Amit Shama: Erfolg dank Sushi und Menschenliebe Vom Security-Mann zum Gastro-Unternehmer: Ein gebürtiger Israeli führt in Zürich drei Sushi-Betriebe mit besonders menschlichen Werten. Weshalb er keine Mitarbeiter kündigt, wie Kai Sushi die Gäste begeistert und warum er sogar bei Diebstahl ruhig bleibt. TEXT BENNY EPSTEIN
Als Amit Shama 1998 aus der nordisraelischen Hafenstadt Haifa nach Zürich zieht, heuert er für zwei Jahre als Wachmann bei der jüdischen Gemeinde an. Dann zieht es den heute 44-Jährigen in die Welt der Gastronomie. «Das mochte ich schon immer. Schon als Teenager arbeitete ich in Restaurants, assistierte beim Kochen, half beim Abwaschen. Ich koch gerne, bin gerne Gastgeber, tue gerne Gutes.» Gemeinsam mit seiner Schweizer Frau entscheidet er sich, in der Schweiz zu bleiben. Zweimal tritt Shama zur Aufnahmeprüfung bei der Hotelfachschule Belvoirpark Zürich an – zweimal scheitert er. «Man sagte mir, ich sei nicht gut genug. Mein Deutsch reiche nicht aus.» Also absolviert er die Ausbildung am International Hotel Management Institute in Luzern auf Englisch. Zwischen den Semestern arbeitet er in Restaurants und Hotels, um sich die Studiengelder zu finanzieren, zuletzt als Nachtportier. Als Shama die Ausbildung 2005 abschliesst, will er sich selbständig machen. «In den Praktika sagte man mir stets, ich sei langsam und unstrukturiert, ich verbringe zu viel Zeit beim Gast. Aber das entspricht nun mal meiner Gastgeberphilosophie. Ich musste mein eigenes Ding durchziehen.» Zwar unterstützt ihn seine Frau bei seinen Plänen, doch Geld hat Shama keines. Ein israelisches oder japanisches Restaurant soll es werden. «Ich liebe beide Küchen.» Shama liest in einer
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Studie der Universität St. Gallen, dass Schweizer es mögen, wenn das Essen ästhetisch, klein und fein daherkomme. Und wenn es gesund, frisch sei und schnell genossen werden kann. «Das entspricht genau der japanischen Küche.» Nach Japan reist Shama aber erst zwölf Jahre später als erfolgreicher Unternehmer. Ein alter Opel als Eigenkapital In Neu-Oerlikon, ausserhalb des Stadtzentrums von Zürich, findet Shama die passende Lokalität für sein Kai Sushi. «Kai» stammt aus dem Japanischen: zusammen kommen, miteinander teilen. Den Bankkredit erhält er – nach zwei anderen Absagen – von der UBS. Die Grossbank findet Gefallen am Konzept, bei dem der Besitzer selbst mitarbeiten und erst mal kleine Schritte mit minimaler Belegschaft machen möchte. «Die UBS gab mir das gesamte Fremdkapital. Auf die Frage, wie hoch denn mein Eigenkapital sei, antwortete ich lachend: ‹Ich habe einen alten Opel Astra.›» Der Anfang gestaltet sich schwierig. Die Preise sind den Gästen zu hoch, das Personal arbeitet nicht so, wie Shama sich das wünscht. «Ich musste lernen, dass meine Mitarbeiter nicht aus der gleichen Motivation heraus wie ich arbeiten.» Shama ist Unternehmer und Visionär. «Mir gibt die Vision Sicherheit, der Mitarbeiter braucht hingegen von Beginn weg einen anständigen Lohn.»
Der Israeli begreift: Erst mit zufriedenen Mitarbeitern können Gäste begeistert werden. «Und Gäste müssen begeistert werden, damit sie wieder kommen. Wir müssen ihre Erwartungen übertreffen.» Allmählich entsteht Shamas Philosophie: «Liebe deine Leute – deine Mitarbeiter und deine Gäste.» Für alle möchte er die Extrameile gehen. Bereits vor 15 Jahren liefert Shama Essen nach Hause. Er tut dies aus Kostengründen höchstpersönlich. Hochzeitswünsche, besondere Verpackungen, gratis Kühltaschen, Anfragen von weit her, spezielle Wünsche von Mitarbeitern – Kai Sushi erfüllt sie nach Möglichkeit alle. «Manche ergeben kalkulatorisch auf den ersten Blick keinen Sinn», erklärt Shama. Das Interieur ist stilvoller als jenes der allermeisten Asia-Restaurants, die Produkte sind von höchster Qualität. «Als Foie gras zu umstritten wurde, ersetzten wir es durch Noix gras, die vegetarische, nachhaltige Alternative von Tobias Buholzer. Das Produkt kostet mich fünfmal mehr. Die Preise liess ich aber gleich.» Auch im Verhältnis zwischen Fisch und Reis spielt der Fisch bei Kai Sushi die grössere Rolle als in den meisten anderen Zürcher Sushi-Lokalen. Wie geht diese Rechnung auf? Shama lächelt: «Unter dem Strich, das kann ich verraten, verdient Kai Sushi jedes Jahr mehr – auch im Coronajahr. Das lässt sich bei uns halt nicht einfach anhand schulisch logischer Vorgänge erklä-