Kreislaufwirtschaft_Langfassung

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WO DER PIONIERGEIST IM KREIS GEHT

Osttirol steht mitunter im Ruf, ein wenig verschlafen zu sein. Diese Erzählung, falls sie je gestimmt hat, stimmt längst nicht mehr. Vielmehr fungiert der Bezirk als Labor, in dem mit Hilfe von künstlicher Intelligenz innovative Ideen aus der Kreislaufwirtschaft zu vor Ort umsetzbaren Projekten weiterentwickelt werden. Das kann Vorbildcharakter haben und zeigen, dass mit der Kreislaufwirtschaft wirtschaftliche und soziale Chancen einhergehen.

Anna Köhl und Simon Tumler, Gründer der Circular-Economy-Ideenschmiede endlich.

Die Wirtschaft steht in den kommenden Jahrzehnten vor einem Paradigmenwechsel, der – auch wenn es noch nicht so scheinen mag – langfristig ohne Alternative ist. Die Abkehr von der linearen Durchflusswirtschaft, die Rohstoffe verbraucht und auf die Zuführung immer neuer Ressourcen angewiesen ist, ist nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten notwendig. In der Kreislaufwirtschaft werden Produkte im Gegensatz zum bisherigen Wirtschaftssystem nicht einfach entsorgt. Vielmehr werden sie einem erneuten Produktionsprozess zugeführt, um einen kontinuierlichen Kreislauf zu schaffen. Durch das Prinzip „Müll vermeiden, wiederverwenden und recyceln“ zielt die Kreislaufwirtschaft darauf ab, Abfälle zu minimieren, Rohstoffe zu erhalten und die Umweltbelastung zu reduzieren. Sekundärrohstoffe aus vorhandenen Produkten werden genutzt, um neue Produkte herzustellen. Wirtschaft und Gesellschaft stehen allerdings erst ganz am Beginn dieser Entwicklung. Osttirol ist seit 2023 Modellregion, in der im Rahmen eines auf mehreren Schultern ruhenden Projekts finanziell tragfähige und umsetzbare Lösungen mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft entwickelt werden sollen. Finanziert wird das Pilotprojekt vom FFG, als Projektpartner sind die INNOS GmbH, gewissermaßen Osttirols „Standortagentur“, die Universität Innsbruck, die Lebensraum Tirol Holding und das Land Tirol an Bord. Osttirol ist in diesem Fall ein Stück der kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält. Es ist kein Zufall, dass dieses Pionierprojekt in Osttirol durchgeführt wird, wie INNOS-Geschäftsführer Reinhard Lobenwein ausführt: „Osttirol ist gewissermaßen prädestiniert für ein derartiges Projekt. Das hängt zum einen mit der Überschaubarkeit der Region bei gleichzeitig intensiver Vernetztheit zusammen. Ein Drittel der Flächen stehen unter Naturschutz und sind damit der intensiven wirtschaftlichen Nutzung entzogen. Das wird heutzutage aber überwiegend nicht mehr als Hemmschuh, sondern zunehmend auch als Chance begriffen. Weil der Zugang zu externen Ressourcen vor allem in der Vergangenheit wahrscheinlich schwieriger gewesen ist als andernorts, waren schon immer Einfallsreichtum und Improvisationstalent gefragt. Deshalb gibt es hier eine Vielzahl an innovativen Firmen, deren wichtigste Ressource bis heute der Erfindungs- und Ideenreichtum der Menschen ist.“ Der Fokus auf die Kreislaufwirtschaft ist aber nicht das einzig Neue an diesem moderierten Prozess. Vielmehr findet Innovation hier mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) statt. Das entsprechende Werkzeug, ein

KI-Innovation-Hub namens INNO-VERSE, stellt die von CEO und Gründer Franz Bailom geführte in-manas GmbH mit Sitz in Innsbruck zur Verfügung, moderiert wurde der neuartige Prozess von in-manas und der Tiroler Circular-EconomyIdeenschmiede endlich., die von Anna Köhl und Simon Tumler gegründet wurde. Köhl und Tumler geben ihr Know-how seit kurzem auch im Rahmen des Online-Diplomlehrgangs „Circular Economy Pioneer“ weiter. „Es gab abseits allgemeiner Nachhaltigkeitslehrgänge noch kein niederschwelliges OnlineBildungsangebot zum Thema Kreislaufwirtschaft. Wir wollten das Buzzword mit konkreten Inhalten füllen, das neben Grundlagenwissen auch konkrete Werkzeuge an die Hand gibt, um im Sinne der Kreislaufwirtschaft aktiv zu werden“, sagt Anna Köhl. „Wir geben Antworten auf das Was, das Warum und das Wie der Kreislaufwirtschaft“, sekundiert Simon Tumler. Mit dem Lehrgang zielt endlich. auf ein breites Publikum ab, die größte Wirkung entfaltet sich, wenn man auch Führungskräfte aus der Wirtschaft erreichen kann. „Circular Economy ist auch ein strategisches Vehikel, das Impulse für eine zukunftsfähige Unternehmensführung geben kann“, so Tumler.

ENDLICH HANDELN

Anna Köhl beschäftigt sich schon seit zehn Jahren wissenschaftlich mit Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem. Über die Sharing Economy kam sie zur Kreislaufwirtschaft. Das Thema fesselt sie, und so gründet sie Anfang 2023 mit ihrem Kollegen Simon Tumler, mit dem Köhl bei IMP Consulting zusammengearbeitet hat, endlich. Endlich wie etwas Langerwartetes und endlich wie die Ressourcen der Erde. Die Zeit scheint reif für die Kreislaufwirtschaft. „Wir haben zunehmende unternehmerische Neugierde wahrgenommen. Die Unternehmen wollen wissen, was es mit der Kreislaufwirtschaft auf sich hat“, sagt Tumler. Die Kreislaufwirtschaft hat, wenn sie von ihrem Anfang her gedacht bzw. gleich im Produktdesign berücksichtigt wird, ohne Zweifel disruptiven Charakter für die Geschäftsmodelle einzelner Unternehmen und ganzer Wirtschaftszweige. Sie könnte aber auch für ganze Regionen transformativ wirken. Die Pilotregion Osttirol könnte in den kommenden Jahren einen ersten Vorgeschmack darauf geben. Die intensive Beschäftigung mit der Circular Economy kann im Kontext der Region jedenfalls ein verbindendes Element sein im Sinne eines gemeinsamen Ziels, das Synergien fördert und die Resilienz er-

Die Abkehr von der linearen Durchflusswirtschaft, die Rohstoffe verbraucht und auf die Zuführung immer neuer Ressourcen angewiesen ist, ist nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten notwendig. In der Kreislaufwirtschaft werden Produkte nicht entsorgt, sondern einem erneuten Produktionsprozess zugeführt, um einen kontinuierlichen Kreislauf zu schaffen.

höht. „Die globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten sind fragil. Die Kreislaufwirtschaft kann Stabilität bringen“, umreißt Tumler einen wichtigen makroökonomischen Aspekt. Europa ist kein rohstoffreicher Kontinent, Österreich kein rohstoffreiches Land, und auch in Osttirol schlummert das größte Kapital nicht im Boden, sondern in den Köpfen findiger Menschen, die Lust daran haben, das Konventionelle zu hinterfragen und Neues zu wagen. „Die Ressourcen, auf die unser heutiges Wirtschaftssystem angewiesen ist, kommen vielfach aus geopolitischen Krisengebieten. Was wäre, wenn wir diese Ressourcen, die wir einmal importiert haben, dauerhaft im Wirtschaftskreislauf halten könnten?“, stellt Köhl eine wichtige Frage, auf welche die Kreislaufwirtschaft eine Antwort geben kann. Bei Unternehmen geht es darum, ihnen die betriebswirtschaftlichen Chancen der Circular Economy einerseits und die Gefahren des Verharrens im Status quo näherzubringen. Der ökologische Nutzen ist ein zusätzlicher, aber Unternehmen sind nun einmal darauf angewiesen, Gewinne zu erwirtschaften, um im Geschäft zu bleiben. „Wir betonen daher die betriebswirtschaftlichen Chancen und die neuen Geschäftsmodelle, wenn wir mit Unternehmen über die Kreislaufwirtschaft reden“, sagt Anna Köhl. „Kreislaufwirtschaft ist ein Innovationskatalysator“, argumentiert Simon Tumler. Das ist auch beim Pilotpro-

„Kreislaufwirtschaft ist ein Innovationskatalysator.“

jekt in Osttirol augenfällig geworden. Das heißt freilich nicht, dass der First Mover unbedingt der große Gewinner sein muss. In der Wirtschaftsgeschichte hatte schon des Öfteren der Zweite letztlich die Nase vorn. Nichtstun wäre jedoch in jedem Fall verkehrt. „Kreislaufwirtschaft eröffnet ganz neue Geschäftsmodelle, vom Sharing über Product-as-a-Service bis hin zu Resource-Recovery-Modellen. Das ist auch eine Chance, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und Kundennutzen zu generieren, der weit über den des klassischen Kaufs bzw. Verkaufs hinausreicht“, weiß Tumler, der insbesondere bei der jüngeren Generation einen reduzierten Materialismus und neue Werte ortet. „Es geht mehr um das Nutzen als um das Besitzen. Das bringt größere Freiheiten und Flexibilität“, so der Experte. Anna Köhl betont wiederum die Chancen, die Qualitätsführerschaft mit sich bringen kann. „Rückführung von Materialien, Reparatur und Refurbishment können lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen. Mit besserem Service und besserer Qualität und dadurch höherer Kundenbindung kann man sich noch mehr von der Billigware absetzen, mit der die Märkte geflutet werden“, sagt sie. Es ist schon bisher so, dass der Wirtschaftsstandort Österreich vor allem über die Qualität und nicht in erster Linie über den Preis konkurrenzfähig ist. Das

würde sich naturgemäß auch nicht ändern, wenn die Kreislaufwirtschaft erst einmal in Gang kommt.

NEUER RAHMEN

Die Weichenstellung in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft als der bisherigen kündigt sich auch mit Blick auf die regulatorischen Voraussetzungen deutlich an. Die SDGs, ESGKriterien und auch die EU-Taxonomie tragen diese Handschrift und werden längst nicht die letzten Bestandteile eines neuen wirtschaftlichen Rahmens gewesen sein. Regularien alleine werden es nicht richten können. Dazu braucht es auch bei Konsument*innen ein Umdenken, die jahrzehntelang durch höchst professionelles Marketing auf Konsum, Konsum und noch einmal Konsum getrimmt wurden, auf einen ewigen Zyklus aus Kauf, Entsorgung und Neukauf. Wegwerfmentalität ist in der Kreislaufwirtschaft nicht mehr gefragt. Doch dafür braucht es ein passendes Angebot. Und hier sind wiederum die Unternehmen gefragt, Angebote zu machen, die attraktiv sind, andere Produkte mit anderen Produktversprechen. „Der Konsum und die damit einhergehende Freude brauchen einen neuen Rahmen, der vom derzeitigen immensen Ressourcenverbrauch entkoppelt ist“, meint Simon Tumler. „Marketing ist gefordert, besser herauszuarbeiten, ob es der Konsum an sich oder nicht doch die Nutzung eines Produktes ist, die Freude macht. Lebensfreude ist jedenfalls nicht deckungsgleich mit dem Konsum. Wir müssen diesbezüglich Gewohn-

„Marketing ist gefordert, besser herauszuarbeiten, ob es der Konsum an sich oder nicht doch die Nutzung eines Produktes ist, die Freude macht.“

heiten durchbrechen und auch manches verlernen“, sagt Anna Köhl. Als Verbraucher*innen wissen wir nur, wie man sich innerhalb des bestehenden wirtschaftlichen Paradigmas verhält. Anna Köhl sieht auch den Hochschulsektor gefordert: „Es heißt zwar Wirtschaftswissenschaften, aber eigentlich wird nach wie vor hauptsächlich die Durchflusswirtschaft gelehrt.“ Es braucht eine Hinwendung zu einer Wirtschaftswissenschaft, die nicht länger die ökonomische und ökologische Realität verfehlt und in ihren Grundannahmen vielfach zu dogmatisch ist. Doch davon sind wir noch ein Stück weit entfernt. Der Circularity Gap ist in den vergangenen Jahren global betrachtet nicht kleiner, sondern sogar größer geworden. Tumler sieht das auch in der Priorität begründet, die vor allem in den großen Konzernen dem Shareholder Value gegenüber dem Stakeholder Value eingeräumt wird und auch im Mangel an strategischem Weitblick in weiten Teilen der

Politik. Hier wird nur von Legislaturperiode zu Legislaturperiode gedacht. Das ist logisch und tragisch zugleich. „Die Erzählung vom grünen Wachstum hat sich leider bislang als falsch erwiesen. Jede Steigerung des BIP ging bislang mit einer Steigerung des Ressourcenverbrauchs einher. Das muss entkoppelt werden“, hält Anna Köhl fest. Osttirols Feldversuch in Sachen Kreislaufwirtschaft wird an diesem Zusammenhang – ganz gleich, ob korrelativ oder kausal – wenig ändern können, aber damit kann immerhin gezeigt werden, dass Projekte der Circular Economy schon heute wirtschaftlich umsetzbar sind, wenn Hirnschmalz, Kooperationsbereitschaft und Gestaltungswille aufeinandertreffen. „Wir haben durch die Einbeziehung unterschiedlicher Stakeholder versucht, einen möglichst breiten Ansatz zu finden und im Rahmen einer Trendbewertung die wesentlichen Zukunftsthemen für die Region dingfest zu machen. Auf deren Basis haben wir Innovationsfelder abgeleitet, in denen in unterschiedlichen Konstellationen innovative Ideen ausgearbeitet wurden, um Osttirol nachhaltiger aufzustellen“, fasst Simon Tumler den Prozess zusammen. „Daraus ist ein ganz unterschiedliches Potpourri an vielversprechenden Ideen entstanden“, so Tumler. Die vierzig besten Ideen wurden an ein Expert*innen-Gremium, das sogenannte Inno-Board, weitergereicht. Dort werden sie nach Umsetzungsfähigkeit und Attraktivität für die Region gereiht. Für die bestgeeigneten Ideen* werden derzeit konkrete Umsetzungspfade entwickelt. „Jetzt geht es nach dem Ideationsprozess darum, in die konkrete Umsetzung zu kommen“, bekräftigt Anna Köhl. „Das einfache Teilen von Wissen und Ideen und Unterstützung durch die künstliche Intelligenz sind besondere Aspekte dieses Projekts“, so die Expertin, „und das lässt sich auch auf andere Regionen übertragen.“ Es sei, meint Simon Tumler, extrem wichtig gewesen, unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Perspektiven mitzunehmen: „Partizipation ist sehr wichtig, um Commitment für die Umsetzung zu generieren.“ Damit trägt man dem Umstand Rechnung, dass Kreislaufwirtschaft kein reines Wirtschaftsthema ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches, das nun einmal auf Akzeptanz angewiesen ist. „Mit der INNOS GmbH gibt es vor Ort eine Organisation, die sehr gut vernetzt ist und Hands-onMentalität mitbringt. Es war ein sehr gutes Pilotprojekt, bei dem wir viel gelernt haben“, zeigt sich Anna Köhl positiv gestimmt.

INNOVATION MIT KI-ASSISTENZ

Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine ist inmitten des Hypes um die künstliche Intelligenz ein ständiges Thema. Als Gründer und CEO von in-manas ist Franz Bailom damit bestens vertraut. Er hat auch das Beratungsunternehmen Innovative Management Partner (IMP) gegründet und 20 Jahre lang – bis 2016 – erfolg-

reich geführt, ehe es ihn zu neuen Herausforderungen zog. Neu auch insofern, als dass die künstliche Intelligenz in der Innovation mittlerweile mehr als ein Wörtchen mitzureden hat. Bailom ist klar, dass er damit ein Stück weit sein ursprüngliches und eigentliches Kerngeschäft – Beratungsdienstleistungen zu gut dotierten Tagessätzen – untergräbt, ist aber vom Potenzial der KI völlig überzeugt. Dieses wird schon im hauseigenen INNO-VERSE genutzt, das in Osttirol zum Einsatz gekommen ist. „Mit Osttirol haben wir eine sehr vielversprechende Pilotregion gefunden“, sagt Bailom. Auch er streut der INNOS GmbH rund um Geschäftsführer Reinhard Lobenwein Rosen. Im Innovationsprozess bringe der Einsatz von Technologie, insbesondere KI, eine signifikante Zeitersparnis. „Die Technologie einsatzfähig zu machen und die Plattform mit Inhalten zu füttern ist aber sehr aufwändig“, so der Consultant, der international über ein Dutzend Scouts verfügt, die praktikable Innovationsbeispiele suchen. Das INNO-VERSE wurde mit zahlreichen kreislaufwirtschaftlichen Best-Practice-Beispielen aus aller Welt gefüllt. Mit der Plattform verfolgt Bailom das ambitionierte Ziel, „das Universum für Innovationen zu sein.“ Und wie das echte Universum soll auch das INNO-VERSE expandieren. Seit geraumer Zeit arbeitet das Team aus Entwicklern von in-manas erfolgreich an einem eigenen KI-Modell für Innnovationen. Man verlässt sich dabei nicht auf ChatGPT, dessen „Halluzinieren“ in Innovationsfragen zwar grundsätzlich kein Problem darstellt, das aber bei der Datensicherheit und -souveränität zu wünschen übrig lässt. „Sensible Kunden- und Unternehmensdaten sind bei ChatGPT und Co. ein No-Go“, legt Bailom sich fest. „Wir koppeln die Fähigkeiten von LLMs, die sehr gut Sprache verstehen können, mit anderen Technologien wie beispielsweise Vektordatenbanken, die man am eigenen Server hosten kann“, erklärt er. In puncto Datensicherheit ist das nicht zu toppen. Bailom plant, in den kommenden Monaten mit neuen Features und Produkten an die Öffentlichkeit zu gehen, die es so noch nicht gegeben hat. „Das ist eine Herausforderung, in die wir schon sehr viel Zeit investiert haben. Unsere Entwicklungsarbeit wird nicht leicht zu kopieren sein“, sagt er. Das Projekt in Osttirol ist ein spannender Testballon für neue Formen der Einbindung von Bürger*innen. Zum ersten Mal arbeiten in der

Die besten Ideen

Nachhaltiger Hochschulcampus für Kreislaufwirtschaft in Osttirol Nachhaltiges Bahntransportterminal für Güter- und Abfallstofflogistik Basisausbildungen Kreislaufwirtschaft für Unternehmen Gemeindeübergreifende Ressourcenparks MINT-Kreislaufwirtschaft

Nachhaltige Dämmstoffe aus Schadholz Nachhaltigkeit in Schulen – Tauschbasare Nachhaltige Last-mile-Mobilität Entwicklung einer automatisierten Aufforstungsmaschine Connecting Generations

Smart Farming: Empowering Sustainable Agriculture through Integrated AI

Plattform INNO-VERSE unterschiedlichste Teilnehmer*innen (Wissensträger*innen, Schüler*innen, Studierende) gleichzeitig mit Hilfe von KI an innovativen Lösungen für eine Region. Bailoms Wunschvorstellung ist es, dass im Rahmen der Plattform vernetzte Innovationsökosysteme entstehen, die den Austausch unterschiedlicher Anwendergruppen begünstigen.

„Jedes Land täte gut daran, ein gutes und gut geschütztes Innovationsökosystem aufzubauen und zu pflegen“, sagt er. Die KI greift den Innovierenden mitunter ganz ordentlich unter die Arme. Dass dadurch etwas Entscheidendes, der Zündfunke der Innovation, das menschlich-genialische Moment, auf der Strecke bleibt, befürchtet Franz Bailom indes nicht: „Die Qualität der Innovation mit KI ist definitiv nicht schlechter, als wenn ausschließlich Menschen daran arbeiten würden. Bei radikalen Sprüngen und Umbrüchen ist die KI häufig sogar besser. Geht es dagegen ganz tief in die Materie hinein, ist der Mensch normalerweise besser.“ Bailom spricht beim innovierenden Tandem aus Mensch und Maschine bewusst von Co-Creation. „Ein LLM denkt nicht im herkömmlichen Sinne, es berechnet immer das nächstfolgende Wort“, so der Experte. Eine der Schlüsselkompetenzen der Zukunft wird es sein, die Maschine über ausgefeilte Eingaben – sogenannte Prompts –richtig anzuleiten. Moralisch und ethisch Fragwürdiges war der Innovations-KI beim Probegalopp in Osttirol nicht zu entlocken, weshalb Ethical AI kein Thema war.

INNO(S)VATION

Die noch nicht ganz ausgereiften Früchte des von KI und vielen Akteur*innen unterstützten Innovationsprozesses können sich schon heute sehen lassen. Kreislaufwirtschaft ist kein exklusives Tech-Thema. Das wird exemplarisch an einem nachhaltigen Kleider-Tauschbasar sichtbar, der vom Gymnasium Lienz ausgehend auf andere Schulen übertragen werden soll. „Gerade einfache Modelle können den Erfolg der Kreislaufwirtschaft rasch sichtbar machen“, sagt INNOS-Geschäftsführer Reinhard Lobenwein. Natürlich hat man auch komplexere Projekte im Köcher, darunter die Entwicklung einer automatisierten Aufforstungsmaschine, die in den vom Borkenkäfer verwüsteten Osttiroler Wäldern wie gerufen käme. Aus dem massenhaft anfallenden Schadholz soll im Idealfall ein nachhaltiger Dämmstoff entstehen. „Es handelt sich allesamt um Projekte, die erfolgreich sein können“, sagt Lobenwein. Garantien gibt es freilich keine, aber die Ideen nehmen Form an, inwieweit sie realisierbar sind, wird die Zeit zu zeigen haben.

Einen merklichen Impact verspricht der INNOS-Geschäftsführer sich von einer Basisausbildung Kreislaufwirtschaft für Unternehmen. „Diesen niederschwelligen Einstieg in die Kreislaufwirtschaft würden wir gerne mit einem konkreten Praxisprojekt kombinieren, das im jeweiligen Unternehmen des Kursteilnehmers durchgeführt wird“, meint Reinhard Lobenwein, ohne den Ergebnissen des Inno-Boards vorgreifen zu wollen. Das könnte das Einsickern der Idee dieses neuen wirtschaftlichen Paradigmas in die Unternehmenslandschaft massiv beschleunigen. Die Pflichtschulen möchten die INNOS zur Bewusstseinsbildung in den Bereichen MINT – Osttirol ist übrigens bereits zertifizierte MINT-Region –, Energie und Kreislaufwirtschaft anregen. Von Seiten der INNOS ist Johanna Schachner für das Projekt zuständig. Ihr Fazit fällt positiv aus: „Das ist ein Pilotprojekt, bei dem naturgemäß vieles im Fluss ist. Die Projektpartner waren sehr flexibel und haben das Feedback der involvierten Teilnehmer*innen gut und schnell berücksichtigt. Die Trendbewertung war ursprünglich nur für das regionale Expert*innen-Panel vorgesehen, aber im Endeffekt haben die Schüler*innen und Student*innen an der Uni ebenso die wichtigsten Trendthemen herausarbeiten können“, so Schachner, die sich erfreut zeigt, dass „so viele und durchwegs hochwertige Ideen“ erarbeitet wurden. Lobenwein sah im Projektablauf eine „gute wechselseitige Lernerfahrung“ und durch den partizipativen Charakter, flankiert von entsprechender Öffentlichkeitsarbeit, eine gewisse Breitenwirkung hinein in die Bevölkerung. „In diesem Takt müssen wir weitermachen“, gibt der INNOS-Geschäftsführer die Richtung vor.

Noch ist die Kreislaufwirtschaft eine Nische, der wirtschaftliche Erfolg für First Mover nicht gewiss. Der Innovationsprozess, der in Osttirol angestoßen wurde, kann aber in jedem Fall als Blaupause dienen, wie gesellschaftlich breit getragene Innovation heutzutage funktionieren kann. Jene Ideen, die als (noch) nicht oder in der Region nicht sinnvoll umsetzbar erscheinen, fallen nicht dem Vergessen anheim, sondern werden in einem Ideenspeicher aufbewahrt, aus dem sich andere Regionen bedienen können. Derart kann Schritt für Schritt ein Innovations-Ökosystem entstehen, das sich wechselseitig befruchtet. „Momentan ist gerade in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld Pioniergeist gefragt!“, betont Simon Tumler. In Osttirol hat man diese Herausforderung dankend angenommen.

KI-Innovation-Hub

Finanziert wird das Pilotprojekt vom FFG, als Projektpartner sind die INNOS GmbH, gewissermaßen Osttirols „Standortagentur“, die Universität Innsbruck, die Lebensraum Tirol Holding und das Land Tirol an Bord. Mehr als 30 lokale Wissensträger*innen aus Wirtschaft, öffentlichem Sektor und Kultur sowie über 60 Studierende der Uni Innsbruck und rund 80 Schüler*innen aus vier Osttiroler Schulen waren intensiv in das Projekt eingebunden. Im INNO-VERSE wurden 25 Mega- und Makrotrends bewertet und acht Innovationsfelder abgeleitet. Aus mehr als 130 entwickelten Ideen wurden 43 zur Weiterverfolgung vorselektiert.

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