachweis ihrer Erkrankung müssen Reisewillige eine Kopie eines Arztbriefs, aus dem die Diagnose hervorgeht, und einen Nachweis über ihre soziale Bedürftigkeit vorlegen.

Michaela Rüping bekam vor fünf Jahren die Diagnose Lungenkrebs, ihr fehlt heute ein Lungenflügel, von Chemotherapie und Bestrahlung ist sie so geschwächt, dass sie nicht mehr arbeiten kann. „Die Nebenfolgen wie die Fatigue und die Polyneuropathie in den Füßen machen mir sehr zu schaffen“, sagt die 50-Jährige. Sie hat ihr Leben lang mit Leidenschaft im Service gearbeitet, doch das geht nicht mehr. „Ich lebe jetzt von Grundsicherung, und so wie es aussieht, komme ich da auch nicht mehr raus.“ Sie klingt alles andere als glücklich, als sie das sagt. Von einem Urlaub konnte Michaela Rüping in dieser Situation nicht einmal träumen. Bis sie in der Krebsberatungsstelle von „Auszeit für die Seele“ erfuhr.

Damals war der Verein noch ganz jung, hatte gerade einmal zwei Urlaube vermittelt. Annemarie und Reinhard Hunecke aus dem nordrhein-westfälischen Bönen hatten „Auszeit für die Seele“ gegründet, weil sie „in der Rente etwas Sinnvolles machen“ wollten. Reinhard Hunecke hatte in einer Zeitschrift vom israelischen Programm „Refanah“ gelesen, das Krebspatienten im Nahen Osten Urlaub in Ferienwohnungen vermittelt, die Vermieter kostenfrei zur Verfügung stellen. „Das machen wir auch“, sagte er zu seiner Frau Annemarie, und die überlegte nicht lange. Die 67-Jährige hat selbst Erfahrung mit dem Krebs; ihr erster Mann starb vor 16 Jahren an Leukämie, ihr Vater hatte Zungenkrebs.

Krebs kann teuer werden. Wer krank ist, bangt nicht nur um sein Leben. Oft kommt auch Sorge um die wirt

Reinhard und Annemarie Hunecke aus Bönen in Nordrhein-Westfalen haben vor drei Jahren den Verein „Auszeit für die Seele“ gegründet. (Foto: privat)

schaftliche Existenz hinzu. Während der Therapie gilt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, doch nur für maximal 18 Monate, danach werden gesetzlich Versicherte automatisch ausgesteuert; wer dann noch nicht oder nicht in vollem Umfang wieder arbeiten kann, kann unter bestimmten Voraussetzungen Erwerbsminderungsrente beantragen oder ist möglicherweise auf Grundsicherung angewiesen. „Geld für einen Urlaub ist in dieser Situation oft überhaupt nicht drin“, sagt Annemarie Hunecke. Dabei wäre eine Auszeit vom Alltag oft wichtig. Denn die wirtschaftliche Situation bedeutet für Krebserkrankte eine enorme Belastung; nach einer Analyse der Klinik Sonnenblick Marburg unter Leitung von Privatdozent Dr. Ulf Seifart, Hämatologe und Onkologe, sind Fragen zur beruflichen Zukunft und finanziellen Situation zum Beispiel Hauptgrund für Schlafstörungen.

Gut schlafen können, sich ausruhen, die Meeresbrise um die Nase wehen lassen oder sich an der Herrlichkeit der Berge erfreuen: Das ermöglicht der

Die Seele baumeln lassen in den Bergen: Der Verein organisiert für Krebspatienten mit geringem Einkommen kostenfreien Urlaub. (Foto: SatyaPrem Pixabay) Sich den Wind am Meer um die Nase wehen lassen: Krebspatienten dürfen mit dem Verein „Auszeit für die Seele“ Kraft tanken und Hoffnung schöpfen. (Foto: cocoparisienne Pixabay)

BENEFIZ-BIKER Info

Die Benefiz-Biker unterstützen den Verein „Auszeit für die Seele“. Dafür organisieren Tour-Guides Rundfahrten durch ihre Heimatstadt oder Region. Gegen eine Teilnahmegebühr von 20 Euro nehmen sie interessierte Zweiradfahrer mit. „Wir haben schon erlebt, dass manche Tourenguides selbst erkrankt waren und mit ihrem Engagement anderen helfen woll ten“, berichtet Annemarie Hunecke. Viele Bikertreffs – wie beispielsweise auch die Felsenmühle in Ochtrup – sind Anlaufstelle für die Touren, hängen Plakate aus und machen Werbung, um den Verein bekannter werden zu lassen.

Tour-Guide werden? Informationen unter www.benefiz-biker.de oder 02383/9182775

Verein „Auszeit für die Seele“. Die Hauptreisezeiten sind Buchungslücken und Randzeiten außerhalb der Schulferien und verlängerten Wochenenden, insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten. Ein goldener Oktober in den Bergen oder ein knackig-kalter Wintertag an der Nordsee haben ihren eigenen Reiz, die frische Brise an der See pustet den Kopf frei und streichelt die Seele.

Mehr als 80 Gastgeber sind mittlerweile bei „Auszeit für die Seele“ registriert. „Viele haben selbst Erfahrungen mit Krebs, weil ein Familienmitglied oder ein Bekannter erkrankt ist“, sagt Annemarie Hunecke. Manche stellten ihre Unterkunft einmal, manche mehrmals zur Verfügung. Die Ferienunterkünfte befinden sich an der deutschen Küste und an Bayerns Binnenseen, aber auch auf Mallorca, in der Schweiz, Österreich und in den Niederlanden. Neue Gastgeber finden die Huneckes über „Mundpropaganda“ und über Werbung in eigener Sache. Immer wieder stellen sie ihren Verein bei Tourismuszentralen und bei Bürgermeistern in Tourismusregionen vor, erst im Februar waren sie dafür in Düsseldorf. Und: „Wir schreiben Hoteliers und Besitzer von Ferienwohnungen an, ob sie uns Randzeiten kostenlos zur Verfügung stellen könnten, damit Krebspatienten ein paar Tage Erholung finden“, berichtet Annemarie Hunecke. Außerdem sind die Huneckes und ihre Unterstützer per Auto, Fahrrad oder Motorrad unterwegs, um auf Onkologie-Stationen in Krankenhäusern ihre Flyer auszulegen, damit ihr Verein bei Patienten bekannt wird. „Eine unserer Urlauberinnen erzählte mir, dass sie mehrfach an den Flyern vorbeigegangen ist, weil sie einfach nicht glauben wollte, dass es ein solches Angebot gibt. Gibt es aber“, erzählt Annemarie Hunecke.

Nicole Löhndorf aus Duisburg hatte in den sozialen Netzwerken von „Auszeit für die Seele“ gelesen. Urlaub hatte sie selbst jahrelang nicht gemacht, weil sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Ulrich Herpers um die pflegebedürftigen Eltern gekümmert hatte. Von einem Urlaubsdomizil an der Nordsee hatten die beiden schon lange geträumt, als sich die Gelegenheit zum Kauf einer Wohnung in Caroli nensiel bot, überlegten sie nicht lange. Nicole Löhndorf erinnerte sich an den Verein und kontaktierte Annemarie Hunecke. Die vermittelte Michaela Rüping als Gast. „Zum Deichbären“ heißt die maritim eingerichtete Ferienwohnung in Deichnähe, perfekt für Singles und Paare. Nicole Löhndorf und ihr Mann sind froh, dass sie Krebspatienten etwas Gutes tun können. Auch in ihrem Umfeld waren schon Familienmitglieder und Bekannte an Krebs erkrankt. Sich für

Auch auf Norderney haben Krebspatienten mit „Auszeit für die Seele“ schon Urlaub gemacht. Wo entspannt es sicher besser als am Meer? (Foto: Esi Grünhagen Pixabay) Mit ihrer Ferienwohnung in Carolinensiel sind Nicole Löhndorf und ihr Mann Ulrich Herpers beim Verein registriert. (Foto: Pixabay)

den Verein „Auszeit für die Seele“ zu engagieren und nicht nur einmal einen Gast aufzunehmen: Für die Walsumer keine Frage.

Bei Heinrich Föllen aus Münster war es ähnlich. Mehr als ein Dutzend Weggefährten des 70-Jährigen sind an Krebs er krankt oder verstorben; als er in einer Motorradzeitung vom V erein las, war Mitarbeit für ihn keine Frage. Als leidenschaftlicher Motorradfahrer war für ihn klar, dass er eine Benefiz-Tour organisieren würde; im Mai soll es vom Uniklinikum Münster an die Uniklinik in Essen gehen. Mit solchen Touren und über die Mitgliedsbeiträge seiner an die 40 Mitglieder finanziert der Verein anfallende Kosten.

Die Idee zu den Benefiz-Motorradtouren hatte Reinhard Hunecke, ein Motorradfahrer aus Leidenschaft. Deshalb gründete er die „Benefiz-Biker“, die in ganz Deutschland für den Verein werben.

„Bundesweit helfen Biker mittellosen Krebspatienten, indem sie sich als Touren-Guides zur Verfügung stellen“, erklärt Annemarie Hunecke. Gegen eine Teilnahmegebühr führen sie durch ihre Heimatstadt oder -region.“ Auch Privatpersonen unterstützen den Verein. Der an Mundkrebs erkrankte Hans Böge aus Reher in Schleswig-Holstein zum Beispiel tourte bereits mit dem Fahrrad durchs Land, um auf die Bedeutung von Früherkennung bei Mundkrebs aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln, unter anderem für „Auszeit für die Seele“.

Michaela Rüping hat nicht nur zwei Mal Urlaub mit dem Verein gemacht. Sie ist froh auch etwas zurückgeben zu können. Für „Auszeit für die Seele“ verteilt sie Flyer, spricht auf Veranstaltungen, berichtet von ihren Erfahrungen. „Dieses Angebot ist so wertvoll. Es muss unbedingt bekannt gemacht werden.“ n

Biker und Multiplikatoren gesucht! Unterstützen Sie als Motorradfahrer, Arzt oder Gesundheitseinrichtung „Auszeit für die Seele“. Infos unter www.benefiz-biker.de und www.auszeit-fuer-die-seele.blogspot.com

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