GastroJournal 8/9 2021

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★ GASTKOMMENTAR

Öffnungsplan und Härtefallgelder

«Für unsere Branche ist das furchtbar»

Für einen Wurm im Meerrettich besteht die Welt aus Meerrettich

Seit der Zeit, als das Gastronomieangebot aus Mostwirtshäusern und Räuberkrügen bestand, hat sich einiges getan. Eine der weitreichendsten Veränderungen war wohl die Entwicklung eines Gastronomiezweigs, in welchem Grundprinzipien hinterfragt und Abläufe neu erfunden wurden. Da dies nicht mehr viel mit traditioneller Zubereitung der Speisen gemeinsam hatte, wurde der Name Systemgastronomie eingeführt, was passend beschreibt, was gemacht wird – Kochen mit System. Lange verteufelt und belächelt, beweist jene Art der Gästeverpflegung jedoch nicht erst seit gestern Potenzial. Mit dem Ziel, dem Gast die Annehmlichkeit eines traditionellen Restaurants zu bieten, während Prozesse standardisiert und laufend optimiert werden, schiessen jüngst so genannte Hybridsysteme, eine Mischung aus Individual- und Systemgastronomie, wie Pilze aus dem Boden. Die Zahlen von Aufwand und Ertrag sprechen dabei für sich. Es lohnt sich also für jeden Gastronomen, seinen Kopf immer mal wieder aus dem Gemüse herauszustrecken, um den Anschluss nicht zu verpassen – gerade in Zeiten wie diesen. Nico Schefer (30) ist Mitgründer des Start-ups Prognolite in Winterthur sowie Präsident der Belvoirpark Alumni

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PA N O R A M A

Bleiben die Restaurants geschlossen, treffen sich die Menschen anderswo und ohne Schutzkonzepte – wie am letzten Wochenende in Zürich.

Ein zaghafter Öffnungsplan des Bundesrats bei einer drastisch verschlechterten Lage des Gastgewerbes und nur schleppende Härtefallgelderzahlungen durch den Bund: Kein Wunder, kritisiert die Verbandsspitze von GastroSuisse die Landesregierung. Text und Foto Reto E. Wild

GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer und Verbandsdirektor Daniel Borner sind mit ihrer Geduld am Ende. In einer Mail an die 20 000 Mitglieder schreiben sie: «Wir haben es satt! Vor einer Woche sprach der Bundesrat von einem vorsichtigen Öffnungsschritt. Für unsere Branche ist das ein grauenhafter Hohn. Denn das Gastgewerbe muss mindestens bis zum 1. April warten. Erst dann sind, wenn überhaupt, Öffnungen denkbar. Und auch das vorerst nur im Aussenbereich.» Weiter kritisieren Platzer und Borner: «Für unsere Branche ist das furchtbar. Wir werden benachteiligt. Man bestraft uns. Und das zu Unrecht. Denn bis heute gibt es keinen Nachweis, dass die Restaurants ein Ansteckungsherd sind. Im Gegenteil: Unsere Schutzkonzepte funktionieren, Ansteckungen gibt es gemäss BAG kaum.» «Sicherheitskonzept funktioniert» Gesundheitsökonom Professor Konstantin Beck von der Universität Luzern kommt in einem achtseitigen Bericht bereits vor Wochen zum Schluss: «Die Frage, ob sich Mitarbeitende im Gastgewerbe häufiger mit Covid-19 infizieren, muss ganz klar mit Nein beantwortet werden.» Daraus könne auch der Schluss gezogen werden, dass das Sicherheitskonzept der Restaurationsbetriebe insofern funktioniere, als dass sich die Mitarbeitenden trotz starker Exponierung

vielen Gästen gegenüber kaum anstecken. «Das dürfte auch umgekehrt gelten; das Servicepersonal steckt mit den vorliegenden Schutzkonzepten auch keine Gäste an.» Dass gemäss Bundesrat in einem ersten Schritt nur Aktivitäten mit geringem Infektionsrisiko wieder zugelassen werden sollen, ist für die Verbandsspitze von GastroSuisse vor diesem Hintergrund erst recht ein Affront. Denn gerade weil nur rund zwei Prozent der Ansteckungen im Gastgewerbe stattgefunden haben, müssten auch die Restaurants Anfang März öffnen. Der vorgelegte Plan, über den der Bundesrat definitiv am 24. Februar 2021 und somit nach Redaktionsschluss entscheidet, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. «Wir sind enttäuscht und wütend! Die Vorschläge des Bundesrats sind unverständlich und benachteiligen unsere Mitglieder in höchstem Masse», schreiben Platzer und Borner. Angesichts der epidemiologischen Entwicklung fordern sie einen raschen Ausstieg aus dem Lockdown. «Spätestens Mitte März müssen die Restaurants öffnen können und zwar so, dass ein wirtschaftliches Arbeiten wieder möglich ist. Nur die Terrassen zu öffnen, ist keine Lösung!» Die gesetzlichen Grundlagen fehlen GastroSuisse erinnert daran, dass die Betriebe nunmehr innerhalb eines Jahres vier bis gegen sechs Monate geschlossen waren. «Nun drohen weitere Monate des Stillstands. Damit versetzt der Bundesrat der Branche den finalen Todesstoss und verursacht ein wirtschaftliches Leid, das in keinem Verhältnis zum Nutzen im Kampf gegen die Pandemie steht.» Mehr noch: Für den vorgelegten Plan fehlen


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