GastroJournal 14/2014

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3. April 2014 | Nr. 14 | www.gastrojournal.ch

LEITARTIKEL

Hanspeter Schneider über Worte und Taten und wertvolle Grundlagen, die vor die Hunde gehen

Höhere KrankenkassenPrämien für Vegetarier

Wo ein Wille ist und kein Weg Anfang Woche ist ViaStoria, die das historischen Wegnetz der Schweiz vermarkten sollte, in Konkurs gegangen. GastroJournal hat mit dem Vater des Projektes gesprochen.

aber ist dramatisch, stellt es doch nicht nur das grosse Engagement des Bundes, der Kantone und vieler Beteiligten in Frage, sondern macht es zunichte.

Peter Grunder

Was wäre zu tun? Ganz grundsätzlich müssten wir Wege finden, um vernetzte nationale Projekte nachhaltig finanzieren zu können. Zwar mag es politische Absichtserklärungen in dieser Richtung geben, aber unsere Förderinstrumente sind anders konstruiert. Sie setzen auf möglichst klar abgegrenzte Bereiche, in denen sich Projekte entwickeln und Finanzierungspartner finden sollen. Das hat in der Schweiz Tradition und ist keineswegs falsch. Aber es erschwert oder verunmöglicht übergeordnet angelegte und komplexe Projekte wie das unsrige.

Hanspeter Schneider ist Geograf. Er hat von 1984 bis 2003 das Bundesinventar historischer Verkehrswege der Schweiz (IVS) geleitet und war später Geschäftsführer von ViaStoria, der Betreibergesellschaft für das Netz mit seinen 300 Routen. Schneider, der verheiratet ist und vier Kinder hat, ist unter anderem Stiftungsrat von Schweiz Mobil. GastroJournal: Die Betreibergesellschaft von ViaStoria geht Konkurs. Das Ende? Hanspeter Schneider: Ich hoffe es nicht, auch wenn es ein gravierender Einschnitt in der 30-jährigen Entwicklung dieses Projektes ist. Neben der Aktiengesellschaft gibt es immer noch die Stiftung, die nicht betroffen ist, und es gibt den Förderverein mit etwa 500 Mitgliedern. Insofern hoffe ich, dass es Auswege gibt, in welcher Form auch immer.

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Ein Grundsatzproblem ist, dass die Finanzierungen sektoriell erfolgen

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Was genau haben Sie falsch eingeschätzt? Zwar stimmt inhaltlich auf allen Ebenen praktisch alles: Die Grundlagen sind geschaffen, die einzelnen Komponenten stehen, die 300 Routen funktionieren. Überdies entspricht der übergeordnete, umfassende Ansatz den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Anforderungen und dem Zeitgeist: Echtheit, Regionalität, Swissness, Brauchtum, Nachhaltigkeit, Tradition – all diese Werte vermittelt das Projekt. Wo also liegt das Problem? Das Problem liegt darin, dass zwar alle so denken, aber fast niemand so

Ein Lieblingsrestaurant

«Ich schätze die Brasserie 11 in Bern, weil sie sehr persönlich ist und vernünftige Preise bietet.»

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Sinnvoll schiene mir eine Stiftung, womöglich des Bundes

P. GRUNDER

Was ist passiert? Kulturwege Schweiz verfolgt seit jeher einen übergreifenden, interdisziplinären Ansatz, der die vier Bereiche Natur- und Kulturlandschaft, Landwirtschaft, Tourismus und Didaktik, also Vermittlung, gleichwertig gewichtet. Dieser Ansatz wird nun zwar national und international als beispielhaft anerkannt und stark beachtet. Aber wir haben die Schwierigkeiten der konkreten Umsetzung falsch eingeschätzt.

Bei Schweiz Mobil ist es gelungen? Ja, aber zum einen bewegt sich Schweiz Mobil weitgehend in einem Sektor und entspricht damit den traditionellen Kriterien, und zum anderen war auch der Weg zu Schweiz Mobil eine Gratwanderung. Aber grundsätzlich ist Schweiz Mobil mit seiner Stiftung tatsächlich ein Modell für die Zukunft von ViaStoria.

Hanspeter Schneider: «Es fällt mir schwer, zuversichtlich zu sein.»

handelt, oft gar nicht so handeln kann. Wobei ich klar festhalten muss, dass es in bestimmten Bereichen enormes Engagement gibt. Das Seco um Richard Kämpf und «Schweiz Tourismus» um Jürg Schmid etwa haben das Potenzial erkannt und sich stark eingebracht, und die Luzerner «Albert Koechlin Stiftung» unterstützt mit dem Waldstätterweg gar ein Projekt, das die Konzeption von Kulturwege Schweiz in allen Teilen umfassend und vorbildlich aufnimmt. Und auch die Schweizer Berghilfe hat die Konzeption des Routennetzes im Berggebiet unterstützt.

Den schönen Worten folgten aber in der Regel keine Taten? Ein grundsätzliches Problem ist, dass Finanzierungen weitgehend sektoriell erfolgen und übergeordnete Ansätze sogar zu Blockaden durch diese Sektoren führen. Das hatten wir nicht erwartet, was auch damit zu tun hat, dass ja nicht nur die Projekte stimmig sind, sondern die Politik auch entsprechende übergeordnete Ziele verfolgt. Gibt es konkrete Beispiele? Vor rund vier Jahren haben wir über die Neue Regionalpolitik NRP und mithilfe des Staatssekretariates für Wirtschaft Seco angefangen, alle Kantone für eine gemeinsame Finanzierung zu gewinnen. Ganze zwei Kantone, nämlich Wallis und Bern, erklärten sich schliesslich be-

reit. So standen wir mit einem bestens abgestützten Projekt da, das wir aber nicht finanzieren konnten. In der Folge versuchten wir Finanzierungen in den einzelnen Sektoren,. Das aber lief einerseits dem Grundgedanken zuwider und führte andererseits zu keinen tragfähigen Finanzierungen, sondern zu einem Lavieren auf allen Ebenen. Und bei alledem sind wir als kleine Organisation zunehmend ausgebrannt.

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Alle denken so, aber fast niemand handelt so

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War es die falsche Form? Das Konstrukt mit einer Stiftung und einer Aktiengesellschaft war insofern eine Notlösung, als wir Kapital brauchten, um konkret zu zeigen, worum es geht. Bund und Kantone hatten ja seinerzeit 50 Millionen Franken bereitgestellt, um das Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz IVS zu erstellen, auf dem die Kulturwege Schweiz beruhen. Wir hatten also eine vorbildliche Grundlage und ein freundeidgenössisches Projekt, das Top-down und Bottom-up verband, überall auf Begeisterung stiess und mit der Betreibergesellschaft in Wert gesetzt werden sollte. Dieser letzte und entscheidende Schritt jedoch ist misslungen, weil letztlich niemand bereit war, interdisziplinär zu arbeiten. Das

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Der Königsweg? Im Prinzip müssten sich die vier Bereiche auf höchster Ebene finden und sich gemeinsam hinter das Projekt stellen. In der Umsetzung muss das aber nicht heissen, dass eine Bundesstelle die Verantwortung übernähme, die Hürden und Widerstände sind hier wohl zu gross. Sinnvoller schiene mir eine Stiftung, die womöglich unter den Fittichen des Bundes das zu Ende führt, was der Bund so herausragend vorbereitet hat und die ganze Welt bewundert. Was würde es denn kosten? Mit einem Jahresbudget von rund zwei Millionen könnten wir das in Wert setzen. Das Konzept steht ja und das Netz auch; es fehlen der Betrieb mit Koordination, Markenpflege und Qualitätskontrolle. Sind Sie zuversichtlich, dass es doch gelingt? Nach all den Kämpfen und dem Konkurs fällt es mir schwer, zuversichtlich zu sein. Aber wenn ich mir die Qualität des Projektes vor Augen führe, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir das einfach so wegwerfen. En français

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ViaStoria Seit 2007 sind einige der 300 Routen von ViaStoria touristisch umgesetzt und bei «Schweiz Tourismus» aufgeschaltet. Die Herausforderung, an der die Betreibergesellschaft letztlich scheiterte, liegt jedoch im Produkt: Es ist kaum gelungen, aus den Routen buchbare Pakete zu schnüren, da es an Partnern fehlt. Eine Ausnahme ist die «ViaValtellina», wo die «Rhätische Bahn» als Partner auftritt. www.viastoria.ch

Als es mit dem Rauchverbot gegen die Gastronomie ging, wurde unter anderem auch die Forderung laut, dass Raucher als Gesundheitskostentreiber mehr Krankenkassenprämien bezahlen sollen. Wer sich gegen solche Aussagen wehrte, wurde von den Gesundheitstaliban gevierteilt, in die Rauchkammer gehängt und anschliessend als ungeniessbarer Rauchertoter deklariert. Eine neue Studie der Medizinischen Universität Graz deklariert nun auch Vegetarier für die Gesundheitstaliban als ungeniessbar. Die Studie basiert auf dem österreichischen Teil der hochwertigen EU-Umfrage «European Health Interview Survey» – ist also zuverlässig und repräsentativ. Untersucht wurden Krankheiten und Lebensqualität von Vegetariern und Fleischessern. Das Resultat: Vegetarier haben deutlich häufiger chronische Krankheiten – fast doppelt so viele Allergien und Krebserkrankungen. Vegetarier haben auch viel häufiger psychische Störungen wie Depressionen. Viel-Fleischesser leben nicht nur gesünder, sondern weisen dazu eine weitaus höhere allgemeine Lebensqualität auf. Die Gesundheitstaliban sollen doch jetzt auch von den Vegetariern höhere Krankenkassenbeiträge fordern und endlich aufhören, über die Beeinflussung des Speiseplanes von Kinderkrippen und Schulküchen zu versuchen, uns die ach so gesunde vegetarische Ernährung aufzuzwingen. Und der geforderte vegetarische Pflichttag pro Woche für die Gastronomie hat sich damit wohl auch erledigt. Romeo Brodmann

Den Banken helfen statt den KMU

Die EU spricht schon länger darüber, den KMU dabei zu helfen, besser an Kredite heranzukommen. Letzte Woche hat EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier nun konkrete Massnahmen in den Raum gestellt. Dabei erweist sich, dass eher den Finanzinstituten geholfen wird als den KMU. Insbesondere sollen Kreditpakete künftig nicht mehr so geschickt verpackt werden, dass sie wie Wertpapiere aussehen – dies war eine Hauptursache der weltweiten Finanzkrise von 2008, die wiederum den harten Schweizer Franken mitverantwortet. Kein Thema scheint für die EU jedenfalls die eigentlich zentrale einzelbetriebliche Sicht zu sein: dass kreditsuchende Gewerbler nicht mehr absurd hohes Eigenkapital benötigen – während Banken weiterhin absurd niedriges Eigenkapital haben und im Notfall auf die Steuerzahler zugreifen.


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