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VON GRUNDLAGEN UND ANWENDUNGEN

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LET IT SNOW

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CHRISTINE BANDTLOW

Die promovierte Biologin absolvierte ein PhD-Studium am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, bevor sie am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich unabhängige Forschungsgruppen leitete. Nachdem sie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich in Medizinischer Biochemie habilitierte, wurde sie Professorin für Medizinische Biochemie an der Universität Innsbruck und damit zugleich Direktorin der Sektion für Neurobiochemie. Heute ist Christine Bandtlow Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Medizinischen Universität Innsbruck und hat eine Gesamtverantwortung für weitreichende Geschäftsbereiche und Aufgaben.

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Univ.-Prof.in Dr.in Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Medizinischen Universität Innsbruck

„FORSCHUNG IST WICHTIGER DENN JE.“

Die Forschung hat in Tirol einen hohen Stellenwert. Trotzdem ist es wichtig, den Forschungs- und damit den Wirtschaftsstandort Tirol langfristig nachhaltig zu stärken und auszubauen. Für Christine Bandtlow braucht es dafür entsprechende infrastrukturelle und finanzielle Unterstützung.

INTERVIEW: LARISSA RIEDLER

m Forschung und Entwicklung voranzutreiben, braucht es Zusammenarbeit. Für Christine Bandtlow ist „für die Medizinische Universität Innsbruck und ihre Partner wie die tirol kliniken eine transnational orientierte Forschungsstrategie essentiell, mit dem Ziel, Erkenntnisse der biomedizinischen Grundlagenforschung möglichst schnell und effektiv in die Klinik, das heißt, in die Patientenversorgung zur Anwendung zu bringen“. Wir haben mit der Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Medizinischen Universität Innsbruck gesprochen.

ECO.NOVA: Wo liegt das Hauptaugenmerk der medizinischen Forschung? CHRISTINE BANDTLOW: Man würde meinen, dass „Life Science“ den größeren Bereich einnimmt, denn ohne Grundlagenforschung werden wir keine langfristig anwendbare Forschung unterstützen können. Die Anwendung ist für den medizinischen Fortschritt aber essentiell. Gerade in der Universitätsmedizin sind die Voraussetzungen für erfolgreiche Translationsprozesse gegeben, da Grundlagenforschung, klinische Forschung und universitäre Krankenversorgung hier aufs Engste miteinander verzahnt sind. Allerdings ist es nicht immer einfach, dieses Potenzial auch auszuschöpfen. Insofern ist es wichtig, ein Scouting vorzunehmen, wo bereits Resultate und Ideen vorliegen, die man weiter nutzen und forcieren könnte. Für Tirol wären mehr Spinoffs wünschenswert, da es im Vergleich zu Restösterreich nur sehr wenige gibt. Auch im Bereich der Ansiedlung von Klein- und Mittelunternehmen besteht Aufholbedarf. In diesem Bereich spielen vor allem die Universitäten und Hochschulen eine wesentliche Rolle, da die Ideen in erster Linie aus der Forschung kommen. Universitäten haben den großen Vorteil der freien Forschung, das heißt, es wird den Kolleginnen und Kollegen nicht vorgeschrieben, woran sie forschen müssen. Wir müssen uns hier aber trotzdem bemühen, die Forschung zu kanalisieren, damit das Ergebnis schneller in den Anwendungsbereich kommt. Ich sehe die Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten, Universitäten und Industriepartnern als wichtiges Tool, da wir alle ähnliche Ziele haben.

Wo sehen Sie die Stärken und Schwä-

chen von Tirol? Auch wenn Tirol nicht das größte und bevölkerungsreichste Bundesland ist, muss dies nicht direkt zum Nachteil gereichen. Man muss sich gut überlegen, wo die Reise hingehen soll. Es geht nicht darum, noch weitere Forschungsstätten zu eröffnen, sondern darum, die Synergieeffekte zwischen den Stakeholdern besser zu nutzen und eine Roadmap zu entwickeln, um gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Nur so kann das Potential vollständig ausgeschöpft werden. Die Nachfrage ist nicht gering, wir befinden uns in einem guten Spannungsfeld zwischen Deutschland und Südtirol sowie der Schweiz. Es bedarf engmaschiger und innovativer Ideen, wie wir das am besten umsetzen wollen. Das bereits Vorhandene muss nicht wiederholt werden.

Sind in Tirol genügend Forschungsstät-

ten vertreten? Ich denke ja. Es gibt zwei Universitäten und mehrere Hochschulen. Ich sehe hier keine Notwendigkeit, weitere Forschungseinrichtungen zu etablieren. An der Medizinischen Universität Innsbruck haben wir mehrere Christian-Doppler-Labore und wir wollen weitere Einreichungen vornehmen. Es gibt also sehr wohl eine gewisse Attraktivität für die angewandte Forschung, auch für unsere Industriepartner, die mit an Bord sind. Auch mit dem COMET-Zentrum VASCage konnten wir lernen, dass der Standort ein sehr attraktiver ist.

„UNIVERSITÄTEN HABEN DEN GROSSEN VORTEIL DER FREIEN FORSCHUNG. WIR MÜSSEN UNS ABER TROTZDEM BEMÜHEN, DIE FORSCHUNG ZU KANALISIEREN, DAMIT DAS ERGEBNIS SCHNELLER IN DEN ANWENDUNGSBEREICH KOMMT.“

CHRISTINE BANDTLOW

© TOM BAUSE

„VIELE IDEEN KÖNNEN OFT ERST 20 JAHRE SPÄTER REALISIERT WERDEN UND BRINGEN NEUE ASPEKTE FÜR DIE ANWENDUNG. MAN BRAUCHT EINEN UNFASSBAR LANGEN ATEM.“

CHRISTINE BANDTLOW

Woher kommt die oft vertretene Intoleranz gegenüber der Zurverfügungstellung und Verwendung von Forschungs-

geldern? Das ist eine zentrale Frage. Es ist auffallend, dass sich die Bevölkerung in Österreich im Vergleich zu den skandinavischen Ländern nur sehr wenig für Forschung interessiert. Ich glaube, dass es im Aspekt Wissensvermittlung und Information eine Lücke gibt. Forschung kostet viel Geld und ist oftmals eine Investition. Es ist daher wichtig, in der Bevölkerung ein Bewusstsein zu kreieren, dass es wichtig, weil wertschöpfend ist, auch Steuergelder in die Forschung zu investieren. Selbst wenn bestimmte Forschungsprojekte nicht unmittelbar ein anwendbares Ergebnis liefern oder gar Gewinn abwerfen, bringen sie uns unter Umständen einen großen Schritt weiter in Richtung Innovation und Revolution. Viele Ideen können oft erst 20 Jahre später realisiert werden und bringen neue Aspekte für die Anwendung. Man braucht einen unfassbar langen Atem, da man immer wieder um neue Finanzierung ansuchen muss. Dies ist leider abschreckend für die jungen Kolleginnen und Kollegen. Die limitierten Forschungsgelder legen vielen einen Stein in den Weg. Das ist sehr tragisch für uns als Ausbildungsstätte, da wir die Jungen an die Forschung heranführen möchten.

Können wir in Bezug auf Forschung et-

was aus der Pandemie lernen? Es ist eine phänomenale Leistung, dass ein Impfstoff innerhalb eines Jahres hergestellt werden konnte, wenn man berücksichtigt, dass andere Entwicklungen mindestens zehn Jahre, wenn nicht länger gedauert haben. Das ist nur möglich aufgrund der modernen biomedizinischen Technologien. Es zeigt wiederum auch, wie wichtig die Forschung wirklich ist. Es wird aber auch noch weitere nachhaltige Entwicklungen geben müssen, weil wir letztes Jahr vor Augen geführt bekommen haben, wie schnell eine Pandemie entstehen kann. Und wir müssen uns auch darauf vorbereiten, dass es wieder ein Virus geben wird. Die Zeit wurde auch dafür genutzt, neue Forschungsanträge zu schreiben und neue Ideen zu entwickeln.

Ist Tirol im internationalen Vergleich

konkurrenzfähig? Tirol kann ohne Zweifel ganz vorne mitmischen. Die Spitzenklasse streben wir vor allem im Bereich der Transplantationsmedizin an. Die Medizinuniversität Innsbruck hat in diesem Bereich auch historisch gesehen einen sehr guten internationalen Ruf. Neben der Medizin spielt in Tirol auch die Quantenphysik eine wichtige Rolle. Hier ist Tirol international herausragend repräsentiert.

Möchte man als ausländische For-

schungskraft in Tirol bleiben? Tirol selbst ist ein sehr attraktives Bundesland. Man hat hier sehr gute Möglichkeiten, die Karriereleiter hinaufzusteigen und gleichzeitig eine Familie in der Nähe zu haben. Ich sehe den Nachteil eher darin, dass man im Vergleich zu anderen Ländern weniger Unterstützung bekommt, dies vor allem in dem Bereich, wenn man als junger Arzt oder Ärztin eine eigene Praxis eröffnen möchte. Auch die Lebenserhaltungskosten sind nicht unbedingt ein Pluspunkt. Diese infrastrukturellen Probleme liegen jedoch außerhalb unserer Sphäre als Universität. Unsere Aufgabe als Ausbildungsstätte ist es, Kolleginnen und Kollegen so gut auszubilden, dass sie überall die Möglichkeit bekommen, in Forschungslabors zu arbeiten, eben weil sie ihre Ausbildung in Tirol an einer renommierten Universität absolvieren konnten.

Was sind Zukunftsthemen, die in der Tiroler Forschung sehr relevant werden könnten? Diese liegen sicherlich im Klima- und Umweltbereich. Das sind auch die Themen, die die jungen Tirolerinnen und Tiroler begeistern und beschäftigen. Da müssen wir uns nicht nur in Tirol, sondern weltweit stärker engagieren. Wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, den Planeten schonend zu hinterlassen. Problemverwaltung und verbesserte Interaktion mit anderen Disziplinen wird ebenfalls wichtig werden. Wir müssen vermehrt die Zusammenarbeit fördern, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie man an Probleme herangeht. Ich finde, das haben wir auch in der Krise gelernt. Wir müssen die Chancen der globalen Zusammenarbeit besser nutzen. Konkurrenz wird es immer geben, es hat jedoch keinen Sinn, bei einer weltweiten Krise nicht mit anderen Entwicklern und anderen Ländern zusammenzuarbeiten. Und wir müssen uns über mögliche Ressourcenknappheit Gedanken machen und wie damit umgegangen wird.

Welche Vorgehensweisen streben Sie an, die Forschung für die Bevölkerung attrak-

tiv zu gestalten? Es gibt immer zwei Seiten: Jene, die informiert, und jene, die sagt, sie möchte informiert werden. Das Angebot richtet sich nach der Nachfrage, leider ist diese eine eher zurückhaltende. Das hat auch mit der sehr hohen Komplexität im biomedizinischen Bereich zu tun. Hier ist es wiederum unsere Aufgabe, die essenziellen Informationen so herunterzubrechen, dass sie verständlich und klar bei den Interessenten ankommen. Wir als Universität möchten die Bevölkerung bereits in jungen Jahren darüber informieren und veranstalten Informationstage in Schulen oder laden Interessierte zum Tag der offenen Tür ein. Unser Ziel ist es, die Jungen für ein naturwissenschaftliches Studium oder eine Ausbildung in diesen Bereichen zu begeistern. Das liegt in unser aller Interesse.

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