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SPEED MATTERS

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TIROL INNOVATIV

TIROL INNOVATIV

Der Forschungsstandort hat einen großen Vorteil: schlaue, motivierte Leute, die gerne in dieser lebenswerten Region wohnen bzw. bleiben wollen, findet Michael Kraxner. Diese müsse man gewinnen, sie gut ausbilden und gut behandeln, um Know-how zu generieren und die Wertschöpfung im Land zu halten. Wir haben mit ihm über die Forschung gesprochen. Und mehr.

INTERVIEW: LARISSA RIEDLER

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ECO.NOVA: Welchen Stellwert hat für Sie Forschung in Tirol? MICHAEL KRAXNER: Ganz klar, einen sehr sehr hohen Stellenwert. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass an dem Standort, wo wir sind, aufgrund mangelnder Rohstoffe der Wettbewerb der Zukunft maßgeblich durch Innovation zu gewinnen ist. Das heißt, es braucht viele und sehr gut gebildete Leute, innovative Geschäftsmodelle und Produkte mit hoher Wertschöpfung am Standort, um folgendermaßen einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Ich bin auch der Überzeugung, dass in nicht allzu ferner Zukunft hochtechnologisierte Produktionen und deren Produkte überall auf der Welt ähnlich viel kosten werden. Wenn sehr viel digitalisiert und automatisiert wird, heißt das am Ende auch, dass wenig Menschen reine Produktionstätigkeiten zu verrichten haben. Dies bedeutet auch, dass es viele Expert*innen brauchen wird, die solche Maschinen und Prozesse konzipieren, programmieren und installieren, um sie zu gewissen Dienst- und Produktionsleistungen zu steuern. Es wird der Wechsel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmerangebot noch

viel dramatischer werden: Wie bekomme ich die passenden Expertinnen und Experten an den für mich richtigen Ort?

Sehen Sie Tirol als Forschungsstandort

eher als Vor- oder Nachteil? Ich sehe beides, wobei ich den Vorteil größer sehe. Größer vor allem aufgrund der Lage, da Tirol zwischen zwei starken Industriemärkten – dem norditalienischen und dem deutschen Markt – gelegen ist. Nicht vergessen darf man die Schweiz und Liechtenstein, die ebenfalls als sehr kapitalkräftige Märkte um uns herum gelten. Den einzigen Nachteil sehe ich noch im fehlenden Bewusstsein, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung erforscht und gut durchdacht sein soll. Hier haben wir noch Aufholbedarf. Folklore ist nett und wertvoll, hilft aber wenig bei der Lösung von Zukunftsthemen.

Wie könnte man den Forschungsstand-

ort Tirol attraktiver gestalten? Tirol selbst sollte ein weltoffeneres und weiter vorausblickendes Land sein. Wir versuchen händeringend, mehr junge Menschen für zukunftsträchtige MINT-Themen zu begeistern – mit mäßigem Erfolg. Ich glaube, dass der heimische Interessentenpool hierfür enden wollend ist. Deswegen müssen wir zusätzlich gezielt Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und für unsere Landschaft, Kultur und Zusammenleben begeistern. Dieser Faktor ist für viele Forschungskräfte ein entscheidender Knackpunkt. Damit dies funktioniert, müssen viele Hebel bewegt werden: von einem Foreigner-Bonus, der Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte bietet, über eine internationale Schule bis zu einer Willkommenskultur, die länger als eine touristische Gästewoche anhält.

Würden Sie Tirol im Bereich der Forschung als konkurrenzfähig ansehen? Es gibt Steckenpferde in Tirol, wo man in der absoluten Spitzenklasse vertreten ist. Die Quantentechnologie in Tirol ist weltführend. Weiters haben wir sehr gute Forschung in der Medizin, besonders stark vertreten durch die Christian-Doppler-Labore. Auch Chemie, Mechatronik und die Umwelttechnologie dürfen nicht vergessen werden. Wo Tirol auch sehr gut mithalten kann, es aber zu wenig nach außen getragen wird, ist nachhaltiges Bauen und Wohnen, vor allem im Bereich der Ener-

© ANDREAS FRIEDLE

„DIE HALBWERTSZEIT VON NEUENTWICKLUNGEN IST SO KURZ WIE NIE ZUVOR, WAS UNS DAZU BEWEGEN MUSS, UNS PERMANENT DER INNOVATION ZUZUWENDEN.“

MICHAEL KRAXNER

gieversorgung à la Wärmepumpen- und der Passivhaustechnologie. Die Passivhaustechnologie wird weltweit als Höchstleistung und Goldstandard im Bauen bezeichnet, von uns in Tirol aber leider zu wenig vermarktet.

Wo sehen Sie noch Ausbaufähigkeit und Handlungsbedarf? Wir neigen zu oft dazu, die Zukunftsperspektive mit dem Rückspiegelblick zu begehen. Es wird zu oft analysiert, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden, und dann versucht, diese Fehler in Zukunft etwas geringer ausfallen zu lassen. Das ist meiner Meinung nach der falsche und mutlose Ansatz. Ich

MICHAEL KRAXNER

Der gebürtige Tiroler hat sich bereits in seiner Studienzeit für das MCI begeistern können, an dem er auch sein Diplomstudium für Verfahrens- und Umwelttechnik absolviert hat. Nach seinem Doktoratstudium für Verfahrenstechnik disperser Systeme und komplexer Strömungen an der Technischen Universität München verschlug es ihn nach Chicago, USA, wo er als operativer Projektleiter im Bereich der Petrochemie für mehrere amerikanische Unternehmen tätig war. 2014 übernahm er die Leitung für Forschung und Entwicklung am MCI und ist Professor für Mechanische Verfahrenstechnik. bin der Auffassung, man muss von heute nach vorne in die Zukunft blicken, um zu erkennen, was in fünf oder zehn Jahren dramatisch essentiell sein wird. Dann muss man sich überlegen, welche dieser Dinge kann ich an dem gegebenen Standort als Unternehmer*in, Arbeiter*in, Bürger*in bzw. Forscher*in als absolute Alleinstellung und Stärke definieren. Hier für unseren Standort Tirol sind die Themen Gesundheit und Tourismus, Life Sciences und Energie, vor allem erneuerbare Energie essentiell.

Was ist das Besondere an dem Thema Energie in Tirol? Energie wird für alle Menschen auf der Welt teuer werden, und das nicht nur durch die Inflation, sondern vor allem dann, wenn Energie nicht regenerativ erzeugt wird. Somit werden aufgrund des dramatischen Angebot-Nachfrage-Verhältnisses auch die erneuerbaren Energien sehr gefragt und folglich teurer werden. Hier in Tirol haben wir den Vorteil, dass wir auf einem Schatz von erneuerbarer und speicherfähiger Energie sitzen. Ganz wesentlich ist hier Wasser zu nennen, das wir zur Energieerzeugung und -speicherung, Regelenergiesteuerung, Wasserstoff- und E-Fuel-Erzeugung und in seiner ursprünglichsten Form als Lebensmittel nutzen können. In gekoppelter Weise sind Umweltenergien, Wärmepumpen und Photovoltaik geeignete Formen für Wärmeversorgung und dezentrale Energieerzeugung zum klimaneutralen Leben und Wirtschaften. Die zentralen „Über-Lebensmittel“ der Zukunft

sind somit einerseits das Wasser selbst und andererseits die regenerativen Energien. In Tirol haben wir das große Glück, dass reichlich Wasser vorhanden ist und gute Speicherformationen durch die gegebene Geografie bereits existieren. Zusätzlich ist das gemäßigte Klima ein großer Pluspunkt, was hoffentlich noch längere Zeit anhält. Auch das Thema Wasserstoff ist bereits im Vormarsch und wird bald weitläufig einsatzbar sein – vor allem im industriellen Einsatz und Schwerlastverkehr (siehe EU-Forderungen der „Clean Vehicle Directive“). Bei Wasserstoff ist es bekannterweise ineffizient, ihn über weite Strecken zu transportieren, was beim Erdöl und Erdgas immer noch rentabel war/ist. Für eine ideale Wertschöpfung sollte Wasserstoff dort produziert werden, wo er auch benötigt wird. Tirol liegt zwischen zwei starken Industriemärkten und an einer der am meisten befahrenen Alpenüberquerungen und hat somit einen Riesenbedarf, Wasserstoff dementsprechend zu nutzen.

Kann jeder forschen? Man muss eine gewisse Neugier in sich haben und Lust, neue Sachen zu erproben, und auch das Scheitern als eine Erkenntnis ansehen können. Es ist selbst für eine Hochschule schwierig, geeignete Mitarbeiter*innen für die Forschung zu finden. Es ist wünschenswert und gut so, dass unsere Absolvent*innen in die Wirtschaft gehen, aber wir brauchen auch immer Leute für uns selbst, die intrinsisch an der permanenten Innovation interessiert sind.

Was ist wichtiger: die Grundlagen- oder

die angewandte Forschung? Als Hochschule der angewandten und lösungsorientierten Forschung legen wir den Fokus sehr stark auf die Transformation von Grundlagenforschung in die Anwendung. Wir brauchen die Grundlagenwissenschaft, um Erkenntnisse daraus zu ziehen, die dann über Anwendungsprojekte der Wirtschaft und Gesellschaft zugänglich gemacht werden können. Man kann auch nicht sagen, welche Forschung besser ist, denn das eine kann nicht ohne das andere existieren.

Viele finden, Forschung koste doch nur Geld. Wie teuer ist Forschung wirklich? Diese Frage möchte ich gerne mit einem Gegenargument revidieren. Wir am MCI haben null Euro Grundfinanzierung für Forschung. Wir machen für unsere Partner Projekte, erarbeiten hierbei für diverse

Prof. Dr. Michael Kraxner, Leiter Forschung & Entwicklung am MCI

Unternehmen Lösungskonzepte und versuchen damit Beschäftigung zu sichern und eine Wertschöpfungssteigerung zu erzielen. Unsere Projektpartner können die Ergebnisse dann direkt zur Umsetzung bringen und haben somit wieder in die eigene Wertschöpfung investiert. Forschung kostet somit nicht nur Geld, sondern bringt auch welches, außerdem Beschäftigungssicherheit und Standortgarantie.

Gibt es genügend Projektpartner in

Tirol? Wir erfreuen uns sehr großer Nachfrage. Mehr, als wir durch unseren aktuell limitierten Platz bedienen können. Man muss jedoch dazusagen, dass es sehr oft wiederkehrende Partner sind. Das freut uns natürlich. Es gäbe aber noch so viel mehr Unternehmen, die nicht wissen, dass es diese Chance gibt, sich gemeinsam mit einer Hochschule Themen zu widmen und dafür Lösungsansätze zu generieren.

Gibt es hier eine Informationslücke, die nicht geschlossen wird? Bei Informationen gibt es ganz klar eine Bringschuld und eine Holschuld. Wir als Hochschule haben eine Bringschuld, indem wir unsere Kompetenzen aufzeigen und die Chancen der Zusammenarbeit für Unternehmer offerieren. Das machen wir über viele Kanäle, wie Presseaussendungen, Newsletter und Social Media oder unsere Unternehmenspartner und das Land Tirol. Zusätzlich gibt es die Holschuld des Unternehmers. Dieser sollte Infoveranstaltungen auch besuchen bzw. Infos einholen, diverse Mitteilungen und Artikel lesen. Leider können wir als Forschungsstätte aufgrund von Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht

über alle Neuheiten informieren – um Wettbewerbsvorteile für Kooperationspartner zu ermöglichen. Insofern müssen wir die „Werbung in eigener Sache“ mit Sorgfalt und Bedacht gestalten, was aber trotzdem zu einem ausreichenden Informationsaustausch von Unternehmer und Hochschule führen sollte.

Stichwort Corona: Hat die Pandemie die

Forschung spürbar beeinflusst? Ja, in vielen Bereichen. Die Forschungsaufträge sind nicht eingebrochen, sondern im Gegenteil deutlich gestiegen. Wir haben in manchen Bereichen reagiert und Forschungen ganz speziell betreffend die COVID-Vireninaktivierung vorangetrieben. Beispielsweise wurde eine Tochterfirma gegründet, die sich einerseits mit der Luftreinhaltung und andererseits mit der Oberflächendesinfektion, im Wesentlichen für Spezialanwendungen in Krankenhäusern und bei Pflege- und Heilbedarfen, beschäftigt. Der Fokus liegt hier auf dem Schutz von sehr vulnerablen Gruppen. Wir haben auch gemeinsam mit Gemeinden und dem Land Tirol im Umgang mit Corona und der Akzeptanz von Schutzmaßnahmen geforscht. Hier lag der Fokus auf der Bevölkerung, wie die Menschen auf welche Maßnahmen reagieren und wie man bestimmte Maßnahmen als gelindestes Mittel am besten umsetzen kann.

Mit welchem Gefühl schauen Sie in die

Zukunft? Ich freue mich auf die Zukunft, weil sie aktuell so viele Chancen bietet, wie selten eine Generation zuvor erleben durfte. In diesem Sinne muss man sich permanent neu erfinden. Das Schlimmste, was einer Gesellschaft passieren kann, ist Stillstand. Stillstand bedeutet Rückschritt. Der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Tirol hat einen bedeutenden Vorteil, der gegenüber vielen anderen überwiegt: Viele Ausländer kommen neben dem Urlaubsvergnügen auch gerne und freiwillig hierher zum Arbeiten oder Studieren. Leider gehen zu viele wieder zurück in ihr Heimatland oder an einen anderen Standort. Wir müssen das Halten und Integrieren von Fachkräften strukturierter betreiben, um den Vorteil unseres attraktiven Standorts für ein Brain-Gain zu nutzen, um damit Know-how, Innovation und Wertschöpfung im Land zu halten und ausbauen zu können.

„GRUNDLAGENFORSCHUNG MUSS UNBEDINGT IN DIE ANWENDUNG TRANSFERIERT WERDEN. NICHT GEMACHT IST SCHON VERLOREN. VIELE SAGEN SPEED KILLS. ICH SAGE: SPEED MATTERS.“

MICHAEL KRAXNER

HILFE RUND UM DIE 4. COVID-WELLE!

Die UBIT-Expert*innen sind Ihnen behilflich.

Mitten in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase werden viele Betriebe durch den erneuten Lockdown zurückgeworfen. Damit der Schaden für Unternehmen und deren MitarbeiterInnen so gering wie möglich ausfällt, werden seitens der Bundesregierung wieder bewährte Hilfen wie Ausfallsbonus, Verlustersatz, Härtefallfonds oder Kurzarbeit aufgelegt.

Ab 16. Dezember wird für einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 % im Vergleich zum identen Monat aus 2019 wieder ein Ausfallsbonus beantragbar. Die Ersatzrate wird je nach Kostenstruktur der Branche 10-40 % des Umsatzrückgangs betragen. Für den Zeitraum von Jänner bis März 2022 besteht die Möglichkeit, einen Verlustersatz als Entschädigung für mindestens 40 % Umsatzeinbruch zu erhalten. Der Antrag hierfür ist allerdings erst ab 2022 möglich. Auch der Härtefallfonds ist für die Zeit von November 2021 bis März 2022 wieder entsprechend dotiert worden. Wenn die laufenden Kosten nicht mehr gedeckt werden können oder ein Einkommensrückgang von mindestens 40 % zu verzeichnen ist, wird eine 80%ige Ersatzrate zuzüglich 100 Euro für das entgangene Nettoeinkommen zur Verfügung gestellt. Die Höchstgrenze liegt bei 2.000 Euro pro Monat.

UBIT-Obfrau Sybille Regensberger

Für alle Betriebe, die von behördlichen Schließungen betroffen sind, ist auch die Corona-Kurzarbeit möglich. Diese ermöglicht eine Reduktion der Arbeitszeit bis zum völligen Arbeitsausfall – bei einem Nettoeinkommensersatz von 80 bis 90 Prozent. Zudem können MitarbeiterInnen mit Vorerkrankungen auf Basis eines Risiko-Attests wieder dienstfrei gestellt werden. Auch Schwangere, die in körpernahen Berufen arbeiten, haben einen Freistellungsanspruch.

Die ExpertInnen der Buchhaltungsberufe informieren ihre Klienten gerne über die nötigen Kriterien für die neue Kurzarbeitsphase. Sie kümmern sich neben den allgemeinen Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsarbeiten auch weiterhin um die, durch die Krise sich ständig ändernden, Rahmenbedingungen. PR

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