eco.nova EDITION 2016

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Eine Prise Frechheit Gegründet in der Zwischenkriegszeit hat sich die ehemalige Schmiede zum Marktführer im Bereich individuell gebauter LKW-Sonderaufbauten entwickelt. Die Geschichte von EMPL Fahrzeugwerk ist geprägt von Mut, Innovation und einem gewissen Maß an Frechheit – denn die siegt bekanntlich.

�� Als der Vater stirbt, ist sein Sohn Josef 17 Jahre alt. Es herrscht Krieg. Der junge Bursche tut alles, um die Produktion im elterlichen Betrieb, dessen Geschicke nun auf seinen Schultern lasten, am Laufen zu halten. Die Kaltenbacher Schmiede hatten seine aus Ellmau stammenden Eltern 1926 gekauft. Hergestellt wurden dort damals unter anderem die im ganzen Land bekannten Zillertaler Holzpflüge. 14 Jahre später liegt es am Sohn und an der Mutter, das Werk des Vaters fortzuführen. Drei Jahre lang gelingt ihnen das, damals mit drei Angestellten, der neue Chef der jüngste von ihnen. Der ist ambitioniert, nutzt die kurzfristige Befreiung vom Wehrdienst zur Ablegung der Meisterprüfung und wird der jüngste Schmiedemeister im damaligen Deutschen Reich. Dann streckt der Krieg seine Klauen auch nach Josef Empl II. aus. Als er zwei Jahre später aus der Gefangenschaft heimkehrt, ist der Betrieb geschlossen. Er packt es an und erweckt die am Boden liegende Firma nicht nur wieder zum Leben, sondern haucht ihr ein neues ein. Josef Empl startet mit einer auf den Bedarf zugeschnittenen Produktion, beginnt, Fahrzeuge für die Landwirtschaft zu konstruieren – unter widrigsten Bedingungen, denn auch in der Nachkriegszeit herrscht Materialknappheit. Aus alten Armeebeständen, die man sich mit viel Mühe organisiert, fertigen Empl und seine kleine Mannschaft Neuartiges und Innovatives: Er konstruiert Wechselsysteme für Anhänger, womit sowohl Rundholz als auch andere Din-

EMPL FAHRZEUGWERK Gegründet 1926 als Schmiede in Kaltenbach durch Josef Empl, entwickelt sich der Hersteller von Zillertaler Holzpflügen über die Jahzehnte zum führenden europäische Hersteller individuell gebauter LKW-Sonderaufbauten. Auf den Gründer folgt Sohn Josef Empl, der den Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbaut und ihm neues Leben einhaucht. Seine drei Söhne steigen in den 1970er- und 80er-Jahren ein, mit ihnen beginnt die Exporttätigkeit, die heute einen enorm großen Teil des Umsatzes ausmacht. 1978 übersiedelt das Unternehmen in die neue Betriebsstätte, ebenfalls in Kaltenbach. In den folgenden Jahren bis heute wird laufenmd ausgebaut und modernisiert. 1992 kauft Empl die ehemalige FAGEMA in deutschland, an diesem Produktionsstandort sind heute 150 Mitarbeiter beschäftigt, 350 sind es in Tirol. 1997 wird ein Servieund Montagebetrieb in Hall gebaut und eröffnet. 2015 tritt mit Joe Empl, Sohn von Herbert Empl, die vierte Generation in die Geschäftsführung ein.

ge transportiert werden können. Bei der ersten Klagenfurter Messe nach dem Krieg präsentiert er einen luftbereiften landwirtschaftlichen Anhänger – und erregt Aufsehen. Die „Alpenländische Fahrzeugbau – J. Empl“ beginnt zu wachsen und zu gedeihen. FREIRAUM FÜR FEHLER. Als der Sohn des Gründers 1964 mit der Fertigung der ersten LKW-Aufbauten beginnt, legt er den Grundstein dafür, was EMPL heute zum Marktführer macht. Ein Offizier der Nationalgarde in Kuwait soll dem Vertreter eines EMPL-Konkurrenten einmal gesagt haben: „Wenn wir in Kuwait von Uhren reden, sind es Rolex. Wenn wir militärische Aufbauten wollen, dann EMPL.“ Diese Anekdote erzählt Herbert Empl, sichtlich vergnügt. Der heute 67-Jährige trat 1967 ins Unternehmen ein, seine Brüder Josef Empl jun. 1970 und Heinz Empl 1983. Herbert Empl besuchte das Gymnasium in Saalfelden, stand vor dem Wechsel in die Oberstufe, als sein Vater einen schweren Unfall hatte. Der Sohn musste nach Hause, holte den Schulabschluss in den Sommerferien nach, absolvierte die Handelsschule und bildete sich mit einem Ferntechnikum weiter. Schritt für Schritt, auch in der Firma. Von der Werkstatt bis in den Vertrieb lernte der Nachfolger das Unternehmen in all seinen Facetten kennen. „Unser Vater hat uns stets viel Freiraum gelassen, auch zum Fehlermachen“, erinnert sich Herbert Empl. Nach außen kritisiert er die Söhne nie, hinter verschlossenen Türen aber

kommt die Kritik sehr wohl – ein Lernprozess. DIE SCHEICHS KOMMEN. Lagen die Anfänge des Unternehmens noch in landwirtschaftlichen Anhängern, kaufte man Mitte der 1970er-Jahre einen Kipperbauer aus Innsbruck, der keine interessierten Nachfolger hatte. Die ersten LKW-Aufbauten gingen Hand in Hand mit der zunehmenden Bewirtschaftung des Tals, mit den Kraftwerksbauten, der Inntalautobahn – diese Jahre markierten den steilen Aufschwung der Firma EMPL. „In den 1970er-Jahren kamen die Scheichs mit den Geldkoffern“, erinnert sich Herbert Empl an den enormen Boom. „Als Betrieb mit 30 Mitarbeitern haben wir uns damals gedacht, wir wollen auch davon profitieren.“ Herbert Empl steigt ins Auto und fährt nach Stuttgart in die Hauptzentrale von Mercedes – „damals haben alle Mercedes gekauft“. Er will dem Autohersteller eine Kooperation anbieten. „Die Dame, die für den Mittleren Osten zuständig war, wollte mich natürlich abwimmeln“, erzählt Empl. Man würde nur mit Firmen zusammenarbeiten, die auch vor Ort tätig seien. Der junge Zillertaler fackelt nicht lang, zu groß ist die Chance, zu stark das Selbstbewusstsein der aufstrebenden Firma, als dass sein Mut ihn verlassen hätte. Er bittet die Dame, Termine mit den Niederlassungen zu vereinbaren, natürlich sei man vor Ort. „Sie war mehr als perplex, und natürlich blieb ihr dann nichts anderes mehr übrig, als ja zu sagen.“ Mut macht

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