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Der Krebs: das war einmal
Josef Kraus aus Goldbach hatte vor drei Jahren Lymphdrüsenkrebs. Protokoll einer Genesung.
lso eines muss ich gleich vorwegschicken: Ich habe keine Angst vor dem Tod. A
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Ich habe in meinem Leben viel bewegt. Ich habe gelebt. Was ein Mensch schaffen sollte, das habe ich auf die Beine gestellt. Ich habe eine Familie gegründet mit guten Kindern, mit Menschen, die in die Welt passen. Im Beruf war ich gut. Als Ringer im Leistungssport habe ich 15 Jahre lang alles gegeben und mich als Trainer beim AC Bavaria Goldbach engagiert. Alles in allem bin ich immer noch ziemlich gut beisammen.
Was will ich mehr? Wenn das Ende kommen sollte, ist es da. Krankheiten kann man nicht wegdiskutieren, aber man kann mit ihnen leben. Als Mensch hat man immer die Möglichkeit zu hoffen. Entweder man wird wieder gesund, oder man stirbt. Wenn Du geboren wirst, weißt Du, dass Du irgendwann sterben wirst. Das ist meine Einstellung, und dadurch habe ich einen viel leichteren Umgang mit Leben und Tod als vielleicht andere Leute.
Trotzdem freue ich mich, dass ich noch da bin. Vor drei Jahren hatte ich Lymphdrüsenkrebs. Erst hatte ich eine kleine Ge
(Foto: athree23 – Pixabay)
schwulst am Hals. Der Hausarzt hat mich zum Chirurgen geschickt, der wollte operieren. Ich fragte, ob es prekär sei oder ob wir noch ein paar Monate warten könnten, ich spiele nämlich Basketball und im August hat die Halle sowieso geschlossen. Der Chirurg stimmte zu. Doch nach vier Wochen mutierte die Geschwulst und wurde enorm groß. Das kam mir dann doch komisch vor. Dieses Mal hat mich der Hausarzt zum HalsNasen-Ohren-Arzt geschickt. Keine Woche später sollte ich mich bei einer Onkologin vorstellen, und da habe ich im Grunde schon Bescheid gewusst. Sie hat es mir dann gesagt: Lymphdrüsenkrebs. Ich hätte aber Glück, weil es einer von der aggressiven Sorte sei und nicht von der langsam wachsenden.
Ich bin damit ganz locker umgegangen, habe sogar meine Witzchen darüber gemacht.
Ich habe damals gesagt: Sechs Wochen brauche ich noch, ich muss erst noch meine Urne fertigdrechseln. Ich arbeite sehr gern mit Holz, habe meinen Töchtern zum Beispiel viel für die Innenausstattung in ihren Häusern gemacht und fertige heute Dinge aus Holz, die das Haus oder die Wohnung schöner ma
chen. Ich habe meiner Onkologin gesagt: „Sie behandeln mich. Tun Sie, was Sie tun können, und ich mache, was ich machen kann.“ Ich bin davon überzeugt, dass ich einen starken Körper habe und dass ich es schaffen kann zu überleben. Das war unsere Basis. Ich habe gewitzelt, dass ich eines eher wissen werde als meine Onkologin, wenn sie es nicht schafft mich gesund zu ma chen, nämlich ob die Bibel recht hat mit dem Leben nach dem Tod. Nur eines würde ich gerne noch erleben, bevor ich sterbe, und zwar den 10. Geburtstag meines Enkels. Sie fragte, wann denn der Geburtstag sei und ich sagte: „in achteinhalb Jahren.“ Eine solch gute Prognose würde natürlich kein seriöser Arzt bei einer Krebserkrankung geben, das weiß ich. Ich wollte es einfach nicht so schwer nehmen. Das war mein Einstieg in diese Erkrankung.

Die Chemo lief alle 14 Tage, soweit ich mich erinnere. Die ersten drei Runden habe ich locker weggesteckt ohne Nachwirkungen, aber dann ging es los mit Geschmacksverlusten und einer Lungenentzündung, das war heftig. Ich lag drei Tage im Krankenhaus, habe Bluttransfusionen bekommen. Der Geschmacks verlust kam ausgerechnet kurz vor Weihnachten, da habe ich noch gescherzt, dass ich hoffe, das Weihnachtsgebäck vom Weihnachtsbraten unterscheiden zu können. Dieses Problem hat sich zum Glück schnell wieder gegeben.
An Weihnachten 2017 habe ich eine Tischrede gehalten und mich bedankt bei meiner Frau und meinen Kindern, dass es nichts Besseres auf der Welt gebe als eine intakte Familie. Ich habe während meiner Erkrankung immer wieder gemerkt, was für eine positive Wirkung eine gut funktionierende Familie hat, wenn du halt einfach nicht so kannst, wie du magst.
Meine ältere Tochter ist gelernte Arzthelferin und arbeitet heute als Tierarzthelferin. Sie hat einen ganz anderen Blick auf medizinische Sachverhalte und darüber war ich sehr froh. Meine Frau hat vor allem die Krankheit gesehen, meine Tochter aber hat mir verschiedene Dinge vorgeschlagen, die ich versuchen solle zu machen, auch wenn sie mir schwerfallen, viel essen und trinken zum Beispiel. Oder als ich die Lungenentzündung bekam: Ich war an dem Tag allein, weil meine Frau damals noch gearbeitet hat. Morgens war ich noch ganz gut beisammen, dann habe ich mich hingelegt und es ging mir furchtbar schlecht. Meine Schwägerin hat gesehen, dass die Rollläden bei uns nicht hochgegangen sind, hat meine Tochter alarmiert, und dann war auch schon der Krankenwagen da. Meine Familie hat während meiner Erkrankung 100-prozentig funktioniert, darüber ich bin heilfroh. Es gibt nichts Wichtigeres.
Es geht ihm gut: Josef Kraus hatte Lymphdrüsenkrebs. (Foto: Susan Kraus)

Jetzt bin ich 73 Jahre alt und sportlich noch ziemlich aktiv. Ich bin ein zufriedener Mensch. Ich habe natürlich schon Schattenseiten erlebt in meinem Leben, auch schlimme Dinge vor dem Krebs. Mit 35 Jahren hatte ich einen Autounfall, nach dem ich vier Monate lang im Krankenhaus gelegen habe. Die Ärzte haben damals gesagt, es würde zwei Jahre dauern, bis ich wieder einigermaßen gesund sei. Aber ich bin nach neun Monaten wieder arbeiten gegangen. Ich hatte eine Symphysensprengung, einen Beckenbruch, einen offenen Oberschenkelbruch. Der Arzt sagte mir, im Kriegsfall wäre ich auf die Seite geschoben worden. Aber ich habe es überlegt, basta. Das war auch keine schöne Sache. Es war aber halt so. Es kommt einfach immer darauf an, wie man ans Leben herangeht. Ich wollte immer wieder auf ein Level kommen, bei dem ich das machen kann, was ich will.
Den Krebs habe ich locker weggesteckt. Der ist für mich kein Thema mehr, ich denke nicht mehr daran. Ich muss zwar alle sechs Monate zur Kontrolle und bin immer froh, wenn ich wieder ein paar Worte mit meiner Onkologin reden kann.
Der Krebs: Das war einmal. Meine Urne? Die habe ich verkauft. n