GastroJournal 18/2016

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Restaurant

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6. Mai 2016 | Nr. 18 | www.gastrojournal.ch

Bahnhofbuffet Olten

Auf den Spuren von Wilhelm Tell

Treffen an zentralem Ort Das Bahnhofbuffet Olten gilt als das Bahnhofbuffet schlechthin. Ein Treffpunkt mit einer ereignisreichen Geschichte. Daniela Oegerli

In Uri findet derzeit Storytelling der besonderen Art statt: Um Besuchern den berühmten Wilhelm Tell näher zu bringen, können sich diese gleich selbst als Apfelschützen versuchen und dabei ein kostenloses Menü gewinnen. Am Projekt nehmen zwölf Restaurants teil, in denen die Gäste zwischen dem 1. und 15. Mai mit der Armbrust versuchen können, den Apfel auf einer Zielscheibe zu treffen. Wer das schafft, kann das sogenannte «Tellmenü» gratis geniessen. Dieses fällt in jedem Betrieb anders aus: So bietet zum Beispiel das ­Restaurant Lehnhof ein «Schweinesteak nach Tell-Art mit Apfelschuss-Dessert» an. «Es ist spannend zu sehen, wie die Betriebe das umgesetzt haben, und es zeigt die Vielfältigkeit der Urner Gastronomen auf», freut sich Evelin Walker, Produktmanagerin bei Uri Tourismus.

1856 fand die Einweihung des Oltner Bahnhofgebäudes und somit die des Bahnhofbuffets statt. In den vergangenen 160 Jahren hat sich einiges Geschichtsträchtiges in diesen Gebäuden zugetragen. 1863 wurde zum Beispiel der SAC (Schweizerischer Alpenclub), 1895 der Schweizer Fussball- und Athletikverband, 1904 der Schweizer Skiverband oder 1919 der Schweizer Technikerverband im Bahnhofbuffet gegründet.

noch eine erste und eine zweite Klasse. Die erste Klasse mit weissgedeckten Tischen für die Gutbetuchten; die zweite Klasse mit groben Holztischen für die ärmeren Gäste. Es ist möglich, dass es sogar eine dritte Klasse gab, so richtig daran erinnern kann sich jedoch ­ niemand mehr. Auch heutzutage ist das Bahn-

hofbuffet Olten, das die Autogrill Schweiz AG betreibt, ein beliebter Treffpunkt: «Olten ist von allen Schweizer Städten etwa gleich weit entfernt, darum finden viele Treffen bei uns statt, beispielsweise von Vereinen», erklärt der Geschäftsführer Oliver Hürst. Verschiedene Klassen gebe es jedoch nicht mehr. Auch das Niveau der Küche habe sich geändert: «Als Eugen Pauli, Sohn von Ernst Pauli, dem Verfasser des ‹Lehrbuch der Küche›, Pächter war, kochte man auf Sterne-Niveau. Heute bieten wir italienische, mediterrane und saisonale Küche an – auf hohem, aber nicht auf Sterne-Niveau.» Die Klassiker von damals wie Riz Casimir, Cordon bleu oder Kalbsbratwurst habe man auf der Karte belassen. Was ebenfalls gleich geblieben ist

wie damals, ist die Durchmischung

DANIELA OEGERLI

Damals gab es im Bahnhofbuffet

ZFV angelt grossen Fisch

Oliver Hürst, Geschäftsführer des Bahnhofbuffets Olten, mag die Durchmischung seiner Gäste. der Gäste: «Bei uns trifft sich wirklich Kreti und Pleti», sagt Hürst. So trinken um neun Uhr die Arbeiter ihren Kaffee, während Banker ihre Geschäfte besprechen oder Rentner ihren Ausflug planen. «Und sonntags genies­ sen immer noch Familien zu Mittag den legendären Sonntagsbraten.» Ausserdem treffen sich, wie früher schon, ortsansässige Vereine und Institutionen im Bahnhofbuffet Olten. Und doch habe sich einiges geändert,

ist Frank von Arx überzeugt. Von Arx war bis 2008 zehn Jahre lang in der Geschäftsführung des Bahnhofbuffets tätig. Die Gästestruktur habe sich in den letzten Jahren stark gewandelt, nicht zuletzt wegen der Einführung des Rauchverbots. Ausserdem seien viele der langjährigen Stammgäste verstorben. «Die Gäste haben heute immer weniger Zeit, darum haben wir das Angebot auf eine rasche Verpflegung umgestellt.» Und doch habe er manchmal erlebt, dass die Gäste das Bahnhof-

buffet als Ruhe­insel im hektischen Bahnhofsalltag nutzen. «Durch die zentrale Lage ist das

Bahnhofbuffet als Seminarort mittlerweile sehr gefragt», fügt Oliver Hürst an. Viel zentraler gehe es wirklich nicht mehr, Olten ist Knotenpunkt des Schweizerischen Eisenbahnnetzes und das Bahnhofbuffet befindet sich gleich beim Gleis 4 mitten im Bahnhof. Die acht Seminarräume sind nach Oltner Berühmtheiten benannt wie beispielsweise Martin Disteli, ein Schweizer Maler und liberaler Polit-Karikaturist. Oder Josef Munzinger, er lebte in Olten und wurde 1848 als einer der ersten Bundesräte des Schweizer Bundesstaates gewählt. Weiter ist einer der Seminarräume nach dem Schweizerischen Alpenclub (SAC) benannt. Auch für Stefan Ulrich, Geschäfts-

führer von Olten Tourismus, hat das Bahnhofbuffet einen grossen Stellenwert in der Stadt Olten. Durch

den idealen Standort sei das Buffet ein wichtiges Seminar-, Tagungsund Kongress-Lokal. «Ich habe jedoch Mühe damit, wenn man Olten auf den Bahnhof und das Bahnhofbuffet reduziert.» Die Stadt Olten habe viel mehr zu bieten, beispielsweise kulturell: «Olten verfügt unter anderem über vier Museen, ein Stadttheater mit Konzertsaal, zwei Kleintheater sowie diverse Musik­ lokale», erläutert der Tourismusdirektor.

ler und Dichter haben oder hatten einen engen Bezug zu Olten: Peter Bichsel, Alex Capus, Franz Hohler oder Pedro Lenz, um nur einige zu nennen. Ob man diese Persönlichkeiten im Bahnhofbuffet antreffe, kann und will der Geschäftsführer Oliver Hürst nicht sagen. «Es ist jedoch weitum bekannt, dass sich Persönlichkeiten aus der Politik, dem Sport und der Kulturszene bei uns treffen», sagt er – und wendet sich wieder seinen Gästen zu.

Vielfältige Gastronomielandschaft in Olten kehrsknotenpunkt der Schweiz. Nur wenige wissen, dass die Solothurner Stadt weitaus mehr zu bieten hat (siehe Artikel oben) – und auch kulinarisch überzeugt: Mit insgesamt 170 Gastrobetrieben besitzt Olten fast so viele Restaurants wie die Hauptstadt des Kantons, die lediglich acht mehr vorweist. Die Vielfalt des Angebots ist beacht-

Beeindruckende Fassade: Rathskeller.

lich: Ob gutbürgerlich, exotisch oder bio-vegetarisch – in Olten gibt es für jeden Geschmack etwas. Schweizweit bekannt dürfte das Säli-Schlössli sein, das hoch über Olten thront und einst im Besitz von Anton Mosimann war. Mehrere Pächter versuchten seither ihr Glück, aber das Schloss scheint kein einfacher Betrieb zu sein. Diesen Frühling konnte es nach kurzer Pause wiedereröffnet werden.

Begriff ist der historische Rathskeller, der von Oltnern liebevoll «Chöbu» genannt wird. Er wurde 1673 in der ehemaligen Ringmauer erbaut und weist eine beeindruckende Fassade auf. In seiner «Altschweizer Trinkstube» trifft sich die Bevölkerung zum Feierabendbier und gutbürgerlichen Schmaus – auch wenn sich das über die Jahre etwas verändert hat: Durch die erhöhte Mobilität wohnen zwar viele Menschen in Olten, arbeiten und konsumieren aber zunehmend in nahen Grossstädten. Ein

rik auf, die einst eine Schmiede und später eine Schlosserei war. Heute gehört sie zu den Aushängeschildern der Oltner Gastronomie und ist definitiv einen Besuch wert. cb ANZEIGE

Bei der jüngeren Kundschaft gewinnt

das Terminus an Beliebtheit: Dieses Restaurant ist zugleich Club und Lounge und setzt auf ein modernes Interieur, das sich auch in der neuzeitlichen Küche widerspiegelt. Ein eindrückliches Ambiente weist aus­ serdem die Schlosserei Genussfab-

Restaurants im Wandel

Auch einige bekannte Schriftstel-

Olten besitzt Restaurants von A wie Aarhof bis Z wie Zum Turm

Bekannt ist Olten vor allem als Ver-

Die ZFV-Unternehmungen werden ab 2017 alle 23 Personalrestaurants der SBB übernehmen. Damit löst der Zürcher Caterer die SV Group ab, die während den letzten sieben Jahren für die Personalverpflegung des Bahndienstes verantwortlich war. Da jener Vertrag aber Ende 2016 abläuft, hat die SBB das Catering öffentlich ausgeschrieben. Der ZFV habe mit «hoher Qualität und dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis» das Rennen gemacht, heisst es in der ­entsprechenden Medienmitteilung.

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Nach einer bewegten Geschichte wird das Restaurant Spycher im bernischen Kirchdorf nun zu einer Vierzimmer­ wohnung und einem Studio umgebaut. Die Küche im Spycher, die einst 16 Gault-Millau-Punkte aufwies, wurde zuletzt von der Lehrtochter von Urs Messerli (Foto) bewirtet. 2014 lief der Pachtvertrag aus. Der Besitzer der Liegenschaft schweigt zu den Gründen der Umnutzung. Auch im st.gallischen ­Uznach musste sich die Bevölkerung von einem Gourmet-Restaurant verabschieden: Der Kunsthof, der zuletzt von Marcus Lindner gepachtet wurde, ist seit Ende März geschlossen. Aus dem Lokal soll ein Restaurant mit gehobener, aber bezahlbarer Küche werden. Einen neuen Pächter hat die Kunsthof AG ­bisher noch nicht gefunden.


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