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Konstruieren statt Konsumieren

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Der 40-jährige deutsche Architekt laotischer Herkunft Van Bo Le-Mentzel, wurde 2010 erstmals bekannt durch die Entwicklung einer Serie von Designermöbeln im Bauhausstil, die er provokant »Hartz-IV Möbel« nannte. Unter dem Motto »Konstruieren statt Konsumieren« schuf er unter anderem den »Berliner Hocker« für 10 Euro Materialkosten, den Sessel »24 Euro Chair«, das »SiWo Sofa« für insgesamt 348 Euro und den »Kreuzberg 36 Küchenstuhl«. Die Bauanleitung für seine Möbel stellte er online frei zur Verfügung, damit jeder sie selbst nachbauen konnte. Als Gegenleistung forderte er lediglich ein Foto des Nachbauers.

Für Van Bo Le-Mentzel ist »Wohnen ein Menschenrecht, das unabhängig vom Einkommen sein sollte« 68 Deshalb entwarf er mehrere Tiny Houses: 2012 war es das 1-Quadratmeter-Haus – das kleinste Haus der Welt, 2013 machte Van Bo Le-Mentzel mit seinem »Unreal Estate House« Schlagzeilen. Das Vier-Quadratmeter-Haus, welches auf einem Autoanhänger mitten in Kreuzberg stand, soll ein Zeichen setzen gegen steigende Mieten und knappen Wohnraum in den Städten. 2016 war es das »Tiny100«, das auf nur 6,4 m² Küchenzeile, Bett, Schreibtisch, Sofa, Toilette und Dusche unterbringt. Er ist ein Vorreiter auf dem Sektor »kleines Wohnen – große Lebensqualität« und gründete 2015 die Tinyhouse University.

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Van Bo Le-Mentzel ist aber nicht nur Architekt, sondern auch Querdenker und Autor. In seinem Buch »Der kleine Professor« beschreibt er in 34 Episoden, wie das Leben mit seinem Kind ihn dazu inspirierte, die Welt jeden Tag ein bisschen anders wahrzunehmen. In Kapitel vier des Buches »Wir sind alle Wohnanalphabeten«69 sind es noch zwei Monate bis zur Geburt seines Sohnes, als seine Frau und er sich fragen, ob sie in eine größere Wohnung umziehen müssen. Sie wohnen zur Miete in einer 56 Quadratmeter großen 2-Zimmer-Altbauwohnung in Kreuzberg und wissen nicht, wo sie das Kinderzimmer unterbringen sollen. Die beiden scheitern nicht an der Aufgabe. Sie strukturieren ihre Wohnung letztendlich nach den neuen Gegebenheiten um und verfallen damit nicht dem Kapitalismus, der den »Wohnraumkonsum«70 stetig fördert.

Unter Wohnraumkonsum versteht Van Bo Le-Mentzel den stetig wachsenden Quadratmeterbedarf der Deutschen. Von 20 auf 40 Quadratmeter pro Kopf im Durchschnitt innerhalb der letzten 60 Jahre. Der neu gewonnene Freiraum muss befüllt werden mit neuen Möbeln, Maschinen und Unterhaltungselektronik, die er als »Brandbeschleuniger des Kapitalismus«71 bezeichnet. Er wirft den Menschen zu wenig Fantasie vor, Räume anders zu denken und anders zu nutzen und bezeichnet sie als »Wohnlegastheniker«.72

Er fordert auf, die Nachbarschaft mehr mit einzubeziehen, das Café im Souterrain zum erweiterten Wohnzimmer zu erklären, den Park vor der Türe zur Terrasse zu machen. Zudem hinterfragt er, ob wir einen großen Kühlschrank benötigen, wenn es so viele Supermärkte direkt um die Ecke gibt, die voll sind mit Kühlschränken. Irgendwann, hofft er, »wird es Wohnraum geben, der gar nicht mehr an ein Grundstück gekoppelt ist. Wohnräume, die durch die Luft schweben. Wohnraum im Wasser. Im Zug und in selbstfahrenden Autos.«73

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