Familie Rockt! #06

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Erwin Steinhauer kennen wir alle. Wir sind quasi mit ihm aufgewachsen. Er lebt in einer schön eingerichteten Wohnung im 19. Bezirk. An den Wänden hauptsächlich Bilder, die sein Vater einst gemalt hat. Charakterstarke, wilde Gemälde. Sein Sohn Matthias ist auch Schauspieler. Die Züge vom Papa kann man in seinem Gesicht erkennen, aber es ist ein ganz eigener Mensch aus ihm geworden. Zwei Männer, die beide strahlen, aber nicht in Konkurrenz stehen. Matthias ist auch Papa von zwei Kindern, und daher können wir mit beiden über das Elterndasein reflektieren. Welche Fehler macht man? Was sind die schönen Momente? Familie Rockt: Wie hat sich das Vaterbild in den letzten 30 Jahren geändert? Matthias: Damals gab es kein Vaterbild. Heute gibt es eine gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass wir Männer uns auch um die Kinder kümmern sollten. Früher war die Mama daheim und der Mann hat das Geld heimgebracht. Erwin: Meine Eltern sind beide arbeiten gegangen. Auch meine Großmutter hat gearbeitet. Die g'sunde Watsch'n stand damals noch außer Diskussion. Auch Mütter schlugen ihre Kinder. Bei Erwin Steinhauer war das Hauen Teil des Familiennamens, aber nicht Teil des Familienlebens. Erwin: Ich bin von meinen Vater ein einziges Mal gezüchtigt worden. Da musste ich zur Strafe den Teppichpracker aus dem Klo holen, und dann trafen wir uns im hinteren Zimmer. Er dachte, ich hätte etwas gestohlen.. Ich war damals noch in der Volksschule.

MEINE LTFREI R A W EWA DEM TROTZ NG NICHT G U ERZIEH Stehlen war absolut nicht akzeptabel? Erwin: Nein, das war untragbar. Aber es hat sich dann herausgestellt, dass mir ein Mitschüler seinen Federhalter geborgt hat, weil er mir meinen unabsichtlich ruinierte. Mein Vater hat sich dann auch entschuldigt und die Erinnerung an dieses Mißverständnis war ihm ein Leben lang unangenehm. Papa war Maler und im Brotberuf bei der Wiener Feuerwehr. Die hatten damals 24-Stunden-Dienste. Daher war er jeden zweiten Tag nicht da. Was den Vorteil hatte, dass er auch nur die halbe Zeit mit meiner Mutter verheiratet sein musste (lacht). Aber daher musste meine Mutter die meisten Erziehungsaufgaben alleine übernehmen. Ich war ein Einzelkind und schrecklich ungezogen. Ich war schwer erziehbar. Und wenn sie sich gar nicht mehr zu wehren wusste, hat sie mit der flachen Hand auf die nackte Haut geklatscht. Und ich hab dann laut geschrien und dramatisiert, dabei hat das nur ein wenig gebrannt. Gewalt hat es aber bei uns nicht gegeben. Meine Kinder wurden auch nie geschlagen. Weil, wenn geschlagen wird, wird das weitergegeben. Das glaube ich schon. Matthias: Das hängt ganz stark damit zusammen, was man selber in der Kindheit erlebt hat. Welche Werkzeuge hast du mir in die Hand gegeben? Welche Werkzeuge hat dir dein Vater in die Hand gegeben?

Erwin: Trotzdem war meine Erziehung nicht gewaltfrei, denn du weißt, dass laut schreien – laut – auch Gewalt ist. Matthias: Wie stark die Väter selber da sind, so stark können auch die Söhne später für ihre Kinder da sein. Ich merke genau, wo die Inkompetenz in Zusammenhang mit meinen Kindern auftritt. Und da werde ich zurückversetzt in meine Kindheit. Mein Vater gerät leicht in Aufruhr und ist dann laut, und das ist bei mir genau dasselbe. Ich hab das so gelernt. Das bin ich. Ich hab das eingespeichert. Das einzige, was man da machen kann, ist: Reflektieren und vor allem: Obacht. Erwin: Das Lustige ist, wenn man es selber mitkriegt. Wenn man plötzlich am Tisch sitzt und du siehst dein eigenes Spiegelbild. Mein Vater, dein Großvater, hat an mir, wenn ich mit meinen Kindern geschrien habe, sich erkannt. Und er war als Großvater ein anderer Mensch. Ein komplett anderer Mensch. Ich hab dann zu ihm gesagt: „Heast, warum warst‘ zu mir nie so liab?“ Und bei mir ist es jetzt auch ein bisschen so. Ich sehe meine Anlagen beim Matthias. Aber trotzdem finde ich, dass er ein toller Vater ist

, EN SIE B U A L HAS' G C T S S N N E O S ED ANN J SKUTIEREN K N A M DI NDEN U T S 7 1 Wenn man Kinder hat, dann gibt es manchmal Momente, in denen man nicht mehr weiter weiß. Was tut man da? Erwin: Reden, reden, reden. Versuchen, die Sache zu klären. Und manchmal hilft nur eine ganz autoritäre Vorgehensweise. Und dann sagt man: „Weil ich es sage.“ „Warum?“ „Weil ich will, dass du das bitte machst.“ Das ist auch wichtig wegen der Grenzen. Sonst glauben sie, man kann wegen jedem Schas' 17 Stunden diskutieren. Wenn man das Ziel hat, ausschließlich harmonische Tage mit seinen Kindern zu verbringen, bis sie 18 Jahre alt sind – wie geht das? Matthias: Das ist gar nicht die Aufgabe, glaube ich. Erwin: Harmonie ist oft der falsche Weg. Matthias: Das Leben ist viel mehr. Es geht im Leben viel um Auseinandersetzung und Reibung. Erwin: Ich glaube, man lernt an der Disharmonie viel mehr als an der Harmonie. Genauso, wie man am Misserfolg mehr lernt als am Erfolg. Eine große Portion Disharmonie ist manchmal gar nicht so schlecht. Matthias: Natürlich muss man das Kind unterstützen und nicht runterdrücken. Erziehung ist ein furchtbares Wort. Als würde man es an den Haaren hinter sich herziehen. Man muss es zum Neugierig-Sein anregen, nicht immer nur kritisieren.

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