«Da blutet mir das Herz» Nach 20 Jahren am Bahnhofplatz Zürich muss der Gastro-Zürich-City-Präsident Urs Pfäffli sein Restaurant Au Gratin und die Newsbar schliessen. Die Gründe? Corona, asoziale Mietzinsforderungen und die Strategie des Bundes. INTERVIEW UND FOTO CORINNE NUSSKERN
Urs Pfäffli, warum geben Sie die Newsbar und das Au Gratin vier Monate vor der Sanierung des Gebäudes auf?
Was haben Sie dagegen unternommen?
Ich kämpfe zusammen mit einem Anwalt. Im Sommer erklärten wir, dass ich nicht Urs Pfäffli: Wegen Corona. Und weil mehr fähig sei, den ganzen Zins zu zahlen, mir die Hausbesitzer PSP Swiss Property wir offerierten 40 Prozent. Daraufhin hat seit acht Monaten bei der Miete keinen mich der Vermieter betrieben. Es gibt geRappen entgegengekommen sind. Sie samtschweizerisch noch kein Urteil oder kündeten mir auf Frühling 2021, um zu Präzedenzfall. Auch die Versicherung will sanieren. Sie verlangten, dass ich bis da- nicht zahlen, da ich eine Epidemie- und hin vom Bund ein Darlehen aufnehme, keine Pandemieversicherung habe. Dort nur um den Zins zu bezahlen. Das wollte reichte ich kürzlich Klage ein. Ich will ein ich nicht. Erstens hätte ich keine Chance, Exempel statuieren, für alle anderen Gasdieses bis im März zurückzuzahlen. Und tronomen. zweitens würde ich so den Bund betrügen. 20 Jahre lang habe ich den Mietzins Sie geben also auf, bevor der Konkurs über die Schwelle tritt? immer bezahlt. Genau. Erst hoffte ich über den Winter etwas aufzuholen, trotz Einschränkun★ Urs Pfäffli: einst jüngster Hotelier gen. November und Dezember sind unsere umsatzstärksten Monate. Doch nach der Medienkonferenz des Bundes Ende Urs Pfäffli (57) leitet seit 2000 das Oktober, als dieser sagte, man solle zu Restaurant Au Gratin und die Newsbar am Zürcher Bahnhofplatz (150 Plätze). Hause bleiben, hatten wir nur noch Absagen, der Umsatz brach um 75 Prozent Ende November muss er beides ein. Und die Sperrstunde ist ein Problem schliessen, 15 Mitarbeiter (vorher 25) für die Newsbar. Da wusste ich: Jetzt habe müssen stempeln gehen. Pfäffli steht hin und engagiert sich für die Branche: ich keine Chance mehr. Er ist Präsident von GastroZürich-City mit über 1100 Mitgliedern in den Bezirken Zürich und Dietikon und Corona-Verantwortlicher von GastroZürich. Er sitzt im Vorstand von LunchCheck und amtet als Dozent am G1. Aufgewachsen in Niederlenz AG, lernt Pfäffli Koch im Landgasthof Löwen in Heimiswil BE und absolviert die Hotelfachschule in Luzern. Er wirtet im Federal in Zofingen, ist mit 24 Jahren jüngster Hotelier der Schweiz im Hotel Bad Lostorf und führt in den 90er-Jahren drei Jahre lang das Hotel Arc en Ville (Walhalla) in Zürich.
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I N T E RV I E W
Wem schieben Sie die Schuld dafür zu?
Man denke da nur an die kommenden Weihnachtsessen. Restaurants haben Platz und ein Schutzkonzept! Doch für den Bund ist es scheinbar der einfachste Weg zu kommunizieren: Bleibt zu Hause.
«Geht in die Restaurants! Wir haben Schutzkonzepte, es ist sicherer, als zu zehnt zu Hause in der Stube zu hocken.» Sind Sie hässig oder fühlen Sie Ohnmacht, weil Sie Ihren Betrieb schliessen müssen?
Es ist wie eine Beerdigung. Es sind dieselben Prozesse, die man durchlebt: Trauer, Wut, Ohnmacht. Und man kann sich kaum wehren. Ich fühle mich wie in einem Tunnel. Bis November muss ich noch das gesamte Inventar verkaufen. Viel Zeit nachzudenken, habe ich zurzeit nicht, vielleicht kommt die Leere nach der Abgabe. Aber ich sehe das Licht.
Es ist eine Kombination, ich gebe auch Es gibt auch Stimmen, die sagen, eine dem Bund die Schuld. Seine Strategie Ausdünnung täte der Branche gut. finde ich widerlich. Er hatte den ganzen Das ist eine Frechheit. Jeder, der sich Sommer über Zeit eine funktionierende selbstständig macht, geht ein RiesenStrategie auszuarbeiten, was zu tun ist, risiko ein und verdient Respekt. Vor 24 falls die Fallzahlen steigen. Stattdessen Jahren startete ich im Café Boy im Kreis 4 macht er den Leuten Angst, indem er sagt, mit dem Au Gratin. Ich weiss, was es Restaurantbesuche seien gefährlich. heisst, ein kleiner Wirt zu sein und täglich 16 Stunden zu arbeiten. Ich kann alWie wehren Sie sich? len nachfühlen, die jetzt kämpfen müsIch sage allen: Geht ins Restaurant! Die sen. Oft melden sich verzweifelte Wirte Ansteckungen finden zu Hause statt, bei mir. Da blutet mir das Herz. Lange wenn man viele Leute einlädt. Daheim haben sie von ihren Betrieben gelebt, mal kann man die Abstände nicht einhalten. besser, mal schlechter. Niemand konnte