Interview Peter Lorenz / Langfassung

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RAUMDENKEN

Ein Gespräch mit Peter Lorenz, der sein Architekturbüro Lorenzateliers in Innsbruck seit 44 und in Wien seit nunmehr 24 Jahren führt und zu den profiliertesten heimischen Architekten gehört. Wir sind mit ihm Wahrnehmungsräume abgeschritten, haben die Architektur als nüchterne Dienstleistung ebenso wie als Ringen um das Schöne erörtert und auch einen schonungslosen Blick auf Tirol und seine räumlich-planerischen Herausforderungen gewagt. Was alle Themengebiete eint, ist Lorenz’ dringlicher Appell: Wir müssen UMDENKEN!

INTERVIEW: MARIAN

ECO.NOVA: Sie sind viel unterwegs und deshalb freuen wir uns, dass wir trotzdem einen Termin gefunden haben. Möchten sie uns etwas über Architektur und Ihren Blick auf Tirol erzählen?

PETER LORENZ: Gerne – über Architektur kann ich stundenlang reden. Allerdings drücken wir Architekten uns durch unsere Bauten aus. Unsere Werke müssen für sich selbst sprechen und was der Urheber dazu meint, ist eigentlich bedeutungslos. Und natürlich lasse ich mir die Chance nicht entgehen, über ein Umdenken in Tirol zu reden.

Sie arbeiten viel im Ausland – den Architekturwettbewerb für die Sportstadt Ilirija in Laibach haben Sie im Jahr 2000 gewonnen, nun wird das Projekt fertiggestellt – braucht der Architekt Beharrungsvermögen?

Es geht da weniger um ein verdienstvolles Beharrungsvermögen als um die Eigenschaft „Hartnäckigkeit“ – es fällt mir sehr schwer, ein Projekt aufzugeben. Ein bekannter österreichischer Auftraggeber hat mir vor langer Zeit geraten: „... Sie glauben, dass für Sie als Architekt das Talent wichtig ist? Ich kenne viele, die gute Ideen und Talent haben … aber daraus ein Konzept zu entwickeln ist schwierig, es auch zu realisieren, ist die wahre Herausforderung – Hartnäckigkeit ist in Ihrem Beruf das Allerwichtigste.“

Wie sieht Ihre Bilanz nach 44 Jahren aus?

Wir haben bis jetzt über 500 Werke geplant und davon etwa ein Drittel realisiert, in den letzten Jahren auch einiges außerhalb Tirols. Der Rest besteht aus verlorenen Wettbewerben, abgesagten Projekten, fehlenden Finanzierungen, Immobilienkrisen usw. Dieses Leiden teilen wir mit fast allen Kolleg*innen.

In Ihrem Buch „Passion for Space“ zeigen Sie auf, dass es Ihnen in erster Linie um den Raum geht. Was fasziniert Sie daran?

Vor vielen Jahren habe ich mich mit einem deutschen Neurologen über die dreidimensionale Wahrnehmung ausgetauscht, weil ich nicht verstehen konnte, warum Räume so unterschiedlich wahrgenommen werden. Ich habe mich reingesteigert, Vorträge gehalten und gelernt, dass der Mensch in seiner frühen Kindheit diese Fähigkeit der räumlichen Konstruktion erlernen muss. Wenn aber die Informationsaufnahme der Kinder immer mehr auf zweidimensionale Bildschirme reduziert ist, dann geht die Fähigkeit, die Räume dreidimensional wahrzunehmen, verloren.

Wenn die Informationsaufnahme der Kinder immer mehr auf zweidimensionale Bildschirme reduziert ist, dann geht die Fähigkeit, die Räume dreidimensional wahrzunehmen, verloren.

Worauf bezieht sich die Wahrnehmung?

Zum einen auf den unendlich vielfältigen Naturraum, dessen Wahrnehmung gerade für Architekten fundamental wichtig ist, und dann auf den künstlichen Raum, den wir Menschen erschaffen. Deshalb sind wohl alle Architekten Naturliebhaber. Ich bilde mir ein, dass es einen Unterschied macht, ob ein Gehirn die Wahrnehmung in der flachen Wüste lernt oder inmitten von Bergen, Tälern, Gipfeln, Schluchten. Diese räumlichen Erfahrungen bilden und prägen das Gehirn. Die dreidimensionale Wahrnehmung ist auch die Grundlage für mehrdimensionales Denken, das in alle Lebensbereiche reicht.

WAHRNEHMUNGSRÄUME
Die räumliche Wahrnehmung ist für unser Überleben nicht mehr essentiell wichtig wie früher, was vermutlich zu ihrer Verkümmerung beiträgt.

Was hat sich aus Ihrer Sicht verändert?

Wenn wir uns die historischen Städte anschauen, dann muss es wohl früher ein weit höheres Bewusstsein für Raum gegeben haben als heute, wo die Prioritäten anderswo liegen. Die räumliche Wahrnehmung ist für unser Überleben nicht mehr essentiell wichtig wie früher, was vermutlich zu ihrer Verkümmerung beiträgt. Die aktuelle Entwicklung der Medienlandschaft beschleunigt diese negative Entwicklung. Wenn in China der Gebrauch der sozialen Medien für Kinder zeitlich eingeschränkt wird, dann sollte doch auch uns Europäern auffallen, dass die Reduktion unserer geistigen Leistung auf „Gefällt mir” oder „Gefällt mir nicht” auf dem Bildschirm die Fähigkeit einer räumlichen Wahrnehmung nicht ersetzen kann. Vielleicht bemerken wir diese „Gehirnvernichtung“ gar nicht?

Welche Auswirkungen hat diese negative Entwicklung? Wenn wir den heutigen Städtetourismus beobachten, dann erkennen wir die weltweite Sehnsucht nach schönen, urbanen Räumen, wobei immer die historischen Stadtkerne betroffen sind – nie die Vorstädte. Andererseits frage ich mich, ob wir Tiroler unser Land überhaupt noch mit offenen Augen kritisch wahrnehmen? Bemerken wir das exzessive Verschwinden von Wald und Acker zugunsten von planlosen Gewerbegebieten und der Auflösung unserer Siedlungsstrukturen? Haben wir in wenigen Jahren den absoluten Tiefststand unserer alpinen Baukultur erreicht?

Sie hängen nicht einer libertären Ideologie an, sondern sind durchaus für sinnvolle Markteingriffe?

Die individuelle Freiheit als höchster politischer Wert ist eine schöne Ideologie – aber die Menschen sind dafür zu egoistisch strukturiert und zu wenig vernunftbegabt. Es zeigt sich, dass ohne Regeln und Eingriffe keine Verbesserungen zu erreichen sind.

Wenn Sie für Unternehmen planen, wie prägt Sie die bestehende Unternehmensidentität?

„Zuerst baut der Mensch das Haus, und dann prägt das Haus den Menschen“ ist eine alte chinesische Weisheit. Was gebaut wird, hängt in erster Linie am Auftraggeber – bei unserem Projekt in Herford hat unser Auftraggeber uns rechtlich dazu verpflichtet, ein Gebäude mit einer maximalen Imagewirkung zu realisieren. Architektur als Imageträger sozusagen, weshalb wir das Konzept einer Skulptur an der Autobahn gewählt haben. Der von mir bevorzugte Dialog zwischen Architektenteam und Bauherrn geht mir bei Architekturwettbewerben ab. Architekturwettbewerbe sind andererseits für öffentliche Bauten unumgänglich und sinnvoll – auch wenn ihre Beurteilbarkeit nicht mit der Klarheit von Sportwettbewerben zu vergleichen ist.

Architekturwettbewerbe oder direkte Aufträge – was führt Ihrer Meinung nach zu besseren Ergebnissen?

Auch wir haben schon Wettbewerbe gewonnen und gebaut, ohne dass dieser intensive Dialog möglich war. Aber es gibt auch gelungene Bauten als Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Wir lassen uns gerne von immer wieder neuen Aufgaben begeistern und können daraus für das nächste Projekt lernen. Innovative Lösungen von hoher Qualität für die Zukunft zu entwickeln macht Spaß und es ist schön zu sehen, wenn diese Werke nach langer Zeit noch geschätzt werden.

Wie entsteht so ein Projekt bei Ihnen?

Der interne Diskurs in unserem Team wird für mich immer wichtiger und ist zu einem entscheidenden Element im Finden nach der bestmöglichen Lösung geworden. Wir haben das Glück, an unseren drei Standorten in Innsbruck, Wien und Triest ein internationales Team aus kreativen Architekt*innen zu haben. In regelmäßigen Online-Jour-fixes diskutieren wir über unsere Projekte und argumentieren leidenschaftlich miteinander, wie wir weiterkommen.

EIN BLICK AUF TIROL

Sie sind bekanntermaßen sehr kritisch mit der Entwicklung in Tirol. Wie sehen Sie die Zukunft?

Ich bin mit etwa 40 Jahren nach Wien gegangen. Das war nicht immer einfach – aber ich bereue es nicht. Das Hin und Her ermöglicht mir, Tirol ein wenig neutraler zu sehen – das Positive und Negative. Alle Tiroler kennen das etwa 100 Jahre alte Lied aus der Zeit, als Tirol noch ein „armes Land“ war, wie Franz Marc sein berühmtes Bild bezeichnet hat: „Tirol isch lei oans, isch a Landl a kloans, isch a schians, isch a feins, Und dås Landl isch meins“. Ich glaub das war damals authentisch – in der Zwischenzeit sind wir aber ein reiches Land und dieses ist im gebauten Bereich hässlicher als jemals zuvor geworden. Da nützen auch die paar Ausnahmen nichts, auf die wir Architekten so stolz sind. Architektur hat Seltenheitswert.

Welche Rolle spielen dabei die Architekt*innen?

Wenn etwas nicht gefällt, ist der Architekt als Schuldiger rasch verantwortlich gemacht. Das ist grundsätzlich richtig gedacht – aber die Architekten haben ihren Einfluss in der Gesellschaft zu

In der Zwischenzeit sind wir ein reiches Land und dieses ist im gebauten Bereich hässlicher als jemals zuvor geworden.

ARCHITEKTUR ALS DIENSTLEISTUNG

sehr verloren. Die einseitige Aussicht auf raschen, maximalen Gewinn widerspricht sich oft mit der langfristig angelegten räumlichen Qualität unserer Städte und Dörfer. Ich selbst plädiere unablässig für unseren gesellschaftlichen Beitrag als Raumexpert*innen und es bleibt unsere Verantwortung, die gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträger zu überzeugen. Ärzte tun das auf ihrem Gebiet ja auch. Ich möchte klarstellen, dass wir Architekt*innen weder Künstler noch Designer sind, sondern Dienstleister, die Räume schaffen, um den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Unsere Arbeit hat das Potenzial, nicht nur räumliche, sondern auch gesellschaftliche Probleme zu lösen oder zu verbessern. Denken Sie zum Beispiel an die Wichtigkeit guten Wohnens oder der öffentlichen Räume ...

Woran soll sich die Arbeit in Tirol orientieren? Das wird wohl überall ähnlich zu sehen sein – ich bin überzeugt, dass die Frage des Überlebens der Menschheit in erster Linie davon abhängt, ob und wie sehr wir uns die Natur nicht mehr „untertan machen“, sondern sie vorbehaltlos respektieren können, die entstandene Gegensätzlichkeit von „Mensch“ und „Natur“ wieder auflösen und den Raum nichtmenschlicher Lebensformen respektieren. Ich spreche gerne davon, dass „die Menschen mit jedem Bau eine Schuld mit der Natur eingehen“. Von diesem Bewusstsein sind wir noch weit entfernt. Statt einem Postulat von Nachhaltigkeit leben wir auf Kredit unserer Nachfahren – und wir wissen es! Damit eng verbunden ist das Thema unserer Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert, das ich als Aufgabe der Architekt*innen sehe, weil auch Stadtplaner natürlich Architekten sind.

Das klingt schon einigermaßen philosophisch?

Noch als Student habe ich von der Gaia-Hypothese von Lynn Margulis und James Lovelock erfahren – damals wurde das noch als eher esoterisch abgetan. Anknüpfungspunkt ist die griechische

Ich möchte klarstellen, dass wir Architekt*innen weder Künstler noch Designer sind, sondern Dienstleister, die Räume schaffen, um den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Muttergottheit Gaia: „Die Erde und die darauf lebende und nicht lebende Materie stellt einen geschlossenen Superorganismus dar.“ Ich sehe darin die ethische Richtlinie für ein neues Denken. Die Natur müssen wir aktiv erhalten und fördern – nicht nur schützen. Damit beginnt erst die Arbeit an der Stadt – die Wertschätzung der Natur ist untrennbar mit der Qualität der Stadt verbunden, die einen Teil dieses Gesamtorganismus darstellt: Wir müssen daher weltweit unsere Städte besser konzipieren, also weniger auf Ressourcenverschwendung und Gewinnorientierung bauen, um langfristig das Überleben der Menschheit abzusichern. Ich sehe eine vorrangige Verantwortung der Europäer, die einiges wieder gutzumachen haben. Warum kann nicht auch Tirol vorangehen?

Was ist für Sie Nachhaltigkeit in Tirol?

Können wir einen Konsens darüber finden, unseren nachfolgenden Generationen ein nachhaltiges Land zu übergeben? Im Zuge der Widmungspolitik wurde viele Jahre lang sehr viel Geld produziert, weil Natur verkauft wurde. Tirol ist kein armes Land mehr wie noch vor 100 Jahren, sondern ist zu einer der reichsten Regionen Europas geworden. Das darf nicht mehr auf Kosten der kommenden Generationen gehen. Ein nachhaltiges Pilotprojekt bearbeiten wir derzeit gerade an der Mündung des Isonzo – das wird spannend. Für Tirol wünsche ich mir mehr Entschiedenheit, nachhaltig und klimagerecht zu bauen. Und das beginnt mit der Raumordnung und nicht mit der Solaranlage.

Im Zuge der Widmungspolitik wurde viele Jahre lang sehr viel Geld produziert, weil Natur verkauft wurde.

Wie könnte die baukulturelle Zukunft in Tirol ausschauen?

Wir Tiroler neigen dazu, uns selbst zu loben – ich nenne das gerne eine pathologische Selbstüberhöhung, die es in diesem Ausmaß in anderen Bundesländern nicht gibt. Der „Anton aus Tirol“ hat’s sogar zum Hit gebracht, weil er dem Selbstbild der Tiroler entspricht. Von unserer historischen Baukultur könnten wir beispielsweise die Schlichtheit lernen, mit der Dörfer und Häuser gebaut

wurden, oder den historischen Respekt vor der Natur erkennen, der einer steigenden Kommerzialisierung gewichen ist. Wahrscheinlich führt der Weg nur über Wahrnehmung und Bildung –ein wichtiges Anliegen, das Architekten schon lange fordern. Das Phänomen des Verschwindens der Baukultur gibt es aber auch in Italien – dem Land mit der größten städtebaulichen und architektonischen Kultur weltweit. Für den Tourismus genügt das Alte, über das eine Glashaube gestülpt wird. Außerhalb davon regiert der Wilde Westen. Natürlich wäre es schön zu wissen, wie ein Umdenken gelingen kann – ein zarter Diskurs hat schon begonnen …

Sind wir uns dessen ausreichend bewusst, in einem reichen Land zu leben? Wie sollen die Investoren handeln, wenn es um Nachhaltigkeit geht?

Niemand möchte mehr in die historische Armut der Täler Tirols zurück. Selbstverständlich brauchen wir auch in Zukunft tüchtige Unternehmer. Können wir gemeinsam unser Land so übergeben, dass auch unsere Nachfahren noch singen können: „… Isch a schians, isch a feins?“ Was wir von den Nachbarn lernen können, wäre zum Beispiel der Kauf des Silser- und St. Moritzer Sees durch begüterte Bürger von St. Moritz, um langfristig abzusichern, dass der See nicht verbaut wird. Wie weit sind wir von einer solchen Haltung weg? Eine ähnliche Initiative für den Kauf des Obernberger Sees ist gescheitert. Sind wir bereit, über die Auswirkungen unserer verlorenen Baukultur zu reden und umzudenken?

DILEMMA RAUMPLANUNG

Sie sehen die Tiroler Raumplanung kritisch? Mittlerweile haben die Architekten ihre Verantwortung für die Raumplanung wiederentdeckt. Sie ist ein unterschätztes Instrument, das sich als Strategie von Einzelinteressen entwickelt hat. Seit der Verfassungsnovelle 1962 ist die Raumplanung Aufgabe der Bürgermeister und Gemeinderäte, die damit inzwischen legistisch und moralisch überfordert sind und die viel mehr unterstützt gehören. Den Fachleuten ist das seit Jahrzehnten bewusst, die Politik will daran rechtlich nichts ändern. In Tirol ist der Druck auf Bauland besonders dramatisch und verhindert unter anderem leistbares Wohnen für junge Leute in den Tourismusgemeinden. Ich halte das für einen grob unterschätzten sozialen Sprengstoff. Auch wenn Tirol besser dasteht als Oberösterreich und die Steiermark – unsere besiedelbare Fläche von weniger als 13 Prozent der Landesfläche sollte uns wesentlich verantwortlicher werden lassen! Es gibt immer wieder Anläufe zu einem Umdenken und wir verlieren wertvolle Zeit.

Was würde Ihnen vorschweben, um die skizzierten Probleme anzugehen?

Wir sind davon überzeugt, dass auch die von den Bundesregierungen beschlossene Begrenzung der täglichen Umwidmungen von 2,5 ha anstatt der aktuell ca. 12 ha nicht ausreichen werden. Mit wenigen Ausnahmen sollten wir ab sofort keine Umwidmungen mehr durchführen dürfen. Wir können nicht auf die bekannte EU-Richtlinie warten, die erst 2050 diesen Umwidmungsstopp vorgibt. Wir müssen jetzt umdenken! Wir können diese Verantwortung nicht egoistisch auf unsere Enkel verschieben. Unsere Natur wird im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Interessen zu oft als wertlos betrachtet. „... Isch a schians, isch a feins …“ sollten wir wieder überzeugter singen können – warum tun sich in unserem lieben Tirol auch die Natura-2000-Gebiete so schwer und warum haben wir nur in Osttirol einen Nationalpark? Warum hinken wir hinter anderen nach anstatt vorauszugehen? Wo bleibt unsere vielbesungene Liebe zur Natur?

Mit wenigen Ausnahmen sollten wir ab sofort keine Umwidmungen mehr durchführen dürfen.

Bedeuten Ihre Forderungen auch eine Entpolitisierung der Raumordnung? Wie die jüngere Politikergeneration zeigt, ist der Typus des Machtpolitikers, der meint, über alles Mögliche entscheiden zu müssen, zwar noch immer verbreitet, aber mittlerweile eher im Aussterben. In Österreich gibt es 86 Gemeinden, die Gestaltungsbeiräte haben. Dabei überlässt die Politik den Fachleuten die Beurteilung von Architektur – ein hervorragendes Instrument für Qualität. Es gibt seit 10 Jahren auch für Tirol einen solchen Beirat – aber er wird nur von sehr wenigen angerufen. Dieser Beirat müsste für alle Gemeinden rechtlich vorgegeben werden. Ein solcher unpolitischer Fachbeirat wäre auch in allen Raumplanungsangelegenheiten für die Qualität zu empfehlen. Insofern – ja, das wäre eine Entpolitisierung. Dem Politiker bleibt die Verantwortung eines umsichtigen Managers, der das Bestmögliche entschieden hat. Die Zuständigkeit der Gemeinde für Raumordnung ist ja in sich ein Widerspruch, weil Gemeinden zwar ihre persönlichen Interessen wahrnehmen, aber das räumliche Gesamtinteresse des Landes nicht wahrnehmen können. Vor einem halben Jahrhundert haben anerkannte Architekten sich noch mit der Raumplanung in Tirol beschäftigt – heute haben fast alle resigniert.

Vor einem halben Jahrhundert haben anerkannte Architekten sich noch mit der Raumplanung in Tirol beschäftigt – heute haben fast alle resigniert.

Gibt es Länder, in denen die Raumplanung besser läuft? Es gibt schon Fortschritte. Das Land Tirol bemüht sich und wird innerhalb von Österreich immer anerkannter. Aber es gibt noch viel Luft nach oben und die Zeit drängt. Dass die Gemeinden „sicher am besten wissen, was sie brauchen“, wie weithin angenommen wird, klingt zwar gut, führt aber nur selten zu erstaunlichen Entscheidungen: In Vorarlberg versuchen die engagierten Bürgermeister ihr Heil in einer Fortbildung. In Südtirol, Bayern oder im schweizerischen Graubünden läuft es auch nicht perfekt, doch es wird vieles wesentlich besser gemacht. Auch in der französischen Bretagne, Normandie oder Provence gibt es diese exzessive Vernichtung der Orte und Dörfer nicht, wie sie in Tirol geschehen ist. Positive Beispiele dazu sind Vorarlbergs Bodenpolitik „Die Einfamilienhäuser gehören der Vergangenheit an“, Lech hat einen Widmungsstopp bereits beschlossen und in der Bretagne gibt es das Dorf Bargemon, das einen totalen Neubaustopp verhängt hat. Übrigens alles Orte, in denen es auch wirtschaftliche Interessen gibt.

ÜBER DIE SCHÖNHEIT

Sie sprechen häufig von Hässlichkeit und Schönheit? Ich bekenne mich dazu, mit den Begriffen Hässlichkeit und Schönheit zu argumentieren. Mit diesem Thema haben sich Michael Köhlmeier oder Stefan Sagmeister beschäftigt, dessen Ausstellung „Beauty“ von vielen Architekten kritisch beäugt worden ist. Ich weiß natürlich um die historische Empfehlung, dass man „über Schönheit nicht streiten kann“ – aber wenn wir nicht mehr darüber streiten, überlassen wir das Feld der Hässlichkeit. Das passiert aktuell ziemlich flächendeckend. Die meisten Architekten bevorzugen die rationalen Kriterien im Diskurs um Qualität oder der Beurteilung von Projekten: Funktion, Konstruktion, Qualität, Kosten … wir sollten aber umdenken und auch in Tirol rasch beginnen, über die Schönheit zu reden und sie zu realisieren.

Wie manifestiert sich dieser Hässlichkeits-„Gewinn“ in Tirol?

Lassen wir bitte die wenigen Architekturhighlights beiseite und fahren wir mit offenen Augen durchs Land: Die Orte sind auseinandergeflossen und sind zu einem toxischen Gemisch von Tankstellen,

Es gibt einen regelrechten Wettbewerb der Hässlichkeiten.

Handelszentren, Industriehallen und Wohnbauten ohne jeden räumlichen Zusammenhang geworden. Die Ortskerne können wirtschaftlich nicht mithalten und werden vernachlässigt – auch wenn es einige bemerkenswerte Ausnahmen im Zuge der Dorferneuerung gibt. Alte Bauernhäuser verfallen noch immer und werden durch grauenhafte Kopien ersetzt. Es gibt einen regelrechten Wettbewerb der Hässlichkeiten. Wollen wir das nicht endlich stoppen, wie es einige Nachbarn uns vormachen?

STÄDTEBAU

Sie sprechen auch davon, dass die Charta von Athen, in der die Aufteilung der Städte nach Funktionen propagiert wurde, nicht mehr gilt?

Im Nachhinein ist es immer leicht zu sagen, dass etwas ein Fehler gewesen ist. Damals suchten wichtige Architekten nach Lösungen, um den sozialen Auswirkungen des industriellen Zeitalters zu entgehen. Der Smog in London war eine unvorstellbare Katastrophe. Daraufhin war die Vision der Architekten jene einer funktional geteilten Stadt: Industriegebiete und getrennte Wohngebiete in großem Abstand zueinander, das sollte Sonne, frische Luft und ruhiges Wohnen bringen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass diese funktionelle Trennung zusammen mit dem Ideal der autogerechten Stadt weltweit den Klimawandel beschleunigt hat. Wir müssen umdenken, auch wenn es anstrengend und unbequem ist.

Sie sehen sich auch als Städtebauer. Was ist für Sie der Unterschied zum Architekten?

Ich sehe immer noch weniger Unterschiede zwischen Architekt und Städtebauer – ein Haus kann in sich die Vielfalt einer Stadt aufweisen – die Stadt sich wiederum in der Räumlichkeit eines Hauses wiederfinden. Städtebau wurde viele Jahrzehnte vernachlässigt und gewinnt erst wieder langsam an Bedeutung. Auch in Tirol hinken wir noch hinterher. In den Dörfern herrscht ein weitgehendes Missverständnis und profundes Unwissen über den öffentlichen Raum, über die Qualität des Ortes. Auch hier wäre neues Denken wichtig.

Ich bemerke schmerzlich, dass die sogenannten Schutzzonen die Auswirkung haben, dass komplett ignoriert wird, was außerhalb davon passiert.

Kann ein schöner Ortskern das hässliche Ausfransen an den Rändern übertünchen? Es gibt nur mehr wenige schöne Ortskerne und die können das natürlich nicht. Sogar in der Landeshauptstadt, die eigentlich Vorbild sein sollte, sind in den letzten Jahren die ortstypischen Zufahrten von Süden und Westen einem eindimensionalen, technischen Denken zum Opfer gefallen. Innsbruck hat dadurch an Wert verloren. Deshalb müssten wir Architekten uns deutlich mehr auch für das Ortsbild des Straßen- und Ingenieurbaus engagieren – historisch hat diese Synergie viel besser funktioniert. Es ist zu wenig, wenn wir uns auf ein paar einzelne Bauten stürzen, die nur Spurenelemente des Bauvolumens ausmachen. Natürlich ist die Situation in der Stadt etwas besser als am Land, wo man die letzten dreißig, vierzig Jahre am liebsten ungeschehen machen möchte. Wer sieht hier nicht einen Zusammenbruch unserer Baukultur? Man sieht die wildesten Zu-, An- und Aufbauten usw., die überhaupt nichts mehr mit einem qualitätsvollen Ortsbild zu tun haben. Ich bemerke schmerzlich, dass die sogenannten Schutzzonen die Auswirkung haben, dass komplett ignoriert wird, was außerhalb davon passiert. Ich vergleiche das gerne mit einem Zoo. Man holt sich ein paar Nilpferde, steckt sie in einen Zoo und glaubt, damit die Nilpferde gerettet zu haben und ihren natürlichen Lebensraum nicht länger erhalten zu müssen. So ähnlich ist es mit den Schutzzonen in der Architektur. Man stellt einiges unter Schutz und kann behaupten, man tut etwas für die Baukultur.

TECHNOLOGIE UND HAUSTECHNIK

Heute wird der Ausweg aus den laufenden Katastrophen gerne in der Technologie gesucht. Sie sind offenbar kein Anhänger dieser Denkschule?

Das ist eines unserer Lieblingsthemen: Low-Tech statt High-Tech. Technologie kann uns zwar helfen – aber unsere Gehirne müssen zuvor umdenken! Die Haustechnik hat sich in den letzten Jahren in einer totalen Technikgläubigkeit verselbständigt und verteuert. Wir haben beim Med Campus in Linz trotz eines technikintensiven Labors eine Reduktion der Haustechnik auf ca. 25 Prozent der Baukosten erreicht. Ohne diese Vorgabe wären wir bei 30 bis 35 Prozent gelandet. Wir haben auch noch nie eine Klimaanlage verbaut, denn dass diese in unseren Breitengraden benötigt wird, lässt sich mit kluger Planung vermeiden.

Was sagen Sie zur Förderung der Komfortlüftungen durch die Energieagentur Tirol?

Das erfolgt sicher im guten Willen – aber wir müssen uns eben die Frage stellen, ob diese Übertechnisierung zum leistbaren Wohnen beiträgt und auf Dauer nachhaltig ist. Der Energiegewinn ist oft theoretisch und marginal. Die künstliche Wohnraumbelüftung bei dichten Fenstern und Raumlüftungen in der Laibung ist ohnehin ein verrückter Kostentreiber. Wir müssten diese Normen überdenken und dafür die innovativsten Techniker in die Normenausschüsse entsenden.

Was könnte gemacht werden, um Wohnraum leistbarer zu machen?

Wir haben über den Unsinn teurer Normen und über den hohen Bodenpreis gesprochen. Wohnen ist ein Menschenrecht und sollte nicht zum Spekulationsobjekt werden wie in den vergangenen Jahren in ganz Europa. Österreich steht ohnehin vergleichsweise günstig da mit dem besten geförderten Wohnbau der Welt. Trotzdem sind die Grundpreise zu hoch, denn der Kaufpreis einer Wohnung beinhaltet auch den Anteil am Grund. In Innsbruck bezahlt man für diesen Anteil bereits mehr als 5.000 Euro/m2 – in Wien sind es für den geförderten Wohnbau 188 Euro/m2 . Weiters gäbe es von Bayern zu lernen,

wo eine Widmung „Experimenteller Wohnbau“ eingeführt wurde, gefolgt von zehn Pilotprojekten. Die entgleiste Normenexplosion muss den Kosten zuliebe zurückgefahren werden. Auch in dieser Frage ist ein konkretes Umdenken gefragt. Sich den leistbaren Wohnbau zu wünschen ist zu wenig und man sieht derzeit, welche politische Bedeutung dieses Thema hat. Die Architekten sind die zuständigen Fachleute und müssen viel mehr einbezogen werden – sie wissen sehr gut, was wie viel warum kostet.

Wie schaffen Sie ein günstiges Raumklima ohne Klimaanlagen? Man kann von den Alten viel lernen. Die verstellbaren Fensterläden aus Holz halte ich zum Beispiel für eine hochintelligente Lösung. Auch in der traditionellen Architektur findet man weltweit erstaunliche Lösungen, von denen man sich zugunsten einer aufwendigen Technik verabschiedet hat. Wir müssen zurückfinden zu passiven Maßnahmen, ohne das als Rückschritt zu betrachten. Selbstverständlich muss heute jede Glasfläche beschattbar sein. Auch die Ausrichtung der Gebäude und Räume ist sehr wichtig. Eine klug gesetzte Vegetation, wie etwa Bäume vor oder auf dem Gebäude, spielt für das Mikroklima eine große Rolle. Brian Cody hat mit seinem Buch „Form follows Energy“ Alternativen aufgezeigt und möchte auf der Basis einer holistischen, gesamtenergetischen Konzeption von Gebäuden eine dringend erforderliche Entwicklung weltweit vorantreiben. Da macht sich ein neues Denken breit. Es braucht aber auch die Bauherren, mit denen sich dieses neue Denken umsetzen lässt, und die politische Entscheidung für neue gesetzliche Regelungen, die vernünftiges Neues zulassen und fördern. Hier kommt uns die Krise entgegen, die wir zum Nachdenken über die Zukunft gut nutzen können. Dafür orte ich zurzeit eine steigende Bereitschaft. Damit sich wirklich etwas ändert, müsste die Krise noch etwas länger dauern.

Wir müssen zurückfinden zu passiven Maßnahmen, ohne das als Rückschritt zu betrachten.

KONSTRUKTION

In Ihrem prämierten Med Campus Linz haben Sie bei den vier Baukörpern auf vier Materialien gesetzt. Warum?

In Linz haben wir die Notwendigkeit gesehen, einen öffentlichen Raum im großen Krankenhausgelände zu schaffen, und haben damit den Wettbewerb gewonnen. Die vier unterschiedlichen Gebäude bilden gemeinsam einen öffentlichen Platz, der sehr gut angenommen wird. Das freut uns, weil wir wichtige Urbanität in eine funktionell geprägte Krankenhauslandschaft eingebracht haben. Gebildet durch vier verschiedene Gebäudecharaktere, die gemeinsam etwas schaffen, was sie alleine nicht können.

Welche Konstruktionen wählen Sie am liebsten?

Das ergibt sich auch aus der jeweiligen Aufgabe. Derzeit ist ja überall Holz an erster Stelle aller Überlegungen – auch dort, wo es nicht passt. In Ljubljana zum Beispiel beträgt die Spannweite der Stahlträger in der Schwimmhalle 54 Meter – das geht mit Holz nicht mehr. Die besondere Geometrie des Flagshipstores in Herford ließ sich auch nur mit Stahl sinnvoll umsetzen. Für die Planung der Siedlung an der Mündung des Isonzo beschäftigen wir uns aber mit Holzfertigbau und Pfahlbau. Dort ist Holz ideal.

Wie stehen sie zum Recycling im Bauwesen?

Nachdem das Bauwesen den Hauptanteil des CO2-Ausstoßes zu verantworten hat, müssen wir uns viel intensiver damit befassen. Wirklich nicht einfach ist das Dilemma mit den Baukosten zu lösen.

Wir haben vor etwa 23 Jahren im Innsbrucker Zukunftszentrum der AK die Möbel aus alten Elektrokabeln gebastelt – seitdem ist Recycling aber nicht billiger geworden. Zum Beispiel gibt es noch kein Interesse an der Wiederverwendung einer intakten Wendeltreppe oder eines funktionierenden Balkons, wenn ein Gebäude abgebrochen wird. In Innsbruck gibt es aber ein interessantes Start-up, das sich mit der Wiederverwendung von kreislauffähigen Bauteilen beschäftigt. Großartig – aber in der Realität kaufen sich viele lieber etwas Neues als ein noch so günstiges Bauelement, das noch immer am Müllplatz landet. Bei Altbeton als Füllmaterial funktioniert das jedoch schon recht gut.

Streng genommen ist das Downcycling. Stimmt. In Wettbewerben haben wir bereits zweimal Lärmschutzwände aus Betonschutt geplant, die man bepflanzen könnte, weil das gerade an der Autobahn sehr schön wäre. Diese neuen Betonfertigteile waren teurer als bestehende Fertigprodukte, deshalb sind wir ausgeschieden. Interessant wäre, einmal ein Haus aus recycelten Bauteilen zu bauen. Es wäre sehr positiv, wenn derartige Pilotprojekte gefördert würden und nicht nur immer der Preis entscheidet. Damit kann man neue Ausrichtungen lenken.

KRISEN ALS CHANCE

Müssen sich Architekten wieder mehr in die öffentlichen Diskurse einmischen? Muss über Baukultur wieder mehr gestritten werden?

Ja, natürlich. Jürgen Habermas war in meiner Studentenzeit „unser“ Philosoph. Für ihn war und ist der konstruktive Diskurs Europas einzige Chance, die Zukunft zu bewältigen. Die Menschen nehmen sich nicht mehr die Zeit, einander zuzuhören, sich aufeinander einzulassen und nach den besten Argumenten zu entscheiden. Es geht leider immer mehr darum, sich Kraft der eigenen Position rücksichtslos durchzusetzen – die populistische Demokratie ist eine dramatische Folge Wir

sind als Architekten dafür verantwortlich, zu argumentieren, wie der bebaute Raum in Zukunft aussehen sollte.

davon. Wir sind als Architekten dafür verantwortlich, zu argumentieren, wie der bebaute Raum in Zukunft aussehen sollte.

Wie sehen Sie die Zukunft der von Ihnen kritisierten Gewerbegebiete?

Die Reduzierung der Immissionen hat die urbanen Parameter verändert. Darauf basiert unser Kernanliegen seit Jahrzehnten. Wir haben am Beispiel des Gewerbegebiets Mühlau/Arzl unsere Vision einer produktiven Stadt mit hoher Dichte und vertikalem Nutzungsmix vorgestellt. Das bestehende Chaos würde sich zu einem urbanen Stadtgebiet mit ca. 8000 leistbaren Wohnungen umfunktionieren lassen. Der Anteil der Gewerbeflächen bliebe in etwa gleich. Dazu braucht es eine Gewerberechtsnovelle und viel geistige Energie. Eigentlich wissen alle, dass wir sofort aufhören müssten, neues Bauland zu widmen, und uns stattdessen stärker mit dem bereits gewidmeten und bebauten Land auseinanderzusetzen. Beispiel dafür wäre auch unser Projekt in der Gumppstraße, wo wir geförderte Wohnungen über einer Tankstelle vorgeschlagen haben. Leistbarer Wohnraum benötigt also auch eine Änderung der Widmungsphilosophie.

Würde ein Widmungsstopp nicht die Kosten der Wohnraumschaffung erhöhen?

Wir müssen umdenken und nicht mit denselben Parametern Lösungen suchen. Die Frage des Bodenpreises beherrscht die Diskussion und das muss parallel zum Widmungsstopp gelöst werden. Wir haben in Wien ein Projekt umgesetzt, das den europäischen Immobilienpreis gewonnen hat, weil wir vier Funktionen übereinandergelegt haben: Parken, Handelsfläche, 17-klassige Volksschule und Freiflächen am Dach. So entsteht Urbanität und öffentlicher Raum.

Wir hören viel von höheren Baudichten und Gebäudehöhen. Das erachten wir als absolut notwendig. Auch wenn es auf den ersten Blick unlogisch erscheint: Dichte und hohe Verbauungen sind der beste Naturschutz. Bad Gastein wäre hier ein historisches Beispiel, aber auch St. Moritz. Die dominante Sehnsucht nach niederer Dorfromantik und verstreuten Einzelhäusern ist ein Killer für unsere Natur. Auch hier sind die zukunftsorientierten Bauträger dabei, umzudenken. Bis vor kurzem wurde die horizontale Nutzungsmischung von Gebäuden als zu kompliziert erachtet und war schlecht zu verkaufen. Wir schlagen gerne auch Mindesthöhen in den Bebauungsplänen vor – mit Erfolg! Ein zartes Umdenken hat in Tirol bereits begonnen: Auf Lebensmittelmärkten muss man nun Wohnflächen bauen.

Brauchen wir auch wieder mehr Respekt vor dem Bestand?

Das Umdenken hat schon begonnen. Auch international gewinnen immer häufiger Projekte, die den Bestand mit einplanen. Das Bankgebäude in der Innsbrucker Adamgasse ist so ein Beispiel – das Dilemma ist aber die Kostenfrage. Umbauen ist teuer, der Abbruch also verlockend. Diese Philosophie der ausschließlich pekuniären Betrachtung gilt weltweit und hat global zu einer katastrophalen Situation geführt.

Machen Krisen bisher Undenkbares zur Verhandlungsmasse?

So ist es. Unsere Wohlstandsgesellschaft wird sich nur ändern, wenn sie dazu gezwungen wird. Das Umdenken muss für eine Umsetzung offenbar eine kritische Masse erreichen. In Tirol können wir uns überlegen, ob wir lieber bequeme Nachzügler sein wollen oder innovative Vorreiter. Letzteres zu sein ist spannend, aber auch anstrengend. Uns macht es viel Spaß, über die Zukunft nachzudenken und sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Das ist keine einfache Aufgabe, aber es motiviert.

In Tirol können wir uns überlegen, ob wir lieber bequeme Nachzügler sein wollen oder innovative Vorreiter.

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