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Audiobiografin Judith Grümmer lässt lebensverkürzt erkrankte junge Eltern ihr Leben im Hörbuch erzählen
„Ein sehr gutes Projekt“
Dr. Michaela Hesse befürwortet Biografiearbeit für Palliativpatienten. (Foto: privat)
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(Foto: JenkoAtaman – Adobe Stock)
Eine wissenschaftliche Begleitung für das Familienhörbuch hatte sich Initiatorin Judith Grümmer ausdrücklich gewünscht. Hummer statt Krebs sprach mit Palliativmedizinerin Dr. Michaela Hesse von der Uniklinik Bonn über die Studie.
Kennen Sie ein dem Familienhörbuch vergleichbares Projekt?
Wir haben zum Einstieg in die Studie einen Review zu biografischen Arbeiten in der Palliativmedizin gemacht. Wir haben kein vergleichbares Projekt gefunden, das explizit für Kinder als Adressaten gedacht ist, und kein vergleichbares Projekt in der Form der Audiobiografie.
Es gibt verschiedene andere Ansätze einer biografischen Intervention, die aber alle auf einer schriftlichen Begleitung basieren. Diese variieren in Bezug auf die Dauer und die Teilnehmer. Manche beziehen nur den Patienten, manche auch die Angehörigen mit ein. Über alle methodischen Unterschiede hinweg wurden diese Interventionen aber positiv aufgenommen. Depressionen und Angst wurden reduziert die Lebensqualität stieg. Das Verständnis gerade für die Beziehung aus Angehörigem und Patient wurde gesteigert und hat in diesem Bereich sehr positive Resonanz gefunden. Im Rahmen der würdezentrierten Therapie werden biografische Ansätze in Deutschland an einigen Kliniken mittlerweile etabliert.
Wie sah das Forschungsdesign der Studie aus?
Wir haben ein Pre-Post-Design gewählt. Die Teilnehmer haben vor und nach dem Termin mit Frau Grümmer Fragebögen zu Lebensqualität, Symptomlast und Lebenssinn bekommen. Zusätzlich gab es qualitative Befragung zu Erwartungen, Befürchtungen und Motivation. 36 Patienten wurden bisher in die Studie eingeschlossen, weitere folgen noch. Wir werden in der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts bleiben. Im Rahmen der Studie bin ich Ansprechpartnerin für die Audiobiografen als auch die Patienten.
Welche Fragen werden gestellt?
Seitens der Patienten geht es oft um den richtigen Umgang mit dem Hörbuch, um Fragen der Vermittlung: wann und wie sage ich es meinen Kindern, wie kläre ich sie über die Lebenslimitierung auf? Seitens der Audiobiografen stellen sich Fragen, wie Erlebnisse im Hörbuch aufbereitet werden können, die das Kind nicht oder noch nicht verkraften oder verstehen kann. Es geht auch um die Frage, was das Leid mit dem Interviewer macht. Hier spielen zum Beispiel Fragen der Übertragung und Gegenübertragung eine Rolle. Auch die Audiobiografen brauchen eine Sicherheit, dass sie nicht alleine stehen. Supervision und Professionalisierung müssen hier in jedem Fall gegeben sein.
Wo wird die Publikation erscheinen?
Das werden wir zu gegebener Zeit nach der quantitativen und qualitativen Auswertung entscheiden. Wir werden dann entscheiden, in welches Journal oder in welches Special Issue die Publikation inhaltlich passen könnte und wo wir sie zur Veröffentlichung einreichen.
Für welche erkrankten jungen Eltern kommt das Familienhörbuch überhaupt in Frage?
Grundsätzlich ist nicht jede Intervention für jeden Patienten die richtige. Es gibt in der Literatur Hinweise darauf, dass manche Patientengruppen nicht von einer biografischen Intervention profitieren. Das ist aber ein Forschungsdesiderat, hier sind weitere Untersuchungen vonnöten.
Erzählen ist etwas Immanentes, das wir alle immer tun, doch ein Hörbuch ist nicht für jeden das passende Medium. Viele Patienten denken auch lange darüber nach, ob sie das Hörbuch machen wollen. Manche überlegen, ob es nicht noch zu früh ist. Viele Patienten haben viele Termine im Rahmen ihrer Erkrankung, sie möchten mit ihrer Familie gemeinsam etwas unternehmen, wenn es ihnen gut genug dafür geht. Es gibt dann sicher auch für einige einfach den verpassten Moment. Das kann man von außen nicht feststellen.
Welche Rückmeldungen lesen Sie aus den Fragebögen der Studienteilnehmern?
Sie sind durchweg alle sehr begeistert und dankbar. Viele haben rückgemeldet, dass sie froh sind, dass sie es geschafft haben etwas von sich selbst zu hinterlassen, dass sie Ereignisse so erzählen konnten, wie sie sie wahrgenommen haben.
Über das Hörbuch transportiert sich ein Stück der Persönlichkeit. Das ist natürlich gerade für Menschen mit kleinen Kindern wichtig, dass ihre Kinder eine Ahnung bekommen, was für ein Mensch ihre Mutter, ihr Vater war. Das zeigt sich ja gerade über die Stimme, das Lachen. Man bekommt ein ganz anderes Gespür für einen Menschen, wenn man ihn sprechen hört.
Haben mehr Frauen an der Studie teilgenommen?
Ja. Doch gerade unter den Männern gab es einige, die zu lange gewartet haben, deren Gesundheitszustand es nicht mehr zugelassen hat und die schon im Hospiz waren, mit denen man das Familienhörbuch dann aus zeitlichen Gründen nicht mehr realisieren konnte.
Halten Sie persönlich das Familienhörbuch für sinnvoll?
Ich halte es für ein sehr gutes Projekt. Wir haben hier auf der Station selbst ein Projekt mit Ehrenamtlichen, die biografische Aufzeichnungen mit Patienten machen. Die Patienten profitieren davon sehr, das habe ich in einer anderen Forschungsarbeit schon zeigen können. n