FamilienSonntag 2/2019 – Sommer

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Interview

» Viele reiben sich auf zwischen Kindern und Beruf« Frau Händel, kleine Kinder zu haben und Erfolg im Beruf – das scheint kein Problem zu sein in unserer Gesellschaft und wird zum Leitbild. Überfordert das Eltern? Christiane Händel: Auf jeden Fall ist das eine große Herausforderung. Denn wenn sich Paare für ein Kind entscheiden, sind sie meist auch in der heißen Phase des Berufseinstiegs – und dann geraten sie unter Druck. Sie haben den Wunsch, allem gerecht zu werden: Kinder gut aufwachsen zu lassen und zugleich sich selbst zu verwirklichen in einem erfüllenden Beruf. Gerade Frauen haben dann oft ein schlechtes Gewissen, weil alles nicht gut unter einen Hut zu bringen ist. Kann das krank machen? Studien zeigen, dass besonders Mütter in dieser Lebensphase unter Druck stehen und das Wohlbefinden leidet, weil der Spagat zwischen Familie und Beruf zu viel Kraft kostet. Die Fürsorge für andere lässt sie die Fürsorge für sich selbst vergessen. Da beginnt ein Kreislauf, der viele Frauen krank macht. Ein anderer Grund, der zur Erschöpfung vieler Mütter beiträgt, ist auch die geringe Anerkennung ihrer Hausarbeit.

Woher rührt dieser Druck, Familie und Beruf zugleich und gleich gut stemmen zu müssen? Es sind die vielfältigen Rollenanforderungen, denen Frauen in unserer Gesellschaft unterliegen. In erster Linie ist noch immer die Mutter die zuständige Person für Kinder und Haushalt. Und dann die Erwartung und der Anspruch, dass die Kinder gut geraten – alles muss perfekt funktionieren. Dazu kommt, dass immer mehr Frauen im Beruf ihre Erfüllung suchen. Das ist ja auch gewollt. Von wem? Von den Frauen selbst. Denn eine berufliche Tätigkeit ist anders anerkannt als Hausarbeit. Die Sorgearbeit in der Familie hat in unserer Gesellschaft keinen hohen Stellenwert. In einem Beruf dagegen können sich Frauen mit ihren Gaben ganz anders zeigen. Männer tun das doch auch – ist diese Gleichberechtigung für Frauen nicht ein Gewinn? Auf jeden Fall ist sie ein Gewinn. Das Dilemma ist nur, dass es nicht gut funktioniert. In Kur-Anträgen lesen wir, wie viele Frauen sich aufreiben zwischen der Notwendigkeit zur Vollzeit-

Arbeit und dem Wunsch, ihre Kinder gut zu begleiten. Wenn dann eine Krankheit, Beziehungsprobleme, beruflicher oder finanzieller Stress dazukommen, bringt sie das an ihre Grenzen. Ist auch der eigene Anspruch, in der Familie und im Beruf immer gut sein zu müssen, eine Falle? Der Anspruch, das Beste für sein Kind zu wollen, das Beste im Beruf zu erreichen, die Partnerschaft am Laufen zu halten, ist bei vielen Frauen perfek­ wwder Konkurrenzdruck sind in unserer Leistungsgesellschaft eine Herausforderung. Das Familienbild, das in den Medien vermittelt wird, trägt vielleicht auch einen Teil dazu bei. Wenn das Leben dann nicht so ist, wie es erwartet wird, kann sich eine Spirale aufschrauben, die der Gesundheit schadet. Warum fällt es vielen Eltern schwer, sich dann Hilfe zu holen? In dieser Situation ist die Suche nach Unterstützung noch eine zusätzliche Aufgabe zu allem anderen: auch noch an sich zu denken. Das tun viele Menschen erst, wenn der Alltag kaum noch zu bewältigen ist.

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