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A . N e i t h i n g e r / D a s w irtsch a ftlich e G e sich t E u r o p a s
Ant on Rei thi nger
D as wirtschaftliche Gesicht Europas
Deutsche
Verlag <-Anstalt
S t u t t g a r t
B e r l i n
Alle Rechte Vorbehalten. Prlnted in Germany Copyright IS36 by Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart Druck der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart Papier von der Papierfabrik Salach in Salach, Württemberg
In h a lt V orw ort........................................... M M ß M g ............................................................................................................. D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur ^ I. Das europäische Bevölkerungsproblem...................................... ii. GM MrvpBMe ÄWarprsNÜn - - - - ............................................. III. Das europäische Jndustrieproblem.................................. - IV .D as europäische NohfloMroblem. . . ^ l . / M V. GgK europäische . . . . . . . r. i . /p
7
8 II 21 33 54
8» D as wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen H^WHjWWWDM «SW M . e ......................................................... 64 1. Großbritannien............................................................................... 66 2. Die skandinavische Gruppe .'I. . . . .r . . . . i . . . . . . . . . . 79 3. Die Ostseerandsäraten.................................................................... 87 II. Die westeuropäische Festlandsgruppe............................................... 92 4. Frankreich- - . . . . ^ , . v . r l .»> 93 5. Belgien, Lolland, Schweiz........ .................... M iili DWMHMlÄmpWchs WUWastSrAUm........................................... 111 6. Deutschland........................................................................................113 7. Die Nachfolgestaaten.........................i -----. . . . . .l.. . . . . . . . . ,K § A'slV.Mie osteuropäischen , s. sW 8. P olen............................................................................ 9. Südosteuropa.......................................................... V. Die südeuropLische Wittelmeerzone.................................................. .4 M . 10. Italien................................................................................................IW 11. Dis Iberische Lalbinsel..................................................................168 12. Griechenland.. . s - , - . . t ---- .7 .^ ........................................ 174 Schlußwort..................................................... 179
W. 144
Verzeichnis der Schaubilder D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur I. Die Dynamik der europäischen Bevölkerungsentwicklung.......... II. D as Dilemma der europäischen Agrarsituation............................. III . Die schwindende Monopolstellung der europäischen Industrie staaten ....................................................................................................................... IV . Die Rohstoffabhängigkeit Europas........................................................... V. Europas Stellung im Welthandel..........................................................
17 29 39 48 57
L . D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen 1 . Dcr Rohstoffbesih des englischen Empire und die Kapital investitionen des Mutterlandes.............................................................. 71 2. Die Außenhandelsverflechtungen der skandinavischen Länder 1934 mit Großbritannien.......................................................................... 81 3. Die Verlagerung der Außenhandelsinteressen der Ostseerand, staaten nach Großbritannien..................................... 89 4. Der agrarische Grundcharakter Frankreichs.................................... 97 5. Die Abhängigkeit des wirtschaftlichen Wohlstandes Lollands, Belgiens und der Schweiz von der europäischen Gesamtsituation 105 6. Die Grundprobleme der deutschen Wirtschaftsentwicklung . . . 117 7. Die Zerstörung der Mittlerstellung der Nachfolgestaaten im Landelsverkehr mit Osteuropa.........................................................' . . . 130 8. Die Loslösung des polnischen Außenhandels von seinen früheren Bindungen an Mitteleuropa..................................................................... 142 9. Die Außenhandelsinteressen der südosteuropätschen Länder . . . 152 10. Die Schwierigkeiten der italienischen Wirtschaftsentwicklung . 160 11. Die Außenhandelsinteressen Spaniens und P o rtu g a ls............ 172 12. Die wichtigsten Absatzmärkte Griechenlands....................................178
Vorwort D ie Erkenntnis, daß ein vernünftiger Ausgleich der Lebensinteressen der europäischen V ölker notwendig ist, wenn Europas W eltgeltung in diesem allgemeinen Zeitenwandel aufrechterhalten werden soll, ist heute Allgem eingut der öffentlichen M ein u n g . D ie Kenntnis der treibenden Grundkräfte der europäischen Entwicklung dagegen, welche die Voraussetzung für die Verwirklichung einer friedlichen W oh n - und Lebensgemeinschaft der europäischen N atio n en bildet, ist noch kaum in einer hauchdünnen Oberschicht der europäischen Menschen vorhanden. D a s Gebiet der W irtschaft steht dabei m it an erster S te lle , weil bei dem heutigen S ta n d der europäischen Zivilisation die politischen Energien entweder unmittelbar aus der ökonomischen S p h ä re ent springen oder sich mittelbar über wirtschaftliche und soziale B e g le it erscheinungen entladen. Diese Tatsache ist in der Vergangenheit aus der äußeren wie inneren Entwicklung der europäischen V ölker nicht wegzudenken, und mit ihr muß noch stärker in der Zukunft gerechnet werden. D ie Vorzugsstellung Europas in der W e lt und seine hohe wirtschaftliche B lü te sind kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis der besonderen Kraftentsaltung der Weißen Nasse und einmalig gün stiger Amstände im 19. Jahrhundert, und ihre Behauptung für die kommenden Generationen ist keineswegs ohne weiteres gesichert. Solchen Gedanken ist der Versuch entsprungen, das wirtschaftliche Gesicht Europas und die im Laufe unserer Generation zu erwartenden Veränderungen seiner charakteristischen Grundzüge durch die Gegen überstellung von B ild und Spiegelbild zu umreißen. D ie wichtigsten Ergebnisse sind bereits im Laufe der beiden letzten Ja h re in einer unter dem gleichen T itel in der „Europäischen R evu e " erschienenen Aufsatzsolge veröffentlicht worden. D ie F r a g e , ob die Erkenntnis und der W ille , die Nutzanwendung daraus zu ziehen, rascher sind als die in F lu ß befindliche Entwicklung der Wirklichkeit, kann der Verfasser nur mehr stellen, aber nicht mehr beantworten. B e r l i n , Ende 1935.
A . N e it h in g e r
Einleitung D ie kleine, dem asiatischen Kontinent vorgelagerte Halbinsel Europa ist m it ihren knapp IIH 2 M illio n en Quadratkilometern nur ein unbedeutender Bruchteil der Erdoberfläche. Dennoch ist sie m it ihrer 500-M illionen-Bevölkerung, ihrem hochgezüchteten agrarischen und industriellen Produktionsapparat und der Sum m e ihres geistigen Wissens und technischen Könnens das H erz der W e lt und kann es noch au f lange Z e it bleiben. Dieses Herz der W e lt zerfällt allerdings in 35 S ta a te n , spricht fast ebenso viele Sprachen und umschließt die verschiedenartigsten politischen und wirtschaftlichen Organisationsformen. Trotzdem bildet es in einem übergeordneten S in n eine Einheit. N irgen ds in der W e lt ist das verbindende Verkehrsnetz so eng wie hier, flutet der G ü te r und Gedankenaustausch so intensiv über alle trennenden Grenzen und sind die Grundformen des Lebens einander so ähnlich. A b er nicht nur die Äußerlichkeiten der technischen Verkehrsverbindungen und des wirtschaftlichen Warenaustausches formen diese Einheit, sondern auch der geistige In h a lt des europäischen Daseins, seine wissenschaft liche und technische Zielsetzung, seine Lebenshaltung und Geschmacks richtung entspringen einer gemeinsamen W urzel. E s ist die Gem ein samkeit einer mehr als tausendjährigen Geschichte und ihres poli tischen, wirtschaftlichen und kulturellen Niederschlags, die immer wieder im Bewußtsein der europäischen Völker durchbricht, wenn die akuten Spannungen, die sich aus ihrem Zusammenleben a u f einem zu eng gewordenen R a u m ergeben, Nachlassen. D ie Führung in Europa hat im Laufe seiner Geschichte mit dem Wechsel der biologischen, technischen und wirtschaftlichen V o r a u s setzungen einen mehrfachen W andel durchgemacht. S i e wanderte im Einklang mit der biologischen Entwicklung von den südlichen Länder brücken des M ittelm eers zum Orient — maritimer Herrschafts bereich von Griechenland, N o m und B yzan z — nach den volkreichen mitteleuropäischen Räum en — kontinentales M acht- und Kultur-
Einleitung
9
zentrum des L eiligen Römischen R eich s Deutscher N a tio n — und verlagerte sich m it der Entdeckung der N eu en W e lt an die westlichen Küsten unseres Erdteils — globale Seemachtstellung S p a n ie n s, P o r t u g a ls , L o lla n d s und schließlich E n glan d s. Erst um diese Z e it hat auch die ständige Bedrohung E uropas durch außereuropäische Eroberervölker — M o n go len , Türken, A raber — endgültig aufgehört? D ie technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts band den politischen und wirtschaftlichen Führeranspruch eng an den Besitz der beiden Grundstoffe Kohle und Eisen; die Entwicklung des 20. J a h r hunderts hat zahlreiche neue Grundstoffe zu entscheidender B e d e u tung aufsteigen lassen — E rd ö l, B u n t- und Leichtmetalle, S p in n stoffe, Kautschuk, Stickstoff — und wird damit neue Verschiebungen der Entwicklung herbeiführen. W ird damit das säkulare Schw er gewichtspendel endgültig ganz aus Europa heraus nach den atlan tischen und pazifischen R äu m en verlagert werden? M i t A usnahm e von Kohle und Eisen liegen fast alle materiellen Grundstoffe der W eltpolitik und Weltwirtschaft außerhalb des europäischen Lebens raum s. I n Europa liegt als Erbgut der Leistung von Jahrhunderten nur der geistige R ohstoff einer unvorstellbaren Su m m e von K ennt nissen, Erfahrungen und schöpferischer Energie. A nter der V o r a u s setzung, daß diese Erbmasse nicht in einem gegenseitigen V ernichtungs kampf verschleudert wird, dürfte sie ausreichen, um auch ein weiteres Jahrhundert die Sonderstellung Europas in der W e lt zu erhalten. D e r B e g in n unseres Jahrhunderts sah zwei D ritte l der bewohn baren Erdoberfläche und ihrer Bevölkerung in unmittelbarem oder im Dom inial- und Kolonialbesitz, den N est in mehr oder minder großer finanzieller und wirtschaftlicher Abhängigkeit von E uropa. Anter europäischer Führung ist in hundert Ja h re n die W e lta g ra r produktion verfünffacht, die Weltindustrieproduktion um schätzungs weise das Zwanzigfache und der W elthandel um mehr a ls das Fünfzigfache gesteigert worden. N eben den menschlichen A rb e its kräften sind heute in der Weltwirtschaft maschinelle Arbeitsheere m it einer Gesamtleistung von ^ M illiard e Pferdestärken in B e trie b , von denen über die L ä lfte der B ew ältigu n g des riesenhaft angewach senen Verkehrs dient. D ie F o lge dieser Entwicklung ist eine beträcht liche Vermehrung des allgemeinen W ohlstandes in der W e lt und in Europa, das in diesem Zeitraum etwa eine Verfünffachung des * Die Neste sind sogar erst im Weltkrieg mit der Auflösung der europäischen Türkei aus Europa verdrängt worden.
10
Einleitung
Realeinkommens seiner industriellen Arbeiterschaft erreicht hat. Allerdings ist unter europäischer Führung auch der letzte W eltkrieg ausgefochten worden, der über 10 M illio n en T ote und die astrono mische Z iffer von fast I B illio n M a rk Kriegsschulden* hinterlassen hat. I n Auswirkung dieses K rieges ist die bisherige Vormachtstellung Europas a u f zwei Kontinenten, dem amerikanischen und dem asia tischen, ernstlich erschüttert worden. Auch die Lab ilität der euro päischen Gesamtsituation, die ein Ergebnis der innereuropäischen Entwicklung und des W an dels der außereuropäischen W e lt ist, reicht in ihren W urzeln au f den K rieg zurück. D ie Tatsache, daß die In d u strieproduktion der W e lt ohne Europa den Lochkonjunkturstand der Ja h re 1927/1929 und ihr Außenhandelsvolumen das der V o r kriegszeit bereits weit überschritten h at, während Kontinentaleuropa noch wesentlich darunter liegt, sollte jedem Europäer zu denken geben. D ie politischen Gegensätze zwischen den europäischen V ölk ern , die in den letzten Ja h re n wieder besonders deutlich zutage getreten sind, haben die Ideologie eines P a n -E u ro p a als Vereinigung der euro päischen N atio n en selbst bei ihren früheren Anhängern weitgehend zerstört, aber an der Notwendigkeit und dem Z ie l einer politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung Europas nichts zu ändern ver mocht. D e r Gedanke der Schicksalsgemeinschaft der europäischen V ölker gewinnt im Gegenteil infolge der rasch fortschreitenden E r eignisse im Fernen Osten und der zunehmenden Absonderung des nordamerikanischen Kontinents ständig an Bedeutung. D ie V o r a u s setzung dafür ist allerdings eine möglichst weitgehende Abgleichung der Lebensinteressen der im europäischen R a u m siedelnden V ö lk e r, ohne die eine Konsolidierung a u f die D au er nicht möglich ist. D a z u ist notwendig, daß Europa und die europäischen V ölker sich und die Grundkräfte ihrer Entwicklung besser kennen und verstehen lernen und a u f Grund dieser Erkenntnis auch einen vernünftigen Ausgleich ihrer Interessen in die W ege leiten. * Gesamtbetrag der auswärtigen Schulden und inneren Kriegsanleihen der am Krieg beteiligten Mächte. Diese Summe ist durch die Nachkciegsinflationen entsprechend eingeschrumpft.
Die Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsftruktur I. D a s europäische Bevölkerungsproblem D ie Lösung der großen politischen und wirtschaftlichen Problem e im europäischen R a u m und die künftige Stellu n g E uropas in der W e lt werden entscheidend davon abhängig sein, ob die großen S p a n nungen überbrückt werden, die sich aus der verschiedenartigen Stru k tur und Entwicklung der europäischen V ölker ergeben. Diese S p a n nungen sind in ihrem letzten Grunde ein Ausdruck der tiefgehenden bevölkerungspolitischen Verschiebungen, die sich seit dem B e g in n der Industrialisierung innerhalb aller Völkergruppen und Völker voll ziehen, die den europäischen R a u m besiedeln. D ie Bedeutung des Bevölkerungsproblems für die großen Fragen der Zukunft unseres Erdteils und des Schicksals der einzelnen N a tionen im europäischen R a u m wird offenbar, wenn wir uns ver gegenwärtigen, daß die europäische Bevölkerung im Laufe des letzten Jahrhunderts von 200 M illio n en au f 400 M illio n en angewachsen ist und sich bis zur M itte unseres Jahrhunderts um weitere 200 M i l lionen auf fast 600 M illionen vermehrt haben w ird. Diese Bevölke rungsverdichtung ist unter fortgesetzten Schwergewichtsverlagerungen und einer inneren Amsiedlung erfolgt, deren A usm aß das der ge schichtlichen Völkerwanderung weit in den Schatten stellt. D ab ei ging die Verdopplung der europäischenBevölkerung imvergangenen Ja h r hundert L an d in L a n d mit einer unerhörten technischen Entwicklung und der kolonialen Expansion der weißen Rasse über den ganzen Erd ball, die von jeder Generation zur anderen auch noch eine Verdopplung der durchschnittlichen Lebenshaltung ermöglichten? Trotz dieser ein malig günstigen Voraussetzungen hat das Bevölkerungswachstum zu einer fortgesetzten Aufladung der nationalen Spannungen in Europa geführt, die sich in zahlreichen Zusammenstößen entluden und schließ lich im Weltkrieg ihre erste allgemeine Explosion fanden. * M it dieser Entwicklung wird nach jahrhundertelanger Stagnation die große Beviilkerungöwelle des 19. Jahrhunderts in Europa ausgelöst und derGeburtenüberschuß auf die dreifache Ziffer des 17. und 18. Jahrhunderts gesteigert.
12
Die Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruttur
Angcachtet des Geburtenrückgangs, der gegenwärtig in den euro päischen Industrieländern im Vordergrund des öffentlichen Interesses steht, ist nach den heutigen Geburten- und Sterbeverhältnissen in Europa für die nächsten drei Jahrzehnte noch mit einer Bevölkerungszunahmc zu rechnen, die kaum geringer ist als im ersten D ritte l dieses Jahrhunderts. D ie unter einmalig günstigen politischen und w irt schaftlichen Expansionsbedingungen zustande gekommenen Im pulse der europäischen Verm ehrungsrate wirken sich also noch in einer P eriode au s, in der die M eh rzah l der europäischen V ö lk er nicht mehr entfernt ähnlich günstige Voraussetzungen für eine weitere Steigerung ihrer Lebenshaltung vorfinden w ird. D ie Zunahm e der europäischen Bevölkerungsziffer um 200 M illio n en in der ersten L ä lste unseres Jahrhunderts zwingt alle europäischen V o lk sw irtschäften zum Übergang von der bisherigen Expansion zur K o m pression und inneren N euordnung, bei der das P ro b le m der sozialen Eingliederung der städtischen Industriearbeiterschaft an erster S te lle stehen wird. Dieses P ro b le m ist nur lösbar unter der Voraussetzung eines vernünftigen A usgleichs der Lebensinteressen der einzelnen europäischen M ä ch te , ohne die der Zeitpunkt des zweiten europäischen W eltkriegs beinahe statistisch errechnet werden kann. D a s V e v ö lk e r u n g s w a c h s t u m i n E u r o p a v o n 181 O b is I9 6 0 Generationenspanne 1810 1840 1870 1900 1930 1960
Europa einschl. A d S S R . Bestand Zuwachs M ill.
M ill.
199 251 308 393 496 596
4- 52 4- 57 -I- 85 4- 103 -i- 100
v .H .
4-26,1 4-22,7 4-27,6 4-26,2 4-20,2
Europa ausschl. A d S S R . Bestand Zuwachs Mill.
M ill.
v .S .
166 206 246 305 373 425
4-40 4-40 4-59 4-68 4-52
4-24,1 4- 19,4 4-24,0 4-22,3 4- 13,9
D ie Bevölkerung Gesamteuropas einschließlich des europäischen R uß land wird noch im Laufe unserer Generation um 100 M illio n e n Menschen, also um rund 20 v . L . ihres heutigen S ta n d e s , zunehmen. D ie Notwendigkeit, im V e r la u f einer Generation weitere 100 M i l lionen Menschen zusätzlich in Europa zu ernähren und zu beschäf tigen, wird unserem Erdteil eine der größten A u fgaben seiner bisherigen Wirtschaftsgeschichte stellen, die nur unter grundlegenden
>chDas europäische Bevölkerungsproblem
13
W andlungen seiner politischen und wirtschaftlichen Struktur zu lösen ist. Schon für das dünnbesiedelte R u ß lan d bedeutet ein Zuwachs von 50 M illio n en Menschen trotz seiner ungeheuren R ä u m e eine nicht leicht zu bewältigende A u fg a b e . W e it schwieriger wird jedoch die Schaffung von Arbeitsplätzen für 50M illionenM enschen im übrigen Europa sein. D en n im Osten und S ü d en unseres E rd teils, wo die Hauptmasse der zuwachsenden Bevölkerung zu erwarten ist, muß die Landwirtschaft bereits heute als übervölkert angesehen werden? D ie Bevölkerungsvermehrung bedeutet hier verschärften Zw an g zur Verstädterung und Industrialisierung und damit Ausbreitung der städtischen und industriellen Lebensformen auch au f den heute noch agrarischen N andgürtel E u ro p as. E s liegt a u f der L a n d , daß diese Entwicklung nicht nur tiefgreifende Rückwirkungen a u f die indu striellen Kerngebiete M itte l- und W esteuropas zur F o lg e haben muß, sondern die gesamte politische und wirtschaftliche Lage unseres Kontinents maßgebend beeinflussen wird. D a s W a c h s t u m der e in z e ln e n V ö lk e r g r u p p e n in E u r o p a v o n 180 0 b is 1960 Völkergruppe
1800 Will. ^ v . H .
1900 MM. v .
H.
1930 Mttl. v . H .
1960 Mill. v . H .
Germanische Län dergruppe —
57
31
124
32
149
30
160
27
Romanische Län dergruppe —
64
34
103
26
121
24
133
22
Slawische Län dergruppe —
66
35
166
42
226
46
303
51
davon A d S S N
30
16
88
22
123
25
171
29
^ 187 ! 100 ^ 393 ^ 100
496
100
596
100
Gesamteuropa. .
V o n dem zu erwartenden Gesamtzuwachs von 100 M illionen Menschen werden 75 M illionen au f den slawischen Osten und nicht ganz 15 M illionen auf die romanischen Mittelmeerländer entfallen, während die Bevölkerung M itteleuropas nur mehr schwache W achsr V g l. den Abschnitt „D as europäische Agrarproblem".
14
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
tumstendenzen zeigt und die nord- und westeuropäische Bevölkerung fast völlig stagniert. E s ist m it Sicherheit zu erwarten, daß nicht nur die Bevölkerungswanderung, die sich während des ganzen vergan genen Jahrhunderts in der Ost-W est-Richtung vollzog, durch diese unterschiedliche W achstumsintensität neue Im pulse bekommt, sondern daß auch der geschloffene völkische Expansionsdrang wieder ver stärkten Auftrieb erhalten wird. D e r rein zahlenmäßige Vevölkerungsschwerpunkt E uropas wird sich bis zur M itt e unseres J a h r hunderts immer weiter nach Osten verlagern und östlich des 20. L ä n gengrads au f der Linie W arschau— B e lg ra d einspielen, ehe noch die heute schulpflichtige Generation ihr mittleres M a n n e sa lte r er reicht hat. Z u B e g in n des 19. Jahrhunderts verteilte sich die Bevölkerung Europas ziemlich gleichmäßig zu je einem D ritte l a u f die germ a nische, romanische und slawische Völkergruppe. A m die M itt e des 20. Jahrhunderts wird die slawische Gruppe bereits über die H ä lfte der europäischen Gesamtbevölkerung stellen, während der A n te il der romanischen Gruppe a u f etwa ein F ü n ftel abgesunken sein wird. Auch die germanische G ruppe, die während des ganzen vergangenen Jahrhunderts ihren S ta n d einigermaßen behaupten konnte, dürfte stärker an B o d e n verlieren, wenn sich die derzeitige Geburtenziffer nicht wesentlich hebt. Obw ohl die K opfzahl allein für die Bedeutung der einzelnen Völkergruppen nicht ausschlaggebend ist, so kann doch kein Zw eifel bestehen, daß das wirtschaftliche, politische und kulturelle B ild Europas von diesen Verschiebungen des Bevölkerungsschwer gewichts entscheidend beeinflußt werden wird. D ie voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerungsziffer der einzelnen europäischen Länder läßt sich unter der Voraussetzung einer friedlichen Weiterentwicklung aus der ungleichartigen L ö h e der G e burten- und Sterbeziffern errechnen. I m allgemeinen sinkt sowohl die Geburten, wie die Sterbeziffer in Europa in der Ost-W est- und Sü d -N o rd -N ich tu n g ab, w as zur F o lg e hat, daß der A ltersau fbau der einzelnen Völker in der gleichen R ichtung nach den mittleren und und höheren Altersstufen hin sich verschiebt. D ie nord- und west europäischen V ölker befinden sich biologisch in einem bereits weit fortgeschrittenen Stad iu m des A lte rn s, während die südlichen und östlichen Völker nach jahrhundertelanger S tagn atio n starke neue Impulse der biologischen Verjüngung zeigen. Geburtenüberschuß und jährliche Verm ehrungsrate sind im osteuropäischen A grarrau m und
D a s europäische Bevölkerungsproblem
15
in der südeuropäischen Mittelmeerzone durchschnittlich doppelt so hoch wie im zentraleuropäischen Binnenraum und in der nordeuropäischen Seezone und erreichen mehr als das Dreifache der Verm ehrungsrate der westeuropäischen Festlandszone. W ie die Streuungen der ein zelnen Völkergruppen zeigen, handelt es sich hier weniger um eine Rasseneigentümlichkeit als wahrscheinlich viel mehr um die A u s Wirkungen des geschichtlichen Kräfteverbrauchs der vorhandenen W irtschaftsform en und kulturellen Besonderheiten. G e b u rte n ü b e r s c h u ß u n d B e v ö lk e r u n g s d ic h t e in E u r o p a im D u r c h s c h n itt d er J a h r e 1 9 3 0 — 1934
Ländergruppe
Gebürten auf je
Sterbe- Geburten- BevölkeÜberschuß rungsdichte fälle je qlcw 1000 der Bevölkerung
B e v ö lk e r u n g s s ta g n a tio n in N o r d -, W e st- und M itte le u ro p a N o r d europäische Seezon e Großbritannien......................... Skandinavien ............................ Ostseerandstaaten.......................
15,8 16,6 21,7
12,2 11,7 14,6
3,6 4,9 7,1
192,0 13,8 32,8
W esteuropäische Zone Frankreich...................................... Belgien/Schweiz....................... Niederlande.................................
17,0 17,1 21,8
15,7 12,4 9,0
1^ 4,7 12,8
76,1 172,9 243^
M itteleu rop äisch er R a u m Deutschland................................. Nachfolgestaaten.......................
16^ 20,1
11,0 14,4
5,3 5,7
141^ 95,6
Osteuropäische Gruppe P o le n ............................................. Südosteuropa..............................
L o h e s B evölkerungsw achstum in O st- und Sü d eu ro p a 29,0 33,2
15,0 19,3
14,0 13,9
85,7 60,5
M tttelm eerzon e It a lie n ........................................... Iberische Lalbinsel.................... Griechenland.................................
24,3 28,5 29,5
13,9 17,0 17,1
10,4 11,5 12,4
137^ 51,9 50,9
S o w je tr u ß la n d .........................
43,9
18,9
25,0
26,9
16
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschastsstruktur
Anker diesen Amständen sind bei der nord- und westeuropäischen Ländergruppe allgemein nur mehr geringe Vevölkerungszunahm eu zu erwarten. Auch im zentraleuropäischen Binnenraum wird sich die D i e B e v ö lk e r u n g s z u n a h m e der e in z e ln e n L ä n d e r g r u p p e i , i n E u r o p a v o n 18 0 0 b i s I 9 6 0 Ländergru p p e
1800 MM.
^ o.S.
1900 W ill.
^ V .H .
1930
1960
MM.
->. S-
MM.
^ v.H.
N ord eu rop äische Z o n e . Großbritannien Skandinavien. Ostseestaatcn. -
16,8 10,5 4,9 1,4
10,7 6,7 3,1 0,9
52,7 37,0 12,5 3,2
14,0 8,9 4,1 i,o
65,8 44,7 16,2 4,9
17,6 12,0 4,3 1,3
69,6 46,5 17,6 5,5
16,3 10,9 4,1 1,3
W esteuropaischeZone.. Frankreich. . . Belg./Schweiz Niederlande..
35,1 28,2 4,8 2,1
22,4 18,0 3,1 1,3
55,8 40,7 10,0 5,1
18,3 13,3 3,3 1,7
61,9 41,8 12,2 7,9
16,6 11,2 3,3 2,1
62,1 40,0 12,5 9,6
14,6 9,4 2,9 2,3
38,1 22,1
24,3 14,1
79,8 50,7
26,1 16,6
94,5 64,4
25,4 101,7 ^ 23,9 17,3 68,0 16,0
16,0
10,2
29,1
9,5
30,1
27,5 12,0 15,5
17,5 7,6 9,9
49,6 23,0 26,6
16,2 7,5 8,7
32,1 18,1
20,4 11,5
60,5 34,0
13,5 - 8,6 0,3 0,5
24,0 2,5
M itte le u ro p a ischerNaum Deutschland. . Nachfolgestaaten.......... Osteuropäische Gruppe . . P o le n ............ Südosteuropa M ittelm eerzo n e.............. Italien............. IberischeÄalbinsel............... Griechenland.
33,7
7,9
68,7 30,9 37,8
18,4 > 92,5 8,3 42,8 10,1 49,7
21,8 10,1 11,7
19,8 11,1
78,4 41,6
21,1 11,2
93,9 50,3
22,1 11,8
7,9 0,8
30,6 6,2
8,2 1,7
35,6 8,0
8,4 1,9
Europa ohne U dSSR. '
157,0 100,0 105,0 100,0 173,0
Sowjetrußland
30,0
19,1
8,1
88,0 28,9
23,0
00,0 425,0 I00,0 33,0 171,0
40,2
i Einschließlich der oben nicht genannten kleinen Länder (Albanien, A n dorra, Irland, Island, Liechtenstein, Monako, San Marino).
D a s europäische Bevölkerungsproblem
v m V V N / K M K o e rr e u W p L i s c « e i > i s L V ü i.> < e r r u ^ S L b b i'N v ic » < i.o d » s scvöl.KwM6S0ictt7e 1-W «.vckvWirmWvWcl« 1-Z0/L0 reic»k»ie»K^»v»<s-
vmicMKWvkv«« ?o
ro^«,ll5vE5
.
vevöuckkv»<s« qkm
Bevölkerungsziffer trotz des gegenwärtig besonders günstigen A lte rs aufbaues — breite Mittelschichten der Bevölkerung und deshalb erhöhte Geburtenziffer und verminderte Sterblichkeit — nur mehr m äßig erhöhen, selbst wenn a ls F o lg e der neuen bevölkerungspoli tischen M aß n ah m e n in Deutschland eine Wiederzunahme der G e burtenziffer auf den Vorkriegsstand unterstellt wird. I m Gegensatz RetHlnger 2
18
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
zu der fast stagnierenden Bevölkerungsentwicklung in N o r d - und W esteuropa, wo nur die N iederland e eine A u sn ah m e bilden, haben alle Länder im O sten, Südosten und S ü d e n E u rop as noch gew altige Vevölkerungszunahm cn zu erwarten. Ita lie n hat in diesen Ja h re n die V evölkerungsziffer Frankreichs erreicht, die südosteuropäische G ruppe wird im nächsten Jah rzeh n t und P o le n um die Jah rh u n dert mitte die französische Volksstärke überflügeln. W ie die nachstehende Übersicht zeigt, ist das an sich nie besonders stark gewesene Bevölkerungsw achstum in der westeuropäischen K o n tinentalzone m it A u sn ah m e von L o lla n d bereits m it dem Ende des 19. Jahrhun derts abgeschlossen. I n der nordeuropäischen Seezone und im zentraleuropäischen B in n en raum reicht es bei stetiger V e r langsamung zwar noch b is ins erste D r itte l des 20. Jah rh u n derts, verliert dann aber rasch an S tärk e. D a s W achstum der südlichen M ittelm eerzone hatte seinen Löhepunkt im ersten D ritte l unseres Jahrhunderts m it deutlichen Anzeichen der Verlangsam ung im zweiten D r itte l, während die osteuropäische Agrargruppe erst in dieser P e rio d e ihrer größten W achstum sintensität zustrebt. D ie P erio d e der Bevölkerungsstagnation während der Z e it der Fremdherrschaft und die rasch anschwellende Intensität der biologischen Energie nach der B ild u n g selbständiger N ationalstaaten fällt ganz besonders bei der osteuropäischen Agrargruppe au f. I n abgeschwächtem M a ß e läßt sich diese Erscheinung auch noch für die südeuropäischen M ittelm eer länder Nachweisen. D ie zeitliche V e r s c h i e b u n g der W a c h s t u m s i n t e n s i t ä t der e in z e ln e n L ä n d e r g r u p p e n in E u r o p a Ländergruppe
Westeuropäische Festlandszone............ Nordeuropäische Seezo n e...................... Zentraleuropäischer Wirtschaftsraum. Südeuropäische Mittelmeerzone.......... Osteuropäische Agrargruppe.................. Sowjetrußland..............................................
Zunahme der Bevölkerung in v. L . während der Generationenspannen 1810/40 1840/70 1870/isa^ isoo/so ^isso/so 19,5 11,9 13,9 50,6 40,1 39,0 49,4 29,6 14,6 28,9 16,1 21,1 o.o15,3 49,8 3V,0 S1,0 33,9
i Periode der Befreiungskriege von der Türkenherrschast. ^ Abschwächung infolge des Weltkriegs.
o,s 16,9 5,8 24,8 18,4 7,6 29,6 19,8 38,5- 182.7 39,8 39,0
D a s europäische Bevölkerungsproblem
D ie Bevölkerungsverdichtung in E u rop a um 1900, 1930 und 1960 L än d ergru p p e
Einwohner je gkm isoo
isro > isso
Steigerung der Bevölkerungsdichte in v. L . isoo/ro 1 isro/so
Nordeuropäische Seezone Großbritannien....................... Skandinavien............................ Dänemark.............................. Schweden.............................. Norw egen............................ Finnland................................. Ostseerandstaaten.................... Litauen................................... Lettland................................. Estland...................................
Schwacher V erdichtungsdruck m it A u sn a h m e von D änem ark 157,7 189,9 197,3 4- 20,4 4- 3,9 10,6 13,5 14,5 4- 27,2 4- 8,0 62,9 82,7 97,0 4- 31,6 4- 17,2 11,4 13,7 13,8 4- 19,6 4- 1-2 6,9 8,7 9,5 4- 26,7 4- 8,5 9,8 7,3 9,5 10,4 4- 30,2 29,9 32,9 4- 10,0 . 36,4 40,1 4- 10,1 . 28,9 31,8 4- 10,0 23,7 26,1 4- 10,1
Westeuropäische F e s t landszone Frankreich............................ Schweiz .............................. Belgien................................. L o lla n d ..............................
Druckloser R a u m m it A u s nahme von L o lla n d 72,6 75,9 68,5 4- 4,5 80,3 98,5 100,9 4- 22,7 227,3 265,8 272,4 4- 17,0 149,3 232,2 280,2 4- 55,5
M itteleu rop äisch er W ir t schaftsraum Deutschland................................. Nachfolgestaaten....................... Österreich................................. Llngarn..................................... Tschechoslowakei ..................
Schwacher b is m äßiger dichtungsdruck 104,2 140,3 148,2 34,6 69,5 95,0 107,6 4- 36,7 87,2 80,2 84,1 — 8,0 59,3 93,4 107,7 4- 57,5 90,2 104,9 121,5 4- 16,3
Osteuropäische A g r a r gruppe P o le n .......................................... Südosteuropa.............................. Jugoslawien........................... Bulgarien.............................. Rum änien............................
Südeuropäische M i t t e l meerzone Ita lie n ........................................ Iberische Lalbtnsel.................. Spanien................................. P o rtu g a l.............................. Griechenland.............................
V er-1- 5,6 4-13^ -i- 4,9 4-15,4 4-15,8
ü berm äß ig hoher V erd ich tungsdruck 74,0 82,4 109,7 4- 11,3 4-32,2 44,4 58,8 77,6 4- 32,9 4^31,7 51,6 56,3 74,6 4- 9,0 4-32,5 38,9 57,6 75,7 4- 48,3 4-31,3 45,8 61,2 80,9 4- 33,7 4-32,2 Noch starker Verdichtungsdruck 113,3 132,6 162,1 4-17,0 4-22,3 40,3 50,9 59,2 4-26,3 4-16,3 36,9 46,7 54,5 4-26,7 4-16,7 59,0 74,2 85,1 4-25,9 4-14,6 39,6 47,7 61,5 4-20,3 4-29,1
20
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
E in Vergleich der Bevölkerungsdichte zeigt die großeil U nter schiede, die innerhalb der einzelnen europäischen Ländergruppen be stehen. S o ist Großbritannien um ein V ielfach es dichter bevölkert als der skandinavisch-baltische R a u m , die kleinen westeuropäischen Länder doppelt bis dreimal so dicht wie Frankreich, Deutschland eineinhalbmal so dicht wie die Nachfolgestaaten und Ita lie n mehr a ls zweimal so dicht wie Sp an ien und P o r tu g a l. Insbesondere in Großbritannien hat sich infolge seiner Zentralstellung innerhalb des W eltreichs, in L o lla n d und B e lg ie n a u f G ru n d ihrer intensiven Verflechtung m it den benachbarten großräumigeren W irtschaften eine Siedlungsdichte entwickelt, die m it 200 bis 270 Menschen je Quadratkilometer weit über dem europäischen Durchschnitt liegt. Auch Deutschland und Ita lie n sind bei ihrer heutigen B evölkerungs dichte von etwa 140 Menschen je Quadratkilometer bereits a ls über völkert anzusehen. D a s gleiche gilt unter Berücksichtigung der Agrarstruktur für fast alle osteuropäischen Länder, während Frank reich und der skandinavisch-baltische R a u m absolut und relativ nur dünn bevölkert sind. D ie in fast ganz Europa latent vorhandene Übervölkerung wurde bisher wirtschaftlich dadurch neutralisiert, daß die koloniale Expansion im vergangenen Jahrhundert die N a h ru n g s und Rohstoffquellen fast der ganzen Erde für Europa verfügbar gemacht hat. Je d e Änderung dieses Zustandes mußte jedoch die latent vorhandene Übervölkerung sofort unter schwersten Störungen der Sozialsphäre in Erscheinung treten lassen. D ie vorstehende Übersicht zeigt auch die innerhalb E uropas rasch ansteigenden biologischen Spannungen zwischen dem agrarischen Osten und Sü d en und der großenteils industrialisierten M itt e und dem Westen und N ord en . D e r Verdichtungsdruck innerhalb einer Generationenspanne beträgt im gesamten Ostraum gegenwärtig über 30 v . L . , in der M ittelmeerzone zwischen 15— 25 v . L . und sinkt nach dem mitteleuropäischen Binnenraum und der skandinavisch baltischen Zone hin a u f 5— l O v . L . ab. I m französischen Kerngebiet der westeuropäischen Festlandszone entwickelt sich sogar ein Anterdruckraum, dem nur an den R änd ern noch leichte Druckzunahmen von 3— 4 v . L . gegenüberstehen. Eine Sonderzone intensiver Verdichtung innerhalb der Bevölkerungsstagnation der westeuropäischen Fest landszone und des skandinavischen R a u m s bilden die kleinen A g ra r staaten L o llan d m it einem Verdichtungsdruck von 21 v. L . und Dänemark m it 17 v . L .
D a s europäische Agrarproblem
21
D ie Rückwirkungen des verschiedenartigen biologischen S p a n nungszustandes und des unterschiedlichen Verdichtungsdrucks kom men nicht nur in den vielseitigen Abstufungen der Industrialisierung und Verstädterung in den einzelnen Zonen Europas zum Ausdruck, sondern werden auch in dem von Ost nach W est und von S ü d nach N o rd sinkenden Z in sgefälle und der in gleicher R ichtung steigenden Lohnkurve sichtbar. V o n W est nach Ost und von N o r d nach S ü d sinken im allgemeinen die Kapitalversorgung der W irtschaft und der durchschnittliche Lebensstandard der Bevölkerung scharf a b ; in gleichem M a ß e wie die materielle Güterversorgung zurückgeht, nimmt der Überschuß an menschlichen Arbeitskräften und biologischer Energie zu. Diese Entwicklungsgegensätze zwischen dem östlichen und südlichen A grargürtel und der nördlichen und westlichen Industrie zone sind durch die Anterbrechung des zwischenstaatlichen Lan d elsund Kapitalverkehrs seit der Krise noch wesentlich verschärft worden. D e r notwendige Ausgleich zwischen diesen Gegensätzen wird für Europa eine F ü lle von Problem en mit sich bringen, deren Lösung unsere Generation im V e r la u f der nächsten Jahrzehnte noch vor schwerwiegende Entscheidungen stellen wird.
II . D a s europäische Agrarproblem D ie europäische Agrarkrise, die eine Folgeerscheinung der über seeischen Agrarsituation ist und mit dem verstärkten Schutz der Land wirtschaft in den mittel- und westeuropäischen Industriegebieten auch auf die randeuropäische Agrarzone übertragen worden ist, überdeckt im Augenblick das viel schwerer wiegende europäische Agrarproblem , das kein Marktproblem, sondern das doppelseitige P ro b le m der landwirtschaftlichen Übervölkerung der gesamten östlichen L ä lfte und der Überhöhung des landwirtschaftlichen P reisn iveau s in der west lichen L älste unseres Erdteils ist. Diese beiden P roblem e der land wirtschaftlichen Übervölkerung und der Überhöhung des agrarischen Preisniveaus sind so weitgehend mit der geschichtlichen Entwicklung, den allgemeinen politischen Voraussetzungen und der sozialen S i tuation in Europa verbunden, daß sie mit agrartechnischen M itte ln allein nicht zu lösen sind. I n den west-, mittel- und nordeuropäischen Ländern ist im Laufe des vergangenen Jahrhunderts der Überschuß der Bevölkerung, der
22
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
unter der Voraussetzung eines langsam wachsenden Lebensstandards der bäuerlichen Bevölkerung nicht mehr von der Landwirtschaft aus genommen werden konnte, in die städtische Industrie oder in die über seeischen Kolonialräum e abgewandert. A u f diese W eise hat sich in ganz W est-, M itte l- und N ordeuropa eine überraschend gleichmäßige V e r h ä l t n i s v o n A g r a r b e v ö l k e r u n g und l a n d w i r t s c h a f t licher N u t z f l ä c h e i n E u r o p a u m 1935
Ländcrgruppc
Nutzfläche Agrarbevölkerung auf aus 1000 Agrar1gkm Nutzfläche bevölkerung Normalstand 42—L0
Normalstand über 20 ykm
N o rd -, West- und M itteleu rop a N ordeuropäische Seezo n e Großbritannien......................................... Skandinavien Dänem ark.............................................. Schweden................................................ N orw egen.............................................
19
52,6
38 46 53
26,3 21,7 18,9
Ostseerandstaaten Estland ................................................... Lettland................................................... Litauen.....................................................
26 31 48
38,5 32,3 20,8
W esteuropäische Festlan dszo ne Frankreich................................................... Schweiz........................................................ B elgien ........................................................ L o llan d .......................................................
45 42 71* 72'
22,2 23,8 14,1' 13,9'
M itteleu ro p äisch er R a u m Deutschland................................................ Österreich....................................................
48 47
20,8 21,3
' Die überdurchschnittliche agrarische Siedlungsdichte in Belgien und Lolland, die aus dem Rahmen der west- und mitteleuropäischen Agrarstruktur herausfallen, bedeutet nicht, wie bei der osteuropäischen Gruppe, eine landwirtschaftliche Übervölkerung, da es sich hier um besonders fruchtbare Böden mit intensivster Bewirtschaftung von teilweise gewerblichem Ein schlag handelt, die durch die unmittelbare Nähe dichtbesiedelter Industrie gebiete ermöglicht wird.
D a s europäische Agrarproblem
Ländergruppc
23
Nutzfläche Agrarbevölkerung auf auf 1000 Agrar bevölkerung 1 gkm Nutzfläche Übervölkerung über SS
Landnot unter IS qkm
62 66
16,1 15,2
Ost-, Südost- und Südeuropa Ü bergan g zur O stgruppe Ungarn ........................................................ Tschechoslowakei...................................... Osteuropäische A g ra rg ru p p e P o le n ........................................................... Südosteuropa Rumänien.............................................. Jugoslawien........................................... B u lgarien .............................................
91
11,0
74 77 98
13F 13,0 10,2
Südeuropäische M ittelm eerzon e Spanien....................................................... P o rtu g a l.................................................... Italien .......................................................... Griechenland.............................................
54 80 90 85
18^ 12F 11,1 11,8
Dichte der landwirtschaftlichen Bevölkerung je Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche herausgebildet, die je nach der B e schaffenheit von K lim a und B o d e n zwischen 40 und 60 Köpfen schwankt. Dagegen ist diese Ziffer in der oft- und südosteuropäischen Agrarzone, wo bis zu B eg in n unseres Jahrhunderts großenteils noch Schollengebundenheit herrschte und die politischen Voraussetzungen zur städtischen Industriebildung oder Auswanderung fehlten, au f das Doppelte angestiegen und bewegt sich gegenwärtig zwischen 70 und 100 Köpfen je Quadratkilometer landwirtschaftlicher N utz fläche. I n der osteuropäischen Agrargruppe sind die klimatischen und geo logischen Vorbedingungen wesentlich ungünstiger als in M itte l- und Westeuropa. Auch die Intensität und Technik der Bodenbew irt schaftung ist hier noch relativ gering und der E rtrag der A grarpro duktion daher verhältnismäßig niedrig, so daß sich die landwirtschaft liche Übervölkerung um so empfindlicher bemerkbar macht. W enn
24
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
m an die G etreide-, Lackfrucht- und tierische P rod u k tion in N a h rungseinheitcn umrechnet, betrug der W e r t des landwirtschaftlichen M engenertrages je Flächeneinheit in der osteuropäischen A g r a r gruppe nur etwa die L ä lf t e b is ein D r itte l der entsprechenden M e n generträge in der m ittel- und westeuropäischen Z o n e . D a umgekehrt die agrarische Bevölkerung je Flächeneinheit doppelt so stark ist, erreicht in der osteuropäischen A grargruppe die Agrarproduktion je K o p f und dam it der Lebensstandard und die K au fk raft der bäuer lichen Bevölkerung nur ein V ie r te l bis ein Sechstel der ent sprechenden Z iffern für M itte l- und W esteuropa. Ähnliche, aber wegen der günstigeren klimatischen Vorbedingungen lange nicht so drückende Verhältnisse entwickeln sich in der südeuropäischen M ittelm eerzone. D ie
landwirtschaftlichen B o d e n e r t r ä g e
in E u r o p a
im
D u r c h s c h n i t t 1 9 3 0 — 1934
Ländergruppe
Getreide
Kartoffeln
Normalertrag IS —20 är je da
Normalertrag ISO—ISS je d»
N o rd -, West- und M itteleu rop a N ordeuropäische Seezo n e Großbritannien......................................... Skandinavien Dänem ark.............................................. Schweden................................................. Norwegen..............................................
20,8
164,7
25,6 18,9 18,5
163,2 133,5 179,8
W esteuropäische F e stla n d szo n e B elgien ........................................................ Niederlande................................................ Schweiz........................................................ Frankreich...................................................
24,4 23,2 20,6 14,6
213,5 188,4 154,9 109,0
M itteleu rop äisch er R a u m Deutschland................................................ Tschechoslowakei . - . ............................ Österreich..................................................... Lngarn..........................................................
18,9 17,4 15,5 13,5
160,0 127,4 132,9 62,2
D a s europäische Agrarproblem
Ländergruppe
25
Getreide
Kartoffeln
Schlechter Ertrag unter IS 62 je tis.
Schlechter Ertrag unter ISO är je k»
1 1 ,8
12 4 ,2
Ost-, Südost- und Südeuropa O stseerandstaaten Lettland........................................................ Estland ........................................................ Litauen.......................................................... Osteuropäische A g ra rg ru p p e P o le n ........................................................... Südosteuropa Jugoslawien ........................................ B ulgarien.............................................. Rumänien.............................................. Südeuropäische M ittelm eerzo n e Ita lie n .......................................................... Spanien....................................................... P ortugal..................................................... Griechenland............................................. So w jetru ß lan d ......................................
1 1 ,5
12 6 ,5
1 1 ,5
1 1 6 ,6
1 1 ,0
1 1 1 ,4
1 2 ,7
5 6 ,9
1 1 ,7
5 6 ,1 8 2 ,9
9 ,8
1 4 ,7
5 9 ,9
10,5
1 1 8 ,8
8,2
2 0 0 ,4
8 ,3
5 4 ,8
8 ,1
8 2 ,2
Berücksichtigt man außerdem, daß die Agrarerlöse in der m ittel-, west- und nordeuropäischen Zone im Durchschnitt wesentlich höher liegen als in der osteuropäischen Agrargruppe und daß umgekehrt in diesen Gebieten die Industrieprodukte nicht unwesentlich teurer sind als in der mittel- und westeuropäischen Industriezone, dann bekommt man eine Vorstellung von dem ungeheuren Unterschied der landwirt schaftlichen Kaufkraft und Lebenshaltung in der östlichen und west lichen Ä ä lfte unseres E rdteils. I n der ganzen östlichen L ä lste E uro pas herrscht unter diesen Amständen großenteils außerordentliche A rm ut und eine für unsere B e g riffe unvorstellbar niedrige Kaufkraft der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die wiederum die Arsache dafür ist, daß sich hier ohne K apitalhilfe des A uslan des die Industrie bisher nur schwach entwickeln konnte. So la n g e die K aufkraft der Landwirtschaft nicht durch eine intensivere Bodenbewirtschaftung gehoben wird, wird auch den Bemühungen um Industrialisierung kein nachhaltiger E rfolg beschieden sein. F ü r die gesamte Osthälfte Europas besteht demnach als wichtigstes Agrarproblem die N o t wendigkeit, einerseits die landwirtschaftlichen Flächenerträge zu
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D ie Grundproblcmc der europäischen WirtschaftSstruktur
steigern und andererseits die in den west- und mitteleuropäischen G e bieten im vergangenen Jahrhundert vollzogene Entwicklung nachzu holen und die landwirtschaftliche Übervölkerung durch Abw anderung in die städtischen Erwerbsmöglichkeiten a u f ein den klimatischen und geologischen Verhältnissen angepasttes M a ß zurückzuführen. N u n stößt allerdings entsprechend dein wesentlich niedrigeren agra rischen P re isn iv e a u in der ganzen Osthälfte E u rop as trotz der bestehenden agrarischen Übervölkerung die notwendige Intensivierung der Landwirtschaft durch M aschinen- und Düngemittelverwendung a u f fast unüberwindliche Schwierigkeiten, w eil, ganz abgesehen von der K ap italarm u t und Verschuldung der B a u e r n , wesentlich andere Kosten und Rentabilitätsvoraussetzungen vorliegen wie in M it t e l und W esteuropa. D ie Düngemittelverwendung in Ost- und Südost europa, aber auch in Sü d -u n d Südwcsteuropa, beträgt nur einen B ru ch teil der entsprechenden Aufw endungen in den übrigen T eilen E uropas und erreicht selbst in den angrenzendenGebieten des mitteleuropäischen B in n en raum s nur ein Zehntel und weniger der Aufwendungen in den hochintensivierten Gebieten der westeuropäischen Festlandszone. D ie oft- und südosteuropäischen Länder haben dieses P ro b le m weitgehend erkannt und machen große Anstrengungen, uni A b h ilfe zu schaffen. W ährend sie aber durch die Ausstrahlungen der übersee ischen Agrarkrise und die ungelösten Verhältnisse im mitteleuro päischen R a u m in ihrer B ew egungsfreiheit stark gehemmt sind, droht ihre Bevölkerungsentwicklung die nur langsam in G a n g kommenden M aß nahm en bereits wieder zu überholen. W ie im vorangegangenen Abschnitt bereits ausgeführt wurde, hat der Osten E uropas noch im Laufe dieser Generation einen Zuw achs von 75M illio n e n Menschen zu erwarten, wovon 50 M illio n e n a u f das europäische R u ß la n d und 25 M illio n e n a u f P o le n und die Balkanstaaten entfallen. W en n sich für diese neuen Menschenmassen keine Abwanderungsmöglichkeiten in das industrielle Erwerbsleben im I n - oder A u slan d schaffen lassen, würde schon kurz nach der Jahrhundertm itte die agrarische S ied lu n gsdichte in der östlichen Ä ä lfte E uropas dreimal so groß sein wie in der westlichen L ä ls te . D ie Z a h l der von 1 Quadratkilometer landwirt schaftlicher Nutzfläche lebenden Agrarbevölkerung würde beispiels weise in Südosteuropa a u f über 100 und in P o le n a u f 130 anwachsen. D ie Bevölkerung in dieser Zone nimmt gegenwärtig rascher zu als die agrarische Produktion und, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, auch stärker als die industrielle Güterversorgung. D ie
D a s europäische Agrarproblem
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D ü n g e m i t t e l a u f w a n d i n E u r o p a in K i l o g r a m m je L e k t a r Nutzfläche
Ländergruppe
Düngemittel insgesamt
davon: Stickst°ff
Kali L.O
P h o s phor r.o.
W e s t - ,M it t e l- und N o r d europa L o lla n d ......................................... Belgien........................................... Deutschland................................. Dänemark......................................
Loch in ten sivierte Z o n e W e stund N o rd e u r o p a s über 35 kg je Kn 28,5 90,7 27,2 35,0 29,8 22,2 78,2 26,2 13,8 21,7 48,5 13,0 19,3 34,9 9,2 6,4
N o r d - , W est- und S ü d europa Norw egen................................... Schweden...................................... Frankreich...................................... Schw eiz........................................ Großbritannien......................... It a lie n ........................................... Sp an ien ........................................ P o rtu g a l......................................
G u t in tensivierte Z o n e N o r d - , W est- und S ü d e u r o p a s 10—20 kg je kn 9,6 21,4 6ch 5ch 8,4 4,3 17,5 4,8 9,9 19,4 4,2 5ch 12,7 8,4 0,8 3ch 5,4 10,9 2,6 2,9 12,0 0,6 8ch 3,1 11,4 0,7 6,8 3,9 9,5 2,2 7,0 Och
M it t e l- und Sü d eu rop a Tschechoslowakei ....................... Österreich..................................... Griechenland.................................
M ä ß ig in tensivierteZ on e M it t e lund S ü d e u r o p a s 3—9 Lg je kn 9,5 4,9 2,3 2ch 5,6 2,7 1,4 Ich 2,6 0,7 0,6 ich
M it t e l- und Osteuropa P o le n ............................................. Llngarn.......................................... Jugoslawien................................ Rum änien................................... Bulgarien.....................................
N ich t intensivierte Z o n e M it t e lund O steurop as unter 2 Lg je kn 0,8 0,6 0,5 1,9 0,6 0,5 0,0 0,1 0,2 0,0 0,1 0,1 0,0 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
28
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
Tatsache, daß Ita lie n bei allerdings wesentlich besseren klimatischen Vorbedingungen in dieser Z e it die gleiche agrarische Siedlungsdichte erreichen würde wie P o le n und gleichfalls in seinen Jndustrialisie. rungsmöglichkeitcn stark beschränkt ist, gibt eine V orstellung von der P roblem atik der A grarsituation auch in der M ittelm ecrzone. A g r a r b e v ö l k e r u n g je Q u a d r a t k i l o m e t e r N u t z f l ä c h e i n O s t und S ü d e u r o p a um 1930 und I960 * Länder
1930
P o l e n ...................................................................... 91 B u lgarien .............................................................. 98 Jugoslawien ......................................................... 77 Rum änien.............................................................. 74 I t a lie n ..................................................................... 90 * Errechnet unter der Voraussetzung, daß keine Abwanderung erfolgen würde.
1960 133 124 96 93 131 vom Lande
D a eine derartige agrarische Verdichtung im Osten und Sü d en E u rop as selbst unter der Voraussetzung einer starken Intensivierung der dortigen Landwirtschaft zur weiteren Absenkung des Lebens standards der bäuerlichen Bevölkerung führen müßte, läßt sich der gewaltige Druck zur Verstädterung und Industrialisierung oder zur geschlossenen völkischen Expansion abschätzen, der für unsere G en era tion das P ro b le m des europäischen Ostens und eines T e ils der M ittelm eerzone bilden w ird. D ie vor dem W eltkrieg in kurzen A b ständen wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen am B a lk a n waren bereits unmittelbare F olgen dieses Zustandes, bei dem die Voraussetzungen einer Absaugung der überschüssigen Bevölkerung durch Industrialisierung noch nicht gegeben waren. Ähnliche V e r hältnisse entwickeln sich zur Z e it in der M ittelm eerzone. H ier mündet das agrarische Teilproblem Osteuropas in ein europäisches Gesam t problem ein, daß nämlich für den anhaltenden Bevölkerungszuwachs der Ost- und Sü d h älfte unseres Erdteils in diesem Jahrhundert nicht mehr die günstigen Voraussetzungen der politischen und wirtschaft lichen Expansion durch Auswanderung oder Industrialisierung vor handen sind, die für die Entwicklung der W est- und N ord hälfte im vergangenen Jahrhundert maßgebend waren. D ie osteuropäischen A grarländer und T eile der südeuropäischen Zone treten m it der Hauptmasse ihres Bevölkerungszuwachses in einem Zeitpunkt in die europäische Entwicklung ein, in dem dieMöglichkeiten der Ausbreitung
D a s europäische Agrarproblem
v k n
2y
k v n o p L iL c u k ^ i ^ e » ^ « § n u n i o ^ /rsw^isetts üse»vöu«knvdis os7-u»<o sü o e u n o p ^
2 8 I L k i I Z I i Ä l I l I l 8 H -^lN !L l?Ä S ? 0>s ^iötie :«r tmk- -n ö!oc!<r re!gt <I!«I!!cdte -lee
sgsJrisctien vevölkerong ie gl<m lan^v/irtsctlsftlictiek' ^utrfläctle/-- " vis ttote cler oberen ölocks reigt rjie sgrMsctie Sevöllcerungsclickte derogen/^ gut cten öocienestngg.vodei ^ereuropäisctie llöclisterts'3gllw<^iu<m72ssLSknrklvk^ds)gleicti 1gesetzt ist. kin käld so gsvLep krnteentr3gOE>vk^ m M»kioc^ l«>ekgidt also eine Verdoppelung rler sgrJrisctien 5evöil«esunV> clictite derogen auf cten Kcxjenertrso.
^ .-
-
vie beAmtbölis üer dsiöen kicxLs stellt somit einen lnclex / cjer gLrarisctien öevolkerunos-tictlte derooen gut l3nctivlrtüctie tiutrfläcke unä 5o6enertr3g -ür.
vie sgldri'sctie öevöllcsrung.derogen suf 6ie ^utrtlZctis.tcZnn.sbyeset«n von cteri geringen t-löglictliceiten einen Vergröüsmng üerl3nölv,rts<^ZttI,cden k^Iactie nurrlurcti Lbv/ancterunglvkftLücorcnu^vno^vuLn^iÄk^^^die lsnovirtsekaftlicke Udervölicerung berogen suf clen öoctsnertrsg clsgegen suct, «lurck Steigerung <kr kmteertr-ige llm^;iviLkru»ü «» gelost vewen.
nach der außereuropäischen W e lt im wesentlichen vorbei sind. D ie Aussicht, in absehbarer Z e it ohne politische Expansion oder starke wirtschaftliche Ä ilfe W est- und M itteleuropas einen dem westeuro päischen auch nur einigermaßen angenäherten Lebensstandard zu er reichen, ist für diese Gruppe daher nur gering.
za
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsflruktur
W ährend in der Ost- und S ü d h ä lfte E u rop as die agrarische Übervölkerung eine ernste Zukunftssorge bildet, entwickelt sich in M it t e l und W esteuropa die künstliche Überhöhung des landwirtschaftlichen P re isn iv e a u s und der bäuerlichen Lebenshaltung zu einem immer gefährlicheren F ak to r der wirtschaftlichen Gleichgewichtsstörung. D ie Kosten des stark überhöhten A grarpreisniveaus gegenüber dem W eltm arkt durch die künstliche Absperrung der europäischen Lan d wirtschaft vor den billiger produzierenden überseeischen A g ra rw irt schaften sind bisher durch verteuerten Fertigw arenabsah a u f die außereuropäischen Kolonialgebicte überwälzt worden und daher nicht a ls Druck a u f die innereuropäische Lebenshaltung in Erscheinung getreten. W elches A u sm aß diese Überhöhung des europäischen A grarpreisniveaus angenommen hat, zeigt die nachstehende Übersicht. P r e is g e fä lle
f ü r A g r a r p r o d u k t e in E u r o p a g e g e n ü b e r dem W e l t m a r k t im J a h r e 1934
Ländergruppe
M itte le u ro p ä isch e r R a u m Deutschland.................................... Tschechoslowakei ......................... Österreich ......................................... M itte lm e e rzo n e I t a lie n ..............................................
Preis Überhöhung gc genüber 1 ür A leltmarkt Molkerei Weizen Fleisch produkte S e h r starker Agrarhochschutz 2 3 IN 3 3 IN 2N 2N IN 3
IV .
2N
W esteuropäische Z o n e Frankreich......................................... Niederlande.................................... Schw eiz...........................................
S ta rk e r b is m äßiger Agrarschutz gering gering 3 keine IN IV . ' IN 3N
Osteuropäische G rup pe P o le n ................................................ Llngarn............................................. R um änien...................................... Bulgarien........................................ Jugoslawien...................................
M ä ß ig e r b is m ilder Agrarschutz gering IN IN 2 keine lN keine keine IN gering gering IN gering keine keine
N ordeuropäische Seezo n e Großbritannien ........................... Dänemark ......................................
K e in oder nur geringer Teilschutz keine keine IVkeine keine keine j
D a s europäische Agrarproblem
Zl
Entscheidend ist, daß vor dem Kriege unter wesentlich günstigeren Voraussetzungen für dieeuropäischeIndustrie-undNohstoffwirtschaft diese Überhöhung des Agrarpreisniveaus gegenüber dem W eltmarkt nicht entfernt im gleichen ü m fan g bestand, sondern in der Lauptsache erst während der letzten Krise als F o lge des Preissturzes in Übersee und der Stühungsm aßnahm en in Europa eingetreten ist. D a s gilt für die gesamte mittel- und westeuropäische Festlandszone, wo der Agrarhochschuh zu einer mehrfachen Überhöhung des inneren P r e is E n tw ic k lu n g d e s A g r a r p r e i s n i v e a u s in E u r o p a g e g e n ü b e r dem W e lt m a r k t Preisüberhöhung gegenüber Weltmarkt -- I für Ländergruppe ISIS
Molkereiprodukte Weizen Fleisch ISA 1S24 ISIS ISA ISZ4 ISIZ ISA 1SS4
M itt e le u r o p ä S e h r sta r k e r ischer R a u m und-gering Deutschland.......... 3 IVTschechoslowakei. keine IV° 3 keine Österreich.............. keine 2V- keine M ittelm eerzon e Ita lie n ..............
IV-
IV-
3
A g r a r hochschuh IVIVIV-
keine V "
keine gering 3 2 IV- keine keine 3 1V° keine keine 2VV.
keine gering IV .
W esteuropäische Z one Frankreich............ Niederlande — Schw eiz................
keine keine IV . keine keine keine IV- IV- 3 keine keine IV- keine keine IV- keine keine keine keine keine 3VIV- IV- IV-
O ste u ro p ä isch e G ru p p e P o le n ..................... Rum änien............ B u lgarien ............ Llngarn................... Jugoslawien..........
keine keine keine keine keine
S t a r k e r b is m ä ß ig e r A g ra rsc h u tz
M ä ß ig e b is m ild e A g r a rs tü h u n g 1V.° keine keine keine keine
N ordeuropäische n e cn Seezone Großbritannien. . keine keine Dänemark.............. keine keine Schweden.............. keine keine
IV- keine keine keine keine keine IV. IV. IVIV- keine keine keine keine keine 2 keine keine keine gering keine keine keine oder nur g e r in g e r Teilschutz keine keine keine gering keine keine keine keine keine keine gering keine keine gering IV . keine keine keine keine keine 2
Z2
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
Niveaus gegenüber dem W eltm arkt geführt h at, in abgeschwächtem M a ß e aber auch fü r die osteuropäischeAgrargruppe, bei der staatliche M o n o p o le und Stützungsaktionen früher nicht vorhanden waren. D ie rasche Durchsetzung dieser Überhöhung des A grarpreisniveau s läßt sich aus der vorstehenden Übersicht gut ablesen. Diese Überhöhung des A grarpreisniveau s in weiten T eilen K o n tinentaleuropas wird sich nur vorübergehend und unter großen O p fern halten lassen. D en n die Tatsache, daß die drei stärksten Industrieexportmächte — G roßbritannien, V erein igte S ta a te n von A m erika und J a p a n — einschließlich sämtlicher in die Industrialisie rung gekommener Kolonialgcbiete von einem wesentlich billigeren A grarp reisn iveau ausgehen, läßt eine A bw älzung der überhöhten kontinentaleuropäischen Lebenskosten a u f den Fertigw arenexport nach Außereuropa nur mehr a u f beschränkte S ic h t zu. D a m it wird der Druck der europäischen Agrarpreisüberhöhung a u f die innereuro päische Lebenshaltung zurückverlagert werden. D ie W irtschaftspolitik ganz M itt e l- und W esteuropas wird unter diesen Amständen schon in nächster Zukunft ständig von dem D ilem m a des Preisschutzes für die innereuropäische Landwirtschaft und der notwendigen Aufrecht erhaltung des Industrieexports nach Außereuropa, also von dem sozialen P ro b le m der Lastenverteilung au f die ländliche und städtische B evölkerung beherrscht sein. D ie lebenswichtige Bedeutung des Zndustrieexports und des Nohstoffbezugs wird in den folgenden A b schnitten noch eingehender behandelt werden. D a s europäische Agrarproblem hat ein Doppelgesicht. W ährend in der osteuropäischen A grargruppe und teilweise in der südlichen M ittelm eerzone das P ro b le m der landwirtschaftlichenAbervölkerung und die F r a g e ihrer Lockerung durch politische Expansion, Industria lisierung oder Ausw anderung im Vordergründe steht, wird in der westeuropäischen Festlandszone und im mitteleuropäischen W ir t schaftsraum schon in nächster Zukunft das soziale P ro b le m des rich tigen Lastenausgleichs zwischen Landwirtschaft und Industrie im M ittelpunkt der wirtschaftspolitischen Entscheidungen stehen. D ab ei ist fü r die Zukunft E u rop as von ausschlaggebender B edeu tu n g, daß beide P roblem e ausschließlich a u f Kontinentaleuropa begrenzt blei ben, das ohnehin seine frühere Kapitalstellung gegenüber A ußer europa durch den W eltkrieg eingebüßt hat. D ie kapitalstarke nord europäische Seezone wird von diesen Schwierigkeiten nicht berührt, w eil hier ein Agrarpreisschutz in nennenswertem Am fang nicht be-
D a s europäische Industrieproblem
3Z
steht und, abgesehen von Dänem ark und den Nandstaaten, auch die B edeutung der Landwirtschaft gegenüber B ergbau und Industrie, Forstwirtschaft, S ch iffa h rt und Fischerei stark zurücktritt.
I I I . D a s europäische Industrieproblem D e r A ufstieg E u rop as zum politischen, wirtschaftlichen und kul turellen M ittelpunkt des E rdballs ist im wesentlichen eine F o lg e der hier entwickelten M aschinen- und Chemietechnik, die den europäischen V ölkern die W a ffe n für ihre Expansion über die ganze W e lt schmie dete. Erst m it der Entwicklung der industriellen Technik ist die V o r herrschaft der weißen Nasse und E urop as, das vorher das ständige E infallsgebiet der Eroberervölker der angrenzenden Erdteile gewesen w ar, endgültig gesichert worden. D e r Aufstieg der europäischen In d u strienationen zu ihrer heutigen Siedlungsdichte, ihrer V o rzu g s stellung in der W e lt und ihrem unvergleichlich hohen Lebensniveau beruht letzten Endes au f der monopolartigen Stellung des technischen V orsp ru n gs, der allerdings mehr und mehr ein Erbe der Vergangen heit zu werden beginnt. A m so mehr wird für die Zukunft unseres Erdteils die F r a g e dringend, welche anderen Möglichkeiten Europa bei dem immer kleiner werdenden Abstand des industriellen V o r sprungs für die Erhaltung seiner W eltgeltung und zum Ausgleich der besseren Vorbedingungen der N a tu r und unvergleichlich groß räumigerer S t a a t s - und Wirtschaftsgebiete in den anderen K o n tinenten einzusetzen vermag. D i e B e r u f s g l i e d e r u n g der eu rop äisch en B e v ö lk e r u n g
Am 1930
Europa einschl. A d S S N . MiU.
G esam tbevö lkeru n g.................. davon entfallen auf Land- und Forstwirtschaft . . . Gewerbliche Produktion.......... Industrie..................................... Landwerk................................... Lande! und Verkehr................. Öffentliche Verwaltung .......... R-Ichlnger r
1
v. H.
Europa ausschl. A d S S N . Mll. ^ ».tz.
496
100,0
373
100,0
250 125
5 0 ,4
150
4 0 ,2
2 5 ,2
90 35 55 28
18,1
110 80
2 9 ,5 2 1 ,4
30 50 25
8,1 1 3,4
7,1 11,1 5 ,6
6 ,7
34
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschastsstruktur
D e r europäische R a u m ist im ganzen gesehen noch ein vorwiegend agrarischer R a u m m it einen: verhältnism äßig schmalen großindusiriellen K e rn , breiten gewerblichen Mittelschichten und fast rein agra rischem N an d g ü rtcl. V o n den 500 M illio n e n M enschen, die Europa bevölkern, leben gegenwärtig etwa 250 M illio n e n , also die L ä lf t e , von der Landwirtschaft, 125 M illio n e n oder ein V ie r te l von In d u strie und Landw erk, weitere 55 M illio n e n vom L a n d e ! und Verkehr und etwa 30 M illio n e n von öffentlicher V erw a ltu n g und privaten Dienstleistungen. Auch wenn m an Sow jetrußland ausscheidet, steigt der A n te il der gewerblichen Bevölkerung nicht über 30 v . L . , der A n te il der reinen Industriebevölkerung nicht über 20 v . L . Diese Industriebevölkcrung ist zu vier Fü n fteln in den nord- und m ittel europäischen Kerngebieten konzentriert, während der N e st a u f die R andzonen verstreut ist. W ie in E n glan d , dem M u tterlan d der industriellen P rodu ktion , hat sich auch in Kontinentaleuropa die Industrie größtenteils in G e bieten entwickelt, die von alters her in der gewerblichen Tätigkeit führend waren und in ihrer M itt e oder am R a n d e die wichtigsten Kohlenlager und Erzvorkommen als Stützen der industriellen P r o duktion im Zeitalter der Dampfmaschine auswiesen. D e r eine, in der S ü d -N o rd -R ic h tu n g verlaufende Z u g der europäischen Industrie ist an den mittelalterlichen Landelsstraßen entstanden, die von O b er italien über die A lp en und von da über die rheinischen S tä d te oder die Cham pagne zu den flandrischen S tä d te n führten. D ie zweite, in der W est-Ost-Nichtung streichende Jndustriezone, die sich vom R h e in über Mitteldeutschland bis an den R a n d der Karpathen erstreckt, ist durch die R ichtung der deutschen Kolonisation im M itte la lte r vorge zeichnet. D arüber hinaus hat in jüngster Z e it nur die Erschließung neuer K ra ft- und Rohstoffquellen — Braunkohle, W asserkräfte, bergbauliche Fundstätten — noch Industriesiedlungen größeren A u sm aß es hervorgebracht. Außerhalb dieser Gebiete hat sich in Europa nur wenig Jndustrietätigkeit entwickelt. A lle Länder, die nicht an diesen historisch gewordenen Arbeitsstätten teilhaben — einschließlich Ita lie n und P o le n , bei denen diese Industriebezirke einen kleinen T e il des Gesamtgebietes ausmachen — sind bis zur Gegenw art vorwiegend A grarländer geblieben. V o r dem K riege ergab eine Gegenüberstellung von Industrie- und Agrarländern das folgende B i ld .
D a s europäische Industrteproblem
zz
B e v ö l k e r u n g u n d in d u s t r ie lle P r o d u k t io n in E u r o p a v o r dem K r i e g Bevölkerung
Indu trielle Prod uktion* v. H. Mrd.M
P ro duktion je Kopf M
MM.
v. H.
E u ro p a ohne A d S S N . . Industrieländer........................ Agrarländer ............................
343 184 159
20,2 10,8 9,4
127 104 23
49,8 40,8 9,0
370 565 145
ÜbrigeW elt ohne l l d S S R . V er. S t . v. Amerika ........... Übrige Länder..........................
1217 97 1120
71,6 5,7 65,9
117 72 45
45,9 28,2 17,7
96 742 40
R u ß la n d ( U d S S R ) .............
140
8,2
11
4,3
79
W e l t ................................................
1700
100,0
255
100,0
150
* Zu Preisen von 1928. S e it dem Kriege haben sich die standortmäßigen Voraussetzungen für den A u fb au neuer Industrien wesentlich geändert. Teilweise noch verdeckt durch die Rückstände der letzten Weltwirtschaftskrise und deshalb in ihren Wirkungen nicht immer klar erkennbar, vollzieht sich in der europäischen Industriewirtschaft gegenwärtig ein Struktur wandel, der in der Geschichte der industriellen Entwicklung eine P a ra lle le nur in der stürmischen Amlagerung des industriellen Schwergewichts von Großbritannien auf die kontinentaleuropäische und nordamerikanische Industriezone in der zweiten L ä lste des vori gen Jahrhunderts hat. D ie durch den Weltkrieg ausgelösten In d u strialisierungstendenzen im gesamten europäischen N andgürtel und in den außereuropäischen A grar- und Rohstoffgebieten haben während der Wirtschaftskrise noch beträchtlich an Stärke zugenommen und sind ein wichtiger Grund dafür, daß die Überwindung der Depression in den alten Industrieländern nur langsam und unter gleichzeitigem strukturellem Ambau vor sich geht. D ie Gründe für diese Entwicklung sind sowohl politischer wie auch wirtschaftlicher N a tu r . D ie tiefgreifenden Störungen im internatio nalen W ährungs- und Kreditwesen, die verstärkten Agrarschutz- , bestrebungen der alten Industrieländer und die W andlungen der poliischen Anschauungen über die Stellung des S ta a te s zur Wirtschaft
^6
D ie
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtsthaftöstruktur
E n tw ic k lu n g
d e r e u r o p ä is c h e n I n d u s t r i e p r o d u k t i o n s e it 1 9 1 3 - - 100 1913
1928
1934
E u r o p a ohne A d S S N . Industrieländer ............................. Agrarländer.....................................
100 100
III 126
99 152
Ü b r ig e W e lt ohne A d S S N . V e r . S t . v. Am erika.................. Übrige Länder................................
100 100
159 160
114 280
S o w je t r u s ila n d ( A d S S R ) .. .
100
14Z
423
W e l t .......................................................
100
137
130
haben grundlegende Veränderungen im System der internationalen Handelsbeziehungen und dam it auch der Industriewirtschaften zur F o lg e gehabt. D a z u kommt, daß infolge des starken P r e is fa lls der R oh stoffe und Agrarprodukte im Vergleich zu den Fertigw aren die S p a n n e zwischen Löhnen und Lebenshaltungskosten in den alten Industriestaaten gegenüber den Agrarländern sich so stark vergrößert h a t, daß hier trotz K ap italm an gels, technischer Rückständigkeit und sonstiger Schwierigkeiten die industrielle Eigenproduktion auch w irt schaftlich lohnend geworden ist. Llnter diesen Voraussetzungen hat auch die randeuropäische Z o n e , die früher keine Aussicht a u f indu strielle Entwicklung hatte, trotz teilweise schmaler Rohstoffbasis und stark zersplitterter Absatzräume den A u fb a u eigener Industrien in A n g r iff genommen. D a z u kommt die im vorigen Abschnitt behan delte agrarische Übervölkerung der gesamten Osthälfte unseres E rd te ils , unter deren Druck die slawische Völkergruppe zur Industriali sierung und Verstädterung gezwungen wird. D ie Schwierigkeiten, die einer raschen Industrialisierung hier entgegenstehen, sind bereits angedeutet worden. Ziffernm äßig kommt das A usm aß der bisherigen Industrialisie rung der Agrarländer bei einem Vergleich der industriellen Produ k tionswerte je K o p f noch nicht voll zum Ausdruck, weil besonders bei der osteuropäischen Agrargruppe die Bevölkerung rascher zunimmt
D a s europäische Jndustrieproblem
37
I n d u s t r i e - P r o d u k t i o n u n d V e r b r a u c h in E u r o p a in N M
je K o p f
R M je Kops der Bevölkerung zum Preisstand von 1928 Ländergruppe
N ordseezone Großbritannien
Erzeugung Verbrauch 1912 1192S 11923 1913 § 1923 § 1933
Sald o' 1913 s 1923 1 1933
L o ch in d u strialisierte Äberschußzone mit rückläufiger In dustriep rod uk tion 816 711 651 635 609 602 4-181 4-102 4- 49
M itteleuropäischerNaum Deutschland r 600 635 428
-
553 350
-
4- 82
4- 78
M it t e l- und schwachindustrialisierte Zuschußzone m it steigender In dustriep rod uk tion N ordseezone Dänemark. - 304 343 375 437 495 516 — 133 — 152 — 141 Schweden . . 400 492 419 399 510 442 4- 1 — 18 — 23 Norwegen . 208 323 326 302 434 365 — 94 — 111 — 39 Finnland. - 72 147 129 109 205 142 — 37 — 58 — 13. — 30- — 24Litauen----- l24 109 144 . 139 168 . — 42- — 26 Lettland . . - 280 187 258 229 284 — 36- — 27Estland . . . . 145 152 178 188 205 M ittelm eerzone Italien ----Spanien . . . Portugal . . Griechenland
195 184 109 45
W esteuropaische Zo n e Frankreich. . Schweiz . . . Belgien----Lolland . . .
M itte lin d u stria lisie rte Zone m it stagnierender oder sinkender Industrieproduktion 465 597 494 408 547 501 -i- 57 4- 50 — 7 660 702 533 611 662 630 4- 49 4- 40 — 97 367 490 340 314 394 292 -j- 53 -i- 96 4- 48 348 456 301 440 581 400 — 92 — 125 — 99
274 187 134 145
212 182 282 219 -ch 13 — 8 — 7 191 189 207 199 4- 5 — 20 — 8 130 147 186 170 — 38 — 52 — 40 153 57 192 173 — 12- — 47 — 20
M itteleurop äischerNaum Tschechoslowakei. . . . 301 386 234 Österreich . . 265 314 209 A ngarn----- 150 153 122
.
.
343 217 322 217 192 129
. .
-
4- 43 — 8 — 39
4- 17 — 8 — 7-
z8
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschastsstruktur
N M je Kopf der Bevölkerung zum Preisstand von 1928 Ländergruppe
O steu ro p äisch e A g ra rgruppc P o le n ........... Jugoslawien' Rum änien..
Erzeugung IM 11S2S 1IM
Verbrauch I M §IS2S i ISN
IM
S a ld o 1 1S2S ^ I M
Schwach in d u strialisiertc Z o n e m it rascher steigender V evölkerung als In d u strie p ro d u k tio n 94 40 106 85 44 — 9 ch 4 141 134 104 120 106 — 21 — 28 70 63 64 44 79 55 4 - 2 6 — 16 -s -9
* Nachkriegsgebiet. — ? Mehrproduktion (4-), Mehrverbrauch (—). — ^ Der Saldo pro Kopf der Bevölkerung ist aus auf 2 Stellen nach dem Komma errechneten Zahlen errechnet worden, daher erscheinen hier Werte, während bei den absoluten Zahlen der Saldo mit ch 0,0 angegeben ist. a ls die Industrieproduktion. D a z u kommt, daß sich in diesen Ländern infolge bergbaulicher und forstwirtschaftlicher Nohstoffvorkommen vor dem Kriege verschiedene Grundindustrien m it überwiegendem Auslandsabsatz entwickelt hatten, deren Absatzmärkte durch die Grenzverschiebungen infolge der Nachkriegsverträge teilweise ver lorengingen oder die unter dem Einfluß der Krise ihre Erzeugung einschränken mußten. Im m erhin zeigt die Tatsache, daß trotz dieser Lem m ungen im ganzen oft- und südosteuropäischen R a u m m it A u s nahme von P o le n die industrielle Produktion des Ja h r e s 1934 absolut wesentlich über der von 1913 la g , in wie raschem Tem po sich der industrielle N eu au fb au vollzieht und die Produktionsrückgänge in den alten Industrieländern kompensiert. D a s europäische Jndustrieproblem spaltet sich unter diesen A m ständen in zwei P ro b lem e a u f. E in m al in das P ro b le m der bereits kurz besprochenen Industrialisierung der außereuropäischen Gebiete, die eine starke V erlageru n g der Nohstoffbezüge und des F e rtig warenabsatzes nach Äbersee m it sich bringt, und zweitens in das P ro b le m der innereuropäischen Industrialisierung und dam it der Verschiebung der bisherigen Gleichgewichtslage und Arbeitsteilung der einzelnen europäischen Länder untereinander. I n beiden F ä llen nimmt Großbritannien eine Sonderstellung ein, weil es infolge seiner finanziellen Gläubigerstellung und der Verbundenheit m it seinem außereuropäischen W eltreich anderen Voraussetzungen unterliegt wie die kontinentaleuropäischen Industrieländer. D ie bisherige Industrie-
D a s europäische Jndustrieproblem
39
entwicklung in Europa war dadurch gekennzeichnet, daß außer G roß britannien nur Deutschland und teilweise auch Frankreich und B elgien au f der Grundlage ihrer Kohlen- und Eisenvorkommen hauptsächlich Produktionsgüterindustrien — B erg b au , Eisen- und M etallindu strie, Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie — als Erportindusirien entwickelt hatten. S e it Kriegsende kommen als neue W e tt bewerber au f gleicher Grundstoffbasis P o le n und die Tschechoslowa-
40
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
I n d u s t r i e - P r o d u k t i o n u n d V e r b r a u c h in E u r o p a in M r d . R M Werte in M illi ardcn N M zum ^ -reisstand von 1928 Ländergruppe
Erzeugung ISIS j INS j IM
Verbrauch ISIS > INS § IM
Saldo? ISIS j INS j I M
L o ch in d u stria lisie rte Äberschußzone m it rück lä u fig e r In d u striep ro d u k tio n N ord seezo n c Großbritannien 34,7 32,4 30,3 27,0 27,8 28.0 -1-7,7 4-4,6 4-2,3 M itte le u r o p a isch erR au m 36,0 40,4 27,9 Deutschland?
-
35,2 22,8
chS,2 4-5,1
N o r d seezone Dänemark . . . Schweden----Norw egen. . . Finnland----Litauen............. Lettland........... Estland.............
M it t e l- und schw achindustrialisierte Zuschuß. zone m it steigender In d u strie p ro d u k tio n 0,9 1,2 1,4 1,2 1,7 1,9 — 0,3 — 0,5 —0,5 2,3 3,0 2,6 2,2 3,1 2,7 -l-0,1 - 0 ,1 - 0 ,1 0,5 0,9 0,9 0,7 1,2 1,0 — 0,2 — 0,3 - 0 ,1 0,2 0,5 0,5 0,4 0,7 0,5 - 0 ,2 — 0,2 4:0,0 0,3 0,4 0,2 0,3 0,4 4:0,0 4:0,0 0,5 0,4 0,4 0,4 0,6 4:0,0 — 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 4:0,0 4:0,0
M itt e lm e e r zone Ita lie n ............. Spanien ----Portugal . . . Griechenland.
6,9 11,0 3,7 4,2 0,7 0,9 0,3 0,9
W esteu ro p äische Z o n e Frankreich . . Schweiz........... B elgien ........... Niederlande.. M itte le u ro p a ischer R a u m Tschecheslowakei . . . Österreich . . . Angarn.............
8,9 4,6 0,9 1,0
6,7 11,3 3,8 4,7 0,9 1,3 0,3 1,2
9,2 4-0,2 — 0,3 —0,3 4,8 - 0 ,1 —0,5 —0,2 1,1 —0,2 - 0 ,4 - 0 ,2 1,1 4:0,0 —0,3 - 0 ,1
M itte lin d u s tr ia lis ie r te Zo n e m it stagnierender oder sinkender In d u striep rod u k tio n 19,4 24,5 20,7 17,0 22,5 21,0 4-2,4 4-2,0 —0,3 2,6 2,8 1,9 2,4 2,6 2,6 4-0,2 4-0,2 - 0 ,7 2,8 3,9 2,8 2,4 3,1 2,4 4-0,4 4-0,8 4-0,4 2,1 3,5 2,5 3,2 4,5 3,4 - 1 ,1 - i , o —0,9
4,1 1,8 1,2
5,6 2,1 1,3
3,5 1,4 1,1
' '
5,0 2,2 1,6
3,3 1,5 1,1
. . -
4-0,6 4-0,2 - o , i —0,1 —0,3 4:0,0
D a s europäische Industricproblem
41
Werte in Milliarden R M zum Preisstand von 1928 Ländergruppe
Erzeugung IS 1 Z 1 1S2S 1 1 R Z
Verbrauch isi3 § is2s ^isrr
Saldo i isir ^ isW i isrr
Osteuropäische Schwach industrialisierte Zone m it rascher A g ra rg ru p p e steigender B evölkeru n g als Industrieproduktion P o l e n ............. Jugoslawien^. Rum änien. . .
2 ,9
2 ,6
1,4
1,4
1 ,6
1 ,5
1,1
1,1
1 ,2
.
0,7
2 ,9 1 ,9 1 ,4
—0,3 -bO,1 — 0,3 - 0 ,4 1,0 -bO,4 — 0,3 4- 0,2 1^ 1,9
.
* Mehrproduktion (4-), Mehrverbrauch (—). — ^ Nachkriegsgebiet. kei hinzu. It a lie n , das seiner Struktur nach in der Hauptsache feinere Verarbeitungsindustrien entwickeln sollte, wird neuerdings durch den A u sb au der Verbrauchsgüterproduktion im gesamten europäischen R a n d gü rtel gleichfalls au f die Herstellung technischer Produktions güter abgedrängt, wozu ihm die natürlichen Voraussetzungen fehlen. D ie F o lg e dieser Entwicklung ist, daß die Rohstoffversorgung der jungen Industrieländer und ihre Einschaltung in die geschrumpften Exportmärkte künftig in zunehmendem M a ß e die europäische A u f merksamkeit beschäftigen werden. W elche B edeutung die fortschreitende Industrialisierung der außer europäischen W e lt für die industrielle Produktion der alten euro päischen Industriemächte erlangen wird, geht aus der Tatsache her vor, daß bisher von der gesamten europäischen Exportproduktion zwei D ritte l nach den A g ra r - und Rohstoffländern abgesetzt wurden, während nur ein D ritte l a u f den Austausch der Industrieländer unter einander entfällt. F ü r die Produktionsmittelindustrien der euro päischen Industriemächte kann der industrielle A u sb au der A grarund Rohstoffländer der W e lt noch au f längere Sicht zusätzliche A b satzmöglichkeiten schaffen, während für den Verbrauchsgüterexport eine weitgehende Amstellung der Produktion erforderlich sein dürfte. Angesichts der allgemeinen Industrialisierung in der W e lt und des doppelt bis dreifach überhöhten Agrarpreisniveaus in ganz M itte l und Westeuropa wird sich vor allem der europäische Verbrauchs güterexport au f die D au er kaum aufrechterhalten lassen. Eine weit sichtige kontinentaleuropäische P o litik müßte sich daher schon jetzt die A u fgab e stellen, einen allmählichen Kosten- und Preisausgleich zwi schen dem A g ra r - und Jndustriegefälle zum W eltmarkt in die W ege
42
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
zu leiten und den industriellen A u s b a u im europäischen A g ra rg ü rte l m it H ilfe von K ap italexport, Landelskompensationcn oder sonstigen vertraglichen B in d u n gen so zu lenken, daß später keine unnötige V e r schärfung der Konkurrenz gegenüber den alten Industrieländern entsteht. E in wichtiges M it t e l wird dabei die Steigeru n g der P ro d u k tio n s und K au fk raft der A grarlän d er und deren Stärku n g für den zusätz lichen Verbrauch von Industrieprodukten sein. Agrarwissenschaft und Agrartechnik haben hier eine lebenswichtige A u fg a b e auch für die europäische Industrie zu lösen. W elche M öglichkeiten der Konsumstcigerung in den A grarländern theoretisch noch zu erschließen wären, zeigt die nachstehende Übersicht über den Verbrauch von Industrie produkten in den einzelnen G ebieten. Sch on eine mäßige Steigerung des P ro -K o p f-V e rb ra u c h s an Industrieprodukten, wenn sie den alten Industriestaaten auch nur zum kleinen T e il zugute käme, würde deren Auslandsabsatz beträchtlich erhöhen können. M e h r a ls in den euro päischen A grarländern würde jedoch eine Kaufkraftsteigerung in Äbersee bei der gewaltigen Bevölkerung dieser Gebiete bedeuten. H ie r wird allerdings die europäische Industrie a u f den südamerika nischen M ärkten gegen die verstärkte Konkurrenz der Vereinigten S ta a te n von Am erika und a u f den asiatischen M ärkten gegen die zunehmende japanische Konkurrenz ankämpfen müssen. V e r b r a u c h a n I n d u s t r ie p r o d u k t e n im J a h r e 1928 M rd. R M
R M je Kopf
E u ro p a (ohne A d S S R ) Industrieländer.............................................................. Agrarländer...................................................................
103 35
534 207
Ü b rig e W e lt (ohne L ld S S N ) Vereinigte Staaten von Amerika ................... Übrige Länder..............................................................
109 103
908 72
S o w je tru ß la n d ( A d S S N ) ....................................
16
135
W ir haben bisher das europäische G ebiet Sow jetrußlands geson dert herausgehoben, weil es durch seinen Zusammenhang m it dem riesigen asiatischen Hinterland und die Besonderheit seiner W ir t-
Das europäische Jndufirieproblem
43
schaftsform eine W e lt für sich darstellt. Ä ie r muß daraufhingewiesen werden, daß in der künftigen Versorgung dieser Gebiete mit Indu striegütern noch eine Wirtschaftsreserve für die europäischen Industriestaaten steckt, die m it der Kebung der Kaufkraft dieser Gebiete an Bedeutung ständig zunehmen wird. W enn auch der wirtschaftliche A ufbau Sowjetrußlands nach den verschiedenen Fünfjahresplänen zu einer starken Steigerung der industriellen Eigenproduktion geführt hat, so bleibt doch bei der vorangegangenen fast völligen Vernichtung der handwerklichen Produktion, auf der die Verbrauchsgüterversorgung des ehemaligen Zarenreiches in der Lauptsache aufgebaut w ar, ein in der Größenordnung kaum zu überschätzender B e d a r f an Verbrauchs gütern bestehen. E r wird um so stärker bemerkbar werden, je mehr die zunehmendeGold-undRohstofferzeugungSowjetrußlandsdessenZahlungsbilanz festigt und seine Kaufkraft für europäische Jndustrieprodukte heben wird. D ie Entwicklung der sowjetrussischen Industriepro duktion nach der Landesstatistik gibt die nachstehende Übersicht wieder. D i e E n tw ic k lu n g der s o w je tr u s s is c h e n Jn d u s trie p ro d u k tio n s e it 1 9 26
«nhE
1S2S 19-7 1928 1929 19-° 19-1 19-2 19-- 19-4
Bruttoprodukttonswert* 11,1 12,7 15^ 19.9 25.8 32,3 36,8 40,1 47,6 davon Produktions güter ........... 5,0 5,7 7,0 9,3 13,1 17,4 20,5 22.9 27,9 Verbrauchs güter............. Mrd. Rbl. 6,1 6.9 8,8 10.6 12,7 14.8 16,3 17,2 19,7 Wichtige Einzelindustrten davon Kohle............... Erdöl............... Eisenerz............ Schnittholz. . . Maschinen.... Textilgewebe.. Stromerzg.. . . Golderzeugung
M ill. t 26,0 32,3 35.8 41,7 47,1 58,0 64.3 76 3 92,2 M ill. i 8.8 11.0 12,3 14.5 18 8 23,1 22 5 22 5 25,5 M ill. t 4,3 6 6 7,7 89 12.0 11.4 12 9 15.6 235 10.8 12 3 13.6 16.6 21,9 23.6 24.4 226 24,9 Mrd. Rbl. 0.6 08 1,1 1.6 24 7,1 80 Mrd. gm 2.5 2,8 3.0 3.5 28 28 29 29 2,9 Mrd.IrVld 3.5 42 5.0 62 84 107 135 163 20L Tsd.Lg 27,8 25.2 28,0 33,8 44,6 52.9 57,8^86.6 1N,l>
> * Zu Preisen des Jahres 1928/27 gerechnet.
44
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
I V . D a s europäische Rohstoffproblem D ie m it der Entwicklung der europäischen Industriewirtschaft im vergangenen Jahrhundert L a n d in L a n d gegangene Erschließung der kolonialen Rohstoffquellen der ganzen W e lt hat den größten T e il der europäischen Verarbeitungsindustrien von der Z u fu h r außereuro päischer R oh stoffe abhängig gemacht. Diese A bhängigkeit von der V ersorgung m it überseeischen Rohstoffen ist so lange unbedenklich, a ls die europäischen Industriestaaten unter englischer Fü h ru n g die politische und finanzielle Kontrolle der W eltrohstoffquellen in der L a n d behalten. M i t der zunehmenden Loslösung der überseeischen Gebiete und ihrer Eigenindustrialisierung wird jedoch die europäische Rohstoffversorgung ein wesentlich anderes Gesicht bekommen als bisher. B e i der B etrachtung des europäischen Nohstoffproblem s muß noch stärker als bei den schon behandelten großen W irtschaftsProblemen ein Anterschied gemacht werden zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa. D en n Großbritannien, das innerhalb seines W eltreichs fast alle wichtigen Grundstoffe der W eltw irtschaft kon trolliert oder wenigstens maßgebend beeinflußt, befindet sich hier in einer wesentlich günstigeren S itu a tio n als das rohstoffarme Kontinen taleuropa. Z w a r ist es geographisch gesehen ungleich stärker von der unbehinderten Zu fu hr der überseeischen Rohstoffe abhängig, aber politisch und wirtschaftlich durch den Besitz der rohstoffreichsten Kolonialgebiete der Erde in seiner Rohstoffversorgung unvergleich lich viel besser gesichert als alle kontinentaleuropäischen Länder. Dieser Unterschied kommt schon in der Versorgung m it den G ru n d stoffen der Nahrungsw irtschaft zur G eltu n g. L ie r sind die kontinen taleuropäischen Industrieländer weitgehend unabhängig oder können ihren Zuschußbedarf aus den Überschußgebieten der europäischen Nandzonen decken. D e r kontinentaleuropäische B e d a r f an B r o t getreide, Fleisch, N ahrungsfetten und Zucker kann im wesentlichen aus dem eigenen B o d e n erzeugt werden. N u r a u f dem G eb iet des Futtergetreides und insbesondere der eiweißhaltigen Futterm ittel für die Ernährung des kontinentaleuropäischen Viehstapels sind größere Zufuhren notwendig, deren Erzeugung jedoch im N o tfa ll auch aus europäischem B o d e n möglich wäre. D ie Einfuhr Kontinentaleuropas a u f dem Ernährungsgebiet beschränkt sich somit außer a u f öl- und eiweißhaltige Futterm ittel im wesentlichen au f die kolonialen Genuß mittel K affee, Kakao, T ee und überseeische Südfrüchte. Großbri-
D a s europäische Nohstoffproblem
45
tamiien dagegen ist in seiner Nahrungsmittelversorgung in größtem A m fang von überseeischen und kontinentaleuropäischen Zufuhren ab hängig. E s führt beträchtliche und fast durchweg größere M e n g e n an B rotgetreide, Fleisch, N ahrungsfetten und Zucker ein a ls ganz Kontinentaleuropa und hat nur in der Futtermittelversorgung eine geringere Zufuhr als das europäische Festland. D e r Z u s c h u ß b e d a r f E u r o p a s a n den w ic h tig s te n G r u n d s t o ffe n der N a h r u n g s w i r t s c h a f t 1933 Kantinen- Groß bri taleuropa tannien N ah ru n gsw irtsch aft W eizen............................................. Butter*.............................................. Zucker...............................................
4935 4-188 40l
Fu tterm ittelw irtsch aft M ais ................................................ Ölsaaten........................................... Ölfrüchte........................................... Sojabohnen...................................
3232 1247 2321 1526
G enußm ittelw irtschaft K akao................................................ K affee................................................ T e e ..................................................... T abak................................................
241 641 35 203
Gesamt in v. L . derWelteuropa aussuhr
in 1000 Tonnen 11064 6129 256 444 2139 1738
57,8 44,6 20,0
2520 715 386 160
5752 1962 2707 1686
68,4 80,9 74,4 62,3
71 17 192 87
312 658 227 291
52,9 40,1 52,9 57,1
i -s- — Aberschuß. W a s den B e d a r f an Rohstoffen der gewerblichen W irtschaft an langt, so sind Kontinentaleuropa und Großbritannien m it Ausnahm e der reichlich vorhandenen Grundstoffe K oh le, Eisen, S te in - und K a li salze, B austoffe und Ä o lz in allen lebenswichtigen Rohstoffen für die Verbrauchsgüterwirtschaft von außereuropäischen Zufuhren ab hängig. Insbesondere trifft dies für das Gesamtgebiet der Faser stoffwirtschaft, der Leder- und Kautschukwirtschaft, der M e ta llw irt schaft und der Treib- und Schmiermittelwirtschaft sowie auch für wichtige M in eralien wie N aturphosphate und andere chemische Rohstoffe zu.
46
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
D e r Z u s c h u ß b e d a r f E u r o p a s a n w ic h tig e n G r u n d s t o f f e n d er J n d u s t r ie w ir t s c h a f t Kontinen Großbritaleuropa tannien
Gesamt inv. L>. der W elt europa ausfuhr
in 1000 Tonnen 612 2042 241 794 121 175 160 582
F asersto ffw irtsch ast Baumwolle ..................................... W o lle ................................................. Flachs und L a u f ....................... Ju t e .......................................................
1430 553 54 422
M e ta llw ir ts c h a ft Kupfer ............................................... B le i .................................................... Zink...................................................... Z i n n .................................................... Aluminium.......................................
352 204 219 91 3
133 282 77 4-27 8
484 486 296 64 11
55,6 73,9 82,7 52,9 19,3
S o n s tig e G ru n d sto ffe Kautschuk......................................... Erdöl' ............................................... Mineralphosphate.......................
191 99 4073
75 59 347
266 158 4420
23,9 33,9 86,8
61,4 61,7 34,9 75,0
' I n Millionen Barrels. D ie Vielseitigkeit der Nohstoffbeziehungen, die unseren Erdteil m it der übrigen W e lt verbinden, läßt sich kurz wiedergeben, wenn m an Kontinentaleuropa einschließlich der britischen Inseln als eine Einheit zusammenfaßt. I n den alten N ahrungsm itteln und F u tte r stoffen, W eizen, M a i s , Fleisch, N ahrungsfetten und Zucker, ist Europa weitgehend Selbstversorger. D a s gleiche gilt für die alten Grundstoffe L o lz , K o h le , S te in - und Kalisalze, Eisen und Schw efel. D a z u kommen als jüngste Erzeugnisse der europäischen Großchemie Stickstoff, künstliche Spinnstoffe, Leichtmetalle und vielleicht in spä terer Zukunft in größerem Am fang künstliche Treibstoffe und syn thetischer Kautschuk, plastische Kunst- und Baustoffe und chemisches Futtereiweiß. I n allen übrigen lebenswichtigen Grundstoffen ist Europa fast völlig von der Produktion Außereuropas abhängig. D a s gilt besonders für die Rohstoffe der modernen Futterm ittel wirtschaft, für sämtliche Genußm ittel, für alle natürlichen S p in n stoffe, für fast alle Vuntm etalle und für einige wichtige M in eralien .
D a s europäische Nohstoffproblem
D ie
47
R o h s t o f f v e r s o r g u n g E u r o p a s nach ih r e r L e r k u n f t a u s d en v ersch ied en en E r d t e ile n * Produkte
Curop. Gesamt V o n dem europäischen Rohstoff verbrauch verbrauch stammen in v. L . aus: In Ivoo t Turopi^ Afrika Amerika I Asien Austral.
N a h ru n g ssto ffe W eizen ................................... M a is ...................................... ölsaaten................................. Sojabohnen......................... Zucker......................................
58620 21430 2110 1690 8160
81,1 73,2 7,1 — 73,8
— 0,5 18,0 — —
15,6 — — 26Z 15,4 59,5 — 100,0 4,8 21,4
3^ — — — —
Genußm ittel K akao...................................... K affee..................................... T e e ........................................... Tabak......................................
310 660 230 550
— — — 47,3
87,2 — — —
— 12,8 89,8 10,2 — 100,0 17,1 35,6
— — — —
T extilfaserstoffe Baumwolle............................ W o lle ...................................... Flachs...................................... L a n f ........................................ Ju t e ........................................... Seide ......................................
2050 1010 212 231 580 52
0,5 15,7 21,8 10,0 58,2- — 62,6 — — — 96,2 —
M in e ra lie n Steinkohle.............................. Kali (^V-Gehalt) .......... Schwefelkiese (8-Gehalt) . Mineralphosphate.............
433909 1149 2180 4540
106,5 — 118,5 — 114,1 — 2,6 89,7
— — — —
Eisen und M e ta lle Eisenerz................................... Kupfer ................................... B le i.......................................... Zink.......................................... Zinn ........................................ Aluminium...........................
51521 667 772 611 66 98
97,9 2,1 27,4 8,9 37,0 — 51,5 — 3,2 24,1 88,8 —
— 61,6 23,2 37,6 — 11,2
S o n stig e R o h sto ffe Erdöl-..................................... Kautschuk..............................
218 270
27,4 —
45,6 26,8 — 100,0
0,2 —
71,7 12,1 — — 45,1 23,1 — — — — 37,4 — , — 100,0 — — 3,8 — — — — 7,5
— — — 0,2
— — 2,0 0,1 8,8 31,0 7,8 3,1 70,0 2,7 — — — —
* Zahlen für 1933, das als Normaljahr angesehen werden kann. —»Der Nest von 41,8 v . L . kommt aus dem europäischen Rußland. — » I n Millionen Barrels.
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
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D a s europäische Nohstoffproblem
49
D ie deutlich erkennbare Zuw eisung der A rbeitsteilu n g bei der Rohstoffversorgung E u ro p as durch die übrige W e lt ist nicht nur das Ergebnis der natürlichen V orbedin gun gen , sondern vielfach auch der planmäßigen Einflußnahme der englischen P o lit ik . D i e zu B e g in n der N eu zeit kolonisatorisch erschlossenen, verhältnism äßig dünn be siedelten, aber stark kapitalintensivierten G ebiete A m erikas und Australiens liefern überwiegend aus großbetrieblicher Erzeugung den europäischen Zuschußbedarf an den alten Nahrungsgrundstoffen W eizen , Futtergetreide, Zucker, den älteren Genußm itteln T abak und K a ffe e , den wichtigsten B u ntm etallen sowie den Hauptspinnstoffen des europäischen Massenkonsums, B a u m w o lle und W o lle . D ie übervölkerten und kapitalarmen Gebiete A sien s produzieren zumeist im Kleinbetrieb uns als M onopolprodukte T e e und die ag ra rischen Grundstoffe der modernen Futterm ittel- und V erkehrsw irt schaft, Ölfrüchte und Ölsaaten, So jaboh n en , J u t e , Kautschuk und E rdöl. D a s am spätesten erschlossene A frika ist der H auptlieferant für Kakao und gewinnt neuerdings stärkere B edeutun g für d ie W o llund Baumwollversorgung sowie sür die K u p fer-, Z in n - und P h o s phatversorgung Europas. I m einzelnen liefern K an ada, Argentinien, die Vereinigten S t a a ten von Amerika, Australien und Neuseeland W eizen , M a i s , Fleisch und N ahrungsfette; Britisch-Indien, S ia m , Indochina und K orea R e i s ; Kuba und die ostasiatische Inselwelt Zucker; Argentinien, Britisch-Indien und Ägypten Leinsaat, Erdnüsse und B au m w o llsaat; die Mandschurei und Nordchina Sojabohnen. V o n den G enuß mitteln kommt Kaffee hauptsächlich aus B rasilien und K olum bien; Tee aus Britisch- und Niederländisch-Indien, Ceylon und C h in a ; Kakao von der afrikanischen Goldküste und N ig e r ia . I n die V e r sorgung mit Baum w olle teilen sich die Vereinigten S ta a te n von Amerika, Britisch-Indien, Ägypten und Südam erika; W o lle liefern Australien und Sü d afrika; Ju te und Hartfasern Britisch-Indien und die Philippinen. V o n den Hauptmetallen werden Nickel, K upfer, B le i und Zink aus K an ada, den Vereinigten S ta a te n von Am erika, Chile und M exiko, Zin n aus B o liv ie n , B ritisch -M alaya und S ia m importiert. D ie wichtigsten M ineralphosphate werden aus den nord afrikanischen Gebieten nach Europa eingeführt. F ü r die Versorgung mit Treib- und Schmierstoffen wird die ganze W e lt zugezogen; die Vereinigten Staaten von Amerika, M exiko, Niederländisch-Indien und Ir a n sind die Äaupterzeugergebiete. D ie Versorgung mit K autN-Ichlng-r 4
5 c>
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
P r o d u k t i o n w ic h t ig e r R o h s t o f f e nach E r d t e i l e n 1 9 3 3 Produkte N a h r u n g s s to s fe W eizen............................................. M a is ............................................... Ölsaaten.......................................... Sojabohnen.................................. Zucker...............................................
in v. s:>. der Wcltproduktion entfallen auf W-It Europas Amerik^ Asi-n ^ Afrika
100 100 100
5 7 ,5
2 4 ,3
1 1 ,9
2 ,5
3 ,8
18,1
6 7 ,1
7 ,0
4 ,9
2 ,9
12,0 0,6
5 3 ,3
2 7 ,3
7 ,3
100
1,8
9 7 ,6
—
o ,i —
100
2 7 ,6
3 0 ,4
3 1 ,4
3 ,8
6,8
G e n u ß m ittcl K akao............................................... K affee............................................... T e e .................................................... T ab ak...............................................
100 100 100 100
—
3 2 ,8
1,2
6 5 ,5
0 ,5
—
8 5 ,8
8,2
5 ,6
0 ,4
—
—
9 9 ,2
0,8
1 9 ,3
3 8 ,4
3 9 ,6
2 ,5
— 0,2
T e x tilfa se r sto ffe B au m w olle.................................. W o lle ............................................... Flachs............................................... L a u f ................................................. Ju te ........................................................ S e id e ...............................................
100 100 100 100 100 100
7 ,3
5 6 ,7
2 7 ,2
8,8
—
1 8 ,5
2 9 ,0
1 0 ,4
3 5 ,3
0,2
— — — —
M in e r a lie n Steinkohle....................................... K ali (LzO -G ehalt).................. Nohphosphat...............................
9 8 ,8
0 ,4
6,8 0,6
6 4 ,7
0,1
3 5 ,2
—
—
9 ,9
—
100,0
—
9 0,1
—
100
5 3 ,7
3 5 ,6
8,6
100 100
9 0 ,5
8,6
0 ,9
1,1 —
1 3 ,4
2 9 ,8
1,5
4 6 ,8
100
7 2 ,5
21,1
3 ,9
1,7
100
5 ,7
8 0 ,2
2,2
—
1 1,9
1,0 8 ,5
M e ta lle Eisen................................................. N ickel............................................... K u p fe r............................................ B l e i ................................................. Zink................................................... Z in n ................................................. Aluminium....................................
100
1 7 ,7
5 2 ,8
8 ,3
1 9,8
100
2 6 ,0
4 6 ,0
7 ,9
0 ,4
1 ,4 1 9 ,7
100
2 8 ,5
5 3 ,3
5 ,3
1,9
100 100
11,0
2 ,3
1 6 ,7
7 0 ,7
7,1
3 ,2
6 1 ,4
3 8 ,6
—
—
—
S o n stig e G ru n d sto ffe E r d ö l............. ................................. Kautschuk......................................
100
14,3
8 1 ,0
4 ,6
0,1
100
—
1,2
9 8 ,8
Einschließlich U d S S R .
0,8
—
D a s europäische Rohstoffproblem
5i
schuk erfolgt dagegen ausschließlich aus den asiatischen Gebieten, Britisch- und Niederländisch-Indien und Ceylon, wohin die E n g länder den ursprünglich südamerikanischen Kautschukbaum verpflanzt haben. D ie Durchforschung und Ausschließung der ganzen W e lt durch die europäische Technik und das europäische K a p ita l haben während des vergangenen Jahrhunderts zu einer ununterbrochenen Steigerung und völligen Amschichtung der Lebenshaltung der europäischen V ö l ker geführt, für deren B ehauptung und W eiterführung die Sicherung der überseeischen Nohstoffzufuhr eine der wichtigsten Voraussetzungen ist. D ie ursprünglich militärische Beherrschung der Nohstoffgebiete der W e lt ist schon frühzeitig durch die Loslösung des amerikanischen Kontinents und seit dem Kriege durch den Aufstieg der japanischen M a ch t in Ostasien durchbrochen worden. D a z u kommt, daß der m ili tärpolitische Gesichtspunkt in der W e lt immer mehr gegenüber der modernen F o rm der finanziellen und wirtschaftlichen Beherrschung in den Hintergrund tritt. A ber auch diese F o rm der finanziellen B e herrschung der Rohstoffgebieteist durch denWeltkrieg stark geschwächt worden. A n Ste lle E uropas, das vor dem K rieg als alleiniger G lä u biger der W e lt deren Nohstoffproduktion als Verzinsung und T il gung für das investierte Leihkapital aufnahm, sind als H auptgläu biger neben Großbritannien nunmehr die Vereinigten Sta a te n von Amerika getreten. D ie bereits eingetretene F o lg e dieser Amschichtung ist der Zusammenbruch des früheren W elthandels und des alten Goldwährungssystems. D ie noch in G a n g befindlichen Auswirkungen sind in der beschleunigten Industrialisierung fast aller A g ra r- und Nohstoffgebiete der W e lt zu erkennen. A l s Endglied einer Kette von Folgeerscheinungen taucht in weiterer Zukunft das P ro b le m der europäischen Rohstoffversorgung auf. Dieses P roblem ist einmal ein politisch-wirtschaftliches, nämlich der Sicherung der lebenswichtigen Rohstoffzufuhren, und zweitens ein wirtschaftlich-finanzielles, nämlich der zahlungsbilanzmäßigen Voraussetzungen für den Einkauf der benötigten Rohstoffe. Solan ge infolge der fortschreitenden Ausschließung neuer Rohstoffsorkommen und der absinkenden Produktionskosten ein genügendes Angebot auf dem W eltmarkt vorhanden ist und die Preise in der langen W elle sinkende Grundrichtung zeigen, besteht für Europa kein unmittelbarer A nlaß zur S o rg e . V ö llig verändert würde jedoch die Situ a tio n , wenn au f Grund der anhaltenden Industrialisierung der bisherigen
Z2
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftöstruktur
A g ra r - und Nohstoffgebiete, infolge der Aufrüstung der europäischen M äch te oder durch neue kriegerische Verwicklungen auch nur eine wesentliche Verknappung und Verteuerung herbeigeführt würde. E ine gewisse V orsorge gegen diese bei der unausgeglichenen Z a h lungsbilanzsituation der kontinentaleuropäischenMächte latent immer vorhandenen G efah ren der Nohstoffverknappung kann durch die bessere Erschließung der Rohstoffquellen in den randeuropäischen Gebieten und die Entwicklung der chemischen Kunststofferzeugung erreicht werden. M a n muß allerdings bei der Betrachtung des euro päischen N ohstoffproblem s beachten, daß ein T e il der R ohstoffe als A n te il in der Exportfertigw are wieder nach Außereuropa geht, also nicht einen innereuropäischen Verbrauch darstellt. D a s Nohstoffproblem ist jedoch nicht nur ein gesamteuropäisches P ro b le m im V e rh ä ltn is zu den außereuropäischen Nohstoffgebiete», sondern auch ein innereuropäisches P ro b le m infolge der ungleichen V erteilu n g des kolonialen Rohstoffbesihes der europäischen N a t io nen. L ie r besteht ein völliges M iß verhältn is zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa. Großbritannien ist nicht nur H auptgläubiger, sondern auch Lauptrohstofflieferant der W e lt, während die kontinen taleuropäischen N atio n en überwiegend Schuldnerländer und gleich zeitig stark rohstoffabhängig sind. D a s gilt teilweise schon für die westeuropäischen Gläubigerländer Frankreich, B e lg ie n , L o lla n d , obwohl sie den N est der großen Kolonialreiche der Erde besitzen, noch mehr aber für den zentraleuropäischen W irtschaftsraum sowie für Ita lie n und in absehbarer Z e it auch für den durch seine Bevölkerungs entwicklung besonders bedrängten Osten und Südosten E u rop as. Diese sämtlich industrialisierten oder in der Industrialisierung be griffenen Gebiete haben außer einigen M in eralien — K o h le , S a lz e n , Sch w efel— sowie B austoffen , H olz und einigen Buntm etallen keine eigenen R ohstoffe für ihre Industriewirtschaft. Innerhalb des englischen Empire werden, abgesehen von den N ahrungsstoffen und Genußm itteln, mehr als das Doppelte des englischen B e d a r fs an Faserstoffen und das Anderthalbfache bis Zweifache des englischen B e d a r fs an K ohle und M e ta lle n sowie etwa zwei D ritte l des B e d a r fs an Kautschuk erzeugt. Frankreich ist nur mehr m it Steinkohle, Eisen und M ineralphosphaten gut versorgt, während es weder Spinnstoffe noch M e ta lle , Kautschuk oder Erdöl in ausreichendem M a ß e besitzt. D ie angrenzenden westeuropäischen Länder m it Kolonialbesitz produzieren noch einige wenige Rohstoffe
D a s europäische Nohstoffproblem
53
im Aberfluß, L o lla n d Kautschuk und Z in n , und B e lg ie n Kupfer. D agegen ist der gesamte Block der mittel-, oft- und südeuropäischen Länder völlig rohstoffabhängig. Deutschland und P o le n sind nur mit Steinkohle und Zink, Ita lie n nur m it Eisenerzen, Schwefel und Zink ausreichend versorgt. Lediglich die südosteuropäische Agrargruppe hat wegen ihres gering entwickelten Industrieverbrauchs gegenwärtig noch einen Aberschuß an Kupfer, Zink und Erdöl. N o h s t o ffe r z e u g u n g u n d -v e rb ra u ch der w ich tig ste n e u r o p äisch en L ä n d e r Produkte
In v. L>. des Nohstoffverbi auchs :s M r itterlan des er. zeu gen inn erhalb der eig<;nen politischen Grenz m: P o le n
l B e lg ie n Holland ^Schweiz
Nachfolge-
S ü d oft-
18,2 —
4,0 —
16Z —
12^ 86,7 —
3,7 149,8 165,5 139,1 115,0 17,8 40,7 18,8 132,9 —
89,0 —
76,1 66,8 7,7 141,2
126,9 326,2
17,9
—
—
78,1 0,4 59,3 7,1 —
161^ 629,6 115,4 663,6 —
Grotzbri-
Fa sersto ffe Baumwolle. . Wolle ............. J u t e .................. M in e ra lie n Steinkohle . . . Schwefelkies . Mineralphosphate...........
215,9 251,3 904,6
Frank reich
10,9 —
Eisen und M e ta lle 93,5 160,1 E isen ............... Kupfer............. 179,5 — 88,1 3,7 B l e i .................. 8,0 Z in k .................. 196,0 Z in n .................. 193,3 — S o n stig e G ru n d stoffe E rd ö l............... Kautschuk-----
17,1 72,5
7,7 —
—
0,1 11,8 —
—
—
36,8 162,3 52,6 25,8 18,5 0,8 — 194,5 — 35,5 55,0 68Z 2,9 72,3 106,8 186,9 461,8 — — —
1,5 13,5 16,0
1,6
205,7 287,2 226,2
411,3 —
Eine Befriedung der europäischen Situ ation unter dem Gesichts punkt der W ahrung des gemeinsamen europäischen Interesses ist ohne ausgleichende Lösung der Nohstofffrage nicht zu erreichen. D enn mit ihr sind die P roblem e der agrarischen Übervölkerung, der industriellen Selbsterhaltung und der sozialen Neuordnung der volkreichen G e -
54
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschastsstruttur
biete M it t e l- , Ost- und Sü d eu rop as a u f das engste verbunden. A n gesichts der Entwicklung im mitteleuropäischen V in n en rau m und in den östlichen und südlichen Vevölkerungsüberschusigebieten E uropas wird sich die N oh stofffragc zu einein ständigen Unruheherd in Europa entwickeln, wenn sie nicht vorsorglich a u f dem W e g e einer friedlichen N euregelung der kolonialen V erteilu n g oder vertraglichen W ir t schaftsabmachungen aus der W e lt geschafft w ird.
V . D a s europäische A uß enhandelsproblem D e r rasche Z e r fa ll des aus der V orkriegszeit überkommenen und bis zuni Ausbruch der Krise nur noch m it künstlichen M itte ln au f rechterhaltenen System s des unbeschränkten privatkapitalistischen Außenhandels hat das P ro b le m einer allgemeinen N euordnung der europäischen Handelsbeziehungen wieder in den V ordergrun d ge rückt. Diese N eu ordn u n g, deren Amrisse sich nach dem augenblick lichen Zwischenspiel isolierter Inlandskonjunkturen langsam aus dem C h a o s der internationalen Restriktionen, Kontingentierungen und Clearingbindungen abzeichnen, wird nicht nur die F o r m , sondern auch den In h a lt des Außenhandels der europäischen N atio n en unterein ander und m it der übrigen W e lt verändern. D ie Lebensfragen der politischen und wirtschaftlichen Konsolidie rung unseres E rd te ils, der Schicksalsgemeinschaft der europäischen V ölker im In n ern und ihrer Beziehungen nach außen treten gerade im Blickpunkt des Außenhandels besonders stark in Erscheinung. D a s europäische Außenhandelsproblem hat wie das der Industriesituation und der Rohstoffversorgung ein Doppelgesicht. E s zeigt einmal das Teilproblem des Außenhandels E uropas m it der übrigen W e lt, das vorwiegend ein Spiegelbild einerseits seiner Gläubigerstellung und andererseits seiner Rohstoffabhängigkeit ist, und zweitens das T e il problem des innereuropäischen Handelsverkehrs, der hauptsächlich ein Handelstausch der europäischen Industrienationen untereinander ist. D e r europäische H an d el entfällt in seiner heutigen Struktur zu fast zwei D ritteln a u f den innereuropäischen H andel und zu etwas mehr als einem D r itte l a u f den Austausch m it den übrigen Erdteilen. D e r wichtigste Vorposten des europäischen Handelsverkehrs m it der übrigen W e lt ist Großbritannien, dessen Gesamthandel entgegen gesetzt dem kontinentaleuropäischen zu mehr als zwei D ritteln nach
D a s europäische Außenhandelsproblem
ZZ
der übrigen W e lt und zu weniger als einem D rittel nach Kontinentaleuropa orientiert ist. A ußer Großbritannien sind nur mehr die füh renden Industriestaaten Deutschland, Frankreich und Ita lie n , die nicht nur ihren R oh stoff- und teilweise auch ihren N ahrungsbedarf in Übersee decken, sondern sich auch bei der Versorgung der kleineren europäischen Industrie- und Agrarländer mit Überseeprodukten ein geschaltet haben, M ittle r dieses Tauschverkehrs zwischen Europa und der übrigen W e lt. D a z u kommt als einziges A grarland noch S p a nien, das infolge seiner engen Beziehungen zu seinen Kolonien und früheren Besitzungen in A frika und Amerika mehr mit Übersee als m it E uropa verbunden ist. D e r eu ro p ä isch e A u ß e n h a n d e l v o r und nach dem K r ie g e Europa einschl. Großbritannien 1913 § 1928 1 1934
Europa ausschl. Großbritannien 1913 1 1928 j 1934 in M r d . R M
In M r d . R M
G e s a m ta u s fu h r .. . davon nach: Europa ..................... Übrige W elt ..........
44,7
65,0
23,5
34,9
51,2
18,5
30,4 14,3
42,4 2 2 ,6
15,7 7,8
27,4 7,5
38,0 13,2
14,0 4,5
G esam tein fu h r . . . davon aus: Europa .................... Übrige W e lt ..........
53,5
81,8
30,1
39,1
58,9
21,5
32,3
45,4 36,4
16,8 13,3
27,3
2 1 ,2
37,0 21,9
14,0 7,5
G e s a m ta u s fu h r .. . davon nach: Europa ..................... Übrige W e lt ..........
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
in v .
G esam teinfuhr . . . davon aus: Europa .................... Übrige W e lt ..........
1 1 ,8
H.
in v .
H.
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
67,9 32,1
65,3 34,7
67,0 33,0
78,5 21,5
74,2 25,8
75,7 24,3
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
1 0 0 ,0
60,4 39,6
55,5 44,5
55,8 44,2
69,8 30,2
62,8 37,2
65,1 34,9
Dieses V erh ältn is hat sich trotz der seit dem Krieg eingetretenen Strukturwandlungen des W elthandels und der starken P re isv e r schiebungen bis heute in der A u sfu h r fast unverändert behauptet; in
56
D ie Grundprobleme der europäischen Wirtschaftsstruktur
der E in fu h r ist die A bhängigkeit E u rop as von der übngen W e lt sogar noch größer geworden. Diese Entwicklung steht in direktem Gegensatz zu der Entwicklung der europäischen K ap italb ilan z, über deren Aktivsaldo au s D ividenden und Zinseinnahm en vor dem Kriege ein T e il des europäischen Rohstoffbedarfs aus Übersee bezahlt wurde. Auch in der K ap italb ilan z ist wie beim Außenhandel eine gegensätzliche Entwicklung zwischen Großbritannien und Kontinental europa festzustellen. D ie vor dem K riege beherrschende G lä u b ig e r stellung E u rop as gegenüber allen anderen Erdteilen gilt nur mehr für G roßbritannien, während die kontinentaleuropäischen N ation en zu Schuldnern dieses Landes und der Vereinigten S ta a te n von Am erika geworden sind. W en n Großbritanniens Ste llu n g im V e r hältnis zur übrigen W e lt auch eine Schwächung erlitten h at, so zeigt sie gegenüber Kontinentaleuropa doch heute eine unvergleichlich viel stärkere P o sitio n als vor dem K riege. Trotzdem seine Möglichkeiten eines politischen E in g riffs in den kontinentalcuropäischen R a u m heute geringer sind, ist es durch diese beherrschende Stellu n g in allen W irtschaftsbeziehungen Kontinentaleuropas zur übrigen W e lt mehr denn je der eigentliche A r b it e r L u r o x a s . D e r W an d el der Z a h lu n g s bilanzstruktur, der zum Zusammenbruch des internationalen W ä h rungssystems und des W elthandels geführt hat, kommt in den nach stehenden Z iffern deutlich zum Ausdruck.
K a p i t a l b i l a n z K o n t i n e n t a l e u r o p a s , G r o ß b r it a n n ie n s und der V e r e i n i g t e n S t a a t e n v o n A m e r ik a v o r u n d nach dem K r i e g e in M i l l i a r d e n N M ? M it Kriegsschulden
G esam teu rop a . . . davon Kontinentaleuropa. Großbritannien . . . V . S t . » .A m e r ik a .
Ohne Kriegsschulden
1913
1930
Verän derung
1913
1930
Verän derung
-1 -1 2 2
4 -3 1
— 91
4 -1 2 2
-i- 6 4
— 58
— 35
— 80
4 - 45
—
4 -6 6
— 11
4 -7 2
—
—
4 -8 8
4 -9 7
4 - 77 — 9
4 -6 2
4 -7 1
9
8
— 53
4 - 45 4 - 77
5
' Einschließlich der monetären Gold- und Devisenbestände, die mit ein gerechnet werden müssen. D a s Jah r 1930 ist gewählt als letztes Jah r vor den internationalen Währungsabwertungen und der Einstellung der Kriegs schuldenzahlungen.
D a s europäische Außenhandelsproblem
D e r Handelsverkehr der europäischen Länder untereinander stellt ein kompliziertes Netz von Verflechtungen dar, das unseren ganzen Erdteil überzieht und trotz seiner politischen Zerrissenheit wirtschaft lich eng verbunden hält. Oberflächlich gesehen scheint die Struktur des europäischen Außenhandels in Widerspruch zu der Ansicht zu stehen, daß die günstigsten Vorbedingungen für den gegenseitigen W aren austausch und dementsprechend auch für die handelspolitische G ru p penbildung durch die wechselseitige Kombination zwischen Industrie-
57
Z8
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruttur
staaten und A grarländern gegeben seien. D ie bisherige europäische Außenhandelsstruktur hat im G egen teil den L a n d e ! zwischen den Industrieländern besonders begünstigt, während der Austausch zwi schen Industrie- und A grarländern wesentlich geringer und der L a n d e ! zwischen den europäischen A grarländern untereinander bedeutungslos ist. Diese innereuropäische Landelsverflechtung zwischen den In d u striestaaten untereinander ist jedoch nur der Äberbau über dein F u n d a ment der Landelsverflechtung Industrieeuropas m it den A g r a r - und Kolonialgebieten der übrigen Erdteile und ohne diese nicht denkbar? Zwischen den europäischen Industrieländern wurden 1932 pro K o p f 40 N M . , zwischen den Industrie- und A grarlän dern 20 N M . und zwischen den A grarländern nur 5 N M . pro K o p f umgesetzt. I n M illia rd e n N M . betrug 1932 die A u s fu h r innerhalb E u ro p a s: a u s den
nach den Industrie ländern
A grar-
zusammen
ländern
Industrieländern ............................. Agrarländern....................................
9 ,7
3 ,8
13,5
3 ,4
0 ,7
4,1
Zusammen..........................................
13,1
4 ,5
1 7,6
D ie überragende Bedeutung des Austausches der europäischen Industrieländer untereinander ist durch die verschiedenartige Struktur der europäischen Industriewirtschaften bedingt. Z u etwa der L ä lfte besteht deren Warenverkehr aus einem gegenseitigen Austausch von N o h - und Lalb w aren . D enn trotz der zunehmenden Landelshem m nifse ist die industrielle Produktion bisher noch stark an die für die W eiterverarbeitung günstigsten Standorte gebunden, so daß die ver schiedenen S tad ien des industriellen Produktionsprozesses vom R o h stoff zum Fertigprodukt vielfach nicht im gleichen Land durchlaufen werden, sondern oft mehrere M a le das Land der günstigsten W eiter veredlung ausgesucht wird. W iew eit in dieser durch die freizügige Entwicklung der Vergangenheit unter reinen Rentabilitätsgesichtspunkten entstandenen Verkehrsstruktur durch die neuen Form en des Außenhandels bleibende Veränderungen hervorgerufen werden, läßt sich heute noch nicht übersehen. Erst in zweiter Linie besteht der L an d e! i Dam it dürste die häufig aufgeworfene Streitfrage, ob Industrialisierung eine Vermehrung oder Verminderung des Landelsverkehrs bedeutet, eindeutig beantwortet sein.
D a s europäische Außenhandelsproblem
59
der Industrieländer untereinander aus einem gegenseitigen Austausch von Fertigw aren . Deren Amsah hat sich in letzter Ze it besonders stark verringert, und hier dürften auch für die Zukunft die geringsten A u s sichten a u f eine Wiederzunahme sein. D e r Lan de! mit N ahrungsMitteln tritt naturgemäß hinter diesen beiden Gruppen ganz zurück. I m L a n d e ! der Industrieländer mit den Agrarländern werden je etwa zur L ä lfte N ah ru n gsm ittel und Rohstoffe gegen F ertig - und Lalbfertigw aren umgeseht. D e r unbedeutende Verkehr der A g ra r länder untereinander besteht in der Lauptsache aus einem Tausch von N ahrungsm itteln gegen R ohstoffe. D a sich diese Länder infolge ihrer ziemlich gleichartigen Struktur weder wirtschaftlich noch auch kapi talmäßig ergänzen, sind hier die Versuche einer handelspolitischen Blockbildung, wie die Oslo-Konferenz, der Balkanpakt und die Baltenklausel, wirtschaftlich nicht von großer Bedeutung. Ähnliches kann von den italienischen Abkommen mit Österreich und Angarn gesagt werden, obwohl sie mehr politische als wirtschaftliche Lintergründe haben. Innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft nimmt G r o ß b r it a n n ie n dank seiner beherrschenden Stellung im N ahm en seines ausgedehnten W eltreichs eine Sonderstellung ein. D a s kontinental europäische B e z u g s- und Absatzgebiet ist für England nicht entfernt so bedeutend wie die überseeischen Empiremärkte, und diese VerbunD er
A u ß e n h a n d e l G r o ß b r it a n n ie n s B e z u g s lä n d e r n 1934
nach A b sa tz - und
A u s fu h r in v .L . der Gesamtausfuhr
E in fu h r in v. L . der Gesamteinfuhr
A u ß e re u ro p a ...................................... Amerika................................................ A s ie n ..................................................... Afrika .................................................. Australien.............................................
61,6 19,5 18,4 14,1 9,6
65,1 32,1 13,9 6,4 12ch
E u ro p a .................................................. Skandinavien................................... Lolland, Belgien.............................. Frankreich........................................... Deutschland........................................ Ita lie n ..................................................
38,4 8,2 5,3 4,2 3,5 2,4
34,9 10,2 4,9 2,6 4,2 1,2
nach/aus
f>v
D ie Grundproblcmc der europäischen Wirtschaftsstruktur
deicheit ist in den letzten Ja h re n durch den A u sb a u des Em pireZollsystems planmäßig weiter gefördert worden. N u r etwa ein D r it tel des englischen Gesam thandels geht nach Kontinentaleuropa. Trotz dem steht Großbritannien infolge der Größe seines Außenhandels als Abnehm er kontinentaleuropäischcr W aren an erster S te lle vor Deutschland und Frankreich. D a z u kommt, daß Großbritannien in folge seines dem W eltm arkt gleichgerichteten A grarpreisniveaus auch ein wesentlich günstigeres Konkurrcnzgefälle zum W eltm arkt hat als Kontinentaleuropa. A n tcr diesen Im stande» werden alle P lä n e einer handelspolitischen N euordnung in Europa stets weitgehend durch die Rücksichtnahme a u f den großen englischen Abnehm er gebunden sein. I n Kontinentaleuropa bildet D e u t s c h la n d dank seiner geogra phischen Lage den M ittelpunkt in dem Netz der europäischen L a n d e lsverflechtungen. Entsprechend seiner günstigenMittlerstellung strahlen seine Exporte nach allen Richtungen aus und gehen umgekehrt die Im p orte von allen Ländern des E rdteils ein. Deutschland bildet für fast alle europäischen N atio n en das wichtigste europäische B ezu gslan d und vor allem für die kleineren Länder das bedeutendste Absatzland. Im m erh in wird häufig übersehen, daß fast die H ä lfte seines Europa handels nachWesteuropa und ein D rittel nach N ordeuropa geht, wäh rend der H an del m itM itte l- und Osteuropa noch ganz unbedeutend ist. D e r A u ß e n h a n d e l D e u t s c h la n d s nach A b s a tz - u n d B e z u g s lä n d e r n 1934 A u s fu h r in v. L>. der Gesamtausfuhr
E in f u h r in v .L .d e r Gesamteinfuhr
K o n tin e n ta le u r o p a ........................ Belgien, Schweiz, Niederlande. Skandinavien....................................... Frankreich............................................ Nachfolgestaaten............................... Osteuropa ............................................
67,3 24,4 11,1 8,5 7,1 2,4
52,9 12,1 7,8 7,7 6,6 2,9
G r o ß b r ita n n ie n ...............................
9,2
4,6
A u ß e r e u r o p a ....................................... Amerika................................................. A s ie n ....................................................... A frika...................................................... Australien..............................................
23,5 10,8 9,5 2,6 0,6
42,6 20,6 12,5 5,8 3,3
nach/aus
j
D a s europäische Außcnhandelspcoblcm
61
D ie anderen großen Industriestaaten beschränken sich in ihrem W arenaustausch durchweg au f Teilgebiete Europas. F r a n k re ic h ist außer m it seinen afrikanischen Kolonien nur mit Westeuropa eng verbunden, während es m it Nordeuropa und trotz der starken poli tischen B eziehungen m it Südosteuropa kaum Handelsverbindungen unterhält. Ebenso haben die N ie d e r l a n d e , B e l g i e n und die S c h w e iz nur einen eng begrenzten Austauschradius, und selbst I t a l i e n s europäische Handelsbeziehungen gehen kaum über seine nächsten N achbarn hinaus. D er
A u ß e n h a n d e l der ü b r ig e n In d u s t r ie s t a a t e n A b s a tz - und B e z u g s lä n d e r n 1934 nach/aus:
A u s fu h r in v. L . der Gesamtausfuhr
nach
E in fu h r in v. L . der Gesamteinfuhr
Frankreich E u ro p a .................................................. davon Lolland, Belgien, Schweiz----Deutschland........................................ Großbritannien................................. Ita lie n ..................................................
54,7
41,5
24,7 114 8,6 3,1
11^ 9,6 7,1 2,1
A u ß e re u ro p a ...................................... davon Afrika .................................................. Amerika............................................... A s ie n .................................................... Australien.............................................
45,3
58ch
28,0 10,8 5,9 0,5
24,6 15,9 10,2
E u ro p a .................................................. davon Deutschland........................................ Großbritannien................................ Schweiz.............- ................................ Frankreich.......................................... Nachfolgestaaten.............................. Osteuropa .......................................... Skandinavien ...................................
67,4
58,l
15,9 10,1 8,4 6,7 6,5 5,8 2,2
15,8 9,2 3,8 5,7 5,0 5,9 2,9
A u ß e re u ro p a ...................... ..............
32,6
41,9
Ita lie n
62
D ie Grundproblcme der europäischen Wirtschaftsstruktur
nach/auS:
A u s fu h r in v. L . der Gesamtausfuhr
E in f u h r in v .L . der Gesamteinfuhr
N ie d e rla n d e E u ro p a .................................................... davon Deutschland.......................................... Großbritannien.................................. Belgien, Schw eiz............................. Frankreich............................................. Skandinavien....................................... Tschechoslowakei ...............................
81,8
68,6
24,8 19,1 14,0 8,1 5,2 1,5
28,6 9,4 11,6 4,3 4,3 1,5
A u ß e r e u r o p a ....................................... Niederländisch-Indien ..................
18,2 4,3
31,4 5,6
E u ro p a .................................................... davon Frankreich............................................ Großbritannien.................................. Deutschland......................................... Niederlande......................................... Skandinavien....................................... Ita lie n ...................................................
B e lg ie n - Luxem burg 72,0 63,8 17,6 13,5 11,7 11,3 4,6 2,4
16,7 7,8 14,3 10,2 4,0 1,2
A u ß e re u ro p a .......................................
28,0
36,2
E u ro p a ................................................... davon Deutschland......................................... Frankreich............................................ Großbritannien................................. It a lie n ................................................... Niederlande, Belgien..................... Skandinavien......................................
80,8
81,2
21,6 14,4 10,1 9,0 5,9 3,2
27,1 16,1 6,4 8,1 6,2 2,0
A u ß e re u ro p a ......................................
19,2
18,8
Schweiz
D a sich Europas politische und finanzielle Stellung in der W e lt durch den K rieg und die Krise stark verschlechtert hat und im Zuge der Industrialisierung der überseeischen A grar- und Rohstoffländer die Absatzmöglichkeiten für europäische Fertigprodukte sich weiter
D a s europäische Außenhandelsproblem
6Z
vermindern dürsten, wird besonders Kontinentaleuropas Bedeutung als A bnehm er von R ohstoffen und Agrarprodukten eine rückläufige Tendenz zeigen. D a s Schicksal unseres Erdteils wird daher künftig wieder stärker von der planmäßigen Entwicklung und Organisation seiner eigenen A g ra r - und Nohstoffgrundlagen bestimmt werden. D a b ei wird es die wichtigste A ufgabe einer umfassenden Handelspolitischen N euordnung sein, die europäische Agrarzone, deren Land wirtschaft schon heute weitgehend als übervölkert anzusehen ist/ zur intensiveren P roduktion der in Europa fehlenden Agrarerzeugnisse zu befähigen und dadurch ihre Kaufkraft für industrielle Fertigwaren zu steigern. Diese notwendige Entwicklung kann nicht nur durch F in a n z -, sondern auch durch langfristige Warenkredite planmäßig gefördert werden. S o w e it man heute organisatorische und handels politische Ausblicke andeuten kann, find Möglichkeiten eines verstärk ten Ölfrüchte- und Pflanzenfaseranbaues im Südosten, tierischer Faserstofferzeugung hier und im Südwesten und eine bessere A u s schöpfung der im B o d e n liegenden Nohstoffgrundlagen in der ge samten europäischen N andzone noch in größerem Am fang vorhanden. i V g l. den Abschnitt „D a s europäische Agrarproblem".
6. D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen I . D i e nordeuropäische S e e zo n e D ie nordeuropäische Zone m it Großbritannien a ls politischem und wirtschaftlichem M ittelpunkt bildet gewissermaßen das A u sfa llsto r E u rop as zur übrigen W e lt. Durch den Zusammenhang des englischen M u tterlan d es einerseits m it dem europäischen Festland und anderer seits m it seinem überseeischen W eltreich ist der europäische Kontinent weit intensiver m it der übrigen W e lt verflochten a ls durch die direkten W irtschaftsbeziehungen der Festlandsmächte m it Außereuropa. B e i der D eutung des wirtschaftlichen Gesichtes unseres Erdteils und seiner Zonen muß daher Großbritannien vorangestellt werden, weil es eine politische und wirtschaftliche W e lt für sich bildet, die sich in folge der L age der M utterinsel in der Nordsee m it der europäischen W e lt zwar vielfach überschneidet, aber keineswegs deckt. Diese Über lagerungen sind besonders ausgeprägt im gesamten Küstengürtel E u rop as und reichen vom skandinavisch-baltischen R a u m bis zu den abgelegenen A u slä u fe rn des südöstlichen Mittelmeerbeckens. D ie konzentrierte W irtschafts- und Finanzkraft des englischen W e lt reichs strahlt hier über die ganze m aritime N andzone unseres Erdteils wie ein starker M a g n e t a u s , der die W irtschaftskräfte dieser Gebiete auslöst und anzieht. D a s englische E m p ire ist eine außereuropäische W eltm acht, wenn auch die M utterinsel an der N ordgrenze des europäischen Kontinents anliegt. Diese Tatsache bietet den Schlüssel für zahlreiche Besonder heiten der englischen P o lit ik , und m an irrt sich nur zu leicht in der englischen L a lt u n g , wenn m an diese Tatsache vergißt. Großbritannien gebietet außerhalb E u rop as über ein R e ich , das dreimal so groß ist und eine Bevölkerung von etwa gleicher Stärke umfaßt wie Europa einschließlich des europäischen R u ß la n d . Z w ei D r itte l der englischen Außenhandelsinteressen, neun Zehntel seiner auswärtigen K a p ita l investitionen und fast die gesamte Nohstoffproduktion des W eltreichs liegen in Übersee. I n Europa liegt nur das L e rz dieses W eltreichs, das seine K r a ft aus einem V ie r te l der Erdoberfläche und der Erd-
D ie nordeuropäische Seezone
6Z
bcvölkerung saugt, und dessen B lu t - und Nahrungsbahnen von der englischen P o lit ik m it großer S o r g fa lt gesichert werden. D e r wirtschaftliche Aufstieg der angelsächsischen Vorm acht im nordeuropäischen R a u m fällt m it der Entwicklung der industriellen Technik im 19. Jah rhundert zusammen und ist m it dem Weltkrieg zum Abschluß gekommen. D a s Bevölkerungswachstum ist nur mehr schwach und wird keine größeren dynamischen Entwicklungskräfte mehr auslösen. Auch die industrielle Expansion dürfte, abgesehen von einigen N achzüglern der skandinavischen Gruppe, endgültig vorbei sein. D ie W irtschaftspolitik beschränkt sich unter diesen Llmständenin der Hauptsache a u f die Erhaltung des Bestehenden und die Anpas sung an die unvermeidbaren Veränderungen der Weltwirtschafts struktur. D a b e i hat sie den V o r te il, daß sie zwar wie die kontinentaleuropäische sich dem W an d el der Weltindustriestruktur anpassenmuß, dafür aber das nicht minder schwerwiegende Problem der kontinental europäischen Agrarpreisüberhöhung kaum kennt. I m ganzen wird die W irtschaftspolitik im nordeuropäischen R a u m ähnlich wie in der westeuropäischen Kontinentalzone stark konservative Beharrungskräste zeigen. I n dieser Hinsicht deckt sich das Interesse der nördlichen Seezone völlig m it dem der westeuropäischen Festlandszone, zu der sonst viele Gegensätze bestehen. Eine M ittelstellung zwischen Großbritannien und dem Festland nimmt der skandinavische R a u m ein. Trotzdem das Gesicht dieser Küstenzone dem Festland zugewandt ist, treten seine Bindungen an Großbritannien zuzeiten besonders stark in den Vordergrund. A ller dings werden dann auch stets die Hemmungen sichtbar, die sich für Großbritannien aus einer Abgleichung der Interessen seiner über seeischen Reichsglieder m it den Bedürfnissen des skandinavischen Einzugsgebiets ergeben. M i t den Ostseerandstaaten beginnt dann der K reis der europäischen Randgebiete, in deren wirtschaftlichem G e sicht die Ausstrahlungen des englischen Kraftfeldes langsam ver blassen und dafür die kontinentaleuropäischen Züge in den V order grund treten. E s ist zu erwarten, daß nach einer Konsolidierung der europäischen S itu a tio n auch der Einfluß der festländischen Wirtschaft auf den skandinavisch-baltischen R a u m wieder beträchtlich stärker w ird, als dies augenblicklich der F a ll ist.
Neithinger 6
I
66
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
I . G r o ß b r ita n n ie n D a s wirtschaftliche Gesicht Großbritanniens ist so umfassend und durch den Zusam menhang m it seinem riesigen, mehr balancierten als organisierten D o m in ial- und Kolonialreich so stark von historischen Entwicklungseinflüssen und politischen Gegenwartssorgen erfüllt, daß im N ah m en einer kurzen Skizze nur seine Grundzüge aufgezeigt werden können. Diese Grundzüge sind ein merkwürdiges Gemisch von konservativen B eharrungskräften und fortschrittlicher Entwick lu n g, das bei im allgemeinen langsamer Änderung dennoch ständige Schwergewichtsverschiebungen innerhalb der einzelnen T eile des Em pire m it sich bringt. D ie englische M utterinsel in der Nordsee ist im Gegensatz zu der kontinentaleuropäischcn M a ch t Frankreich m it ihrem geschlossenen europäisch-afrikanischen Territorium nur das L e rz eines über den ganzen E rd b all verstreuten W eltreichs, das durch die vielseitigsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fernverbindungen zu sammengehalten w ird. Dieser Anterschied zwischen der englischen und der kontinentalen Lage tritt immer wieder auch in der Europapolitik Großbritanniens zutage. D ie Tatsache, daß Großbritannien nur dem N a m e n nach eine europäische Großm acht, in Wirklichkeit aber ein W eltreich m it Sitz in Europa und über alle Kontinente und M eere ausgestreuten Gliedern ist, zeigt schon ein kurzer Überblick über das V e rh ä ltn is von M utterland und D o m in ial-, K olo n ial oder Mandatsbesitz in der W e lt. S ta a ts g e b ie t
und
B e v ö lk e r u n g d es re ich s um 1935
en glisch en W e l t
Fläche
B evölkerung
!n 1000 qkm
In M M .
davon: > farbig in M M . 1 In M M .
M utterland.......................... Dominialreich..................... Kolonialreich....................... Mandatsgebiete................
242 23605
4 6 ,1 3 8 2 ,7
2 3 ,4
3 5 9 ,3
5841
5 1 ,4
0 ,6
5 0 ,8
2204
8 ,2
0,1
8,1
Englisches Weltreich----I n v . L . der W e l t ..........
31591 2 3 ,7
4 8 8 ,3 24,1
7 0 ,2
4 1 8 ,2
7 ,6
3 7 ,8
weiß
4 6,1
D ie nordeuropäische Seezone
67
D ie B evölkerung des Em pire beträgt mehr als das Zehnfache, das S ta a tsg e b ie t weit über das Lundertfache der V olkszahl bzw. Fläche der M utterinseln. N u n d ein V iertel der Erdoberfläche und ihrer Bevölkerung befindet sich im Besitz des englischen W eltreichs, und zwar gemessen an der Bevölkerung ein Zwanzigstel Amerikas, ein Zehntel E u ro p a s, ein D rittel A frik a s, ein D rittel Asiens und neun Zehntel A ustraliens. Von
d er F lä c h e
Fläch e........... Bevölkerung
u n d B e v ö lk e r u n g der ein ze ln e n E r d t e ile sin d englisch
Europa v. s .
Afrika ». H.
Amerika V.H.
Asien v.S.
Australien v. H.
Welt v.S.
2,7 9,9
24,5 34,8
23.9 5,2
12,7 32,6
98,9 92,3
23,7 24,1
A n Flächenausdehnung kommt dem englischen Empire nur das euroPäisch-asiatischeTerritoriumderSozialistischenSowjetrePubliken, an Bevölkerung nur das chinesische Reich nahe. Gemessen an der agrarischen und industriellen Produktion und an den AußenhandelsUmsätzen ist es allen anderen M ächten mit Ausnahme der V erein ig ten S ta a te n von Amerika bei weitem überlegen. V o n der W e lt agrarproduktion entfällt schätzungsweise ein Fü n ftel, von der W e lt industrieproduktion nicht ganz ein Sechstel und von den W elthan delsumsätzen mehr als ein Fü n ftel au f den Bereich des englischen Em pire. V e r g le ic h
der S t a a t s g e b i e t e und der B e v ö lk e r u n g der g r ö ß te n R e ic h e der E r d e um 1935 Engl. Sowjet Fran V .S t . Weltv. zösisches China' Japan Amerika reich rußland Reich
Fläche in M ill. gLm Bevölkerung in M ill. Industrieproduktion i. v. L . d. W e lt. . . . Außenhandelsumsätze i. v. L . d. W e lt . . r Ohne Mandschukuo.
31,6 488,3
21,3 165,7
7,1 444,6
9,7 137,9
2,1 190,9
12,2 106,6
13,9
13,4
.
35,5
3,7
6,7
30,2
1,5
1,4
10,3
5,5
9,8
68
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
I n der V ergangenheit waren innerhalb des englischen W ir tschaftsimpcriums nur zwei große Lücken, die eine a u f dem europä ischen und die zweite a u f dem amerikanischen K on tin en t; in Zukunft wird auch in Asien sein Einfluß durch den japanischen und sowjet russischen Aufstieg rasch zurückgedrängt werden. A u f keinem dieser drei Erdteile kann daher die englische Sicherungspolitik die Rückendeckung durch eine starke einheimische M ächtegruppe entbehren? D agegen ist in den beiden Erdteilen A frik a und Australien-Neusee land das englische Übergewicht unbestritten. V o n der I n d u s t r ie p r o d u k t io n u n d den A u ß e n h a n d e l s um sätzen der e in z e ln e n E r d t e ile e n t f a l l e n a u f d a s en glisch e R e ic h
Industrie produktion Außenhan delsumsätze
Europa v.H.
Afrika P.H.
19,3
99,0
0,4
33,5
100,0
13,9
28,3
54,9
15,7
35,7
100,0
30,2
Amerika °. s .
Asien v. H.
Australien Welt v. H. v.H.
D a s aufschlußreichste B ild der englischen Stärke ergibt sich jedoch, wenn man die W irtschaftskraft des M utterlandes und seiner Glieder an dem Besitz der ausschlaggebenden Rohstoffe der W eltwirtschaft mißt. D ie europäischen Mutterinseln verfügen nur über die beiden Grundstoffe Kohle und Eisen, deren Besitz im 19. Jahrhundert dis Voraussetzung politischer und wirtschaftlicher M achtentfaltung be deutete. D a fü r kontrollieren die außereuropäischen G lieder des Im perium s fast alle Grundstoffe der W eltwirtschaft, die im 20. J a h r hundert zu entscheidender Bedeutung aufgestiegen sind. S i e stellen die H älfte der W eltausfuhr an W eizen, ein D rittel der W eltausfuhr an B au m w olle, zwei D rittel der W eltausfuhr an W o lle , die ge samte W eltau sfu hr an Ju t e , ein bis drei Fünftel der W eltausfuhr an Nichteisenmetallen, drei Fü n ftel der W eltausfuhr an Kautschuk und zwei D rittel der Weltgoldproduktion. V o n den weniger wichti gen Rohstoffen des W eltmarktes kommen nur Zucker, K affee und Seide aus nicht-englischen Erzeugungsgebieten. D e r einzige lebens* Aus dieser Tatsache lassen sich eine ganze Reihe von Schlusifolgerungen der englischen Curopa-Amerika-Asien-Politik ableiten.
D ie nordeuropäische Seezone
69
wichtige R o h s to ff, dessen Lauptfundstätten außerhalb der Empiregrenzen, aber keineswegs außerhalb seiner Kapitalinteressen liegen, ist das E rd ö l. D a fü r sind Ende des vergangenen Ja h re s die ersten Steinkohlenhydrieranlagen Englands unter Beteiligung von R e gierung und Bevölkerung feierlich in B etrieb genommen worden. Von
d er W e l t a u s f u h r w ic h tig e r R o h s t o f f e a u s dem E m p ir e in v . Ä .
Nahrungsstoffe W eizen .. . R e is . . . . Kakao----T e e ...........
.. .. .. ..
50 33 62 66
Textilrohstoffe Baumwolle 29 Wolle . . . . 68 J u t e .............98
Sonstige
Metalle Kupfer — B le i............. Z in k ............. Zinn............
stam m en
19 49 44 59
Steinkohle. R oheisen... Kautschuk... Erdöl*..........
58 37 58 2
* Gemessen am Kapitalbesih ist ungefähr die Lälfte der Weltausfuhr an Erdöl und Erdölderivaten in englischen Länden. D ie europäische M utterinsel ist nur das Herz dieses über alle Kontinente und M eere ausgestreckten Niesenkörpers, dessen B lu t kreislauf es vermittelt. I m Gegensatz zu allen anderen Großmächten der Erde ist daher das englische Lebensproblem die Sicherung der Verbindung zwischen den einzelnen Neichsteilen und dem M u tter land. Eine Vorstellung von der Länge dieser Verbindungslinien vermittelt die Tatsache, daß das dem europäischen M utterland nächstgelegene Dom inium Kanada 2500 Seem eilen, die wichtigeren afrikanischen Gebiete 3000— 6000 Seem eilen, die asiatischen Neichsglieder im Durchschnitt 7000— 8000 Seemeilen und das abgelegene Neuseeland 12500 Seemeilen vom M utterland entfernt sind. Schon die flüchtige Beobachtung zeigt, daß Großbritannien ununterbrochen an der Sicherung dieser Verbindungslinien baut, und die jüngsten Ereignisse im Mittelmeerbecken bekräftigen erneut, mit welcher H a rt näckigkeit es jeder möglichen Schwächung derselben entgegentritt? D ie Id ee des „m u ro n o s tr o " , sobald sie über die kleinen Anliegerstaaten ins Weltpolitische hinausgreift, und die R e a litä t der durch das M ittelm eer und den Suezkanal verlaufenden Äauptverbin-
1 Daß diese Verbindungslinien sämtlich maritim und nicht kontinental sind, entspricht dem Verhältnis von Materialkraft zur Volksstärke, in der das Empire allen anderen Nationen überlegen ist — ein Vorsprung, der nur in der Seeriistung in vollem Amfang zur Geltung gebracht werden kann. ,
7v
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
dungslinie nach den asiatischen Reichsgliedern werden immer unversöhnliche Gegensätze bleiben. E s ist klar, daß die durch den K rieg beschleunigte Strukturw and lung der W eltwirtschaft besonders stark a u f das englische Weltreich zurückwirken muß. W a s vor dem K rieg als W eltwirtschaft bezeichnet wurde, war im wesentlichen eine W eltwirtschaft des britischen Im p eriu m s, an dem die übrigen N atio n en dank der englischen F r e i handelspolitik teilnehmen durften. S e it Kriegsende heben sich aus dem Zusammenbruch dieser alten Form en der W eltwirtschaft immer deutlicher neue Großraumwirtschaftcn heraus — in Europa die kontinentaleuropäische, im atlantischen R a u m die amerikanische, im eurasischen R a u m die sowjetrussische und im pazifischen R a u m die japanische — , m it denen die englische Empirewirtschaft die viel seitigsten Bruchlinien und Überschneidungen aufweist. D a s britische R eich befindet sich unter diesen Amständen trotz des m it der Pfundabw ertung erfolgreich eingeleiteten Konjunkturaufschwungs in einer tiefen Strukturwandlung, die noch einen weitgehenden A m bau des ganzen Neichsgefüges erwarten läß t? Beschränken wir uns bei der Antersuchung dieses Strukturwandels au f das rein Wirtschaftliche, ohne au f die damit eng verbundenen politischen V o r gänge einzugehen, dann werden drei große Grundlinien der englischen Entwicklung sichtbar — der industrielle Ambau im M utterland mit starken Gewichtsverschiebungen von der Export- zur Binnenm arkt produktion, die fortschreitende Kontraktion seiner Außenwirtschaft vom W elthandel zum Empirehandel und die Gefährdung der aus wärtigen Kapitalanlagen, von denen der wirtschaftliche W ohlstand Großbritanniens abhängig ist. D a s englische M utterland war im vergangenen Jahrhundert das industrielle L e rz der W e lt, wurde aber aus dieser Stellu n g durch die Entwicklung der kontinentaleuropäischen und nordamerikanischen Industrie, später durch den A u sb au der japanischen Industrie und in jüngster Z e it durch die rasche Industrialisierung in seinen eigenen Dom inien und Kolonien verdrängt. D ie englische Industrie macht heute eine grundlegende W andlung von der Exportproduktion zur Binnenmarktproduktion durch, wobei sich weitgehende Verschie bungen der industriellen Standorte im M utterland wie im Gesam t reich ergeben. Insbesondere die drei früheren Repräsentanten der r D ag es gleichzeitig während dieses Ambaues seine politische Aktions bereitschaft unter Beweis stellt, ist ein Zeichen seiner inneren Stärke.
D ie nordeuropätsche Seezone,
7i
E n g l. K a p ita l investitionen in M illio n e n L
G e sa m t bevölkerung in M illio n e n
Mutterland. .
—
—
46F
Ägypten . . . .
3053
Südafrika . . . K an ad a..........
5945 2531
224 446
8,4 10,7
Brit.-Indien.
7445
458
359,4
B rit.-M alaya
8107
108
4,4
Ceylon............ Australien. . .
6539 9739
1 494
5,3 6,6
Neuseeland. . 12469
123
1,5
15,1
* I n Brit.-Indien mitinbegriffen.
Hauptrohstoffe in v . H . der Weltproduktion
Steinkohle 2I°/°, Eisen 10 °/° Baumwolle 8"/°, P hos phate 5°/° Wolle 8°/°, Gold 43°/° Weizen 6°/°, Nickel 86°/°, and. Metalle 10°/° Neis 30"/°,Baumw.16°/°, Jute 100°/°, Tee 21 °/° Kautschuk 46°/°, Zinn 317° Kautschuk 8 °/°, Tee 24 °/° Wolle 29 °/°, Blei 15°/°, Zink 11 °/° Wolle 8 °/°, Butter
gn d ustr. P r o duktion in v .H . d . W eltproduk.
H au p tglied er
E n tfern u n g v . M u tte rla n d In S e e m e ile n
D i e K a u p t g li e d e r d es E m p ir e und die B e d e u tu n g ih re r V e r b in d u n g m it dem M u t t e r la n d
10,2 13678 0,4 2177 o,4
0,2
1796 2959
1,7
2569 1490
-
1,3
414 2115
0,2
792
72
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
englischen Exportwirtschaft, die Textilindustrie, die Kohlen- und Eisenindustrie und der Sch iffb au , treten an B edeutung zurück und überlassen den großen Binnenindustrien wie dem B au gew erb e, der Rüstungsindustrie und der öffentlichen Versorgungsw irtschaft den V o r r a n g ? D ie vor dem K rieg weltbeherrschcnde B a u m w o llindustrie Lancashires ist heute bereits zu entscheidenden T eilen in die außereuropäischen Vaumwollproduktionsgebiete des Im perium s verlagert, soweit sie nicht in die billigeren außerenglischen Erzcugergebiete abgewandert ist. Auch bei Kohle und Eisen macht die Selbst versorgung der überseeischen Reichsglieder rasche Fortschritte; im übrigen ist der A u sb a u der Verbrauchsgüterindustrie in allen be deutenderen Dom inien im G a n g e . D ie nachstehende Äbersicht mag an einem kleinen Ausschnitt der Industrie des M utterlandes die Rückwirkungen dieser Entwicklung zeigen.
D ie
E n tw ic k lu n g d er B e s c h ä ft ig t e n in der en glisch en I n d u s t r ie nach w ic h tig ste n I n d u s t r ie z w e ig e n in 1 0 0 0
Zurückgehende In d u striezw eige ................................................................... darunter: Eisen- und Stahlgießereien. . Textilindustrie............................... Schiffbau...................................... Kohlenbergbau .......................... Aufsteigende In d u striezw eige........................................... darunter: Baugewerbe .............................. Metallindustrie ......................... Automobil- u. Flugzeugbau . Elektrotechnische Industrie . .
1923
1929
1934
Verän d eru n g 1923/34 i. v . H .
4026
3636
2939
— 27
509 671 150 1226
539 675 163 907
447 530 83 650
— 12 — 21 — 44 — 47
5745
7210
7859
4-37
586 143 170 121
743 176 228 172
777 195 243 208
4-33 4-37 4-43 4-71
i Die eingeleitete Aufrüstung verhindert eine völlige Zurllckdrängung der Eisenindustrie und des Schiffbaus, beschleunigt aber ihren Übergang von der Exportproduktion zur Binnenproduktion. .....................
D ie nordeuropäische Seezone.
^
Ähnlich entscheidende Strukturwandlungen wie in der Industrie wirtschaft vollziehen sich seit Kriegsende in den Außenhandels-beziehungen des Im p e riu m s. D ie durch den Krieg erfolgte Amkehrung der K a p ita l- und Zahlungsbilanzen zwischen Europa und N ordam erika hat im V e r la u f der letzten Krise zum Zusammenbruch des freien W elth an d els und des internationalen Goldwährungs systems geführt, a u f denen ein gut T e il der wirtschaftlichen V o r machtstellung Großbritanniens aufgebaut ist. Diese Auflösung des ursprünglichen Gleichgewichtszustandes der Weltwirtschaft hat das englische W eltreich insofern besonders empfindlich getroffen, als die dadurch eingetretene Verstopfung der alten Welthandelswege alle Länder zu weitgehender Zurückziehung au f die eigene W irtschaft und zur Abgleichung der K a p ita l- und Warensalden im zweiseitigen V e r kehr zw ingt. D ie F o lg e ist die Tendenz zur Abkehr des internationalen Güteraustauschs von dem P rin z ip der überseeischen Fernverbin dungen und der Übergang zu kürzeren kontinentalen Verbindungsw egen.D er globaleWeltwarenverkehr, dessen Finanz-und Amschlagszentrum früher das englische M utterland w ar, hat sich unter diesen Amständen in verschiedene Gruppen gespalten, wodurch der englische W elthandel aus seiner bisherigen Zentralposition verdrängt wird. D i e A u f s p a l t u n g d e s W e lt h a n d e ls nach E r d te ile n A u s fu h r
Entwicklung des Ausfuhranteils nach jed. Erdteil in v. L . der Gesamtausfuhr 1913 j 1930 j 1934 > 1913/34
Kontinentaleuropäischafrikanischer G ro ß w irt schaftsraum K o n tin en taleu ro p a zunehmend mit Kontinentalenropa-Afrika. . . Asien-Australien.......................-
63,9 5,7
64,1 5,8
66,4 7,1
-s- 2,5 1,4
schwankend mit Großbritannien.........................
17,7
18,9
16F
-
1,2
abnehmend mit Am erika.........................................,
12,7
11,2
10,0
-
2,7
32,0
52,3
60,8
-l-28,8
A fr ik a zunehmend mit Kontinentaleuropa-Afrika.. .
74
D as wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
A u s fu h r
Cntwickl m g des 2 lusfuhraht eils nach jed. E rb t eil in v . L . der Gesani tausfu hr 1913
1930
1934
1913/34
sch w an k e n d m it A m ertka-A sien-A ustrallen. . .
4,3
/ s ,i
7 ,4
4 - 3,1
s ta r k a b n e h m e n d m it G r o ß b r ita n n ie n ..............................
63,7
38,6
31,8
— 31,9
21,9 5,8
40,7 9,3
36,5 12,1
4 -1 4 ,6 4- 6 ^
30,9
19,9
23,7
—
41,4
30,1
27,7
— 13,7
30,0 12,8
40,9 24,6
39,6 21,0
4 - 9,6 4 - 8,2
17,2
13,9
16,8
-
40,0
20,6
22,6
— 17,4
46,2 8,4
51,1 8,8
52,5 9,6
4 - 6,3 4 - 1,2
24,8 20,6
18,9 21,2
18,4 19,5
-
6,4
-
1,1
64,6
63,1
4-
8,6
16,9
17,9
16,0
—
0,9
28,6
17,5
20,9
-
7,7
A tla n tis c h -P a z ifis c h e r G r o ß w ir ts c h a ftS r a n m A m e r ik a z u n e h m e n d m it A m e r ik a ................................................ A sien -A ustralien .............................. sch w an k e n d m it G r o ß b r ita n n ie n .............................. s ta r k a b n e h m e n d m it K on tinentaleuropa-A srika. . . A s ie n z u n e h m e n d m it A sien -A ustralien.............................. A m e r ik a ................................................ sch w a n k e n d m it G r o ß b r ita n n ie n .............................. a b n e h m e n d m it K on tln en taleuro pa........................
7,2
«H4
D i e S t e l l u n g G r o ß b r it a n n ie n s G r o ß b r it a n n ie n z u n e h m e n d m it K on tin en taleu ro p a-A frik a. . . A u s tra lie n ............................................. a b n e h m e n d m it A sien ...................................................... A m e r ik a ................................................ A u s tr a lie n z u n e h m e n d m it G r o ß b r ita n n ie n .............................. . sch w an k e n d m it A sien -A ustralien -A m erik a. . . a b n e h m e n d m it K o n tin entaleuro pa-A srik a. . .
D ie nordeuropäische Seezone
75
E ngland hat b is vor kurzem sich den Rückwirkungen dieser V erlagerung des W elth an d els dadurch zu entziehen versucht, daß es sich schrittweise, aber doch m it großer Stetigkeit aus seinen früheren V e rflechtungen in der W eltw irtschaft zurückzog und seine Außenwirt, schaft im N a h m e n des Im p eriu m s als politisch geschlossene englische W eltraum w irtschaft neu zu organisieren trachtete. Diesem zentri petalen Bestreben des M u tterlan d es stehen jedoch die zentrifugalen K räfte in der Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen der Äauptdominien gegenüber, deren Interessen wesentlich über den Bereich des Im p e riu m s hinausgreifen. Besonders die im europäisch-afrikanisch-kleinasiatischen R a u m liegenden Neichsglieder (Ägypten, Südafrika) haben ihre zentrifugale Entwicklung bis zur Gegenwart fortgesetzt, während bei den im atlantischen und pazifischen R a u m liegenden N eichsgliedern (K an ada, Britisch-Indien, Australien, Neuseeland) seit der P fundabw ertung und O ttaw a eine Llmkehrung dieser Tendenz sichtbar w ird. D ie notwendige Abgleichung der viel seitigen Gegensätze zwischen den agrarischen und industriellen In ter essen des M u tterlan d es und der einzelnen Reichsglieder wird daher noch a u f lange Z e it die englische H andels- und Währungspolitik bestimmen und aller Voraussicht nach ein Musterbeispiel der eng lischen Kunst des Zuw artens und ständigen Ausbalancierens und Flickens an S te lle einer grundlegenden Neuorganisation werden. D e r W ähru n gspolitik kommt dabei geradezu eine Schlüsselstellung als M it t e l der englischen Reichspolitik zu, w as bei der Beurteilung der Zukunft des P fu n d e s nicht außer acht gelassen werden darf. D ie
E n tw ic k lu n g der A u ß e n h a n d e ls b e z ie h u n g e n h a lb d e s en glisch en E m p ir e
in n e r
1. Z e n trip e ta le Außenhandelsentw icklung des M u tterlan des im Em pire 1913
1923
1927
1934
V o n der Gesamteinfuhr stammen in v .Ä .a u s : britischen Ländern -----------fremden Ländern.......................
24,9 75,1
29,7 70,3
30,1 69,9
37,1 62,9
V o n der Gesamtausfuhr gehen in v . L . nach: britischen Ländern..................... fremden Ländern........................
37,2 62,8
39,2 60,8
46,1 53,9
46,9 53,1
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
2. D ie ze n trifu g a le Entw icklung der A u s fu h r der Ä a u p tg lte d e r des E m p ire* 1913
1923
1927
1934
Ä g y p te n s nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
42,6 57,4
47,6 52,4
38,7 61,3
31,9 68,1
S ü d a fr ik a s nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
88,7 11,3
75,5 24,5
63,1 36,9
55,5 44,5
Kanadas nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
49,9 50,1
34,4 65,6
33,4 66,6
41,4 58,6
B r itis c h -Jn d ie n s nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
23,5 76,5
25,3 74,7
23,7 76,3
32,3 67,7
A u stra lie n s nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
44,3 55,7
44,1 55,9
33,3 66,7
51,7 48,3
N eu seeland s nach Großbritannien .......................... übrigen Ländern..........................
78,9 21,1
81,2 18,8
76,0 24,0
81,4 18,6
Ausfuhr in v. L>.
* B e i Kanada, Britisch-Indien, Australien und Neuseeland seit Ottawa wieder eine Llmkehrung dieser Tendenz. W a s die S itu a tio n der auswärtigen Kapitalanlagen betrifft, so ist Großbritannien durch die Amkehrung der Zahlungsbilanzen zwischen Kontinentaleuropa und Nordamerika zunächst nur insofern berührt worden, a ls es in seiner R o lle als W eltbankier einen T e il der im Kriege notwendig gewordenen Finanztransaktionen über seine Konten laufen ließ und dadurch sowohl in den Aktiven wie Passiven sich in das Risiko einschaltete. D a m it war Englands
D ie nordeuropäische Seezone
77
Fin an zlage gegenüber Nordam erika von der Zahlungsfähigkeit seiner neuen kontinentaleuropäischen Schuldner abhängig geworden, deren Zusammenbruch in der Zwischenzeit eingetreten ist. D er politische Instinkt der E ngländer hat die aus dieser Abhängigkeit drohenden G efah ren schon frühzeitig erkannt und aus diesem Grunde bereits kurz nach K riegsen d e im mer wieder gegen die finanziellen Bestim mungen des V e rsa ille r V e rtr a g e s Stellu n g genommen? S a ld o
d e r G u t h a b e n (-st) o d er S c h u ld e n (—) G r o ß b r i t a n n i e n s g e g e n ü b e r dem A u s l a n d um 1930 in M i l l i a r d e n N M * Europa
Nord amerika
Südame rika und Kanada
übrige Welt
sanm-en
Kriegsschulden............. öffentliche SchuldenPrivatschulden...........
-ff 7,5 -ff 4,0 -ff 0,9
— 14,3 0,7 -ff 2,3
-ff 8,7 ^ 1 4 ,2
^31Z -ff 11^
— 6,8 ^43Z ^28,7
Gesamt ...........................
^ 1 2 ,4
— 12,7
^ 2 2 ,9
4-42,6
4-65,2
' Ohne Gold- und Devisenbestände. 2 Politische Auslandsschulden außer Kriegsschulden, kommerzielle Ver schuldung ausländischer Staaten und sonstiger öffentlicher Körperschaften. W ähren d jedoch diese finanzielle Zw angslage für Großbritannien durch die Einstellung des Kriegsschuldendienstes und der W ährungsabwertung durchgehauen werden konnte, ohne daß die englische Finanzposition wesentliche Verluste erleiden dürfte, sind aus der politischen Kräfteverschiebung im atlantischen und pazifischen R a u m , der Amkehrung der Zahlungsbilanzstruktur Kontinentaleuropas und N ordam erikas und dem Zusammenbruch des internationalen G old währungssystems viel weiterreichende Folgen entstanden, die auf die englische Kapitalsiellung zurückwirken. S ie werden deutlich sichtbar in der cingetretenen D isharm onie der politischen, finanziellen und Außenhandelsinteressen, denen England heute gegenübersteht. Der weitaus größte T e il seiner Kapitalinteressen liegt nämlich im atlan tischen und pazifischen R a u m , wo England heute die Herrschaft zur S e e m it seinen beiden Konkurrenten, den Vereinigten Staaten von r Nicht gegen die politischen, soweit sie damit nicht unmittelbar im Zu sammenhang standen.
78
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Z oncn
N ordam erika und Ja p a n , teilt, während es gleichzeitig Sch ritt für S ch ritt aus diesen R ä u m e n niit seinen Außenhandelsinteressen zu rückweichen muß. W e n n m an bedenkt, wie eng K a p ita l- und L a n delsinteressen normalerweise verbunden sind und wie entscheidend der E rtrag der ausw ärtigen K ap italan lagen für die englische Z a h lungsbilanz, die englische W irtschaft und den Lebensstandard jedes einzelnen Engländers ist, dann wird die Bedeutung dieses P ro b le m s fü r das Im perium sichtbar. Die Verteilung der englischen Kapital- und Landelsinteressen auf den europ.-afrik. Raum atlantischen pazij ischen Raum zu I davon Raum dar o n zu sam m -n E u ro p a I A frik a v .y . ! v .y . ! v .y .
Handelsumsätze . Kapital investitionen . .
53
39
18
7
A m erika v .y .
sam m en v .y .
A sien v .y .
A ustral. v .H .
14
19
28
18
10
11
34
48
26
22
D ie P assiv ität des englischen Außenhandels betrug im H öhe punkt der letzten Konjunkturperiode etwa 8 M illiard e n R M . , wovon der L a u p tte il durch die Einnahmen aus Zinsen und Dividenden in L ö h e von 6,5 M illia rd e n N M . aus den auswärtigen Kapitalanlagen gedeckt w ar, während der N est durch die Einnahmen aus der S c h iff fahrt und dem Versicherungswesen in L ö h e von etwa 3 M illia r den N M . mehr a ls ausgeglichen wurde. Durch die Schrumpfung des Außenhandelsvolumens und der P reise sind das Außenhandelspassivum bis au f 3,7 M illia rd e n R M . , die Einnahmen aus Zinsen und Dividenden a u f 2,6 M illiard en N M . und die Einnahmen aus Dienstleistungen a u f 1 M illia rd e N M . zurückgegangen. D ie
Z a h l u n g s b i l a n z G r o ß b r it a n n ie n s
Jahr
Außen handel
Dienst lei stungen
P o liZinsen ..tische ».D iv i Übertra denden gungen
1925 1928 1930 1932 1934
— 384 — 353 — 381 — 287 — 295
-i-I444-
4-310 4-315 4-275 4- 175 4-205
139 145 120 85 80
— ii 4-15 4 - IS — 24 4- S
in M i l l . P f u n d
Goldbk wegung
Kapi mone private talbe wegung täre - chll
— — 4—
1 2 1 2
— 3 — 4 — 3 — 16 — 132
— 62 — 117 - 23 4- 66 4-135
D ie nordeuropäische Seezone
79
D a s M u tte rla n d Großbritannien entwickelt sich, abgesehen von seinem politischen P a t r o n a t , immer mehr zur finanziellen Lolding des Im p e riu m s , während seine frühere Bedeutung im Außenhandel nur unter starken organisatorischen Änderungen aufrechtzuerhalten ist und seine industrielle Vorrangstellung rasch zurückgeht. I n dieser Entwicklung hat die W ährungspolitik eine Schlüsselstellung erlangt, die noch a u f geraume Z e it anhalten wird. D a s letzte W ort jedoch spricht hier die P o lit ik , die zu allen Zeiten dem wirtschaftlichen G e sicht G roß britanniens die entscheidenden Züge gab. E s wird in allen F ä lle n gut sein, sich daran zu erinnern, daß dieses Gesicht alt ist und seine Änderungen nur in wesentlich längeren Zeiträumen voll zieht a ls andere S ta a te n von jüngerer Vergangenheit.
2. D i e sk a n d in a v isch e G r u p p e D a s wirtschaftliche Gesicht der nordischen Staaten ist heute stärker denn je nach E ngland gerichtet, ohne jedoch den Zusammen hang m it dem europäischen Festland preiszugeben. Diese wachsende Einbeziehung in das englische Wirtschaftsimperium, die sich in der engen Anlehnung an seine W ähru n gs- und Finanzpolitik, in der überragenden S te llu n g des H andels mit Großbritannien und in den vielgestaltigen kulturellen Beziehungen zu diesem Lande äußert, ist das charakteristische Kennzeichen aller skandinavischen Länder. D e s halb ist auch der aus der Wirtschaftsstruktur dieser Staaten heraus notwendig gewordene Anschluß an den Pfundblock anders zu be urteilen wie etwa der Zusammenschluß L o lla n d s, der Schweiz und früher auch B e lg ie n s m it Frankreich im Goldblock, der bei relativ schwacher wirtschaftlicher Verbundenheit nur aus einer Äberbetonung der politischen und finanziellen Seite zu erklären ist. Gemessen an der Flächenausdehnung des Staatsgebietes reihen sich drei der skandinavischen Länder unmittelbar hinter den europäischen Großstaaten an , nach der Größe der Bevölkerung gehören sie jedoch alle zu den kleinsten Ländern unseres Erdteils. D a s Bevölkerungsw achstum ist wie in der gesamten Nordseezone nur sehr gering und hebt sich nur in Dänem ark und Finnland etwas über den Durch schnitt. E in gemeinsames Kennzeichen ist die starke Verbundenheit der nordischen Länder m it der W eltwirtschaft, die geringe Siedlungs dichte und der hohe A n te il der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkeru n g. I h r Außenhandel pro K o p f beträgt ein Mehrfaches der großen
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
8o
Festlandsmächte und übertrifft auch den Großbritanniens wesentlich (mit A u sn ah m e von Fin n lan d ). S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g u n d A u ß e n h a n d e l d er s k a n d in a v is c h e n L ä n d e r um 1935 Land:
Staats gebiet Tsd.
Gcsamtbe- Anteil der Außenhan Geburten Landbevöl del 1934 überschuß völkerung kerung je Kopf d. auf 1000 in MM. in v. H. Vev. in NM. d. Bevölk.»
44,3 322,7 448,4 388,5
Dänemark.. . Norwegen . . Schweden. . . Finnland . -.
3,6 2,8 6,1 3,7
35 36 40 70
384 289 274 162
7,0 5,6 2,8 6,1
i Durchschnitt 1930/34. D ie Verflechtung der Wirtschaftsstruktur und der G leich lau f der konjunkturellen Entwicklung der nordischen Länder m it E n glan d, der bis zu einem gewissen G rad e schon vor dem W eltkrieg bestanden hat, ist in der Nachkriegszeit und besonders seit der gemeinsamen W ährungsabw ertung noch wesentlich enger geworden. G ro ß britannien ist heute der bedeutendste K äu fer und Lieferant im skandi navischen R a u m und kann sich in dieser Stellu n g m it der Gesamtheit D i e A u s f u h r d er n o rd isch en L ä n d e r nach A b s a tz m ä r k te n im J a h r e 1934 nach N ordeuropäische S e e z o n e . davon E n glan d.......................................... Skandinavien................................ Ostseerandstaaten....................... K o n tin e n ta le u r o p a * ............. davon Deutschland.................................. Westeuropa.................................... A u ß e r e u r o p a .............................
in v. Ä . der Gesamtausfuhr gingen von SchweFinnDäneNorland wegen den mark 71,0
37,5
41,9
54,4
60,0 10,6 0,4
24,3 12,9 0,3
25,2 16,2 0,5
46,8 6,9 0,7
24,6
37,1
35,7
29,5
15,3 4,6 4,4
13,7 11,8 25,4
13,9 12,2 22,4
10,1 14,6 16,1
r Ohne Skandinavien und die Nandstaaten.
D ie nordeuropäische Seezone
der europäischen Festlandsmächte messen. C s liefert zur Zeit 50 bis 75 v. L . der Kohleneinfuhr, 3 5 - 5 0 v. Ä . der Einfuhr an Textilien und 15— 30 v . L . der Eisen- und Metallwareneinfuhr Skandi naviens. Amgekehrt bezieht es 80— 90 v. Ä . des dänischen Exports an Fleisch und Molkereiprodukten, 35 v. L . der schwedischen Ausfuhr an L o lz und Lolzerzeugnissen, etwa 45 v . L . der norwegischen LolzProduktion und 20 v . Ä . seiner Fischereierzeugnisse sowie 50 v . L . R-Ithlnger S
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
§2
der finnischen L o lz - und Lolzw arenproduktion. A lle rd in g s ist diese S te llu n g gegenwärtig durch den hohen Geschäftsgang in G ro ß britannien im Gegensatz zu der Depression und den Devisenschwierig keiten in Kontinentaleuropa auch konjunkturell überbetont. Abgesehen von dieser Gemeinsamkeit der Landclsinterefsen mit E ngland und der starken Verflechtung m it der W eltw irtschaft sind die nordischen Länder untereinander außerordentlich verschieden. D ä n e m a r k ist in seiner Grundstruktur ein hochentwickeltes B a u e r n lan d, das sich — zum T e il unter falscher Einschätzung der Nachkriegsprosperität E u rop as — a u f die B elieferung der benachbarten In d u striemärkte m it hochwertigen Vieherzeugnissen und M olkereipro dukten spezialisiert h at; S c h w e d e n ist ein In du strie-A grar-Lan d, das sowohl in seiner N a h ru n g s- wie in seiner industriellen G ü te r versorgung weitgehend unabhängig ist; N o r w e g e n s exportabhän gige R oh stoff- und Verkehrswirtschaft wird in erster Linie durch die hohe B edeutung der Fischerei und Sch iffah rt und in zweiter Linie durch die großindustrielle Ausnutzung seiner Wasserkräfte bestimmt; . dieG rundlageder fin n isch en V olksw irtsch aft schließlich ist die V ie h und Forstwirtschaft. Diese Verschiedenartigkeit des wirtschaftlichen A u fb a u e s, die auch den Unterschied in der konjunkturellen Entwicklung der nordischen Länder erklärt, geht aus den nachstehenden Übersichten deutlich hervor. D än em ark Ja h r
R in d H ü h n eroiehbestand je T sd. E in w .
Nutzfläche in v . H . der Gesam tfläche
1910 1925 1934
60 64 72
771 805 861
4031 5869 7389
D o n der G esam tau sfu h r en tfallen Fleisch u . Speck
2933 38
M olkereiProdukte
E ie r
35 34 24
5 7 7
zu69 74 69
- I91Z. N orw egen Fischfang ! S ch iffsb esth . Ja h r
4910 1925 1934
je 1000 Einw ohner kn t
in D N T
244224 320»
900 1000 1400
' 1913.— -> I9Z2.
D o n der G esa m ta u sfu h r en tfallen in v . H . a u f: Slusgebaute W as Holz u . zuFisch- u . u .-m etallu rg. serkräfte -erzeugn. san>m-n In iooor>8 -erzeugn. L r z -u g n .
425 1820 2000
3528 23
32 38 27
10 16 18
77 82 68
Die nordeuropäische Seezone
§3
Schweden P ro d u k tio n s w ert d. In d u strie ln W ill. K r
V o n der Söesamtausfuh entfallen in v . H . aus: E rze ,M e ta lle u . M e t a ll Maschinen zusammen waren
Ja h r
Forstfläche in v . H . der Landesfläche
1910
52
1951'
48
24
7
79
1925
53
4198
49
23
11
83
1934
57
4074-
47
23
8
78
- 1 9 1 2 .—
- 1933.
H olz u . -erzeugn.
F in n la n d Vo a der Gesamt ausfuhr entfa llen ln 0. ). auf: Häute Molkereizusammen u. Leder produkte
Jahr
Forstfläche in v. H. der Landes fläche
bestd?je W00 Einwohner
1910
60'
588'
74-
9
3
86
1925
65
543
82
10
3
95
1934
74
472
85
4
1
90
Holz u. -erzeugn.
' 192 0 . — - 1 9 1 4 .
D ie dänisch e Agrarstruktur ist besonders nach dem Kriege bewußt auf eine arbeitsteilige Weltwirtschaft hin entwickelt worden. S ie beruht fast ausschließlich auf der Viehwirtschaft, welche die Äauptaussuhrprodukte B u tte r, Speck, Eier und M ilch liefert, während an Futtermitteln und Getreide für die menschliche Ernährung ein M e h r faches der eigenen Erzeugung eingeführt werden muß. Diese S p e zialisierung, die im Zusammenhang mit dem ländlichen B ild u n g s und Genossenschaftswesen einige Standardprodukte von unerreichter Q u alität ausgebildet hat, hat der dänischen Agrarwirtschaft auch in der Krise trotz des verstärkten Agrarschutzes der anliegenden N ach barstaaten einen gewissen M arkt gesichert. Dagegen ist durch den Rückgang der Agrarpreise zeitweilig ihre R entabilität in F ra g e gestellt worden. D a s letzte Ja h r hat hier zwar wieder eine wesentliche Besserung gebracht, ohne jedoch vor allem angesichts der über stürzten industriellen Entwicklung bereits eine dauerhafte S ta b ilität zu gewährleisten. E in ernsthafter Konkurrent mit den gleichen viehwirtschaftlichen Erzeugnissen und an den gleichen Absatzmärkten ist F in n la n d ge worden, dessen Ausfuhrkonjunktur allerdings noch weit mehr als von dem Absatz viehwirtschaftlicher Erzeugnisse von der Aufnahme seiner
84
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
forstwirtschaftlichen P roduktion abhängig ist. D e r Absatz von B a u und N utzholz, Lolzm asse, Zellstoff und P a p ie r macht 75 v . L . des gesamten Außenhandels a u s. D ie starke Erhöhung der englischen Aufnahm efähigkeit an diesen Produkten hat in den beiden letzten Ja h re n für Fin n lan d auch eine lebhafte Inlandskonjunktur nach sich gezogen. Eine völlig entgegengesetzte Struktur zeigt die n o rw e g isch e W irtschaft, deren G rundlage das M e e r und die im Äberfluß vor handenen Wasserkräfte seiner Gebirge sind. N orw egen besitzt die viertgrößte H andelsflotte der W e lt und pro K o p f der Bevölkerung eine dreißigmal größere Tonnagezahl als Großbritannien. Ähnliche Verhältnisse gelten für die Fischerei — in erster Linie L e rin g -, K abeljau- und W a lfa n g — , in der ein V ie r te l, zusammen m it der Landelsschiffahrt ein D ritte l der erwerbstätigen Bevölkerung ihren Lebensunterhalt findet. D ie au f den einheimischen Wasserkräften, zum T e il a u f inländischer R ohstoffbasis, aber vielfach m it auslän dischem K a p ita l aufgebaute elektrochemische und elektrometallurgische Großindustrie — Stickstoff, A lu m in iu m , Ferrolegierungen — bildet neben den alten Lolzverarbeitungsindustrien — S ä g e re i, Lolzmasse, Zellstoff, P a p ie r — den industriellen Grundstock des Lan des, um den sich die neuen Verbrauchsgüterindustrien gruppieren. D ie E r zeugnisse der Lolzw irtschaft, der Fischerei und der elektrochemischen Industrie bestreiten über vier F ü n ftel der norwegischen Gesam taus fuhr. W ährend jedoch die Fischerei infolge der Landelsbeschränkungen der früheren Einfuhrländer noch darniederliegt, hat die Sch iffah rt eine recht ansehnliche Geschäftsbelebung zu verzeichnen; auch die Industrie ist in einer raschen strukturellen Ausdehnung begriffen. A m ausgeglichensten ist die Struktur der schwedischen V o lk s wirtschaft. D ie schwedische Landwirtschaft deckt weitgehend, wenn auch nicht vollständig, den Eigenbedarf der Bevölkerung und be schäftigt ungefähr zwei F ü n fte l der erwerbstätigen Bevölkerung. D ie Industrie ist außerordentlich vielseitig und reicht von den G ru n d industrien — E rze, Roheisen und S t a h l — über die großen gemischten Industriezweige — M etallw aren , M aschinen, Lolzverarbeitung — bis in die ausgesprochenen Verbrauchs- und Feinindustrien der T extil- und Lederverarbeitung und der N ah ru n g s- und Genuß mittelindustrie. D ie wichtigsten Ausfuhrerzeugnisse sind wie bei Finnland und N orw egen die forstwirtschaftlichen Produkte der ver-
D ie nordeuropäische Seezone
«5
schiedensten Verarbeitungsstadien und die Erzeugnisse derMaschinenund Kugellagerfabriken, die großenteils nach den anderen skandina vischen Ländern gehen. N u r die früher monopolartig weltbeherrschende Zündholzindustrie hat sich nach dem Kreuger-Zusammenbruch nich mehr erholen können. D i e k o n ju n k tu r e lle E n tw ic k lu n g der skan d in avisch en S t a a t e n se it 1932 Jahresende
P ro d u k tion s index 1S2S - - 100
G ro ß handels index
Aktkenindex
1927/2S--1 ) 0 ( l.G o ld )
E in suhr
A rb eits losigkeit
G o ld bestand ln
in 1000
W ill. N M
860,5 731,6 663,9 656,7
138,2 131,9 114,3 140,0
149,6 149,6 149,6 132,8
424,8 388,6 362,5 366,0
41,6 42,6 40,3 40,1
162^ 161,3 151,7 208,1
736,4 784,9 849,8 811,0
126,0 106,9 106,0 60,8
232F 417^ 395,8 459,0
297,4 324,3 345,0 400,1
20,3 17,1 10,7 7,4
32,2 34,1 34,1 49,9
A us fuhr
ln M il . N M .
D ä n e ,n a r ! 1932 1933 1934 1935
98,6 113,8 125,6 134,4
50,0 46,3 43,2 46,1
48,3 50,2 51,0 50,6
864,3 764,5 730,6 693,9
N orm egen 1932 1933 1934 1935
102,9 109,2 115,0 122,0
50,4 48,4 44,4 45,4
46,6 56,1 47,7 65,0
497,0 464,5 463,5 498,0
Schw :den 1932 1933 1934 1935
83,7 97,1 109,6 115,5
49,8 47,8 44,8 45,9
24,7 26,1 30,1 32,2
1932 1933 1934 1935
89,4 93,5 102,4 112,0
52,0 51,1 46,3 46,3
36,7 46,6 48,2 48,3
897,6 797,4 851,4 922,3
F in n l and 228,5 241,9 266,6 344,6
Säm tliche vier skandinavischen Länder befinden sich nicht nur in einer strukturellen Ausdehnung der Industrie, sondern seit Jahresfrist auch in dem Stadiu m der konjunkturellen Hochspannung, die beson ders bei Schweden ihren Scheitel bereits erreicht haben dürfte. S ie
86
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
profitieren in gleicher W eise von der Industrialisierungstendenz der gesamten europäischen R an d zon e wie von den Ausw irkungen der englischen Hochkonjunktur im nordeuropäischen R a u m . D e r induserielle Produktionsstand der letzten Hochkonjunktur ist bei allen Ländern der skandinavischen G ruppe bereits seit mehreren Ja h re n wesentlich überschritten, der Außenhandel bewegt sich a u f hohem S t a n d , Lebensstandard und Lohnniveau sind m it die höchsten und G e ld - und Kapitalzinssähe m it die billigsten in E uropa. D ie Erschei nungsformen der noch vorhandenen Arbeitslosigkeit sind unter diesen Amständcn keineswegs drückend. Ä hnlich, aber lange nicht so ausgeprägt wie bei den drei kleinen westlichen Gläubigerländern Schw eiz, H ollan d und B e lg ie n , ist ein T e il der W ohlstandsvermehrung der skandinavischen Länder au f ihre neutrale H altu n g in europäischen Kriegen zurückzuführen, in denen sie als begehrte Lieferanten der wichtigsten Kriegsm etalle, hochwer tiger N ah ru n gsm ittel und ausreichenden Frachtraum s eine R o lle spielten. A llerd in gs hat davon in der Hauptsache Schweden profi tiert, während Dänem ark und N orw egen die schädlichen A u s w ir kungen des W eltkrieges wesentlich stärker zu spüren bekommen haben. D ie skandinavischen S ta a te n haben jedoch auch im Frieden seit jeher ihre Bodenschätze und die V o rzü ge des Landes und ihrer Küsten für den Tauschhandel m it den europäischen Großmächten auszunuhen verstanden und dabei einen überdurchschnittlich hohen Lebensstandard für ihre Bevölkerung erreicht. I n erster Linie mit dem englischen Jnteressenkreis und innerhalb des Ostseeraums verbunden, haben sie durch das M itgeh en m it der Pfundentw ertung auch die Gefahren vermieden, die heute der Schweiz und H olland durch ihre Teilhaber schaft am Goldblock drohen und die wirtschaftlichen Reserven ihrer Bevölkerung langsam aufzehren. Ih re P roblem e sind in erster Linie die schwierigen Ausgleichsproblem e innerhalb des englischen W e lt reichs, m it dem sie heute stärker denn je durch gemeinsame W ir t schaftsinteressen verbunden sind. E s zeugt jedoch für den gesunden und weltoffenen S in n der skandinavischen Länder, daß sie darüber ihre Festlandsinteressen nicht vernachlässigen. D en n es kann kein Zw eifel bestehen, daß nach einer endgültigen Bereinigung der kon tinentaleuropäischen W irtschaftssituation der Einfluß der festländi schen W irtschaft a u f den skandinavischen R a u m wieder beträchtlich stärker sein w ird, a ls es augenblicklich der F a l l ist.
D ie nordeuropäische Seezone
87
3'. D i e O s ts e e r a n d s ta a te n D ie drei kleinen Bauernstaaten an der hohen Nordostküste des europäischen Festlandes — Litauen, Lettland, Estland — besitzen ein Staatsgeb iet, das zusammengenommen nicht viel größer ist als das der Tschechoslowakei, und eine Bevölkerung, deren Kopfzahl etwa der bulgarischen entspricht. S i e sind reine Agrarstaaten, wenn auch infolge des übermäßig hohen A n teils der hauptstädtischen Bevölke rung — R ig a s 380000 Einwohner bedeuten rund 20 v . L . , R e v a ls 136000 rund 12 v . L . der lettischen bzw. estländischen Gesamtbevölkerung — der agrarische Vevölkerungsanteil bei den beiden letzt genannten S ta a te n etwas gedrückt erscheint. S ta a ts g e b ie t
und
B e v ö lk e r u n g der s t a a te n um 1935
S ta a tsg e b ie t ln Tausend
G esam tbevölkerung in M illio n e n
A n te il der Land bevölkerung in v H .
Litauen*____ Lettland----Estland..........
55,7 65,8 47,5
2,4 2,0 1,1
Zusammen . .
169,0
5,5
Land
d re i O s ts e e r a n d
dichte
je qicm ldw. Nutzfläche
72,9 69,5 65,8
44,5 29,7 23,7
48,4 30,8 26,2
70,3
32,9
36,1
* Einschließlich Memel. E s wäre völlig falsch, wenn man diese durch den Weltkrieg ent standenen neuen Staatengebilde etwa wegen ihres kurzfristigen B e stehens oder ihres agrarischen Charakters den jugendlichen und ent wicklungsträchtigen Völkern Ost- und Südosteuropas gleichstellen würde. B e i Estland und Lettland handelt es sich um ausgesprochen alte Völkersplitter, in deren biologischem A u fbau die mittleren und hohen Altersklassen überwiegen. Ih re Geburtenziffer entspricht west europäischen, ihre Sterblichkeit osteuropäischen Verhältnissen, so daß als Endergebnis ein Vevölkerungswachstum sich ergibt, das zu den niedrigsten in Europa gehört. N u r Litauen macht hier eine A u s nahme und bewegt sich etwa in der M itte zwischen dem germanischen T yp u s M itte l- und Nordeuropas und dem slawischen Ost- und S ü d osteuropas. D ie F o lge davon ist, daß nur Litauen ein mäßiges
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
88
W ach stu m zeigt, während die Bevölkerung Lettlands und Estlands fast v öllig stagniert. A l t e r s a u f b a u u n d V e v ö lk e r u n g s v e r m e h r u n g in den d re i O s t s e e r a n d s t a a t e n um 1935
Land
Litauen..................... Lettland.................. Estland..................... Z u m V e rg le ich : Junges slawisches. Volk (Polen) . Mittleres german. Volk (Deutsch land) ..................... Altes roman. Volk (Frankreich) . . .
von 100 derGcsamkbcvölke- auf 100 der Gesamtbcvölkerung entfallen * rung stehen im Alter von unter über Ge- Sterbe- Geburten15 15/30 31/60 60 bürten fälle Überschuß 30 23 24
32 27 27
28 37 37
10 13 12
26,4 18,5 16,7
15,0 13,8 14,9
11,4 4,7 1,8
36
29
28
7
29,0
15,0
14,0
26
29
36
9
16,3
11,0
5,3
22
25
39
14
17,0
15,7
L3
i Durchschnitt 1930/34. S e it den Agrarreform en, die den früher vorherrschenden G ro ß grundbesitz beseitigen, ist die Grundlage der W irtschaft der klein- und mittelbäuerliche B e trie b , dem auch die Fürsorge des S ta a te s in erster Linie gilt. Diese W andlung der früher großbetrieblichen A g ra r struktur hat sich insbesondere für die Entwicklung der Viehwirtschaft günstig ausgewirkt. A b er auch in der Bodenbewirtschaftung sind Fortschritte gemacht worden. D e r durchschnittliche Erntecrtrag im Körnerbau konnte nicht unwesentlich gesteigert werden. D a s Schwer gewicht der agrarischen Produktion liegt jedoch au f der M ilchvieh-, G eflügel- und Schweinehaltung, die auch die wichtigsten A u sfu h r produkte B u tte r , E ier, Fleisch und Speck, liefert. D azu kommen außer Flachsfasern und Leinsamen noch die Erzeugnisse der Forst wirtschaft B a u - und Nutzholz, Lolzmasse, Zellulose und L o lz waren. V o n der Möglichkeit der Unterbringung dieser Produkte auf den benachbarten Auslandsmärkten und den dort erzielten Preisen ist die Lage der vielfach verschuldeten Landwirtschaft weitgehend ab hängig. D ie in den ehemals russischen Randgebieten angesiedelte
D ie nordeuropäische Seezone
89
Industrie hat sich einigermaßen gehalten und teilweise auch günstig weiterentwickelt, ohne jedoch au f die Dauer Aussichten wie etwa im benachbarten Osten oder Südosten zu besitzen. V o n einiger Bedeu tung ist in Litauen die Eisen- und Lederindustrie sowie die Tabakund Brennindustrie, in Lettland die L o lz- und Zündholz-, Textilund Gummiindustrie und in Estland die Brennschiefer-, Zündholzund Textilindustrie. W iew eit diese Entwicklung durch den Ausbau der polnischen, sowjetrussischen und skandinavischen Industrie später' gehemmt werden wird, läßt sich heute noch nicht übersehen.
90
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
A g r a r p r o d u k tio n
und L a u p ta u s fu h r s t a a t e n 1934
d er
O stse e ra n d
Litauen
Lettland
Estland
A grarerzeu gn isse Roggen und Weizen i. M ill. Ü2 ........... Gerste und Laser i. M ill. <ir..................... Kartoffeln i.M ill. ckr.................................... Flachs- und Lanffasern in 1000 ä r . . .
9,5 6,3 24,9 217,0
6,3 6,1 14,6 162,0
3,1 2,7 8,9 71,0
V ieh b estan d Rinder in 1000 Stück.................................. Schweine in 1000 Stü ck ............................ Pferde in 1000 Stück.................................
1300 1200 600
1559 586 370
682 277 210
L a u p ta u sfu h rw a re n (1933) Butter in 1000 ä - .......................................... Eier in 1000 ä n .............................................. Fleisch und Speck in 1000 ä s .................. Lolz u.Lolzwaren i.M ill. Landeswährg. Flachs u. L a n f i.M ill. Landeswährung
95,8 15,6 271,3 41,4 11,2
156,5 1,3 24,6 40,1 4,1
92,5 13,7 46,3 13,2
Z n den Landelsbeziehungen ist eine weitgehende W andlung ein getreten, die sich als bewußte Tendenz zur Lockerung der früheren Festlandsverbindungen mit Deutschland und R uß land und zur stärkeren handelspolitischen Verflechtung mit England kennzeichnen läßt. D e r englische M a rk t nimmt heute zwei F ü n fte l, zusammen mit D i e L a n d e ls v e r f le c h t u n g e n d er d r e i O s ts e e r a n d s ta a te n nach
in v. L . der Gesamtausfuhr der Ostseerandstaaten gmgen von Litauen Lettland Estland 1934 1925 1925 1934 1925 1934
England.......................... Skandinavien................
24 3
43 5
35 4
36 5
25 15
40 11
Nordeurop. Seezone. Deutschland.................. Westeuropa.................. Osteuropa .......................
27 51 5 2
48 22 11 5
39 23 22 7
41 29 12 3
40 31 10 11
51 23 8 3
Kontinentaleuropa ohne Skandinavien
69
47
54
53
58
43
D ie nordeuropäische Seezone
yi
Skandinavien die H ä lfte der A u sfu h r der Ostseerandstaaten auf und gewinnt auch als Lieferant von Industrieerzeugnissen an Bedeutung. Abgesehen von Lettland ist der Ausfuhranteil nach Deutschland stark rückläufig, nach R u ß lan d hat die A u sfu h r fast völlig aufgehört. D ie Handelsbeziehungen untereinander und mit den benachbarten nor dischen und osteuropäischen Ländern find nur äußerst gering entwickelt. In fo lg e der guten Ernte des letzten Ja h r e s , der günstigen Entwicklung in der H olz- und Textilindustrie und der gestiegenen A usfuhr nach England und den skandinavischen Staaten ist insbesondere in Estland, das sich auch währungstechnisch dem Pfundblock angeglie dert h at, eine starke Belebung zu verzeichnen. Auch in Lettland und Litauen hat der Druck der Agrarkrise nachgelassen. Eine gewisse Besserung gegenüber dem V o rjah r ist in der Entspannung der finan ziellen Verhältnisse wie der Arbeitsmarktlage festzustellen. D ie W irtschaftslage aller drei Länder bleibt jedoch weitgehend abhängig von der englisch-skandinavischen Hochkonjunktur, deren belebende Ausstrahlungen sich gegenwärtig im gesamten Ostseeraum bemerkbar machen. D ie
k o n ju n k tu re lle E n tw ick lu n g seit 1932 Grotzhandelslndeie 1927/2S--100 (in G o ld )
der O s ts e e ra n d s ta a te n Arbeits losigkeit iniooo
Jahres ende
Bankdis kont °/„ p. a.
1932 1933 1934 1935
5,5 5,5 5,0 4,5
Estland 69,1 51,4 43,3 45,8
40,8 36,0 38,4 47,0
46,8 42,0 48,0 55,0
13,7 9,2 2,7 2,0
1932 1933 1934 1935
6,0 5,5 5,5 5,5
Lettland 67,2 67,5 65,8 68,4 69,2 75,6 71,7 81,9
76,8 61,2 68,4 80,1
17^ 10,6 7,9 8,1
1932 1933 1934 1935
7,0 7,0 6,0 6,0
Litauen 52,2 69,6 47,9 60,0 42,3 57,6 38,2 52,8
79,2 67,2 61,2 63,4
. -
Einfuhr
Ausfuhr
ln M M R M
92
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Dieses wirtschaftliche Abhängigkcitsvcrhältnis der drei Ostseerandstaaten dürfte auch in Zukunft ihre Entwicklung bestimmen. D ie E n ge des eigenen M a rk te s , ihr geringes Vevölkerungswachstum und ihre gesanrte biologische Struktur eröffnet den drei um den Ostseerand siedelnden Völkersplittern, die durch den W eltkrieg die staatsrecht liche Anabhängigkeit bekommen haben, auch bei einem engeren Z u sammenschluß keine Aussicht au f eine zukünftige aktive N o lle im N a h m e n der europäischen N atio n en . D ie natürliche und niehr oder weniger auch politische Abhängigkeit von den angrenzenden Fest landsmächten und das handelspolitische Streben nach einer E in glie derung in den angelsächsisch-skandinavischen W irtschaftsraum sind Gegensätze, die für die Ostseerandstaaten kaum eine dauerhafte Aber brückung zulassen werden. D a z u kommt, daß der rasch anschwellende Druck an den östlichen und südlichen Grenzen diesen Ländern in Z u kunft trotz aller politischen Sichcrungsversuche eine restlose S t a b ili sierung der Staatssouveränität kaum ermöglichen wird.
I I . D i e westeuropäische Festlandszone D a s westeuropäische Festlandsgebiet umfaßt eine Gruppe von bio logisch alternden Ländern, deren Bevölkerungswachstum schön um die M itt e des vergangenen Jahrhunderts seinen Löhepunkt über schritten hatte und heute im wesentlichen stagniert. E s ist eine Z o n e, die infolge ihres natürlichen oder in günstigen historischen P erioden glücklich erworbenen R eichtum s und teilweise auch infolge ihrer au s geglichenen Sozialstruktur eine außerordentlich hohe wirtschaftliche und finanzielleWiderstandskraft besitzt. Größerer dynamischerWachstumsimpulse seit langem entwöhnt, verkörpert sie die Zone der finan ziellen S ta b ilitä t, des wirtschaftlichen Konservativism us und des politischen Sicherheitsgedankens. D e r Zusammenschluß im Goldblock zur Verteidigung der Goldw ährung, die trotz der drückenden W ir t schaftskrise bisher fast unverändert aufrechterhaltene liberalistischkapitalistischeWirtschaftsform und die hier beheimatete Politische Id e e der kollektiven Völkerbundsgarantie entspringen alle der gleichenWurzel, dem Wunsch nach Erhaltung des Bestehenden. D a s Netz der poli tischen V erträgeu n d G aran tien für dieAufrechterhaltung des S t a tu s <1u o , das unseren ganzen Erdteil überzieht, ist im Westen geknüpft. E s ist erstaunlich, wie weit der klugen und zähen P o litik der west europäischen V ölker die Durchsetzung dieses Zieles bisher gelungen
D ie westeuropäische Festlandszone
93
ist. D ie westliche L ä lft e Kontinentaleuropas, die zu B egin n des vergangenen Jahrhunderts m it 35 M illionen Menschen fast ein V ie r te l der europäischen Bevölkerung umfaßte, beträgt heute mit 62 M illio n e n Menschen nur mehr knapp ein Fünftel und wird um die M it t e unseres Jahrhunderts nur mehr ein knappes Sechstel der europäischen Bevölkerung erreichen. Trotzdem hat ihre politische und wirtschaftliche Bedeutung während des letzten Jahrhunderts noch zugenommen. O bw ohl sich diese Zone zur Zeit in schärfster Krise befindet, liegen hier drei V ie rte l des europäischen Goldbestandes, erreicht die Industrieproduktion fast ein D rittel der kontinentaleuroPäischen und sind der Lebensstandard und das Lohnniveau mit die höchsten a u f dem europäischen Festland. D ie Länder der westeuro päischen Festlandszone teilen sich auch in die nicht unter englischer F la g g e lebenden Reste der großen Kolonialreiche der E rde— Frank reich in A fr ik a , Amerika und Asien, B elgien in Afrika und Lolland in Ostasien — und vereinigen damit fast den ganzen Kolonialbesitz Kontinentaleuropas au f sich. A b e r die Entwicklung in Europa schreitet fort und läßt sich nicht in starre Form en pressen. Schon hat ein Land der Mittelmeerzone a u f Grund seines drängenden Bevölkerungsüberschusses mit den W a ffe n Anspruch auf Teilnahme an dem afrikanischen Kolonial gebiet erhoben. W enn dieser isolierte Ausbruch infolge falscher E in schätzung der gesamteuropäischen und der eigenen Situation auch zu einem nachhaltigen Rückschlag im Mittelmeerbecken führen wird, so geht doch die Entwicklung im osteuropäischen R a u m unaufhaltsam weiter. D a s rasche Bevölkerungswachstum der slawischen A g ra r gruppe wird in wenigen Jahrzehnten das Stärkeverhältnis in Europa grundlegend verschoben haben. D ie Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung wird zwar in erster Linie dem zentraleuropäischen W irtschaftsraum zufallen, doch wird sich auch die westeuropäische B e harrungszone den vielseitigen Problem en Politischer, wirtschaftlicher und finanzieller N a tu r nicht entziehen können, die sich aus dieser Entwicklung ergeben. 4. F ra n k re ich D ie lateinische Vorm acht im Westen Europas, die im Laufe der letzten Jahrhunderte mit großer Regelmäßigkeit in jedem Säkulum einmal auch, zur ersten M ilitärm acht unseres Erdteils aufgestiegen ist, besitzt heute unter allen europäischen Völkern das größte zu-
94
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
sammenhängende S ta a tsg e b ie t. Trotzdem die V o rzü g e des B o d e n s und der N a tu r dem S ta a tsv o lk mehr als ausreichenden N a h ru n g s und Sied lu n gsrau m im M u tterlan d bieten und es zur kontinental europäischen Landmacht vorbestimmen, hat sich Frankreich durch seine nach drei S e ite n dem M eere zugcwandten Küsten auch zu einer Kolonialm acht großen S t i l s entwickelt. S e in Gesicht ist wie das Ita lie n s nach A frik a und über die Brücke des Mittelländischen Binnenm eeres nach dem vorderen Orient gerichtet, aber seine Kolomalinteressen strahlen wie die Großbritanniens auch über den Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean hin a u s.
S t a a t s g e b i e t und B e v ö lk e r u n g d es fr a n z ö sisc h e n R e ic h e s 1935 Land
Gesam treich .................. M u t t e r la n d ................ K o lo n ie n » .M a n d a te davon in A fr ik a .......................... A sien ............................. Amerika .....................
B eFläche völkerung in Tsd. tiicm In MM.
davon: farbig weiß in Milk. In MM.
12459,1 551,0 11908,1
106,7 41,9 64,8
41,9 41,9 —
64,8 — 64,8
10889,1 903,2 93,1
39,1 25,1 0,5
— —
39,1 25,1 0,5
D ie politische und kulturelle Doppelrolle einer großen kontinental europäischen Landmacht und eines weltoffcnen Kolonialreichs ist auch im wirtschaftlichen Gesicht Frankreichs ausgeprägt. D a z u kommt, daß eine glückliche historische Entwicklung hier schon hundert Ja h re früher als im übrigen Europa ein einheitliches S t a a t s - und W ir t schaftsgebiet schuf, daß die wichtigsten Kolonialinteressen im un mittelbar benachbarten A frika konzentriert sind und daß im Gegensatz zu Großbritannien die überseeischen Besitzungen fast durchweg außer halb des Einzugsgebietes der neuen Kraftzentren im Atlantischen und Pazifischen Ozean liegen. Diese einmalige Gunst des Sied lu n g s raum s und die Tatsache, daß er von einem V o lk ausgefüllt wird, das seit mehr als hundert Jah ren seine heutige Lebensform gefunden hat und seit fünfzig Ja h re n nicht mehr wächst, muß m an vor A ugen haben, wenn m an das wirtschaftliche Gesicht Frankreichs deuten w ill.
D ie westeuropäische Festlandszone
95
E s ist eine B evölkerung, die neuen politischen oder wirtschaftlichen Konzeptionen m it großem M iß trauen begegnet, eine Wirtschaft, welche den von der Bevölkerungsverdichtung ausgehenden Expan sionsdruck nicht kennt und daher weniger von innen heraus wächst, als den Strukturwandlungen außerhalb der Grenzen sich anpaßt, und eine P o lit ik , die m it großer Zähigkeit und gereifter Erfahrung die günstigen Voraussetzungen der bisherigen Entwicklung konser viert. W ie weitgehend Frankreich durch diese Eigenschaften entgegen der Tendenz seines Bevölkerungswachstums seine historische M acht stellung aufrechterhalten konnte, zeigt die Tatsache, daß seit den Zeiten Ludw igs X I V . sein A n teil von einem Drittel auf ein Zehntel der europäischen Bevölkerung abgesunken ist, aber sein politischer und wirtschaftlicher Einfluß eher noch zugenommen hat.
Land:
1800
Bevölkern ngszahl in Millionen 1935 1900 1870
1960
Frankreich ................
28,2
37,5
40,7
41,9
40,0
Deutschland.................. Großbritannien i ----Ita lie n ............................ P o le n ..............................
22,1 15,7 18,1 12,0
39,7 31,5 28,1 17,0
50,7 41,5 34,0 23,0
66,0 48,9 43,4 34,0
68,0 49,5 50,3 42,8
r Einschließlich Irischer Freistaat. W ie bereits erwähnt, ist Frankreich, gemessen an der Größe des S ta atsgeb iets, das erste und war bis zur M itte des vergangenen Jahrhunderts auch das volkreichste Land Europas. Erst um 1850 wird es von Deutschland, um 1900 von Großbritannien, um 1930 von Ita lie n überflügelt, und um 1960 wird es auch von P o le n über troffen sein. D ie nach 1870 noch sichtbare geringe Bevölkerungs zunahme Frankreichs ist ausschließlich auf die Zuwanderung aus ländischer Volksteile zurückzuführen. Durch die starke Einwande rung, insbesondere nach dem Kriege, die zeitweise erheblich die nach den Vereinigten Sta a te n von Amerika übertraf, ist ein fremdvölki scher, vor allem italienischer, flämischer und afrikanischer B lutein schlag entstanden, der auf etwa 6 M illionen oder 15 v . L . der Gesamtbevölkerung geschätzt werden kann. D ie jahrhundertelange, in verlustreichen Kriegen erworbene und verteidigte, große politische
y6
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
und wirtschaftliche M achtentfaltung in Europa und die koloniale Expansion haben also die K räfte des französischen Staatsvolk es stark erschöpft. Größere dynamische Entwicklungskräfte sind unter diesen Amständcn von der westlichen V orm acht E uropas nicht mehr zu erwarten, dafür aber um so stärker einzuschähende statische Energien der Erhaltung des Bestehenden. Dieser Konservativism us wird auch durch die Alterszusammensetzung der Bevölkerung stark gefördert, deren Anterschied nachstehend an L a n d von drei Beispielen aufgezeigt w ird.
V o n der Gesamtbevölkerung entfallen auf Altersklaffen Kinder und Jugendliche bis 15 Ja h r e n ............................................ Junge Staatsbürger von 15 bis 30 Jahren .................................... Ältere Staatsbürger von 30 bis 60 Jahren .................................... Alte Leute über 60 Jahre.............
sches V o lk
M ittle re s ger manisches V o lk
A lte s rom ani sches V o lk
P o le n v. H.
Deutschland v. H .
Frankreich v. H .
36
26
22
29
29
25
28 7
36 9
39 14
Abgesehen von der Altersgliederung ist jedoch der berufliche, soziale und wirtschaftliche A u fb au der französischen Bevölkerung gesund und bildet die G rundlage der ausgeglichenen Entwicklung und der großen politischen und wirtschaftlichen W iderstandskraft, m it der das Land in Krisenzeiten gelegentlich die W e lt überrascht. D a s französische Kernland hat ausgesprochen bäuerlichen und klein gewerblichen Charakter, der an den Küsten im Sü d e n , Westen und N ord en in den Fischer-, Seefahrer- und Ländlertypus übergeht und fast nur an der östlichen Landesgrenze m it modernen Großindustrien den angrenzenden Industrierevieren Deutschlands und B e lg ie n s gegenübertritt. Dementsprechend sind auch die sozialen Gegensätze in Frankreich geringer als in den Nachbarländern und werden über dies durch die überall in der Bevölkerung vorhandenen Sparreserven gemildert, so daß das P ro b le m des besitzlosen Industrieproletariats kaum besteht. F a st zwei F ü n ftel der Gesamtbevölkerung leben von der Lan d -, Forstwirtschaft und Fischerei, ein F ü n fte l von Landw erk, L an d e! und V erkehr, ein weiteres F ü n fte l von V erw altu n g,
D ie westeuropäische Festlandszone
97
öffentlichen und freien B erufen und das letzte Fünftel von industrieller Tätigkeit. D a s Land produziert Brotgetreide, Kartoffeln, Fleisch, F e tte , Zucker, Obst, W ein und Gemüse sowie Futtermittel für die Erhaltung seines Viehbestandes in ausreichender M en ge. A n wich tigen gewerblichen Rohstoffen liefert der Boden Kohle, Eisen, K a li, L o lz , Flachsfasern und Seid e. Entsprechend der nicht mehr wach senden Bevölkerung ist auch die Entwicklung der industriellen P r o duktionwesentlich geringer und inihremkonjunkturellenAblaufruhiger und ausgeglichener als in den anderen Ländern. sr-lthlng-r 7
98
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Wichtige Agr arprodukti on 1934 MM. t W eizen ............. Laser.................. G erste................ Roggen ........... Kartoffeln----Zucker................ Rohseide'----W e in '................ L o l z ' ................
90,0 41,5 11,4 8,3 153,9 11,7 77,0 77,0 45,6
v . H . d. europäischen P r o d u k tio n
21,6 17,0 7,3 3,6 10,5 18,4 1,8 47,0
Wichtige Indu strieproduktion 1934 v. y. d. MM. t europäischen P rod u k tion
Steinkohle . . Eisenerz ----Roheisen . . . Aluminium' . Zem ent........... S tick sto ff'... K a l i ' ................ Kunstseide' . . Kraftwagen in Stück...........
47,6 32,0 6,2 16,0 4,4 83,1 379,0 32,1
9,6 52,5 19,5 15,4 16,7 8,4 22,0 16,9
176000
27,6
' In Tonnen. — ' I n Millionen Lcktoliter. — ' I n Millionen Festmeter. ' I n 1000 Tonnen. I m Gegensatz zum Britischen R e ich , dessen in der Nordsee ge legenes Inselmutterland nur das L e rz eines über den ganzen Erdball zerstreuten Im perium s darstellt, das durch ein hochempfindliches System von politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fernver bindungen zusammengehalten w ird, ist Frankreich geographisch, politisch und wirtschaftlich ein völlig in sich geschlossener O rgan ism u s, der seine Lebensinteressen au f den K reis der benachbarten G ren z anlieger beschränkt und nur nach außen seinen Schuhbereich über die Kolonialgebiete anderer Erdteile erstreckt. E in großer T e il der G e meinsamkeiten wie der Gegensätze der englischen und der französischen S t a a t s - , W irtschafts- und W ährungspolitik ist nicht verständlich ohne diese Erkenntnis, daß für Frankreich allein die S itu a tio n in Kontinentaleuropa entscheidend und alles andere von zweitrangiger Bedeutung ist, während für Großbritannien die afrikanischen, australasiatischen oder amerikanischen Glieder des W eltreichs so stark im Vordergrund stehen, daß demgegenüber zeitweise sogar der europäische Kontinent von sekundärem Interesse wird. D ie s wird besonders deutlich sichtbar im Außenhandel. D ie französische A u s fuhr geht fast ausschließlich in die unmittelbar angrenzenden N a ch barländer B e lg ie n , L o lla n d , Schw eiz, Deutschland, England, Ita lie n , Sp an ien und das nordafrikanische Kolonialreich. D a s gleiche gilt für die E in fu h r, bei der als nicht unmittelbar benachbartes Land nur die Vereinigten S ta a te n von Amerika a ls B a u m w o ll-,
,
D ie westeuropäische Festlandszone
99
M in eralöl- und M etall-Lieferanten etwas größere Bedeutung gewinnen konnten. F r a n k r e ic h s A u ß e n h a n d e l im J a h r e 1934 E in fu h r v. L .
A u s fu h r v. L .
Afrikanisches K o lo n ia lr e ic h .......... davon Algier ................................................ '........... M arokko........................................................ Tunis .............................................................
20,5
26,0
12,1 2,0 1,8
17,2 2,6 3,4
Europäische N a c h b a r lä n d e r .......... davon Belgien, Schweiz, Lollan d .................. Deutschland.................................................. Großbritannien.......................................... Ita lie n ............................................................
30,1
47,5
11^ 9,6 7,1 2,1
24,7 11,1 8,6 3,1
Übersee ............................................................ davon Amerika......................................................... A sien ............................................................... Australien ....................................................
29,6
17,2
15,9 10,2 3,5
10,8 5,9 0,5
Bezugs- bzw. Absahländer
D ie Entwicklung zeigt, daß im Gegensatz zu England, dessen Außenhandel sich nach dem P rin zip der längsten Verkehrswege aus bildete, die französischen Landelsinteressen sich auf die kürzesten Verbindungslinien zu den unmittelbaren Nachbarländern be schränken. D a s gleiche gilt für die übrigen Posten der Zahlungs bilanz, in die nur während der Prosperitätsjahre der amerikanische Reiseverkehr in die ehemaligen Kriegsgebiete eine einmalige und voraussichtlich nicht wiederkehrende Störung gebracht hat. D ie Kreditgewährung an das A usland hat sich auch nach dem Kriege ganz nach der politischen Linie orientiert und außer auf die Nachbar länder unter Amgehung Deutschlands auf die osteuropäischen B u n desgenossen erstreckt. D ie Kapitalinvestitionen in den überseeischen Kolonien sind relativ gering. H ier wird der grundlegende Gegensatz zwischen dem in die Ferne greifenden angelsächsischen Wirtschaftsgeist und dem auf einen unmittelbar benachbarten Amkreis sich be schränkenden lateinischen Wirtschaftsideal deutlich sichtbar.
Ivo
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
V o n der französischen und englischen Ausfuhr entfallen in v. L . auf
1913
1928
1933
Landclsum sätze m it benachbarten Ländern ».Kolonien* übrigem Kolonialreich....................... übrigen nicht benachbarten Ländern
71,6 5,0 23,4
Frankreich 66,5 6,4 27,1
66,5 10,4 23,1
22,5 11,1 37,2 29,2
G ro ß b rita n n ie n 19,1 13,2 40,4 27,3
26,2 13,0 35,5 25,3
Lan d elsu m säh e m it benachbarten europäischenLändern * übrigen europäischen Ländern____ überseeischen Dominien u. Kolonien überseeischer nichtenglischer W elt .
* Deutschland, Belgien-Luxemburg, Lolland, England, Schweiz, Italien, Spanien, Algier, Marokko. ° Frankreich, Belgien-Luxemburg, Lolland, Deutschland, Dänemark,Norwegen, Schweden, Finnland, Ostseerandstaaten. D ie Ausgeglichenheit der politischen und wirtschaftlichen Struktur ist eine der Lauptursacheu der Krisenfestigkeit, die Frankreich in der allgemeinen Auflösung der W eltwirtschaft nach 1929 bewies und die das Land noch bis 1931 als eine glückliche In sel im M e e r der allgemeinen Krise erscheinen ließ, während die Zusammenbrüche im übrigen E u rop a, im englischen Weltreich und a u f dem amerika nischen und asiatischen Kontinent bereits ihrem Löhepunkt zustrebten. Frankreich ist durch den K riegsau sgan g, die deutschen Zahlungen und. die W ährungsstabilisierung durch P o in ca r6 in eine überaus günstige wirtschaftliche S itu a tio n gekommen. D e r W iederaufbau der im Kriege zerstörten Gebiete m it L ilfe der deutschen Zahlungen war fast unmerklich in eine allgemeine Erweiterung der P rodu ktion s anlagen und den A u fb a u neuer Industrien wie der A utom obil-, R a d io - , Chemie- und Kunstseidenindustrie übergegangen und ist in jüngster Z e it m it umfangreichen Straß en- und Festungsbauten sowie sonstiger militärischer Aufrüstung fortgesetzt worden. D ie deutschen Zahlungen haben allein von 1927 bis 1931 einen Nettozufluß von 15 M r d . ffr s ./ der amerikanische Reiseverkehr in der gleichen Z e it etwa 30 M r d . sfrs. gebracht, die zusammen m it den übrigen Aktiv* Nach Abzug von 8 M rd . ffrs., die für Zins- und Tilgungszahlungen aus die französische Kriegsschuld an England und Amerika wieder heraus gegangen sind.
D ie westeuropäische Festlandszone
io i
Posten
der Zah lu n gsbilanz und dem ausländischen Kapitalzustrom die G o ld - und Devisenreserven der B a n k von Frankreich von 20 auf 90 M r d . ffr s . erhöhten. D i e fr a n z ö s is c h e Z a h lu n g s b i l a n z v o n 1928 b is in M i l l . f f r s . Jahr
A uß enHandels passlosaldo
1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934
— 4480 — 10011 — 12973 — 13214 — 10015 — 9000 — 6750
Frem d en verkehrs einnahm en
Einnahm en aus Dienst leistungen
Z ln s elnnahmen
Einnahm en au» Rrleg»zahlungen
4-7500 4-8500 -H8500 4-6000 4-3000 4-2000 4-2500
4-1450 4-1100 4- 600 4- 900 4-1000 4-1300 4- 600
4-1250 4-4900 4-4181 4-3350 4-1160 4-1850 4-2500
4-5180 4-6700 4-6194 4-2600 — —
1934
G o ld bewegung
— 6140 — 8505 — 11530 — 18533 — 17660 4- 2070 — 1500
D e r Fortgan g der Weltkrise brachte jedoch auch Frankreich in Schwierigkeiten, da seine Ausfuhr nach den davon betroffenen Län dern rasch absank, während der Einfuhrdruck dieser Länder nach dem noch ungeschwächten französischen Binnenmarkt stark zunahm. D ie Preisrückgänge auf dem Weltmarkt bei noch steigenden Löhnen und Preisen in Frankreich führten, verstärkt durch die angelsächsischen W ährungsabwertungen, rasch zu einer Überhöhung des inneren Preisn iveau s gegenüber dem Weltmarkt und damit zu einer P a s sivierung der Zahlungsbilanz, die untragbar wurde, als im weiteren V e rla u f auch die Fremdenverkehrs- und Zinseinnahmen spärlicher wurden und die deutschen Zahlungen aufhörten. D a s durch verschie dene Finanzskandale und die Defizitwirrschaft im Staatshaushalt erschütterte allgemeine Vertrauen hat dann trotz des Kapitalreich tums des Landes zu einer Finanz- und Kreditkrise geführt, deren Rückwirkungen auf den Geld- und Kapitalmarkt heute noch nicht überwunden sind. Obwohl die Lasten der Krise durch den Rückzug der im A usland angelegten Kapitalien und die Rücksendung der aus ländischen Arbeiter teilweise auf andere Staaten überwälzt werden konnten, hat die Wirtschaftsdepression infolge der W ährungs- und Deflationspolitik des letzten Jahres einen ümfang angenommen, der die weitere Fortführung dieser P olitik nicht mehr ratsam erschei nen ließ.
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'
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
D i e k o n ju n k t u r e lle E n tw ic k lu n g in F r a n k r e ic h se it 1930 Jahres ende 1930 1931 1932 1933 1934 1935
Pro duktions index 1 9 2 8 -1 0 0
105,5 87,4 77,2 83,5 73,2 74,8
G roß handels in d e x
A ktienindex
1927/!r9 --1 0 0
84,3 68,9 64,9 63,9 53,9 55F
86,5 54,8 60,3 55,1 43,2 44,7
E in fu h r
A us fuhr
in M i ll. ff r s .
52512 42204 29808 28428 23064 20940
42840 30432 19704 18468 17820 15468
In 1000
G o ld bestand in M il l . ssrs.
12,0 147,0 277,1 312,9 419,1 439,8
53578 68863 83017 77098 82124 66296
A rb e its losigkeit
Im m erhin ist der Krisenverlauf in Frankreich dank der ausge glichenen Wirtschaftsstruktur des Landes wesentlich milder und infolge der weitverzweigten Sparreserven der Bevölkerung auch in sozialer Linsicht lange nicht so verheerend gewesen wie in anderen Ländern. D e r Binnenm arkt ist im wesentlichen gesund. D ie Verluste im Außenhandel werden durch eine engere Verbindung m it dem Kolonialreich weitgehend ausgeglichen. D e r S taa tsa p p a ra t und die überkommene politische Ordnung haben bisher alle Krisenerschütte rungen überstanden und auch das soziale System des von N a tu r reichen Landes und die kleinkapitalistisch-rentnermäßige W irtschafts gesinnung der Bevölkerung sind unverändert geblieben. D e r L ö h e punkt der finanziellen M a ch t ist allerdings bereits seit einigen Jah ren überschritten, und die nach dem Ende des W eltkriegs vorübergehend aufgerichtete militärische, politische und wirtschaftliche Vorherrschaft in Europa gehört bereits wieder der Vergangenheit an und wird durch die rasche Entwicklung im Süden und Osten unseres Erdteils bis zur Jahrhundertmitte noch grundlegende Gewichtsverschiebungen hinnehmen müssen. O b das französische V o lk bei seiner konserva tiven Gesinnung m it den bevorstehenden W andlungen der Technik, der G o ld - und Kapitalsituation und den neuen wirtschaftlichen und politischen Problem en in Europa so rasch fertig wird wie andere V ölker, muß sogar bezweifelt werden. Dennoch wird es gut sein, die in Krisenzeiten wiederholt gezeigte erstaunliche Widerstandskraft Frankreichs nicht zu unterschätzen, wenn man sich nicht überraschen lassen w ill. D a s große, einheitlich geschlossene Staatsgeb iet in Europa und die ausgedehnten Kolonialräume in A frika werden dem mehr als au f wirtschaftlichen Fortschritt au f politische Sicherheit und
D ie westeuropäische Festlandszone
ioz
sorgliche E rhaltung des Bestehenden bedachten Volke auch in Z u kunft einen Lebensstandard sichern, wie er nicht vielen europäischen V ölkern beschicken ist. 5. B e l g i e n , L o l l a n d , S ch w e iz D e n drei kleinen westeuropäischen Gläubigerländern ist gemeinsam, daß sie völkisch und sprachlich Sp litter der großen europäischen N atio n en sind, ein einheitliches Staatsvolk nur in wesentlich anderem S in n e a ls diese besitzen und überdies noch in verschiedene Sprach gebiete und scharf getrennte konfessionelle P arteien zerfallen. I h r einheitliches Staatsbewußtsein schöpft seine wesentlichen K räfte aus der gepflegten T radition historischer Größe, aus der Gemeinsamkeit bürgerlich-demokratischer Ideale und aus der Erfahrung, daß inner halb einer alle paar Jahrzehnte zum W affengang antretenden europäischen W e lt die Bew ahrung der Eigenstaatlichkeit die beste, sozusagen genossenschaftliche Sicherung des bürgerlichen W o h l standes ist. W egen der Kleinheit des Staatsgebiets sind größere macht- oder staatspolitische Interessen außer dem Interesse an der B ehauptung ihrer Selbständigkeit kaum vorhanden. D ie W ir t schaft hat hier das P r im a t vor der P o litik und die P olitik ist in der Lquptsache W irtschafts, und Sozialpolitik. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g und A u ß e n h a n d e l um 1935 Jahr
Außen AnteU der ' Gesam t handel I.9Z4 bevölkerung beoölkerung je K o p f der Bevölkerung in R M ln M ill. in IVOS ^Icrn in v . H .
Schweiz.......................... Lollan d .......................... B elgien ..........................
S ta a ts gebiet
41,3 34,2 30,4
4,1 8,3 8,3
26 21 19
438 356 370
Geburten überschuß aus icxxr der B e v ö l kerung *)
4,9 12,8 4,5
r Durchschnitt 1930/34. D ie Abhängigkeit von den europäischen Großmächten ist im wirt schaftlichen Gesicht der Schweiz, Lollands und B elgiens scharf aus geprägt. D ie drei Länder können weder als A grar- noch als I n dustriestaaten angesprochen werden, denn zum ersteren fehlt die ernährungswirtschaftliche Anabhängigkeit, zum letzteren die eigene R ohstoffsrundlage, die breite B a sis des industriellen Aufbaus und
104
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
eine genügend große Aufnahm efähigkeit des Binnenm arktes. S ie sind Dienstleistungüländer der europäischen Großm ächte, die durch ihre geographische Lage und die Geschicklichkeit ihrer B ew oh ner unter besonders günstigen Konstellationen eine wirtschaftliche Bedeutung erlangt haben, die weit über ihre natürlichen Voraussetzungen hinaus geht. E in wesentlicher T e il ihres W ohlstandes beruht darauf, daß sie sich in Friedenszeiten a u f die Spezialbcdürfnisse der großen N a ch barvölker einstellen und durch ihre neutrale H altu n g in europäischen K riegen zu Lieferanten der kämpfenden S ta a te n und bevorzugten Kapitalfluchtländern werden. D a z u kommen Sondcrvorteile für die Schw eiz aus der A usbeutung ihrer Naturschönheiten für den F re m denverkehr, für B e lg ie n aus dem A b b au der das Landesgebiet durch ziehenden Eisenlagersiätten, für L o lla n d aus der B elieferung der angrenzenden Industriereviere m it viehwirtschaftlichen und gärtne rischen Erzeugnissen und für beide zusammen aus dem Besitz der früher günstig erworbenen Kolonialreiche, der durch die westeuropä ischen Großmächte gesichert wird. D e r W ohlstandserwerb in europäischen Kriegen und seine V e r mehrung durch gewerbliche und finanzielle Dienstleistungen für die großen Nachbarmächte im Frieden bestimmen trotz der Verschieden artigkeit im einzelnen fast ausnahm slos das wirtschaftliche B ild der drei Länder in der Hochkonjunktur wie im krisenhaften N iedergang. D a s läßt sich an H an d der Statistik einwandfrei Nachweisen. D ie Steigerung der A u sfu h r in und unmittelbar nach dem Deutsch-Franzö sischen K rieg ist drei- bis viermal so groß wie die normale Entwicklung vor- oder nachher. Ähnliches gilt für die Zunahm e der Produktion, D i e A u s fu h r e n t w ic k lu n g v o r und nach dem D e u tsc h F r a n z ö s is c h e n K r i e g 1865 Lolland ...................... B e lg ie n ......................
Lolland ...................... B elgien ................ -
334 602
in Millionen Landeswährung 1870 1875 382 690
S3K 1102
1880 625 1217
1865/70
Steigerung in v .L . 1870/75 1875/80
1865/80
-1-14 -I-1S
4- 4» -i- so
4- 87 -j-102
-i-I7 -s- 10
D ie westeuropäische Festlandszone
des Volkseinkommens, der Währungsreserven und der Spargut haben der Bevölkerung wie ihres gesamten Lohn- und Lebens haltungsniveaus. A m deutlichsten wird diese Tendenz der Neichtumsvermehrung während des W eltkriegs, in dem allerdings Belgien ausfällt, da es in die kriegerischen Auseinandersetzungen mitverwickelt wurde.
ic>6
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
I m V e r la u f des W eltkriegs haben sich die monetären G o ld und Devisenreserven der Schweiz und L o lla n d s verdrei- bis ver vierfacht, die Spareinlagen der Bevölkerung etwa verdoppelt und die B ilan zziffern der Kreditbanken, die Kapitalemissionen und das Staatsb u d get vervielfacht, während die europäischen Großmächte sich überschuldeten, ihre W ährungsreserven größtenteils verloren und mehr oder weniger heftige Inflationen erlitten. D e c k u n g s m it t e lb e s t a n d , P r i v a t b a n k e i n l a g e n u n d E m is s io n e n I n Millionen Land eswähru ng 1905 j 1913 1 1920 1927 1934 Schw eiz* Gold- und Devisenbestand der Notenbank.................. Depositeneinlagen bei den Privatbanken..................... Kapitalemissionen.................. L o lla n d Gold- und Devisenbestand der Notenbank................... Giroverkehr der Notenbank Staatseinnahmen..................
52
171
«73
609
1917
4917 490
7170 482
11282
14215 1033
16307 490
596 40619 666
861
152 277176
176 328 227
1928
888 21S37 917
.
450
Steigerung in v. L . 1905/13^1913/20^920/27 1927/34 1905/34 Schw eiz* Gold- und Devisenbestand der Notenbank................... Depositeneinlagen bei den Privatbanken..................... Kapitalemissioncn..................
-l- 229 -i- 294
— 9
-1-215
-s- 46 -I- S7 — 2 -s- 118
-1-26 rb 0
-s- 15 -1- 232 — 53 ch o
öollan d Gold- und Devisenbestand der Notenbank.................. Giroverkehr der Notenbank Staatseinnahmen...................
-i- 16 -j- 291 -i- 18 -s-646« -s- 29 -s- 394
— 13 -1-89 -2 7
-1- 44 . — 32
i Statt 1905 Zahlen für 1907.— - 1911.
-1-3587
-1- 466 . -1-156
D ie westeuropäische Festlandszone
107
D e r W arenhunger während der K riegs- und ersten Nachkriegs, jahre hat eine fast unnatürliche Steigerung der agrarischen und indu striellen Produ ktion dieser Länder mit sich gebracht. S o hat sich in der bis zum W eltkrieg leicht rückgängigen Schweizer Textilindustrie von 1913 b is 1919 die Z a h l der Baumwollspindeln von 1,1 auf 1,5 M illio n e n und die Z a h l der Baumwollwebstühle von 13,5 auf 26,1 M illio n e n Stück erhöht. I n der Maschinenindustrie wurde die A u sfu h r verdreifacht, in der chemischen Industrie sogar vervierfacht. L o lla n d hat in der gleichen Z eit die A u sfu h r von landwirtschaftlichen Produkten lebhaft gesteigert und die Produktion des B ergbaus, der metallverarbeitenden Industrie, der Chemie und der Elektrizitätsindustrie etwa verdoppelt. I n B elgien ist nach dem Kriege die I n dustrie neu und in vergrößertem Amfang aufgebaut worden und gibt dem Lande ein stärkeres industrielles Eigengepräge als in den beiden anderen Ländern. W ährend aber in der landwirtschaftlichen und gewerblichen Erzeugung bald nach Friedensschluß wieder die Rück bildung einsetzte, haben vie schon durch den Zustrom während des K rieges gesättigten G eld- und Kapitalmärkte mit B eginn der inter nationalen Währungskrise eine neue Aufblähung erfahren. Seither hat sich der monetäre Goldbestand in der Schweiz nochmals vervier facht, in L o llan d verdoppelt und in B elgien verdreifacht und betrug um 1932 in der Schweiz das Fünfzehnfache, in Lolland das Sechs fache und in B elgien das Fünffache des Vorkriegsstandes. W ährend so insbesondere die Schweiz und Lolland zu weit über ihre natürliche Bedeutung hinausragenden Kapital- und Finanz zentren geworden sind, besitzt keines der drei Länder auch nur in annähernd ausreichendem M aß e Agrarstoffe für die Ernährung seiner Bevölkerung,industrielleNohstoffefürdieVersorgungseinerIndustrie odereinen ausreichendenBinnenabsatzfürseinehochentwickeltegewerbllche Tätigkeit. I n diesem M ißverhältnis zwischen Inlandserzeugung und Inlandsbedarf, Einfuhr und Ausfuhr dürfte selbst Großbritannien von den drei kleinen westeuropäischen Gläubigerländern weit über troffen werden. D er Anteil der Eigenerzeugung an wichtigen N a h rungsstoffen beträgt zur Zeit in v . L . des B edarfs in :
W eizen.......................................................... andere Körnerfrüchte................................ Jucker.............................................................
Schweiz
Lolland
Belgien
26 16 4
36 22 96
26 49 66
io 8
D aS wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Auch in der Rohstoffversorgung für ihre Industrieproduktion sind alle drei Länder weitgehend einfuhrabhängig. B e lg ie n besitzt nur Kohle und Eisen und im afrikanischen Kolonialreich K u pfer, L o lla n d etwas Kohle und in den ostasiatischen Besitzungen Käutschuk und Z in n , während die Schw eiz, abgesehen von Wasserkräften, Sonne und L u ft, völlig rohstofflos ist. D ie wichtigsten Ein-- und A u sfu h r posten der Handelsbilanz betrugen 1934 in M illio n e n der LandesWährung in : Schweiz
Kolland
Belgien
I 60 — 21 — 9
— 45 4- 1613 — 462 — 144
4- 115
Nohstoffeinfuhrüberschusi (—) Kohle............................................................. Eisen und M e ta lle .................................. Baumwolle .............................................. W o lle ...........................................................
— — — —
F e rtig w a re n a u sfu h r (4-) Blumen, Gemüse, Sämereien........... Molkereiprodukte, E ie r .......................
— 4- 40
4- 97 4- 103
Maschinen und A pp arate.................. Textilwaren.............................................. Llhren........................................................... Chcmieerzcugnifse .................................
4- 124 -1-208 4- 109 4- 113
4- 63 4- 47
lOI 50 34 23
— —
4- 19
—
4- 720 4- 1693 — 4- 762
A u f dieser durch den Zusammenbruch des internationalen W ä h rungssystems und die fortschreitende Amgruppierung des W elth an dels unsicher gewordenen Grundlage des übergroßen Einfuhrbedarfs an N ahrungsm itteln und Werkstoffen und der hohen A u sfu h rab hängigkeit für die industrielle Fertigproduktion sowie a u f den früheren Kapitalinvestitionen im A u slan d und den inländischen Sparguthaben baut sich heute eine überdurchschnittlich dichte Bevölkerung m it dem höchsten Lohn- und Lebenshaltungsniveau in ganz Europa a u f. B e l gien und L o lla n d sind doppelt so dicht wie Deutschland oder Ita lie n bevölkert und die Schw eiz immer noch eineinhalbmal so dicht wie Frankreich, wenn man die nicht bewohnbaren Gletscher- und S e e n flächen abrechnet. D a s Lohnniveau ist in L o lla n d und in der Schweiz etwa doppelt so hoch wie in Deutschland und dreimal so hoch wie in Ita lie n und liegt nur in B e lg ie n infolge der bereits zum zweitenmal durchgeführten W ährungsentwertung unter dem Durchschnitt. A b er
D ie westeuropäische Festlandszone
109
die breite Behaglichkeit der Lebenshaltung, die der Reisende bewundert, beruht nur scheinbar au f der eigenen K raft und ist heute auch da, wo sie au f den großen Finanz- und Sparreserven aufgebaut ist, nicht mehr so sicher fundiert wie früher. S e it fast fünf Jahren befinden sich alle drei Länder in einer schweren Deflationskrise, die nicht nur konjunktureller A r t ist. Ih re Landwirtschaft ist trotz weitgehender Staatssubventionen strukturell notleidend geworden, und ihre A u s fuhrindustrien befinden sich in einem chronischen Schrumpfungs prozeß. Diese hohe Krisenempfindlichkeit hängt mit der ungewöhnlich star ken Abhängigkeit des Wohlstandes und Volkseinkommens von der W irtschaftslage der benachbarten europäischen Großmächte und dem Funktionieren des internationalen W aren- und Kapitalverkehrs zu sammen. D ie Nachbarvölker müssen sich einschränken und nehmen immer weniger die früher hochbezahlte Tätigkeit der drei Dienst leistungsländer in Anspruch. J e mehr sich dieser allgemeine Rückzug auf die eigenen Wirtschaftskräfte in Europa fortsetzt, desto mehr ent fallen die bisherigen Einkommensquellen der traditionellen agra rischen, industriellen oder händlerischen Dienstleistungen und um so größer wird die Bedeutung der früher erworbenen Auslandsforde rungen und Sparguthaben, die jedoch durch die Währungsabwer tungen und die schlechte finanzielle Situation in der ganzen W elt gefährdet sind. D ie wirtschaftliche Zukunft aller drei Länder ist unter diesen Amständen im Augenblick wenig durchsichtig und wird nur von der Äoffnung auf eine Bereinigung der politischen und wirtschaftlichen Gegensätze der europäischen Großmächte erhellt. E in nicht unbeträchtlicher T eil des früheren Wohlstandes ist durch die lange Krise aufgezehrt, die alten Quellen des Fremdenverkebrs und der Belieferung der ausländischen Märkte mit Spezialprodukten landwirtschaftlicher oder gewerblicher Tätigkeit sind teilweise ver schüttet, und die Entwicklung droht allenthalben die frühere G e meinsamkeit der bürgerlichen Tugenden zu sprengen. D ie sozialen Auseinandersetzungen um die Verteilung der Krisenlasten werden weiter zunehmen und können noch zu überraschenden innerpoli tischen Bildungen führen, zumal sie kaum eine Lemmung an all gemein anerkannten übergeordneten Staatsnotwendigkeiten finden. D ie nachstehenden Ziffern zeigen den anhaltenden wirtschaftlichen Schrumpfungsprozeß klarer, als textliche Erläuterungen es ver mögen.
IIO
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
D i e k o n ju n k tu r e lle E n tw ic k lu n g in der S c h w e iz , L o l l a n d u n d B e l g i e n se it 1930
Ja h r e s ende
P rodu k tionsInder IS2 S --
100
G ro ß h a n delsindex
Aktien index
lkinfuhr
A u s fu h r
in M ilk . R M .
IS2 7 /2 S - - 100
A rb e its losigkeit In
1000
G o ld bestand in MM. NM.
Schw eiz* 1930 1931 1932 1933 1934 1935
89,6 85^ 73,9 74,1 75,0 75,0
82,0 72,2 64^ 64,0 62,4 64,5
77,8 51,2 55,4 70,0 66,4 71,1
2051 1806 1397 1262 1146 1044
1416 1086 625 664 667 660
23,0 50,6 81,9 95,0 91,2 100,0
578 1901 2002 1618 1547 1134
2898 2223 1438 1231 1204 1140
136,0 246,0 351,0 394,0 414,0 420,0
718 1503 1756 1564 1425 1010
3049 2706 1737 1646 1573 1440
63,5 129,4 171,0 194,3 212,7 150,0
1380 1495 1521 1603 1462 1429
L o lla n d 1930 1931 1932 1933 1934 1935
81,7 75,3 76,6 70,9 72,8 68,0
73,1 58,1 51,9 52,6 52,6 51,0
53,7 31,3 31,3 33,1 25,1 30,4
1930 1931 1932 1933 1934 1935
77,6 68,1 70,7 70,7 69,1 76,0
80^ 67,3 61,2 56,6 54,7 68,0
54,0 36,0 37,0 32,0 25,0 31,0
4077 3207 2209 2051 1757 1584
B e lg ie n 3623 2785 1895 1739 1603 1527
* A n Stelle des Produktionsindex bei Schweiz Eisenbahngüterverkehr. D ie bisher in den Vordergrund gestellten Finanzinteressen haben die kleinen westeuropäischen Gläubigerländer eng um den von Frank reich geführten Goldblock geschart, obwohl sie dam it die geringsten handelspolitischen Gemeinsamkeiten besitzen und Frankreich ihnen in ihrer besonderen S itu a tio n am wenigsten helfen kann und w ird. D a s Festhalten an P r e is - und W ährungsparitäten, die nach der D e v a lv a tion der angelsächsischen M ächte als überhöht bezeichnet werden müssen, hat seit der Gründung des Goldblocks die innere Krise nur weiter verschärft. F ü r den wirtschaftlichen Beobachter besteht kaum ein Zw eifel, daß diese fehlerhaft konstruierten Bindungen der M ach t der wirklichen Verhältnisse a u f die D au er nicht standhalten werden.
D er zentraleuropäische Wirtschaftsraum
u i
D i e A u ß e n h a n d e ls in te r e s s e n der S c h w e iz , L o l l a n d s und B e l g i e n s 1934 nach
Von der Gesamtausfuhr gingen 1934 m v. s . von Schweiz Lolland Belgien
W esteu rop a.............................................. Frankreich .............................................. Schweiz / Lolland / Belgien —
20,2 14,4 5,8
22,1 8,1 14,0
32,4 17,6 44Z
Ü brige N a c h b a rlä n d e r.................. Deutschland.............................................. Großbritannien...................................... Italien........................................................
40F 21,6 9,9 9,0
46,2 24,9 19,1 2,2
27,6 11,7 13F 2,4
D ie fortgesetzte Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit und die wachsende Lochspannung innerhalb der überwiegend industriellen Bevölkerung hat im Frühjahr 1935 dazu geführt, daß Belgien aus dem Goldblock ausgebrochen ist und als erstes die W ä h rungsabwertung proklamiert hat. Trotz der nur sehr vorsichtigen Währungsabsenkung hat sich die Wirtschaftstätigkeit in Belgien bereits ansehnlich gehoben und auch eine wesentliche Verminderung der Arbeitslosigkeit nach sich gezogen. Seitdem das wirtschaftlich am engsten m it Frankreich verbundene B elgien sich dem Bereich der angelsächsischen W ährungspolitik zugewandt hat und durch die jüng sten Ereignisse im Mittelmeerbecken auch Italien praktisch aus dem Goldblock ausgeschieden ist, hat dessen Gewicht beträchtlich an B e deutung verloren. D am it sind die beiden restlichen Goldblockländer Schweiz und L ollan d bei andauernden Goldverlusten immer stärker zu Trabanten der führenden M ach t des Goldblocks und von den Entscheidungen der französischen Währungspolitik abhängig gewor den, die ihnen aller Voraussicht nach eine spätere Währungsabwer tung kaum ersparen wird. I I I . D e r zentraleuropäische W irtschaftsraum Zwischen der konservativen Sicherheitspolitik des Westens und der dynamischen Entwicklungskraft des Ostens, zwischen dem von seinen Äberseeinteressen her handelnden N orden und dem nach dem zwischeneuropäischen Kulturkreis des Mittelmeerbeckens hingewandten Süden liegt der zentraleuropäische Wirtschaftsraum. Zeitweise vom miß-
112
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Iranischen Westen fast völlig abgeriegclt, und von der steigenden B e völkerungsflut des Ostens bedrängt, hat der mitteleuropäische W ir tschaftsraum trotz der Schwächung durch den K rieg doch niemals seine M ittlertätigkeit in Europa eingestellt. Sein e europäische Zukunfts aufgabe und gleichzeitig sein Lebensproblem wird der Ausgleich zwischen den statischen Beharrungskräften der Westmächte und den dynamischen Entwicklungsstößen der Ostvölker sein. D e r mitteleuropäische Binnenraum m it seiner 100-MillionenBevölkerung ist gleichzeitig auch das industrielle L c r z Kontinentaleuropas. E tw a 15 M illio n e n von den insgesamt 30 M illio n e n kontinentalcuropäischer Industriearbeiter — im Tiefpunkt der Krise aber auch 7 ^ M illio n e n von den insgesamt M illio n e n A rb e its losen — sind hier zusammengcballt. N ah ezu die L ä lfte der kontinentaleuropäischcn Industrieproduktion kommt aus den mitteleuropä ischen Fabrikanlagen, über deren Rohstoffbedarf und F e r tig warenausfuhr dieser kolonielose Binnenraum auch im intensivsten m it der W eltwirtschaft verknüpft ist. D ie aus der Vevölkerungsvermehrung der beiden letzten Generationen stammenden W achstu m s kräfte sind noch lebendig, wenn sie auch durch die Entwicklung seit dem Kriege stark geschwächt sind. D e r Übergang von der industriellen Expansion zur wirtschaftlichen Konipression und sozialen Neuordnung hält unter diesen Amständen an und führt zwangsläufig zu neuen Form en des W irtschaftssystems. D ab ei muß sich die mitteleuropäische W irtschaftspolitik während dieser Abergangsentwicklung im Innern gleichzeitig auch nach außen m it den Problem en der industriellen Strukturwandlung in der W e lt und der Überhöhung ihres agrarischen P re isn iv e a u s gegenüber dem W eltm arkt auseinandersetzen. F ü r seine M ittlerau fgab e in Europa bringt der zentraleuropäische W irtschaftsraum unter diesen ümständen gegenwärtig außer der Gunst seiner natürlichen Lage nur wenig Vorbedingungen m it, zumal er seit der Vernichtung der alten Donaumonarchie kein geschlossenes W irtschaftsgebiet mehr bildet. D e r größte einheitliche W irtschafts block, Deutschland, hat seit dem Ende des Krieges seine Gleichge wichtslage noch nicht wieder erreicht. E in es großen T e ils seiner früheren wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen für die A u f rechterhaltung des Lebensstandards seiner 70-M illionen-Bevölkerung entblößt und durch die Gebietsabtretungen in seiner Entwicklung zur Übervölkerung beschleunigt, kämpft Deutschland gegenwärtig nicht nur um die Wiederherstellung seines Zahlungsbilanzgleichgewichts
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
llZ
nach außen, sondern auch um die Neuordnung seiner sozialen V erhältnisse im In n e rn . Ä hnliches gilt für die aus der Zerschlagung der ehemaligen Donaum onarchie entstandenen Nachfolgestaaten, die sich von A nbeginn an a ls zu schwach erwiesen haben, um die ihnen zu gefallene M ittle ra u fg a b e aus eigenen Kräften durchzuhalten. D ie an sich schon nicht leichte M ittleraufgabe des zentraleuro päischen B in n en rau m s wird dadurch noch besonders erschwert, daß die natürlichen wirtschaftlichen Vorbedingungen durch andersgerichtete politische Zielsetzungen der europäischen Mächtegruppen gekreuzt werden. D ie vielseitigen Versuche einer politischen und wirtschaftlichen Neuordnung und die wiederholte Amgruppierung der einzelnen Gegenspieler in diesem R a u m sind deutliche Zeichen dieser gegenein ander wirkenden K rä fte . W en n auch zu erwarten ist, daß die Ent wicklung innerhalb der östlichen Agrargruppe und in der südlichen Mittelmeerzone manche erstarrten Form en der europäischen Nach kriegspolitik abbauen w ird, so wird es doch eines besonders klaren B licks und eines zielsicheren W illen s bedürfen, damit sich im mittel europäischen R a u m die über Kreuz laufenden Fäden nicht unlösbar verwirren. 6. D e u tsch la n d D a s Gesicht der weitaus volkreichsten europäischen N ation wird durch ihre zentrale Lage im Kerzen Europas bestimmt, deren Rück wirkungen im Laufe der Geschichte wiederholt das deutsche Schicksal entscheidend beeinflußt haben. D ie Folge dieser M ittellage ist, daß sich in Deutschland kein V organ g von einiger Bedeutung entwickeln kann, ohne daß Europa bis in seine äußerste Nandzone hinein in aufmerksame Bew egung gerät. Denn je nachdem, ob das zentraleuropäische Kerngebiet als geschlossene politische und wirtschaftliche Einheit seine K räfte in den europäischen R au m ausstrahlt, oder ob die Gegenkräfte der Anliegerstaaten sich in einem schwachen M ittel raum treffen, entsteht eine völlig veränderte Situation in Kontinental europa. Diese Tatsache hat in Deutschland zu der doppelseitigen psychologischen Reaktion geführt, daß man sich einerseits häufig als M ittelpunkt der europäischen W elt fühlt und andererseits darüber beklagt, daß sich die europäische Öffentlichkeit so weitgehend um die innerdeutschen Angelegenheiten kümmert. D ie Grundstruktur der deutschen Wirtschaft wird durch die Größe einer vorwiegend städtischen und industriellen 70--Millionen-BevölN -Ith in gcr
S
114
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
kerung geprägt, die au f zu engem R a u m zusammengedrängt ist und durch den W eltkrieg einen T e il ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung ihres früheren Lebens standards verloren hat. W eiter durch die labile Lage zwischen dem politisch und finanziell starken W esten, dessen biologische Entwicklung abgeschlossen ist, und dem au f Grund seines anschwellenden B e v ö l kerungswachstums rasch empordrängenden Osten, dessen W irtschafts und Finanzkraft dafür um so schwächer ist. D a z u kommt, daß der nicht übermäßig fruchtbare B o d e n auch in seinem In n ern außer K o h le, S a lz e n und Baustoffen kaum Rohstoffe in größerer M en ge enthält. D ie wenig günstigen natürlichen Voraussetzungen müssen daher durch besonders intensive Arbeitsleistung und zweckmäßige Organisation ausgeglichen werden. D e r für die kontinentaleuropäischcn Industrievölker zwangsläufige Übergang von der Expansion zur Kompression und sozialen Neuordnung im In n ern ist unter diesen Amständen für Deutschland besonders akut und hat bereits zu Ände rungen des wirtschaftlichen System s geführt, die noch nicht abge schlossen sind. M a n kann die dynamischen Grundzüge der deutschen W irtschafts entwicklung m it ihren scharfen Ausschlägen, die dem westeuropä ischen Menschen Anbehagen verursachen, nur verstehen, wenn man sich der überstürzten Entwicklung bewußt bleibt, die Deutschland im V e r la u f der letzten Generationen durchgemacht hat. V o n der N eichsgründung bis heute hat die deutsche Bevölkerung um 25 M illio nen zugenommen, obwohl das Reichsgebiet in der Zwischenzeit durch Gebietsabtretungen um fast 15 v. Ä . verkleinert wurde. Diese B e völkerungszunahme ist nur unter der Voraussetzung einer allgemeinen Verstädterung und Industrialisierung möglich gewesen, welche die Wirtschaftsstruktur im zentraleuropäischen Binnenraum grundlegend gewandelt hat. W ährend das deutsche V o lk unserer Großväter generation zu zwei D ritteln ein Bauernvolk w ar, ist es heute zu zwei D ritteln ein städtisches Industrievolk, das eine Änderung seiner ge samten S ied lu n gs- und Sozialstruktur hinter sich hat. D a z u kommt, daß die Industriebevölkerung nicht gleichmäßig über das R e ich s gebiet verteilt ist, sondern fast zur L ä lfte allein im N h ein -N u h rG eb iet, in Sachsen und B e rlin sich zusammendrängt. E s kann kein Zw eifel bestehen, daß die Grundkräfte der wirtschaftlichen und sozia len Entwicklung der deutschen Zukunft sich in diesen städtischen A r beitszentren formen werden.
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
HZ
D i e E n tw ic k lu n g der S i e d l u n g s - und S o z ia ls t r u k t u r von 1870 b is 1935
Ja h r
A nteil der In d u A nteil der striearbeiter A n te » bei A n te il der Arbelter-und S ta a ts g e b ie t Bevölkerung Scheinlands, gewerblich. Angestsiltenstädtischen In ln Westfale ns.SachB -vö lteru n g Bsväikerung beväl!erung> lo o o q k m M illio n e n sen» und Berlin« In v .H . ln v . y . in o .H . ln >>.H.
27
1870
5 4 1 ,3
40
50
5 4 1 ,3
41,1 5 6 ,4
35
1900
54
52
58
35
1935
4 7 0 ,7
66,2
67
56
61
43
* Ohne mithelfende Familienangehörige, die zu den Selbständigen ge rechnet worden sind.
D ie infolge ihres überstürzten Wachstums in ihrem inneren A u f bau nicht zum Ausgleich gekommene und aus diesem Grunde über mäßig stark vom Weltmarkt abhängig gewordene Wirtschastsstruttur Deutschlands hat durch den Ausgang des Weltkrieges einen ent scheidenden Rückschlag erhalten, dessen allmähliche Überwindung noch au f geraume Z e it die deutsche Wirtschaftsentwicklung kennzeich nen wird. I m Einklang mit seiner raschen Bevölkerungszunahme und der allgemeinen Ausweitung des Weltmarktes hatte sich Deutsch land so intensiv in den internationalen Tauschverkehr eingeschaltet, daß bis zum Ausbruch des Krieges etwa ein Viertel bis ein Drittel seiner industriellen Nettoproduttion für die Ausfuhr bestimmt war und etwa 3 bis 4 M illionen von den rund 10 M illionen Industrie arbeitern von der Exportwirtschaft beschäftigt wurden, während ein wesentlich größerer T eil vom Im port der für den Binnenmarkt be nötigten ausländischen Rohstoffe abhängig geworden war. D ie deutsche Wirtschasts- und Sozialstruktur war in dieser Zeit ausge sprochen die eines industriellen Gläubigerlandes mit hohem NohstoffEinfuhrbedarf und großem Fertigwaren-Ausfuhrüberschuß bei im ganzen passiver Handelsbilanz geworden, deren Saldo aus dem E r trägnis der wachsenden Kapitalanlagen im Ausland bestritten wurde. D ie Amkehrung der früheren Gläubigerstellung in eine Schuldner stellung durch den verlorenen Krieg erzwingt eine Amstellung der deutschen Wirtschasts- und Sozialstruktur im Sinne einer Aktivierung der Handelsbilanz und einer Senkung der inneren Lebenshaltung, die bis zur Krise immer wieder durch Neuaufnahme ausländischer
Ii6
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Kredite hinausgezögert wurde. D ie deutsche W irtschaft befindet sich zur Z e it mitten in diesem Anpafsungsprozeß, und ihre einzelnen V o r gänge find ohne die Kenntnis dieser Grundvoraussetzungen nicht verständlich.
D i e W a n d lu n g der deutschen Z a h l u n g s b i l a n z in d er V o r u n d N a c h k r ie g s z e i t im Ja h r e s d u r c h s c h n it t 1908/13 M rd . M .
1925/29. M rd. N M
1934 M rd. N M .
A uß en han d el P a s s iv s a ld o P a s s iv s a ld o etwa a u sg eim A u ß e n im A u ß e n h a n d e l ____ — 1470 h a n d e l ____ —1190 g lic h e n .......... L
0
gedeckt durch gesperrte überbrückt durch Kapital- und Dienstleistungen SchuldcnZinsverpflich und Zinsein ausnahme im nahmen .......... -s-1520 A u slan d ____ -s-2810 tungen ............ — 600 ÄberschußGoldzufluß od. Kapital ausleihung . . -I-
DifferenzDifferenzGoldverlust u. -s-300 Mehrverbrauch Neuverschuldg. -1-300 für politische 50 Zwecke............. -s-1620 bei Devisen schwierigkeiten
D ie Rückwirkungen dieser m it wirtschaftlichen M itte ln allein nicht zu lösenden Zw an gslage, aber auch die Anstrengungen zu ihrer B e h e bung werden am deutlichsten a u f dem Gebiet der Ernährungswirt schaft sichtbar, die seit jeher der Lauptdevisenverbraucher der deut schen Volkswirtschaft w ar. D e r Einfuhrüberschuß an N ah ru n g s stoffen ist im Laufe des letzten Jahrzehnts langsam herabgedrückt worden, und besonders die nationalsozialistische Negierung hat nach der Machtübernahme die Einfuhr von Nahrungsstoffen, Genuß mitteln und Futterstoffen stark gedrosselt. A m schärfsten ist die E in fuhr von Brotgetreide, Fleisch, pflanzlichen ö le n und Fetten, Molkereiprodukten und Eiern vermindert worden. Dagegen ist sie nach wie vor beträchtlich bei Obst und Gemüse, und insbesondere bei den Futterm itteln, Ölfrüchten und Ölsaaten, bei denen die vermin derte W erteinfuhr hauptsächlich au f die Preissenkung am W eltmarkt zurückzuführen ist.
^ -> e r zcntraleuropciische Wirtschaftsraum
n8
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
D i e E n tw ic k lu n g d e s deutschen E in fu h r ü b e r s c h u s s e s A g r a r e r z e u g n is s e n se it 1925*
an
A g r a r e r z e u g n is s e
Mengen in 1000 t 1934 1925 1930
Brotgetreide, M ehl . Fleisch, Vieh .............. Kartoffeln, Lülsenfrüchte ........................
2191 323
1058 247
367 126
652 339
239 140
60 52
203
293
223
46
47
31
Zusammen.....................
2717
1598
716
1037
426
143
Obst, Gemüse, Südfrüchte ........................ Butter, Schmalz,Fettc Molkereiprodukte,Gier
1210 333 322
1538 176 235
1306 158 113
485 672 488
559 451 317
301 111 106
Zusammen.....................
1865
1949
1577
1645
1327
518
159
-i- 42
286
336
369
174
325
295
196
128
123
44
174
97
150
290
252
131
-i-482
-1-788
-s-482
49
28
13
Zusammen.....................
176
-i-438
150
803
772
362
Ölfrüchte, Ölsaaten . Futtergetreide, Ölkuchen...............................
1525
2312
2213
608
644
220
1928
2148
1079
364
295
72
Zusammen.....................
3453
4460
3292
972
939
292
L o l z ..................................
6082
4135
4971
404
266
171
Agrareinfuhr insgesam t............................
14293
11704
10706
4861
3730
1486
Kolonialwaren,Zucker, Gewürze .................. Fische, Fischzuberei. tungen ....................... Alkoholische Getränke, Tabak ....................... Sonstige Lebensmittel und Getränke..........
Werte in M ill. N M . 1925 1930 1934
i -s- — Ausfuhrüberschuß. V o n dem gesamten N ahrungsm ittelbedarf Deutschlands dürften, über den Kalorienverbrauch und unter Berücksichtigung der ausländi schen Futtermittelzufuhr gerechnet, gegenwärtig etwa 85v.L>. aus in-
D er zentraleuropäische Wirtschaftsraum
ng
ländischer Erzeugung gedeckt werden, während der Rest aus dem A usland eingeführt werden muß. Insbesondere in der Fettversorgung macht der A n te il der Inlandserzeugung kaum die Lälfte des Bedarfs a u s. V erglichen m it der industriellen Rohstoffversorgung liegt allerdings in der Ernährungswirtschaft ein wesentlich höherer Grad binnenwirtschaftlicher Selbständigkeit vor. B e i den klimatischen und Bodenverhältnissen w ar diese weitgehende Selbstversorgung der Gesamtbevölkerung durch knapp ein Sechstel ihrer Arbeitskräfte allerdings nur au f dem W ege einer starken Intensivierung durch Düngemittel-- und Maschinenverwendung, also unter Verteuerung der Produktionskosten möglich, so daß die innerdeutschen Preise für Agrarerzeugnisse heute wesentlich über dem Weltmarkt liegen. D i e E n tw ic k lu n g der deutschen A g r a r p r o d u k tio n seit 1925 Mengen in 1000 t 1925 1 1930 > 1934
Werte in M ill. N M . 1925 > 1930 > 1934
Kaupterzeugnisse der Bodenbewirtschaftung B r o tg e tr e id e .................. F u tte rg e tre id e ............... K artoffeln und Lülsenfr ü c h te ........................... O bst, Gemüse, Jucker K opsen, M o s t, Tabak
12284 9432
1621 455
1686 462
1485 359
41718 47423 47033 1599' 2547' 6155 183 313 483
596 1354 133
576 1387 161
756 1424 254
Z u sam m en ........................
63119
11435 8184
11606 9091
70980 I 75392 > 4159 ^ 4272 > 4278
Laupterzeugnisse der Viehw irtschaft Fleisch............................. M ilc h ............................... E i e r .................................. Fische...............................
2525 3150 3544 21000- 21700 23700 250 364 360 218 314 401
Zusammen..................... ^23993
25528
28005
4403 2371 406 56
4304 2197 492 78
3730 2289 479 72
7236
7071
6570
Laupterzeugnisse der Forstwirtschaft S o l z ' ............................... 12490024000 !, 29400 -
600's 280 j
460
' N u r Jucker. — ' 1928. — ' Mengen in 1000 km. V o n der gesamten Bodenfläche des Reichs werden nicht ganz zwei D r itte l landwirtschaftlich genutzt, etwas mehr als ein V iertel
120
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
ist mit W a ld bestanden, und der R e st verteilt sich au f menschliche Siedlungen, Verkehrsanlagen und Ö d lan d . D ie wichtigsten ange bauten Feldfrüchte sind W eizen, R o g g e n , L a s e r , Gerste, und von den Lackfrüchten die K artoffel. D e r W eizenanbau ist am weitesten ver breitet au f den schweren Lehm- und TonbödcnM itteldeutschlands, am R h e in und in Mittelschlesicn; R o g g e n und Kartoffeln werden fast überall angebaut, vor allem auf den leichten Sandböden in Ost- und Nordwestdeutschland. D ie Zuckerrübe gedeiht in der Lauptsache in Mitteldeutschland, Mittelschlesien und im nördlichen R h e in la n d ; Tabak und W e in werden fast ausschließlich am R h e in m it seinen Nebenflüssen und in B a d e n sowie in der P f a l z gezogen. V o n beson derer W ichtigkeit für die Ernährung der städtischen Bevölkerung ist die Viehw irtschaft, insbesondere die Schweinehaltung, die vor allem in Nordwestdeutschland in hoher B lü te steht. D e r W e r t der jähr lichen Schlachtvieherzeugung beträgt zusammen m it der M ilch - und Eierproduktion M r d . N M . gegen nur etwas über 4 M r d . R M . der gesamten Vodenerzeugung. A u f dieser relativ schmalen Agrarbasis steht der Überbau eines ge waltigen gewerblichen und industriellen Produktionsapparates, in dem 20 M illio n en Menschen erwerbstätig sind und nahezu 40 M illio nen der Gesamtbevölkerung ihren Unterhalt finden. D e r A u fb a u dieses W irtschaftsapparates zur Gew innung, Verarbeitung und Veredlung gewerblicher G ü ter für den heimischen B e d a r f und die A u sfu h r sowie für die Güterverteilung und den Personen- und Nachrichtenverkehr ist im wesentlichen innerhalb der beiden letzten Generationen erfolgt. D ie W anderung der Bevölkerung nach den neuen Erwerbsgelegen heiten hat dabei zur Ausbildung dichtbesiedelter Jndustrieprovinzen und großstädtischer Wirtschaftszentren geführt, deren Massierung sich besonders im Westen rheinaufwärts nach B a d e n und vom östlichen Mitteldeutschland und Sachsen nach Oberschlesien erstreckt. E n t sprechend den natürlichen Vorbedingungen von Kohle und Eisen sind besonders die Produktionsgüterindustrien entwickelt worden, so daß Deutschland vor dem Kriege vor allem in der Eisen- und S t a h l industrie, in der Fabrikation von Maschinen und elektrotechnischen Erzeugnissen und in der Chemie als der führende Produzent Europas gelten konnte. N ach dem Kriege hat dieses Übergewicht der P rodu k tionsgütererzeugung im Gesamtaufbau der einzelnenIndustrien, die sich zur Z e it infolge der W andlung am Binnenmarkt und in der W e lt in einer raschen strukturellen Änderung befinden, eher noch zugenommen.
D er zentraleuropäische Wirtschaftsraum
121
F ü r die In gan gh altu n g dieses industriellen Produktionsapparates kann Deutschland jedoch in der Lauptsache nur die menschlichen und maschinellen Arbeitskräfte stellen, während die notwendigen Nohstoffgrundlagen größtenteils außerhalb des Staatsgebietes, ja zu meist außerhalb E uropas liegen. D ie wenigen Rohstoffe, die Deutsch, land im Überfluß besitzt, sind K ohle, Stein - und Kalisalze und die Grundstoffe der Bauindustrie. Eisenerz wird aus Schweden bezogen. Treib- und Schmierstoffe kommen aus Amerika, Vorderasien, R u ß land und R u m ä n ie n , von den M etallen muffen Kupfer aus Afrika und Am erika, B l e i aus Australien und M exiko, und Zinn aus B r itisch-Indien und den Malaienstaaten eingeführt werden. M ineral phosphate und Schwefelkiese für die chemische Industrie stammen aus A frik a , S p an ien und Cypern. V o n den Rohstoffen für die Textil industrie kommen B aum w olle aus den Vereinigten Staaten von Am erika, Ä gypten oder Britisch-Indien, W olle aus Australien oder Sü d afrika, Ju t e aus B ritisch-Indien, Flachs aus den Ostseerand staaten, R u ß lan d und B e lg ie n , und L a u f aus den Philippinen. L ä u te und F e lle für die Lederindustrie werden aus Sü d - und M ittel amerika, P e lz e aus R uß land und den Vereinigten Staaten von Am erika, und Kautschuk aus Britisch- und Niederländisch-Indien eingesührt. D ie Sicherung der Rohstoffversorgung ist deshalb eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Problem e Deutschlands, dessen Dringlichkeit infolge der ungünstigen Entwicklung seiner Zahlungs bilanz noch zugenommen hat. D i e N o h s t o f f e i n f u h r der w ich tigsten W irts c h a fts g ru p p e n in M i l k . N M . im J a h r e 1934 Einfuhr Ausfuhr E rnährungsw irtschaft ................................ In d u strie w irtsch a ft....................................... Textil- und Bekleidungswirtschaft............ Eisen- und Metallwirtschaft........................ Leder- und Kautschukwirtschaft.................... Lolz- und Papierwirtschaft......................... V erkehrsw irtschaft (Mineralöle)............
1461 1968 680 409 272 214 137
145 691 74 62 38 44 21
Einfuhr überschuß — 1316 — 1277 — 606 — 347 — 234 — 170 — 116
D ie Devisen für die Nohstoffeinfuhr der Ernährungswirtschaft und des industriellen Binnenverbrauchs müssen in der Lauptsache durch
122
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
die Fcrtigw arenausfuhr der Erportindustrie beschafft werden. I n folge dieser Verhältnisse wird Deutschland trotz seiner Anstrengungen zu verstärkter Eigenvcrsorgung immer au f das engste durch die inter nationalen Tauschbcziehungen m it der übrigen W e lt verflochten sein. V o r dem Kriege betrug der deutsche Außenhandel in der E in - und A u sfu h r zusammen 31 M r d . M . , eine Z iffe r , die im Ja h r e 1929 m it einem Gesamtumsatz von 2 8 M r d . N M . nicht mehr ganz erreicht wurde und bis zum Ja h r e 1935 au f etwa 9 M r d . N M . zusammen geschrumpft ist. Trotz der zeitweiligen Äberbetonung der V in n e n marktinteressen kann die Verflechtung Deutschlands m it der übrigen W e lt nur a u f Teilgebieten gelockert, aber nicht wesentlich abgebaut werden, ohne eine völlige Amstellung der gesamten Lebenshaltung der deutschen Bevölkerung nach sich zu ziehen. D ie s um so mehr, a ls die Lage am deutschen Arbeitsm arkt immer von der Entwicklung D e u t s c h la n d s A u ß e n h a n d e l nach L a u p t e i n - u n d - a u s f u h r w a r e n in M i l l . N M . im J a h r e 1934 Laupteinfuhrwaren ............. davon Obst- und Südfrüchte . . Kaffee.................................... B u tt e r .................................. Eier......................................... W eizen..................................
Lauptausfuhrwaren 1100,2 249,6 119,0 73,7 74,0 60,9
R o h s to ffe u .L a lb w a re n 2600,3 davon W olle, Tierhaare........... 322,6 Baum w olle........................ 260,2 Ölfrüchte, Ölsaaten----219,9 Felle, L ä u t e ..................... 183,4 E r z e ....................................... 182,8 M ineralöle.......................... 136,9 Nohtabak............................. 123,8 196,9 L o l z ....................................... F e r tig w a r e n ........................ davon Textilwaren........................ Eisenwaren.......................... Lhemieerzeugnifse...........
750,5 218,3 179,7 174,1
120,9 R o h s to ffe u .L a lb w a re n davon Kohle, Koks ..................... Textilrohstoffe.................. Anedle M e ta lle ................ Felle, L ä u t e ..................... Steine und Erden...........
790,3 326,3 73,5 27,8 24,3 42,8
F e rtig w a re n ....................... 3255,7 davon Chemieerzeugniffe........... 653,1 Eisenwaren.......................... 642,7 Textilwaren....................... 382,5 356,9 Maschinen.......................... 199,1 Elektrotechn. Erzeugnisse Ton-, G las- u. Porzellan. 155,5 w aren............................... Papier u. Papierwaren 132,6 Leder und Lederwaren . 85,2 118,1 Waren aus Kupfer-----
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
12z
D e u t s c h la n d s A u ß e n h a n d e l nach w ich tigsten B e z u g s , und A b s a t z g e b ie t e n in M i l l . N M . im J a h r e 1934 Bezugs- und Absatzgebiete
Einfuhr
Ausfuhr
N ordeuropäische S e e z o n e .............................. Großbritannien........................................................... Skandinavien............................................................. Ostseerandstaaten.....................................................
596,1 205,7 346,0 4,4
885,1 382,9 461,4 40,8
W esteuropäische F e s tla n d s z o n e ............... Niederlande............................................................... Belgien ....................................................................... Schweiz.......................................................................... Frankreich ..................................................................
718,1 264,1 161,0 116,1 176,9
1294,7 481,8 235,9 295,3 281,7
M itteleu ro p äisch er W irtsch a ftsra u m . . Tschechoslowakei....................................................... Österreich.................................................................... U ngarn.........................................................................
292ch 162,3 66,3 63,9
294,7 148,4 106,7 39,6
Osteuropäische A g r a r lä n d e r ...................... Südosteuropa............................................................ P o le n ..................... - ....................................................
183,0 129,1 53,9
141,0 102,2 38,8
Südeuropäische M itte lm e e r z o n e ............ Italien........................................................................... S p a n ie n ...................................................................... P o r tu g a l................................................................... Griechenland ............................................................
359,0 184,7 99,7 19^ 55,3
391,9 245,9 87,5 29,2 29,3
U dSSR
......................................................................
209,7
63,3
A m e r ik a ........................................................................ davon Vereinigte Staaten von Amerika.................
917,5
449,0
372,7
157,8
557,8
393,6
davon Britisch-Indien...................................................... Niederländisch-Indicn......................................... C h in a .......................................................................... J a p a n ..........................................................................
134,7 131,8 121,9 21,7
94,4 34,8 77,7 79,6
A f r i k a .............................................................................
258,5
107,1
A u s tr a lie n ...................................................................
144,6
25F
Insgesamt......................... ....................................
4451,1
4166,9
124
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
seines Außenhandels m it abhängig bleiben w ird. D ie wichtigsten E in - und AusfuhrbcziehungenDeutschlands sind in der nebenstehenden Tabelle dargestellt. D ie seit der Übernahme der M a ch t durch den N ation alsozialism us eingeschlagene W irtschaftspolitik hat zu einer starken Steigerung der gesamten W irtschaftstätigkeit geführt, die jedoch in der Hauptsache a u f den Binnenm arkt beschränkt bleibt, während die A u sfu h r erst in der letzten Z e it gewisse Erholungstendcnzen zeigt. D ie Lerauslösung der Landwirtschaft aus der kapitalistischen M arktw irtschaft, die direkte und indirekte Steuerung der gewerblichen W irtschaft au f dem G ebiet der Rohstoffversorgung, der Produktions- und P r e is v e r hältnisse und des Außenhandels sowie die gesteigerten öffentlichen Investitionen für die Arbeitsbeschaffung haben in der Struktur und Organisation der deutschen W irtschaft bereits heute einschneidende Veränderungen hinterlassen. D ie früher besprochenen G rundvoraus setzungen der deutschenWirtschaft— zu schmale A g ra r- und R ohstoff basis, relative industrielle Übervölkerung und passive Zahlungsbilanz bei überkommener Lebenshaltung, die auf einer aktiven Za h lu n g s bilanz aufgebaut w ar — vermögen sie nur langsam zu verändern. D ie neue W irtschaftspolitik hat durch den Einsatz des vorfinan zierten Staatsk redits eine starke Beschäftigungskonjunktur eingelei tet, die fast ausschließlich a u f Staatsau fträgen und öffentlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beruht. D ie industrielle Produktion ist dadurch gegenwärtig über den Hochstand des Ja h r e s 1928 ge bracht und die Arbeitslosigkeit bis au f 2,5 M illio n e n abgebaut wor den. D e r V o r g r iff a u f das künftige volkswirtschaftliche Sparvolum en dürste in der Größenordnung von jährlich etwa 5 M r d . R M . liegen, die größtenteils eine Neuverschuldung des R eich s darstellen. D i e k o n ju n k tu r e lle E n tw ic k lu n g in D e u ts c h la n d se it 1932 Ja h r e s ende
1932 1933 1934 1935
In d u strieller P r o stand 1923 - 100
55,8 68,8 84,3 103,2
davon Prod u k - l V erttonsbrauchsschuld^ güter j güter M rd . N M 1923 - - 100
47,0 60,4 83,4 108,1
76,9 88,8 86,3 91,6
12,0 13,7 16,2 19,2
da >on In la n d s A u s la n d s schuld schuld M rd . N M M rd . N M
8,9 11,5 14,4 17,4
3,1 2,2 1,8 1,8
A rb e its losigkeit
ln
M illio n e n
5,8 4,1 2,6 2,5
r Ausgewiesene und vom Neichsfinanzminister gelegentlich eines V orträges bezifferte nicht ausgewiesene Reichsschuld.
D er zentraleuropäische Wirtschaftsraum
I2Z
W ährend eine begrenzte Neuverschuldung des Reichs im Hinblick auf die im V ergleich zu anderen Großmächten mäßige Inlandsverschuldung und die gleichzeitige Absenkung der Auslandsverschuldung tragbar ist, hat sich in Ausw irkung der lebhaft gesteigerten Binnen konjunktur eine Erhöhung des inländischen Preisniveaus und damit eine weitere Absenkung der A u sfu h r und des Deviseneingangs nicht vermeiden lassen. Unter diesen Amständen dürste der Höhepunkt von Beschäftigung und Produktion erreicht und der Hauptnachdruck der öffentlichen W irtschaftspolitik künftig auf die Sicherung der bisher erreichten W irtschaftstätigkeit gerichtet sein. Neben der Fundierung der kurz- und mittelfristigen Vorfinanzierung wird dabei unter dem Gesichtspunkt der Devisen- und Nohstoffwirtschast und der notwen digen A usfuhrerhaltung das P roblem der Angleichung des inneren P re isn iv e a u s an die Preisentwicklung außerhalb der Grenzen im Vordergrund stehen. E n tw ic k lu n g d e s P r e i s n i v e a u s , der A u ß e n h a n d e lsu m sätze u n d d e s G o ld b e s t a n d e s in D eu tsch lan d seit 1932 Ja h r e s ende
G roh han delsindex 191Z--100
1932 1933 1934 1935
92,4 96,2 101,0 103,4
Überhöhu ng gegenübe r') W est W e lt europa markt
4- 2,0 4- 7,9 4-20,9 4-23,1
4-19,0 4-46,3 4-64,7 4-60,8
Einfuhr
^ Ausfuhr
in M ill. N M
4667 4204 4451 4124
5740 4871 4167 4240
Gold M ill. N M
921 395 84 87
r Gerechnet über die gegenläufige Entwicklung der Großhandelsindices
1913 -- 100. 7. D i e N a c h fo lg e s t a a te n A n der Südostflanke des mitteleuropäischen Binnenraums, ein gezwängt zwischen der neuen Großmacht im Nordosten und dem im A u fb a u begriffenen Kräfteblock in Südosteuropa, liegt der politische und wirtschaftliche Tiefdruckraum der österreichischen Nachfolge staaten, in dem die gefährlichsten Krisenschnittlinien Nachkriegseuro pas zusammenlaufen. Grundverschieden in ihrer völkischen Zusam mensetzung, ihrem wirtschaftlichen A ufbau und ihren politischen B in dungen und Z ie le n , ist den drei aus dem Zerfall der alten Donau-
126
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Monarchie entstandenen Nachfolgestaaten — Österreich, ü n garn und Tschechoslowakei — gemeinsam, daß dieser Sam m elb egriff nicht nur ihre einstige A bkunft, sondern auch ihre jetzige und künftige A b hängigkeit kennzeichnet. M a n könnte sie als P atro n atslän d er an sprechen, denn die Konstruktionen von S t . G erm ain und Trianon haben ihnen zwar die staatsrechtliche S o u v erän ität, nicht aber die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den praktischen Genuß ihrer Eigenstaatlichkeit geschaffen. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g u n d A u ß e n h a n d e l der N a c h f o lg e s t a a t e n um 1935 Land
S ta a ts gebiet in 1000 qicm
Bevölke rung ln M ill.
Österreich................ Angarn..................... Tschechoslowakei..
83,8 93,1 140,4
6,8 8,9 15,0
A n te il der völkerung ln v . H .
31,7 58,2 38,3
G e b u rten überschuß a u f 1000 der B e völkerung *
1,9 7,1 6,7
A ußenhandel 1934 je Kops der Bevölke run g in R M
144 43 95
r Durchschnitt 1930/34. D ie drei Nachfolgestaaten sind soziologisch und wirtschaftlich ge sehen ein dreieckig nach Osten vorspringender R a u m M itteleu rop as, der sich in schärfstem Gegensatz zu den im Osten und Sü d en angren zenden R ä u m e n befindet, m it denen er politisch und handelstechnisch Fühlung sucht. S e in wichtigstes M erkm al ist, daß sich in seinem In n ern durch verlangsamtes Bevölkerungswachstum und Wirtschaftliche S ta g n a tio n ein Anterdruckgebiet ausgebildet hat, dem eine rasch und stetig fortschreitende Verstärkung des biologischen und sozialen Überdrucks an allen in den Ostraum hineinragenden Grenzen gegen übersteht. Geburtenzuwachs und Volksverm ehrung entsprechen m it tel- und westeuropäischen Verhältnissen, und S ied lu n g s- und B e r u fs struktur, W irtschaftsform und Lebenszuschnitt unterscheiden sich mit klarem B ru ch von denen jenseits der Ostgrenze. D a z u kommt, daß der zunehmende Anterschied der agrarischen Siedlungsdichte den bereits bestehenden Spannungszustand von J a h r zu J a h r erhöht und der rasch fortschreitende Industrieaufbau im gesamten Ost- und S ü d raum die früheren Absatzmärkte der gewerblichen Produ ktion dieser Gebiete immer weiter einengt.
127
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
D e r V e r l a u f d e r D r u c k lin ie a n den G r e n z e n der N a c h fo lg e s ta a te n Veränderung der gährüche Industrie Agrarische Wachstums- Siedlung« dichte produktion 1924 tntensität gegen 1912 leylcmNutzfläche lno.H. -- 100 lnv.H.
Land
GeburtenMer auf 1000
N o rd gren ze U d S S R ................ P o le n .....................
43,9 26,5
2,5 1,4
58 «1
^-305 - 43-
N a ch fo lg e sta a te n Österreich................ U n garn ................... Tschechoslowakei.
IS,2 14,Z 21,s IS,7
o.s
0,7
ö» 47 S2 SS
—s - IS -I- 7 —4
Sü d ostgren ze Südosteuropa. . .
32,«
1,4
78
-s-11«
S ü d gren ze Ita lie n .....................
23,4
1,»
9«
-si 4«
0,2 0,7
1 I n erster Linie Rückbildung der Textilindustrie des Lodzer Bezirks, die früher den russischen Markt versorgte. Dafür Zunahme neuer Industrien. D e r Stärke des an den Grenzen massierten Überdrucks entspricht der G ra d der wirtschaftlichen Anausgeglichenheit und Schwäche im In n ern dieses R a u m e s . Zw ei Nachfolgestaaten vereinigen nur einen B ruchteil ihrer Volksangehörigen innerhalb der eigenen S ta a ts grenzen, während im dritten das regierende Staatsvolk eine knappe M ehrheit der im Staatsgebiet zusammengefaßten Nationalitäten bildet. Österreich besteht aus einer Lauptstadt und einem Linterland m it kaum mehr als der doppelten Einwohnerzahl W iens, Angarn D i e A n a u s g e g lic h e n h e it der S ie d lu n g s s tr u k tu r im In n e r n Land
Gesam tbevölkerung ln M i l l .
Österreich ........... Ungarn ................ Tschechoslowakei
davon in: H au pt- I übrigen stabt I Großstädten in M ill.
6,8
1,8
8,9 15,0
1,0 0,9
0,3 0,3 0,7
zusammen MM.
2,1 1,6
!
v .H .
31 15 11
128
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
au s drei Großstädten und etwa der sechsfachen Einwohnerzahl im Lan de, und die Tschechoslowakei, deren Siedlungsstruktur wesentlich ausgeglichener ist, hat als Erbe die industriellen Produktionsstätten übernommen, deren frühere Absatzmärkte anderen Ländern zuge fallen sind. D a s alte österreich-Angarn w ar in seiner Wirtschaftsstruktur des halb besonders bemerkenswert, weil es nur wenig m it der W eltw irt schaft verflochten w ar, dafür aber eine um so vielseitigere und innige A rbeitsteilung und Verflechtung seiner einzelnen Glieder ausgebildet hatte. D e r im Osten und in B ö h m en und M ä h re n hochentwickelten Landwirtschaft stand eine vornehmlich in den rohstoffreichen west lichen P ro v in zen angesiedelte Industrie gegenüber, während das G e ld - und Kreditwesen und der L a n d e ! ihren Sta n d o rt in W ien gefunden hatten. D ie Aufteilung dieses in Jahrhunderten einheitlich W i c h t i g e A g r a r - u n d In d u s t r ie p r o d u k t io n der N a c h f o l g e s t a a te n 1934
A g ra r- und Industriestoffe
Österreich in Lg
A g ra rp ro d u k te W e i z e n .................................................... R o g g e n .................................................. G e r s te ....................................................... M a i s ....................................................... Z u ck er....................................................... W e i n * ....................................................... T a b a k ........................................................ Nutzholz °°............................................... R in d v ieh «............................................... In d u s tr ie p r o d u k tio n Steinkohle............................................... Braunkohle ...................................... Eisenerz.................................................... B le i e r z .................................................... Z in k e r z .................................................... R oh eisen .................................................. N o h sta h l................................................. » Liter. — ' F m . — « Stück.
53 90 44 —
34 — —
0,9 0,3 37 423 69 1 —
20 46
Angarn
Tschecho slowakei
e K o p f der B e o ö kerung
192 59 52 242 14 29 3 —
0,2 87 713 6 — —
92 103 70 —
43 — —
0,5 0,3 733 1039 27 0,1
—
—
26
65
D er zentraleuropäische Wittschaftsraum
129
und organisch gewachsenen W irtschaftsraums hat von dem heutigen Num pf-Osterreich die wertvollsten A grar- und Industriegebiete losgetrennt und ihm im wesentlichen nur den übersetzten Verwaltungs-, K redit- und H andelsapparat der Hauptstadt einschließlich ihrer F e in - und Luxusindustrien sowie einige Spezialindustrien in Ober steiermark und die Fremdenverkehrsgebiete Nordtirols belassen. I n dem vorwiegend agrarischen Num pf-Angarn hat die neue Grenz ziehung einen M a n g e l an W a ld - und Lolzgebieten, einen Überschuß an W ein lan d und eine Äberkapazität gewisser landwirtschaftlicher Industrien hinterlassen sowie außerdem eine lebhafte Ersatzindustriali sierung in s Leben gerufen. D ie Tschechoslowakei ist bei der Teilung am besten weggekommen und hat die reichen Ackerbau- und W a ld gebiete, fast die gesamte bergbauliche Arproduktion und den Lauptteil der hochentwickelten H alb - und Fertigindustrien übernommen, allerdings ohne deren frühere Absatzmärkte mitzuerhalten. D ie F o lg e davon ist die im äußeren B ild auffällige Verschiedenheit und Vielseitigkeit der agrarischen und gewerblichen Tätigkeit in diesen drei S ta a te n . D ie unorganische Zerreißung früher auf das engste miteinander verflochtener Wirtschaftsgebiete hat in Österreich und in abge schwächtem M a ß e auch in Angarn zu einer zunächst fast hoffnungs losen Passivierung der H andels, und Zahlungsbilanzen, aber auch bald zu einer zunehmenden Tendenz des Ersatzes der verlorengegan genen Wirtschaftsgrundlagen geführt, welche die tschechoslowakische Industrie in von Ja h r zu Ja h r verstärktem M aß e zu spüren bekommt. D i e H a n d e ls b ila n z der N a c h fo lg e s ta a te n von 1920 b is 1934 in M i l l . L a n d e sw ä h ru n g Tschecho slowakei
Österreich
Angarn
Will. 3
MM. kö.
1920 ............................ 1925 ............................ 1934 ............................
— 769 — 934 — 296
— 253 — 17 4- 58
4-4189 4-1182 4- 876
Z in sleistu n gen .1928 ............................ 1930 ............................ 1933 ............................
— 100 — 125 — 60
— 148 — 187 — 15
— 571 — 572 — 300
Ja h r
D»ll.
A u ß e n h a n d e ls s a ld o
sr->chlng«r g
IZO
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Diese Entwicklung ist um so bemerkenswerter, als alle drei S ta a te n Schuldnerländer sind und teilweise beträchtliche jährliche Z in sle i stungen an das A u s la n d transferieren.
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
iz i
Durch die neuen Grenzen ist die frühere innige Verbundenheit der N achfolgestaaten weitgehend gelockert worden, wobei jeder für sich durch politische, wirtschaftliche oder finanzielle Anlehnung an die jeweils einflußnehmenden M ächte nach den verschiedensten Limmelsrichtungcn hin einen A u sw eg aus der wirtschaftlichen N o t zu gewinnen hoffte. S o haben Österreich und Angarn nach vereitelten P lä n e n in der mitteleuropäischen Linie versucht, ihren Export in verstärktein M a ß e nach W est, und Südeuropa auszudehnen, während die Tschechoslowakei den Verlust ihrer europäischen Absatzmärkte m it einigem E r fo lg , aber nur zum kleinen T e il, durch vermehrte Aberseeausfuhr zu kompensieren vermag. Kennzeichnend für die natürlichen W iderstände, die sich diesen Versuchen entgegenstellen, ist jedoch die Tatsache, daß das bisherige Ergebnis eine zunehmende A uflösung der früheren Verflechtungen der Nachfolgestaaten unter einander ist. Auch die Landelsbeziehungen nach Ost- und Südeuropa sind beträchtlich eingeschrumpft, und nur die Ausfuhr nach den westeuropäischen Ländern und bei der Tschechoslowakei auch nach Übersee konnte anteilmäßig gesteigert werden. D ie große natürliche Bedeu tung Deutschlands für die Nachfolgestaaten als B ezugs- und A b satzmarkt ist durch alle diese W andlungen hindurch unverändert ge blieben. D i e E n tw ic k lu n g der A u s f u h r a n t e ile der N a c h fo lg e s ta a te n nach w ich tig ste n A bsatzm ärkten
nach:
in v. Ä . der Gesamtausfuhr der Nachfolge staaten gingen von Österreich ! Angarn >Tschecheslowakei 1S2L > 1SZ4 j IS25 > ISZ4 l IS2L 1N4
D e u tsch la n d .............
15,1
16,6
33F
21,7
22,5
21ch
W e s te u r o p a ............. Goldbloä.................. England.....................
14,2 10,6 3,6
19,8 14,4 5,4
5,0 3,7 1,3
17,8 10,2 7,6
14,4 6,2 8,2
20,4 14,1 6,3
S ü d eu ro p a Ita lie n ........................
10,4
11,0
4,0
8,1
3,7
2,9
O steuropa ............... P o len .......................... Balkan .....................
25,5 8,4 17,1
18,0 4,1 13,9
17,2 4,8 12,4
9,1 0,8 8,3
13,5 3,5 10,0
10,2 1,9 8,3
IZ 2
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Ä ie r zeigt sich deutlich die Tatsache, daß die Nachfolgestaaten seit ihrer Zerreißung aus eigener K r a ft nicht mehr in der Lage sind, sich a ls M ittle r des Landelsverkehrs im oft- und südosteuropäischen R a u m durchzusctzen, und daß sie a ls vorgeschobenes W irtschafts gebiet der europäischen M itt e ohne die Anterstützung der mittel- und westeuropäischen Länder nicht existieren können. D a s neuerdings unternommene Experiment der engeren handelspolitischen B in du n g Österreichs und A n garn s an Ita lie n dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach den gleichen natürlichen B edingungen unterliegen und ein In te r mezzo von nur kurzer D au er bleiben. Besonders unterstrichen muß nochmals die im Gegensatz zur früheren Verbundenheit der alten Doppelmonarchie weitgehende und voraussichtlich bleibende A u f lösung der engen W irtschaftsverflechtung der Nachfolgestaaten wer den, die einer der G ründe für die innere Schwächung ihrer W ir t schaftsstruktur ist. D i e Z e r r e iß u n g d er L a n d e ls v e r f le c h t u n g der N a c h f o l g e s t a a t e n u n te r e in a n d e r V o n der Gesamtausfuhr gingen nach den Nachfolgestaaten in v. L>. aus 1934 1920 1925 Österreich................................................................... A n garn ...................................................................... Tschechoslowakei...................................................
23,2 69,4 30,8
19,4 34,0 23,6
19,4 29,0 12,7
S e it dem Tiefpunkt der Krise hat sich die W irtschaftstätigkeit in allen drei Nachfolgestaaten wieder etwas gehoben, doch ist die B e lebung nicht bedeutend. Diese Besserung kommt nur zum kleinen T e il aus der eigenen W irtschaftskraft. B e i Österreich sind die wieder holten Finanzhilfen des Völkerbundes sowie die A u sfu h r- und Fremdenverkehrsförderung durch die Großm ächte, bei Österreich und A n garn die vorübergehende stärkere Einbeziehung in den italie nischen Wirtschaftsbereich und bei der Tschechoslowakei die inter nationale Aufrüstung die eigentlichen Arsachen der Erholung. D ie Außenhandelsumsätze zeigen nur eine schwach steigende Tendenz, und die leicht rückgängige Arbeitslosigkeit beträgt immer noch mehr als 1 M illio n . N u r in A ngarn hat der in G a n g befindliche industrielle A u sb a u die Produktionstätigkeit wesentlich über den S ta n d der letzten Hochkonjunktur gehoben.
D e r zentraleuropäische Wirtschaftsraum
D ie
k o n ju n k t u r e lle
E n tw ic k lu n g
IZZ
der N a c h fo lg e s ta a te n
se it 1932 Jahres ende
Produk Srotzhan-! Aktientionsind-;! dslsindei! 1 Inder 1S2S--100 1S27/r<»-I00
Arbeits losigkeit in looo
Goldbe stand Milt. AM
393 371 416 438
367,8 335,9 308,1 260,0
88 112 112 112
183 207 204 221
75,3 55F 53,2 52,2
914 730 757 767
746,6 780,0 752,3 794,4
Einfuhr ^ Ausfuhr Mili.RN
Öste, weich 1932 1933 1934 1935
58,9 74,9 78,2 90,9
72,5 67,1 69,9 68,8
40,8 31,0 43,6 55,9
711 550 556 591
Angarn 1932 1933 1934 1935
76,8 90,9 104,9 116,6
49,2 42,2 42,1 48,0
1932 1933 1934 1935
65,8 64,2 67,9 78,6
69,3 67,5 61,1 66,8
36,1 30,2 28,3 33,7
180 165 173 191
T schechoslow akei
55,0 59,3 53,7 67,4
931 725 661 696
D ie charakteristischen Grundzüge im wirtschaftlichen Gesicht der Nachfolgestaaten sind depressiv. D aran vermögen auch die gelegentlichen finanziellen oder handelsvertraglichen Lilfen politisch inter essierter Patronatsm ächte oder konjunkturelle Besserungserscheinungen, wie sie im Gefolge vermehrter Nüstungsbeschästigung, von W ährungsabwertungen oder von ausländischer Kredithilfe austreten, nur geringe und zeitlich begrenzte Milderungen zu bringen. Der Gegensatz zwischen ihrer den mittel- und westeuropäischen Verhält nissen angeglichenen soziologischen und wirtschaftlichen Struktur und den aus dem politischen Schicksal erwachsenen Notwendigkeiten einer Auseinandersetzung mit den überlegenen Wachstumskräften im oft-, südost- und südeuropäischen R a u m bildet die eigentliche Problematik dieser Gebiete. Solan ge ihnen dabei nicht eine Entlastung aus der Wiedererstarkung der deutsch-mitteleuropäischen Wirtschaftskraft zu L ilfe kommt, ist noch mit mehrfachen Wandlungen zu rechnen, die den R a u m der Nachfolgestaaten bis auf weiteres zu einem der ge, fährdetsten Krisenherde Kontinentaleuropas machen.
IZ 4
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
I V . D i e osteuropäischen A g ra rlä n d e r W ährend die noch im Blickpunkt der Vergangenheit befangene europäische W e lt ihre Aufmerksamkeit nach W esten richtet, vollzieht sich vor unseren A u gen der historische V o r g a n g , daß die W a a g e des kontinentalcuropäischcn Gleichgewichts sich langsam nach Osten neigt. D e r Aufstieg der jungen Großmacht P o le n im Nordosten und das im A u fb a u begriffene politische und wirtschaftliche K raftfeld im S ü d osten E uropas sind der sinnfällige Ausdruck dieser Entwicklung. D a hinter taucht aus dem N eb el der europäischen Zukunft das Ja n u s gesicht des neuen R u ß lan d a u f. D ie G rundlage des kommenden A ufstiegs Osteuropas ist die D ynam ik der noch ungebrochenen biologischen Energie der slawischen A grarvölker, die erst in diesen Jahrzehnten ihrem Höhepunkt zusirebt. D ie östliche H ä lfte Kontinentaleuropas einschließlich R u ß la n d s, die zu B e g in n des 19. Jahrhunderts noch nicht 60 M illio n e n umfaßte, zählt heute bereits an die 200M illio n en und wird kurz nach der J a h r hundertmitte m it 260 M illio n e n nahezu die H ä lfte der kontinental europäischen Gesamtbevölkerung erreicht haben. Auch wenn man Sow jetrußland ausscheidet, bleibt das imposante W achstum der ost europäischen Agrargruppe bestehen. E s ist bereits ausgeführt wor den/ daß diese Entwicklung nur au f Grund einer umfassenden V e r städterung und Industrialisierung möglich ist, die das wirtschaftliche Gesicht Osteuropas noch im Laufe unserer Generation ähnlich ent scheidend verändern w ird, wie die Industrialisierung im letzten D rittel des vergangenen Jahrhunderts die Wirtschaftsstruktur in Zentral europa gewandelt hat. D e r osteuropäische R a u m ist heute noch überwiegend ein A g r a r raum , der in weiten Teilen fast hoffnungslos landwirtschaftlich über völkert ist und bei seinem raschen Geburtenzuwachs nur unter großen Schwierigkeiten eine stabile Entwicklung nach westeuropäischem V o r bild wird erreichen können. D ie Kapitalhilfe M itte l- und Westeuropas kann diese Schwierigkeiten zwar erleichtern, aber nicht völlig über winden. Lohnhöhe und Lebensniveau sind unter diesen Amständen, gemessen an westeuropäischen Verhältnissen, außerordentlich niedrig, und großenteils sind die osteuropäischen Länder auch finanziell an W esteuropa verschuldet. Ih r e Agrarwirtschaft leidet gleicherweise unter den Selbstversorgungsbestrebungen der mitteleuropäischen I n * V g l. den Abschnitt „D a s europäische Agrarproblem".
D ie osteuropäischen Agrarländer
IZ5
dustriestaaten wie unter dem von den überseeischen Agrarmärkten ausgehenden P reisdruck. D a z u kommt, daß die unter starkem Zollschuh eingeleitete Industrialisierung zur Überhöhung des industriellen P re isn iv e a u s führt und zusammen mit den Lasten, die sich aus der Sicherung einer selbständigen Staatsführung ergeben, den Druck auf die A grarw irtschaft in empfindlichstem Ausm aß verschärft. Trotzdem werden dievon hier ausgehenden dynamischen Energien die europäische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten nachhaltiger beeinflussen als die Veränderungen in irgendeiner anderen Zone unseres Erdteils. D ie bevölkerungsdynamische Entwicklung Osteuropas wird in den zentraleuropäischen R a u m hinein ihre Auswirkung suchen, soweit sie nicht durch ihre Anliegereigenschaft am Mittelmeerbecken auch dort hin ihre A u slä u fe r vorschickt. E s wird eine der Hauptaufgaben einer vorausschauenden europäischen Wirtschaftspolitik sein, diese biolo gischen Energien durch eine entsprechende Hilfsstellung bei der wirt schaftlichen Entwicklung zu binden und nicht als politischen Druck wirksam werden zu lassen. Eine durchschnittliche Siedlungsdichte von 100 K öpfen je Quadratkilometer, die bei unveränderter Agrarstruktur zur Explosion treibt, kann bei, entsprechendem Übergang zur indu striellen W irtschaftsform au f einen völlig normalen Spannungszustand zurückgeführt werden. I n dieser Richtung treffen sich die wohl verstandenen Interessen aller Beteiligten auf gleicher B a sis.
8. P o l e n D e r Aufstieg der jungen Vorm acht im Osten Europas muß als einer der wichtigsten Faktoren der europäischen Nachkriegsentwick lung gewertet werden. Dieser Aufstieg ist nicht der mühelose W eg eines m it materiellen Glücksgütern gesegneten V olkes, sondern der mit den vielseitigsten Hindernissen und Entbehrungen erkämpfte A n spruch einer N a tio n , die sich seit der Wiedergewinnung ihrer poli tischen Selbständigkeit großhungert. I n dieser Gegensätzlichkeit zwi schen der alten und reichen Vorm acht des Westens und der jungen und armen Vorm acht des Ostens liegt ein gut T eil der realen und psychologischen V orgän ge begründet, die zu der Loslösung dieses östlichen Ecksteins aus dem System der westeuropäischen Nach kriegspolitik geführt haben. P o le n ist, gemessen am Amfang seines Landesgebiets, der fünstgrößte S t a a t in Europa. Seine V olks zahl, die nach der Wieder-,
iz 6
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zone»
aufrichtung des S ta a te s erst 27 M illio n e n betrug, ist in der Zwischen zeit a u f 33 M illio n e n angewachsen und wird um die Jahrhundert mitte m it etwa 40 M illio n e n die Bevölkerung Frankreichs erreicht haben. W ichtiger für die B eurteilung der künftigen B edeutung der jungen Großm acht ist jedoch das noch wesentlich raschere W achstum seiner wehrfähigen männlichen Bevölkerung im A lte r von 20 bis 40 Ja h re n . Dieser politisch und militärisch aktivste K ern der N a tio n , der im Zahre 1920 noch nicht 3^4 M illio n e n umfaßte, wird in wenigen Ja h re n m it 5 ^ M illio n e n ebenso stark sein wie der Frankreichs und kurz nach der Jahrhundertm itte m it 7,2 M illio n e n schon fast zwei D r itte l der entsprechenden deutschen Z iffe r erreicht haben. L ie r ent wickelt sich ein V o lk , das rein biologisch gesehen noch rascher erstarkt, a ls es wächst, und dabei zur politischen und wirtschaftlichen S e lb ständigkeit erwacht ist. D ie
E n tw ic k lu n g
d er
2 0 - b is 4 0 jä h r ig e n B e v ö lk e r u n g
Land P o le n ....................................................... Z u m V e r g le ic h : Deutschland...................................... Frankreich.........................................
m ä n n lic h e n
1920—1960 1920 j 1940 1 1960 Zunahme in v. L . in Millionen 3,3
5,3
7,2
- j - 118
9,0 5,2
10,9 5,5
10,9 5,8
4- 21 -i- 12
A b e r dem Überschuß an biologischer Energie entspricht der M a n g e l an materiellen Grundlagen des wirtschaftlichen A u fstiegs. P o le n ist ein übervölkertes A g ra rla n d , dessen natürliche Vorbedingungen zur Industrialisierung nur gering sind. E s muß daher ähnlich wie früher Deutschland und heute Ita lie n m it starken Anausgeglichenheiten seiner Entwicklung rechnen und m it noch größeren Anstrengungen a ls diese die wirtschaftlichen Grundlagen seiner neuen Großmachtstellung er kaufen. E ine Vorstellung von den Schwierigkeiten der polnischen S itu a tio n gibt die Tatsache, daß in P o le n die Bevölkerung gegen w ärtig rascher wächst a ls die agrarische und industrielle P rodu ktion , und gleichzeitig m it der politischen Konsolidierung der wirtschaftliche Lebensstandard der Bevölkerung strukturell sinkende Tendenz zeigt. D ie P rob lem atik der Polnischen P o lit ik wird noch a u f geraume Z e it
D ie osteuropäischen Agrarländer
IZ7
durch d as D ile m m a charakterisiert werden, daß die Stärkung der politischen S te llu n g nur a u f Kosten der wirtschaftlichen Güterversor gung und der Lebenshaltung des V olkes erreicht werden kann? S ta a ts g e b ie t,
B e v ö lk e r u n g und A u ß e n h a n d e l P o le n s
gehr
Staatsgebiet IvoO qkm
Bevölkerung In M ilt.
Geburtenüber schuß je lvoo d. Bevölkerung
Außenhandel je Siedlungsdichte Kopf b. Bevöik. je qkm tnRM .
1925
3 9 0 ,0
29,0
18,3
74,4
76
1 93 5
3 9 0 ,0
33 ,4
14,0
85,6
25
D ieses rasche und in seinen verschiedenen Altersstufen sprunghafte W ach stu m des polnischen V olkes bildet den Schlüssel zu den wichtigsten wirtschaftlichen P roblem en des Landes. D ie vor kurzem noch rein bäuerlichen Z ü g e im wirtschaftlichen Gesicht P olen s sind einem raschen W andlungsprozeß unterworfen, der dem Gesetz des zunehmenden agrarischen Überdrucks gehorcht. D ie agrarische Sied lungsdichte ist im Durchschnitt doppelt und in den östlichen und süd lichen Woiwodschaften dreimal so groß wie in M ittel- und West europa. D ie Gebiete der stärksten bäuerlichen Übervölkerung sind gleichzeitig auch die Gebiete höchster und noch kaum nachlassender Geburtenhäufigkeit. D a umgekehrt die Ernteerträge noch verhält nism äßig niedrig liegen und nicht entfernt den Durchschnitt mittel oder westeuropäischer Ernten erreichen, ist die auf den K op f der land wirtschaftlichen Bevölkerung entfallende Agrarproduttion auch in normalen Jah ren außerordentlich gering und auf nur etwa ein Drittel bis ein V ie rte l der entsprechenden westeuropäischen Ziffern zu schätzen. D e r Lebensstandard der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist unter diesen Amständen ganz ungewöhnlich niedrig. A g r a r is c h e S ie d lu n g s d ic h t e und F läch en erträ g e um 1935 Durchschnittliche Erträge 1920/24 Weizen s Roggen j Kartoffeln in ä r je d»
Land
Landbevölkerung je y k in Nutzfläche
P o le n ....................... Zu m V e rg le ic h : Deutschland . . . Frankreich..........
91
11,3
11,0
111,4
48 45
21,6 15,4
17,3 11,5
180,0 109,0
' I n dieser Ansicht hat es viele Ähnlichkeiten mit der neuen Entwicklung in Deutschland. '
iz 8
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
F ü r die staatliche W irtschaftsführung ergeben sich somit a ls die zwei wichtigsten Grundprobleme erstens die Lösung oder wenigstens Verhinderung einer weiteren Zunahm e der agrarischen Übervölke rung durch Entwicklung gewerblicher Arbeitsmöglichkeitcn und A b leitung der überschüssigen Landbevölkerung in die S tä d te und zwei tens die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion und die Stärkung der bäuerlichen Kaufkraft im Interesse eines aufnahme fähigen Inlandm arktes für die neue Industrieproduktion. Diese bei den eng zusammenhängenden W irtschaftsprobleme befinden sich im vollen F lu ß der Entwicklung, wobei die nachteiligen Rückwirkungen der Industriepolitik au f den Agrarexport im Linblick a u f die erhoffte spätere Stärkung des Binnenm arktes in K a u f genommen und der Landwirtschaft nach unseren B e g riffe n kaum erträgliche Lasten aufer legt werden? W ir werden später auch an anderer S te lle noch sehen, daß die polnische W irtschaftspolitik der Stärkung ihrer zukünftigen W irtschaftskraft bedeutende O p fer in der Gegenw art bringt. D i e E in w o h n e r z a h l d er p o ln isch e n G r o ß s t ä d t e Großstädte W arschau................................................................... Lodz............................................................................... Lem berg..................................................................... P o s e n .......................................................................... Krakau.......................................................................... W iln a .......................................................................... Kattowitz ................................................................... Czenstochau................................................................ Bromberg ................................................................ Lu blin .......................................................................... Sosnow ice................................................................ i Hauptsächlich durch Eingemeindungen.
1921 I 1931 in 1000
Zunahme in v. Ä .
936 452 219 170 192 129 45 80 88 94 86
4- 26 4- 34 4- 44 4- 46 4- 21 4- 52 4-182» 4- 48 4- 34 4- 20 4- 27
1179 605 316 249 221 196 127 118 118 113 109
D ie Abwanderung der überschüssigen ländlichen Bevölkerung in die städtischen Siedlungen und nach den industriellen Arbeitsgelegen heiten ist seit Ja h re n v oll im G an ge und auch durch die Krise der letzten Ja h r e nur wenig verlangsamt worden. W ährend nach der W iederaufrichtung des S ta a te s mehr als drei V ie rte l der Bevölke rung a u f dem Lande und von der Landwirtschaft lebten, dürfte der r Hier wird ein grundsätzlicher Unterschied zu Deutschland sichtbar.^
D ie osteuropäischen Agrarländer
IZY
A n teil der Landbevölkerung heute kaum mehr als etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung erreichen. D ie meisten Städte haben ihre Einwohnerzahl im Laufe der letzten zehnIahre beträchtlich gesteigert und teilweise sogar vervielfacht. D a s gleiche gilt für die Zunahme der gewerblichen und insbesondere der industriellen Erwerbstätigkeit. Nach den Arbeiterzäh lungen in den größeren Betrieben hat sich die Z ah l der Arbeiter seit der Staatsgrü n d u n g ungefähr verdoppelt, ist dann im Verlauf der Krise allerdings wieder auf etwa das Eineinhalbfache des ur sprünglichen S ta n d e s abgesunken. D ie Produktion wichtiger berg baulicher und industrieller Erzeugnisse konnte jedoch nur zum Teil gesteigert werden und mußte, insbesondere soweit es sich um Export produkte handelte, nach 1930 wieder stark gedrosselt werden. D ie Arbeitslosigkeit ist mit die höchste in Europa. P r o d u k tio n
a n w ic h tig e n In d u s tr ie g ü te r n 1922— 1934 1922
1925
1929
1934
in 1000 t Steinkohle . . K a l i ( L ,0 ) . Stickstoff (N) Eisenerze----Roheisen . . . N ohstahl . . .
23975 16 359 480 996
29081 29 20
214 315 782
46236 64 48 660 706 1377
1922/1934 Veränderung in v . H .
29200 58 27 244 384 852
-b 21,8
4- 262,5 -s- 35,0 r — 32,0 — 20,0 — 14,5
- 1925/34. Auch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Erzeugung ist nicht in ausreichendem Amfang vorangebracht worden. D ie A n bauflächen und Ernten der wichtigsten Bodenftüchte haben sich zwar nicht unwesentlich erhöht, die durchschnittlichen Flächenerträge zeigen jedoch noch kaum eine Verbesserung. Nach wie vor stehen hier die ehemals deutschen Gebiete mit bis zu doppelt so hohen Erträgen gegenüber dem Landesdurchschnitt bei weitem an der Spitze. D ie bedeutendsten agrarischen Produktionszweige sind der R o g g e n -, W eizen-, Laser-, Gerste- und Kartoffelanbau; daneben spielt auch die Leinen-, R a p s - und Lanskultur eine wichtige R o lle . D ie P fe rd e- und Nindviehzucht ist in den östlichen Woiwodschaften, die Schweinezucht insbesondere in den westlichen und die Schafzucht in den nordöstlichen Gebieten verbreitet.
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
E r n t e e r t r ä g e u n d V i e h s t a n d in P o l e n 1925 in
E rn te e rträ g e R o g g e n ............................................ W eizen............................................... L a s e r ................................................. Gerste................................................. Kartoffeln .......................................
11,7 13,4 10,7 11,8 102,2
V ie h sta n d R in d e r ............................................... P fe r d e .............................................. Schweine ......................................... Schafe.................................................
8602 4127 6333 1918
1 9 2 5 — 1934
1930
1934
je da 11,8 13,6 10,7 11,9 115,7
11,5 11,9 11,6 12,3 121,2
in 1000 Stück 9400 4103 6047 2492
8985 3773 5753 2557
D ie besondere Ste llu n g des in der Industrialisierung begriffenen Agrarstaates kommt auch in seiner Außenhandelsentwicklung zum Ausdruck. I n der A u sfu h r nehmen Agrarerzeugnisse wie Getreide, Fleisch und Speck, Molkereiprodukte, E ie r, Zucker und Ä o lz zwar noch einen breiten R a u m ein, daneben hat aber der Export von K oh le, D i e E n tw ic k lu n g d e s p o ln isc h e n A u ß e n h a n d e l s n a c h W a r e n Ausfuhr in Millionen Zloty >1925ft930 1934 N ah ru n gsm it t e l Getreide, Mehl Lebende Tiere . Eier u. Butter Zucker..................
109 94 51 90
169 188 135 138
109 26 32 13
R o h s to ffe Kohle u. Koks - 160 52 E rd ö l................... Zink U. Zinkstaub 77 46 Eisen u. Stahl
343 52 58 182
169 22 27 72
346 132
166 38
-
F e r tig w a r e n Lolz u. Lolzwaren ............. Textilwaren. . .
242 108
Einfuhr in Millionen Zloty 11925 11930 11934 R o h s to ffe Textilrohstoffe. Läute u. Leder E rze.....................
310 57 15
F e rtig w a re n Eisen und Stahlwaren ............. 206 217 Textilwaren. . . Chem. Erzeugn. 70 Clektrot. Erzeug39 Nisse.................. ö le und Fette. 26 G en u ß m ittel Kaffee,Tee, Kakao Tabakwaren. . .
38 53
398 63 72
187 68 14
266 215 161
34 42 15
91 67
22 15
55 61
22 22
D ie osteuropäischen Agrarländer
141
K o ks, E rd ö l und Erdölerzeugnissen, Eisen und S ta h l zunehmende B edeutung gewonnen. I n der Einfuhr smd industrielle Rohstoffe wie E rze , M e ta lle , Textilrohstoffe, L äu te und Leder von besonderer B e d eu tu n g. D a g e g e n ist im Zu ge der eigenen Industrialisierung nicht nur die E in fu h r von gewerblichen Konsumgütern wie Textilien, Eisen- und S ta h lw a re n , sondern auch von industriellen Investitions gütern wie M aschinen, elektrotechnischen und chemischen Erzeugnissen stark rückläufig. D ie geringe Einfuhr von Genußstoffen zeigt die spartanische Beschränkung der Lebenshaltung, die zugunsten der E in fu h r der notwendigsten gewerblichen Rohstoffe gedrosselt bleibt. Gleichzeitig m it der ursprünglich eher passiv erlittenen und erst später aktiv geförderten Amgruppierung in der Zusammensetzung des W arenhandels hat sich P o le n von seiner früheren Ein- und Ausfuhrabhängigkeit vom mitteleuropäischen Wirtschaftsraum losgelöst. W ährend im Ja h r e 1925 Deutschland und Österreich noch mehr als die L ä lf t e und zusammen m it der Tschechoslowakei zwei Drittel der polnischen Gesam tausfuhr aufnahmen, geht heute nur mehr etwa ein V ie r te l nach diesen drei Ländern. D a s gleiche gilt für die Einfuhr, bei der ursprünglich neben den Bezügen aus Deutschland und den österreichischen Nachfolgestaaten die Einfuhr amerikanischer R o h stoffe die L au p tro lle spielte. D e r früher fast ausschließlich auf M ittel europa beschränkte Außenhandel hat sich im V erlau f der letzten D i e V e r s c h ie b u n g der B e z u g s - und A bsatzm ärkte P o le n s von der A usfuhr gingen 1S2L I 1SZ0 1934 v. H . V .H . >
von der Einfuhr kamen 1930 IS2L 1SZ4 v .H . v. V .H .
63,8
43,9
27,6
45,8
40,2
11,1 74,9
11,0
5,0
3,7
54,9
32,6
3,2 49,0
3,4
Benachbarte Sta a te n ..................
43,6
25,9
England, Skandinavien ............. West- und Siideuropa ............... Südosteuropa (ohne Rumänien)
12^ 7,9 2,6
24,6 12,4 2,5
30,1 19F 2,1
10,8 15^ 3,6
11,9 19,6 1,9
15^ 19,6 2,1
Nicht benachbarte S ta a te n ____
23,0
39,5
51,7
29,7
33,4
37,2
überseeische Länder.........................
2,1
5,6
15,7
21,3
23,0
36,9
nach/aus: Deutschland, Österreich, Tschechoslowakei......................... Randstaaten, Rumänien, U d S S R ......................................
Gesamthandel ................................. 100,0 100,0
22,2
10,0 100,0 100,0 100,0
14 2
D as wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Jahre auf fast alle europäischen und eine Reihe überseeischer Länder ausgedehnt. Dadurch ist die polnische Außenhandelspolitik zwar un abhängiger geworden, hat aber gleichzeitig eine wesentliche Senkung der inneren Lebenshaltung'in K au f nehmen müssen. D er gewonnene S p iÄ M lM des Außenhandels kömmt in der polnischen Handels politik der letzten Jahre deutlich zum Ausdruck. Daß diese verstärkte Unabhängigkeit auf Kosten der noch überaus bedürfnislosen Land bevölkerung erkämpft worden ist, wurde bereits erwähnt. 'V
D ie osteuropäischen Agrarländer
l43
D e r stark eingeschrumpfte Außenhandel ist nach vorübergehender P a ssiv ität seit 1931 ununterbrochen aktiv, die Zahlungsbilanz und die Sta a tsfin a n ze n sind gemessen an west- und mitteleuropäischen Verhältnissen von bemerkenswerter Ausgeglichenheit. B i s 1929 waren Überschüsse im B u d g e t vorhanden; im V erlau f der Krise sind dann bei langsam rückgängigen Einnahmen und Ausgaben mäßige
Ausgabendefizite
entstanden. D ie Staatsschuld ist mit
4,2 M illia r d e n Z lo ty etwa doppelt so groß wie die jährlichen Staatseinnahm en und seit 1931 stetig vermindert worden? S t a a t s h a u s h a lt und
S t a a ts v e r s c h u ld u n g in P o le n in
M illio n e n Z lo ty Jahr
1931 1932 1933 1934
S t aatshaush alt EinA u s Saldo nahmen gaben 2262 2902 1869 2136
2466 2244 2206 2185
— — — —
204 242 337 49
Sta atsvcrschul düng Innere Äußere Gesamt schuld Schuld Schuld 421 439 450 630
3993 4570 4514 3544
4414 5009 4964 4175
Fassen wir die Lauptmerkmale der Entwicklung von der Neugrün dung des polnischen S ta a te s bis heute zusammen. Eine Zunahme der Bevölkerung um rund 25 v. Ä . , der 20— 40jährigen männlichen Bevölkerung um sogar 66 v . L . , eine Verdopplung der gewerblichen Erwerbstätigkeit allerdings ohne entsprechende Steigerung der Produktion wichtiger Grundstoff- und Fertigindustrien. D ie frühere Abhängigkeit im Außenhandel ist durch die Verlagerung der A usund Einfuhr von den unmittelbar benachbarten Räumen auf fast alle europäischen und überseeischen Länder vermindert worden. Die Zahlungsbilanz ist geordnet, die Währungslage nicht ungesund und die Führung des Staatshaushalts eine der konservativsten in Europa, die selbst einen Vergleich mit der englischen kaum zu scheuen braucht. D ie Schattenseiten find die nicht gelöste Agrarkrise, die kaum zu lockernde landwirtschaftliche Übervölkerung und der strukturell ab sinkende Lebensstandard der Bauern und Industriearbeiter. Der Zw ang zu eiserner Sparsamkeit und die geringen Aussichten für eine * I n der Lauptsache durch die Währungsentwertungen Englands und Am erikas.
144
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
L eb u n g der Lebenshaltung werden jedoch vorerst noch durch die außer ordentliche Bedürfnislosigkeit der polnischen B a u e rn - und A rbeiter bevölkerung sowie durch die — auch infolge der ideellen B edeutung der staatlichen Selbständigkeit und der religiösen B in du n gen — im V e r gleich zu W est- und M itteleuropa noch geringe B edeutung der sozialen F r a g e kompensiert? Abgesehen von den anhaltenden Schw ierig keiten in den neu gewonnenen westlichen Industrierevieren und im Lodzer Textilbezirk ist die Konsolidierung fortgeschritten. D ie E r holung aus der Wirtschaftskrise hat im letzten J a h r beachtliche E rfolge gezeitigt. S i e wird durch die planmäßige Entwicklung neuer Industrien wie insbesondere des M aschinen- und Apparatebaues, der elektrotechnischen und chemischen Industrie weiter unterstützt. F ü r den unbeeinflußten Beobachter kann kein Zw eifel bestehen, daß in den 15 Ja h re n seit der W iederaufrichtung des S ta a te s nicht nur eine Festigung erreicht, sondern auch die wirtschaftliche Grundlage für den politischen Ehrgeiz der Staatsfü h ru n g verbreitert wurde, die heute den Anspruch a u f die Anerkennung ihrer Großmacht stellung im europäischen Ostraum wie im R a h m e n der europäischen M äch te erhebt. D ie
k o n ju n k tu r e lle E n tw ic k lu n g in P o l e n
Ja h re s ende
Produ ktlon sindex 1928 - - 100
1932 1933 1934 1935
49,2 60,8 65,0 68,5
G ro ß h a n A ktien delsindex index 1927/29 --1 0 0
59,7 57,6 53,5 54,5
21,6 21,9 24,5 26,2
E infuhr? ^ A usfu hr? in M il l . N M .
407,2 390,4 377,4 405,7
512,0 453,0 460,8 434,3
se it
1932
A rbeits losigkeit in
G o ld bestand i .M i l l .N M .
220,2 342,6 413,7 254,7
236,5 224,0 237,0 208,6
1000
r Einschließlich D a n z ig .
9. S ü d o s te u r o p a Ähnlich wie im Nordosten ist auch in Südosteuropa ein neues politisches und wirtschaftliches K raftfeld im A u fb au begriffen, das an W achstumsstärke das polnische noch übertrifft, wenn es ihm auch an innerer Geschlossenheit und politischer Bedeutung nachsteht. D a fü r sind bei den südosteuropäischen S ta a te n die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich günstiger als bei der jungen Vorm acht N ordosteuropas. i F ü r die Minderheiten ist diese Entwicklung allerdings überaus drückend.
D ie osteuropäischen Agrarländer
145
D e r südosteuropäische R a u m , der, abgesehen von Albanien und den R esten der europäischen Türkei, von zwei Mittelstaaten — Jugoslaw ien und R u m ä n ie n — und einem Kleinstaat— Bulgarien— ausgefüllt w ird , ist ungefähr ebenso groß wie ganz Westeuropa. A n zwei M e e r e anliegend, die ihn mit den nahen Küsten dreier Erd teile verbinden, hat der ausgesprochen kontinentale Südostraum nicht nur dank seiner G rö ß e und bevorzugten Lage ein stark ausgeprägtes Eigenleben, und es ist falsch, ihn nur als geographische Brücke des A bendlandes nach dem O rient, als politisches Einslußgebiet der Großm ächte oder a ls kolonialen Wirtschaftsraum zu betrachten, wie dies noch gelegentlich geschieht. Allerdings muß schon hier auf die zahlreichen Gegensätze und inneren Widersprüche hingewiesen werden, die Südosteuropa nur m it starken Einschränkungen als begriffliche Einheit gelten lassen. W eder die geographische Gliederung noch die politische Entwicklung entspricht der Gunst der äußeren Lage. Die östlichen und südlichen, dem M eere zugewandten Teile sind durch unwegsame G eb irge von den westlichen und nördlichen Gebieten getrennt, deren Gesicht donauaufwärts nach Mitteleuropa gerichtet ist. D ie gleiche Zw eiteilung zeigt sich in dem geschichtlichen Niederschlag der von Osten eingedrungenen Türkenherrschast und der vom W esten ausgegangenen Politischen Ausstrahlungen der alten Donau monarchie, der dem B ild des flachen Landes wie der Städte auch heute noch das bestimmende Gepräge gibt. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g und A u ß en h an d el S ü d o s t e u r o p a s um 1935 Land
Jugoslawien ........... R um änien................ B u lg a rien ................
S ta a ts g e b ie t 1000 tzkiQ
247,5 295,0 103,1
in M l . ^
14,2 18,8 6,1
Bevölke rungsdichte
Anteil der landwlrtsch. Bevölkerung ln o. H .
Außenhandel 19Z4jeKops der Bevölke rung in R N .
57,4 63,7 59,2
74,9 74,2 80,9
29 35 24
Trotz der Verschiedenartigkeit der natürlichen Verhältnisse und der historischen Entwicklung ist die soziologische Struktur Südost europas von einer erstaunlichen Gleichförmigkeit. Die grundlegenden Lebenserscheinungen der Bevölkerung und ihrer Beziehung zum R a u m wie Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit, Siedlungsdichte, V erteilu ng au f S ta d t und Land, Alters- und Berufsgliederung und R->ch>ngcr
10
146
D a S wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Z onen
ihre Lebensweise sind untereinander ebenso weitgehend ähnlich, wie sie von den mittel- oder westeuropäischen verschieden sind. D i e G le ic h f ö r m i g k e it de^ L e b e n s e r s c h e in u n g e n d er sü do s te u ro p ä is c h e n V ö lk e r * Land
S ie d lu n g s dichte E in w o hn er je k m
4
Jugoslawien .................. R um änien....................... B u lgarien ........................
57,3
Südosteuropa.................. Zum Vergleich: Deutschland..................... Frankreich.......................
G e b u rte n häupgkeit auf
34,0 33,7
SterbUchkelt
G e b u rte n überschuß
1000 der V e o ö l kerung
A n te il der A grar bevölkerung in v . H .
29,9
19,3 20,3 15,9
14,7 13,4 14,0
75 74 75
60,5
33,2
19,3
13,9
75
141,5 76,1
16,3 17,0
11,0 15,7
5,3 1,3
29 38
63,7 59,0
r Durchschnitt 1930— 1934. D a s wichtigste gemeinsame M erkm al ist die ungewöhnlich starke Bevölkerungsvermehrung infolge einer den europäischen Durch schnitt um das Doppelte überragenden Geburtenziffer, die auch in der noch überdurchschnittlich hohen, aber langsam absinkenden S te r b lichkeit gewisse Reserven besitzt. D e r jährliche Geburtenüberschuß ist etwa fünfm al so groß wie im Durchschnitt M itte l- und Westeuropas und übertrifft auch die geburtenreichen Nachbargebiete S ü d - und D as
B e v ö lk e r u n g s w a c h s t u m in den sü d o ste u ro p ä isch e n Län dern Land
1920
1935 ^ 1940
1960
Zunahme 1920 bis 1960V.S.
in Millionen
Jugoslawien..................... Rum änien....................... B u lgarien ........................
12,0 16,3 4,9
14,5 18,8 6,2
15,4 20,0 6,6
18,5 23,9 7,8
-1-54,2 -i-46,6 4-59,2
Südosteuropa..................
33,2
39,5
42,0
50,2
4-51,2
Zum Vergleich: Deutschland..................... Frankreich.........................
59,9 38,8
66,5 39,6
68,1 39,4
70,0 37,7
4-16,5 2,8
D ie osteuropäischen Agrarländer
147
Osteuropas noch beträchtlich. D ie Bevölkerung der südosteuropäischen Län d er, die gegenwärtig etwa zwei Drittel der Bevölkerung der westeuropäischen Festlandszone erreicht, wird unter diesen Um ständen b is zur nächsten Generation der westeuropäischen Volks ziffer ziemlich nahekommen. D a s P r o b le m , das uns bereits bei der Betrachtung P olens be schäftigte, die starke agrarische Übervölkerung und die Notwendigkeit einer V erstädterung und Industrialisierung, tritt hier noch augen fälliger in Erscheinung als dort und wird auch für den flüchtigen Beobachter schon im äußeren B ild der Städ te erkennbar. W er ins besondere um die späte Nachmittagsstunde durch die Straßen süd osteuropäischer G ro ß - oder Mittelstädte schlendert, wird sich mit großer Deutlichkeit des Eindrucks bewußt, daß das homerische W ort von den volkreichen S tä d te n nicht für die westeuropäischen M etro polen zutrifft, in deren Straßenbild der Mensch hinter den Verkehrs mitteln zurücktritt, sondern seinen B egriffinhalt und Bildreichtum erst in den menschenüberfluteten Straßen südosteuropäischer Städte enthüllt. Euer mögen einige Ziffern genügen. D a s W a c h s t u m sü d o steu ro p äisch er G r o ß s tä d te von 1910 b is 1 9 3 G Land
1910
1920
1930
Ein wohner in 1000
Zunahme 1910- !930 v. L .
Ju g o s la w ie n B e lg r a d .................................... übrige Großstädte^ .............
91 174
115 199
242 286
4-165,9 4- 64,4
R u m ä n ie n Bukarest.................................... übrige Großstädte^ .............
338 353
348 -
631 432
4- 86,7 4- 22,4
B u lg a r ie n Sofia .........................................
103
154
213
-s-106,8
Zu m V e rg le ic h : Berlin ...................................... P a r i s ........................................ London ......................................
3730 2888 4522
3804 2906 4485
4243 2891 4379
4- 13,8 4- 0,1 3,2
r Dieses W achstum ist allerdings nicht nur durch Geburtenüberschuß und Zuwanderungen, sondern auch durch Eingemeindungen bestimmt. - Über 100000 Einwohner.
148
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
Trotz des raschen W achstu m s der S tä d te ist jedoch die bereits stark überhöhte agrarische Siedlungsdichte noch weiter im Ansteigen begriffen. A m heftigsten tritt die A grarn o t in B u lg a rie n au f, das durch den Gebietsverlust an einer allgemeinen Äbervölkerung leidet, während sie in Jugoslaw ien und R u m än ien erst in der Entwicklung begriffen ist. Im m erh in hebt sich bereits heute der südosteuropäische R a u m a ls Agrarüberdruckgebiet scharf von seiner Amgebung ab, und wenn sich für den weiteren Bevölkerungszuwachs keine A b wanderungsmöglichkeiten in industrielle Erwerbsgelegenheiten im I n - oder A u sla n d schaffen lassen, würde schon bald nach der J a h r hundertmitte die agrarische Siedlungsdichte in Südosteuropa zweibis dreimal so groß sein wie in M itte l- oder Westeuropa und etwa doppelt so groß wie in den Gebieten der österreichischen N achfolge staaten. L a n d b e v ö lk e r u n g
je
Q u a d r a t k ilo m e t e r lic h e r N u tz flä c h e
la n d w ir t s c h a ft
Land
um 1930
um 1960 *
Bulgarien ........................................................................ Jugoslawien...................................................................... R u m än ien ........................................................................
98 77 74
124 96 93
Südosteuropa................................................................... Zum Vergleich: Deutschland........................................................................
78
112
48
56
* Llnter der Annahme errechnet, dasi kein Abfluß des Bevölkerungs zuwachses in die städtischen und gewerblichen Erwerbsmöglichkeiten stattfindet. D ie Bevölkerung wächst rascher als die N eubildun g von S p a r kapital, die bisher in erster Linie für den W oh n un gsb au ausgeschöpft wurde. D ie Intensivierung der Landwirtschaft und die Industriali sierung kommen unter diesen Amständen ohne fremde K ap italh ilfe nur langsam voran, während sich ausländisches K a p ita l bisher hauptsächlich in den erfolgversprechenden bergbaulichen und industriellen Investitionen betätigt. D a z u kommt, daß die nach dem K riege durchgeführten Agrarreform en wegen Äberwiegens des Ackerbaus* zunächst eher abträglich als nützlich gewesen sind und die * Der Kleinbetrieb wirkt sich besonders für die Viehhaltung günstig aus.
D ie osteuropäischen Agrarländer
149
anschließende A grarkrise trotz M oratorien und Staatshilfen die Stru k tu r der südosteuropäischen Landwirtschaft weitgehend erschüt tert h a t. Erst seit dem letzten Ja h r zeigen sich Ansätze der Besserung, und die Entspannung der finanziellen Situation hat auch die I n dustrialisierungstätigkeit kräftig angeregt. D ie vorwiegend kleinbäuerliche Bodenbewirtschaftung liefert we sentlich vielseitigere und für M itteleuropa weit besser kompensationsfähige P ro d u k te als in Nordosteuropa. Angebaut werden Weizen, M a i s , Fu ttergetreid e, Zucker, Tabak, Obst und W ein, an textilen R oh stoffen L a u f , F la c h s , S e id e , Baum w olle und W olle. I n Jugo slawien und R u m ä n ie n ist die R indvieh- und Schweinezucht, in W ic h tig e N a h r u n g s - und
R o h s to ffp r o d u k tio n in S ü d
o ste u r o p a 1933/34 Iugoslawien A g r a r s lo fs e Weizen in M ilt, ä s ............................ M a is in M ill. ä s ............................... Zucker in M ill. ä s ............................... Tabak in 1000 ä s ............................... Olivenöl in 1000 ä s ......................... Wein in M ill. b l .................................
18,3 51,5 0,6 87,5 42,5 2,9
T e x tilfa s e r n L a n f und Flachs in 1000 ä s ---Wolle in 1000 ä s .............................. Baumwolle in 1000 ä s .................... Seide in 1000 äs ...............................
378,0 140,0 0,7 —
B e rg b a u lich e R o h s to ffe 386 . Steinkohle in 1000 t ......................... 3908 Braunkohle in 1000 t ....................... — Erdöl in 1000 t ................................... 179 Eisenerz in 1000 t .............................. 44 Kupfer, roh, in 1000 t .................... 65 B le i, roh, in 1000 t ......................... 48 Zink, roh, in 1000 t ......................... 58 Roheisen in 1000 t ........................... 2219 Goldgewinnung in ...................... Silbergewinnung in 1000 . . . . ^ 129 r 1933.
Numänien
Bulgarien
20,8
11^ 8,2 0,4 149,0 — 3,0
48,0 1,2 63,0 — 8,1 333,0 284,0 4,0
32,0 98,0 51,0 13,4
227 1611 8473 IN
76 1561
59 3732 r 7*
iz o
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
B u lg a rien die Schafzucht und in allen drei Ländern die G eflü gel haltung stark entwickelt. D ie bergbauliche Urproduktion ist mengen mäßig zwar noch nicht bedeutend, aber recht vielseitig und weit reich haltiger als in P o le n . A uß er K oh le und Eisenerzen werden K u pfer, B le i- und Zinkerz, B a u x it , E rd ö l sowie G o ld und S ilb e r gefördert. D ie M öglichkeit einer Steigerung der agrarischen und industriellen Nohstoffproduktion ist bei entsprechender Anpassung an die B e d ü rf nisse der mitteleuropäischen Industrieländer noch vorhanden und wird durch deren Zahlungsbilanzlage gegenüber den überseeischen R o h stoffländern auch au f weite S ich t begünstigt. D ie s gilt insbesondere für den A n b au von Ölfrüchten und eiweißhaltigen Futterm itteln, die Erzeugung von textilen Faserstoffen und die Ausbeutung der bergbaulichen Vorkom m en von Erzen, M in eralien und E rd ö l. D e n gemeinsamen Entwicklungstendenzen im südosteuropäischen R a u m stehen aber kaum weniger schwerwiegende Gegensätze gegen über. Z w e i von den drei Ländern haben durch die Friedensschlüsse ihr S ta a tsg e b ie t und ihre Bevölkerungsziffer vervielfacht und sind dam it nicht nur vor das P ro b le m der Beherrschung starker fremdvölkischer M inderheiten, sondern auch vor die wirtschaftliche A u fgab e der Angleichung ausgedehnter, früher nach benachbarten V o lk s wirtschaften orientierter Gebietsteile gestellt worden. S o hat sich die scharfe Trennungslinie zwischen der Agrarstruktur Altserbiens, dessen Getreidebauer auch heute noch fast völlig autark lebt und im we sentlichen nur S te u e rn , S a lz und etwas P etro leu m in G e ld begleicht und der m arktabhängigen, in die Geldwirtschaft verflochtenen Land wirtschaft der ehemals österreichisch-ungarischen Gebiete wie auch gegenüber den mittleren und südlichen Teilen M azedon ien s, wo der bedürfnislose Kleinbauer dem B o d e n T ab ak, O p iu m , B a u m w o lle , R e i s , Sesam und andere Landelsgewächse «bringt, bisher noch kaum vermindert. Ä hnliche, wenn auch nicht so stark ausgeprägte Gegensätze finden sich in R u m än ien . Besonders deutlich treten die Trennungslinien im Außenhandel in Erscheinung. In fo lg e ihrer weitgehend gleichen Agrarinteressen haben die südosteuropäischen Länder nur einen geringen Austausch unter sich und sind umgekehrt a u f den m ittel-, west- und südeuropä ischen Absatzmärkten gegenseitige Konkurrenten. Dasselbe gilt für die E in fu h r, die in der Hauptsache aus den gleichen Ländern kommt, nach denen die A u s fu h r geht. D e r mitteleuropäische R a u m steht dabei a ls Absatz- wie B ezu gsgeb iet weitaus an erster S te lle .
D ie osteuropäischen Agrarländer
D e r H a n d e l s v e r k e h r S ü d o s t e u r o p a s nach L än d ern 1934 gingen nach
in v. L . der Gesamtausfuhr Iugo- ! Rumä- > Bulgaslawiens 1 niens I riens
M it t e le u r o p a .......................................... Deutschland................................................ Nachfolgestaaten..................................
46F 15,4 31,1
36,4 16,6 19,8
51,7 42,4 9^
W e ste u ro p a ............................................... Schweiz, Lolland, B e lg ie n ........... Frankreich ...............................................
10,0 8,7 1,3
18F 8,8 9,7
13^ 11,4 2,1
I t a l i e n ..........................................................
20,6
7,7
9,1
E n g la n d .......................................................
4,6
10,0
2,1
S ü d o ste u ro p a .......................................
1,8
1^
0,9
kamen aus
in v .L der Gesamteinfuhr IugoRumäVulgaslawiens niens riens
M it t e le u r o p a ......................................... Deutschland............................................... Nachfolgestaaten..................................
40,8 13,9 26,9
39,4 loch 23,9
50,0 40,4 9,6
W e ste u ro p a ............................... .............. Schweiz, Lolland, B e lg ie n ........... Frankreich ...............................................
11,6 6,6 5,0
22,9 11,7 11,2
17,7 14,7 3,0
I t a l i e n .........................................................
15,5
7,3
7,9
E n g la n d ......................................................
9,3
16,2
6.4
Süd osteu ropa
1,9
0,8
4.7
....................................
Saupteinfuhrprodukte sind Kolonialwaren, Textil- und Leder rohstoffe, Eisenwaren, M aschinen, elektrotechnische und chemische Erzeugnisse, in abnehmendem Am fang auch noch Textilfertigwaren. Lauptausfuhrprodukte sind M a i s , W eizen, Früchte, Fleisch, Eier, T abak, von Jugoslaw ien und Rum änien außerdem noch So lz, M in eralö le und andere Bergwerksprodukte, von Bulgarien Sülsen früchte, Landelsgewächse und Rosenöl. D e r m it dem B e g in n der Krise in Mitteleuropa erfolgte Zusam menbruch der Agrarwirtschaften im ganzen Südostraum, der zu
152
Das wirtschaftlicheGesicht dereinzelnenZonen
umfassenden Schuldnermoratorien der Landwirtschaft, zum Erliegen des gesamten Geld- und Kapitalmarktes und zu schwerenWährungs störungen geführt hatte, ist seit Jahresfrist in rascher Rückbildung begriffen. Die Amlagerung des Handelsverkehrs im mitteleuropä ischen Raum hat den südosteuropäischen Agrarländern weitgehende Vorteile gebracht und ist auch zu einer starken Stühe ihres AgrarPreisniveaus geworden. M it der Erleichterung der Agrarsituation hat sich der Geld- und Kapitalmarkt wesentlich gebessert und das
D ie osteuropäischen Agrarländer
I5Z
Zinsniveau eine beträchtliche Entspannung erfahren. D ie Industriali sierung ist besonders in Jugoslaw ien und Rum änien in Gang gekommen, und auch die Nohstoffausbeutung macht rasche Fortschritte. D ie Außenhandelsumsätze nehmen wieder zu, das Preisniveau zieht langsam an und die Aktienkurse haben eine mehrfache Erhöhung hinter sich, die ein deutliches Zeichen der allgemeinen Besserung der L ag e sind. D ie
k o n ju n k t u r e lle
E n tw ic k lu n g
in
S ü d o ste u ro p a seit
1932 Jahresende
Erohhandelsinder 1S27/29 -10V (in Eold)
Einfuhr
- Ausfuhr
in M ilt. A M .
Arbeits losigkeit in 1000
Goldbestand Bankdiskont in M it, NM. in-/,x.a.
Bulgarien 1932 1933 1934 1935
57,0 55,4 58,2 60,7
106,2 67,2 68,5 91,8
103,5 86,8 77,3 99,2
22,2 25,0 39,1 50,7
46,1 46,9 46,9 48,0
14,2 17,7 16ch 18,7
130,2 132,7 132,0 105,4
38,5 25,8 16F 11,0
239,2 248ch 258,3 269,7
Jugoslawien 1932 1933 1934 1935
47,5 45,0 46,3 52,7
190,9 151,0 197,6 209,5
1932 1933 1934 1935
80,4 71,1 79,1 88,5
288,6 292,3 328,9 258,3
206,7 180,1 218,4 228,2
Rumänien 421,1 352,7 340,0 409,7
D e r zusammenfassende Überblick ergibt, daß der Südostraum heute von überaus starken bevölkerungspolitischen Energien vorwärtsgetrieben wird und im Gegensatz zu Polen auch in seiner wirt schaftlichen Entwicklung annähernd Schritt halten kann. Der wach sende Z w an g zur Verstädterung und Industrialisierung dürfte im Laufe der nächsten Jahrzehnte starke Strukturverlagerungen herbei führen, die handelspolitisch für die am Warenaustausch mit den südosteuropäischen Ländern interessierten Staaten von Wichtigkeit
IZ 4
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
sein werden. D ie Verschiebungen des interkontinentalen H an d els verkehrs und die veränderte Zahlungsbilanzlage der mitteleuropä ischen S ta a te n bedeuten eine starke Förderung dieser Entwicklung, die nicht nur für die A g ra r - und Nohstoffproduktion Südosteuropas, sondern auch für ihren industriellen A u fb a u und ihre H andelsbe ziehungen vermehrte Anregungen m it sich bringen w ird. E s muß noch offen bleiben, ob die weitere Zukunft die vorhandenen Ansätze einer einheitlichen Entwicklung stärken und im Südostraum deir Block einer neuen politischen und wirtschaftlichen Großm acht in Europa formen wird oder ob die gegensätzlichen Tendenzen wieder die O ber hand gewinnen, die lange Z e it im Sprachgebrauch M itt e l- und W est europas der vom Balkangebirge abgeleiteten und heute zu eng ge wordenen Bezeichnung Südosteuropas ihre Nebenbedeutung einge bracht h at. V . D i e südeuropäische M ittelm eerzon e D ie südliche M ittelm eerzone ist noch weit mehr a ls die nördliche Seezone Zwischenland zwischen Europa und den übrigen Erdteilen. A n ders wie der nach dem Festland hin offene skandinavisch-baltische R a u m ist sie durch unwegsame G ebirge von Festland-Europa abge trennt, und ihr Gesicht ist über das mittelländische B innenm eer nach A frik a und dem vorderen O rient hingewandt. I n K lim a , V o d en beschaffenheit und landwirtschaftlicher Produktion gleicht dieser süd liche N an d gü rtel E u rop as m it seinen vorgeschobenen Jnselbrücken nach N ord afrika und Kleinasien viel mehr den R andgebieten dieser beiden Erdteile, m it denen er seit Jahrtausenden einen gemeinsamen Kulturkreis bildet. O bw oh l die Länder der M ittelm eerzone infolge ihrer Lage und der historischen Entwicklung a u f dem Kontinent sich gewissen B i n dungen an die Festlandsmächte nicht entziehen können und zuzeiten in den verschiedenartigsten Kom binationen m it den nördlichen N a c h barn politische und wirtschaftliche Rückendeckung suchen, liegt ein natürliches Interesse an solchen B indungen kaum vo r. D a s Interesse der M ittelm eerländer jenseits der P y ren ä e n , der A lp e n und des Mazedonischen B e rg la n d s ist nur ein indirektes, dessen wirkliches Z ie l innerhalb des Mittelmeerbeckens zu suchen ist. D ie europäische Festlandspolitik, die diese Grundtatsache immer wieder übersieht und versucht, die einzelnen Mittelmeermächte in kontinentale K om bin a tionen einzuspannen, muß stets von neuem dieselbe enttäuschende E r
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
155
fahrung machen? Auch wo aus gleichem soziologischem Verdich. tungsdruck ähnliche Form en der Staatsidee entstehen, überbrücken sie nicht diese Gegensätzlichkeit der natürlichen Interessen. D ie wirtschaftlichen Grundlagen des Mittelmeerrandgürtels liegen nach wie vor in der K u ltur edler Agrarerzeugnisse des südlichen K lim a s und deren Tausch gegen die auf der Grundlage von Kohle und Eisen hergestellten Produktionsgüter des Nordens. Trotz der über den W asserweg vermittelten vielseitigen Beziehungen zu Großbritannien, dem M utterland der Industrialisierung, ist das technische. Zeitalter hierher bislang nur in schwachen Ausläufern vorgedrungen. A uß er der A usbeutung der nur spärlich vorhandenen Bodenschätze sind vorwiegend feinere Verbrauchsgüterindustrien entwickelt wor den, die a u f der T radition des alteingesessenen Gewerbes fußen konn ten. D ie rasche Bevölkerungsentwicklung hat angesichts der verlegten politischen Erpansionsmöglichkeiten nach den natürlichen Abfluß gebieten A frik a s und Kleinasiens in jüngster Zeit allerdings auch im Mittelmeerbecken zu einer künstlichen Aufpfropfung technischer P ro duktionsgüterindustrien geführt. D am it ist ein neues WirtschastsProblem gestellt, dessen Lösung zunächst den Ländern der Mittelmeer zone, in der Zukunft aber auch den alten IndustriewirtschastenMittel und W esteuropas noch zahlreiche Schwierigkeiten bereiten wird. E s mutet wie eine Laune der N a tu r an, daß sie die östlichen und westlichen R an d flü gel des Mittelmeerbeckens — die Iberische und die Griechische Halbinsel — verhältnismäßig gut mit Bodenschätzen ausgestattet, dem in der M itte liegenden Italien dagegen diese Gunst versagt h at. V o n den drei Halbinseln derMittelmeerzone, die im Laufe derGeschichtedensüdeuropäisch-afrikanisch-kleinasiatischenKulturkreis beherrscht haben, ist nach jahrhundertelanger Stagnation nunmehr zu erst Ita lie n wieder als politische Vormacht herausgetreten, während die beiden anderen sich in einer langsamen, aber stetigen Aufwärts entwicklung befinden. D e r nicht zweifelhafte Ausgang der Auseinan dersetzungen der Mittelmeermacht Italien mit der Weltmacht Groß britannien wird darüber entscheiden, ob der Rückschlag im Zentrum des Mittelmeerbeckens das Schwergewicht der Entwicklung für die nächsteZukunftwiederausdiebeidenRandflügelzurückverlagernwird.* * Abgesehen von der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters und der französischen Politik zu Beginn der Neuzeit, ist diese Tatsache in den letzten SO Jahren der Reihe nach von Deutschland, Österreich-Angarn und zuletzt von Frankreich und Groszbritannien (Stresa-Front) festgestellt worden.
156
D as wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen 10. I t a l i e n
E in Land, das, geeint durch den W illen einer starken Führererschcinung und angespornt von der Erinnerung an eine glänzende historische V ergangenheit, aus der drängenden Gegcnw artsnot seines V c v ö lkerungsüberschusses zur europäischen Großmachtstcllung aufgestiegen ist, dem aber außer der G röß e und wicdcrcrwachten N egcncrationskraft seiner Bevölkerung fast alle materiellen Grundlagen dazu fehlen, so präsentiert sich das neue Ita lie n dem A u g e des w irt schaftlichen B eobachters. D a s D ra m a im Mittelmeerbecken, das nur aus einer falschen historischen Perspektive zu erklären ist, die den heimatlichen Kulturkreis vergrößert und die kontinentale und atlan tische W e lt stark verkleinert, hat Ita lie n augenblicklich zum M itt e l punkt der europäischen K ritik gemacht. I n Wirklichkeit liegt hart neben dem politischen Irrtu m das unerbittliche Schicksal, das in der au s der Nachkriegserstarrung wieder erwachenden Entwicklung E u rop as Ita lie n zeitlich an die Spitze gestellt hat. D ie im N o rd en durch die A lp en vom europäischen Festland abge trennte und übermäßig lang gegen A frika hingestreckte Lalb in sel im M ittelm eer bietet der rasch wachsenden Bevölkerung keinen genügen den N a h ru n g s - und Sied lu n gsrau m und trotz der günstigen geo graphischen L age kaum eine M öglichkeit der Expansion ohne Ä ergabe wertvoller V o lk steile an andere N a tio n e n . D a s Land besitzt keine der materiellen Voraussetzungen, die für den Aufstieg der heutigen Großm ächte im kontinentaleuropäischen oder im atlantisch-pazifischen R a u m wichtig gewesen sind. Gemessen an der Landesfläche m uß es in E u rop a nach Schw eden, N o rw egen , F in n lan d , P o le n und mit geringem V orsp ru n g vor R u m ä n ie n zu den kleineren M ittelstaaten gezählt werden, an Angunst der A usdehnung und L ag e ist es nur m it der Tschechoslowakei zu vergleichen. E s besitzt weder K o h le noch M e ta lle in nennenswertem M a ß e , kein E rd ö l, zu wenig L o l z und, wie alle europäischen Industriestaaten, nicht genügend Textilfasern. D i e durch die geographische L age gegebene M öglichkeit, wie das alte N o m V o rm a ch t des volkreichen südeuropäisch-nordafrikanisch-kleinasiatischen Kulturkreises zu werden, ist durch eine in Europa nicht wiederkehrende Angunst der politischen Voraussetzungen stark einge schränkt. D e r W esten des M ittelm eeres wird von Frankreich be herrscht, an seiner östlichen S e ite wacht Ju goslaw ien a ls verbündete V o rm a ch t des B a lk a n s und mißtrauischer R iv a l e . D e r W e g nach
D ie sudeuropäische Mittelmeerzone
157
S ü d e n in die Sied lu n gsgeb iete A frikas wird durch die beiden stärksten G roß m ächte E u ro p a s — Großbritannien und Frankreich — verlegt, die auch die A u s g ä n g e des Mittelländischen Binnenmeeres in Lim,
den haben. D i e für eine großzügige Siedlung wenig geeigneten ita lienischen Besitzungen in A frik a mir ihren knapp
Millionen Ein-
wohnern bieten hier keinen Ersah. D azu kommt, daß das geschuhte In n ere der H albin sel durch die R ip p e des Apennin ausgefüllt ist, während die verwundbaren Stä d te und Mittelpunkte des Gewerbelebens zumeist an oder in unmittelbarer N äh e der Küsten dem An g riff von der S e e oder L u ft offenliegen. D a s italienische Interesse an den V o r g ä n g e n außerhalb der Mittelmeerwelt ist fast ausschließlich durch diese S itu a tio n bestimmt, die der italienischen Politik bis auf weiteres den W e g vorzeichnet. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g und A u ß en h an d el It a lie n s Ja h r
1910 1925 1934
S ta a ts g e b ie t
1000
Bevölkerung in M il l.
286,7 310,2 310,2
34,7 39,7 42,6
Geburten überschuß je 1000 der Bevölkerung
13,0' 10,9 10,1
Sledlungsdichteje ylcin
121,0 128,0 137^
Außenhandel je Kopf der Bevölkerung in N M .
142' 183 66
' 1913
D a s wirtschaftliche Gesicht Italiens wird von der Taffache ge form t, daß es in einer Z e it, in der die europäische Kolonialexpansion im wesentlichen abgeschlossen ist, durch sein ungeschwächtes Vevölke-
Land
Agrar Geburten Dichte bevölkerung in auf 1VOO der der Bevölkerung v . H . der G eje glan Bevölkerung ^ samtdevölkerung
Italien ...............................................
24,3
137,3
47
Zum V ergleich : P o le n ................................................. Griechenland...................... Spanien ............................. .............. Frankreich.........................................
29,0 29F 27,9 17,0
85,7 50,9 47,4 76,1
70 55 55 38
» Durchschnitt 1930/34.
iz 8
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Z onen
rungswachstum eine rasch zunehmende innere Kom pression erleidet. D a s Land steht mit seiner hohen G eburtenziffer unter den europäischen Völkern mit an vorderster S te lle , obwohl es bereits zwei- b is dreimal so dicht bevölkert ist wie die S ta a te n m it vergleichbarer B e r u f s - oder Wirtschaftsstruktur. Diese starke Zunahme eines A grarvolkes a u f unzureichendem S ied lungsraum hatte zur F o lg e , daß viele Jah rzeh n te lan g etwa die L ä lfte des jährlichen Geburtenüberschusses durch die A u sw and eru n g von Volksteilen im erwerbsfähigen A lte r wieder verlorenging. Ohne diese regelmäßigen jährlichen B lu tv erlu ste, die größer sind a ls die Kriegsverluste aller europäischen S ta a te n zusammen, wäre das ita lienische V o lk eine der volkreichsten N a tio n e n unseres K o n tin en ts? Im merhin steht Ita lie n heute m it 43 M illio n e n M enschen in E u ropa nach Deutschland und E ngland an dritter S te lle und würde bei friedlicher Weiterentwicklung kurz nach der Jahrhundertm itte mit einer Bevölkerungsziffer von rund 5 0 M illio n e n auch Großbritannien eingeholt haben? g t a l ens W a n d e ru n g sv srlu st MM.
E u ropas ^ K riegsoerlu ste M ill.
Jah rzeh n t
Geburtenüberschuß MM.
1871—1880 1881—1890 1891—1900 1901—1910 1911—1920 1921—1930 1931—1934
1,9 3,6 3,4 3,7 2,4 4,5 1,6
1,0 1,6 2,3 1,5 1,3 —
— — 6,0 0,2 —
1871—1934
21,1
7,7
6,4
—
0,2 —
* Ohne Rußland und Türkei. B i s zum W eltkrieg erschien eine Änderung dieses Zustandes fast unmöglich und eine B in d u n g der überschüssigen B evölkeru n g an eine
r Es bedarf keines Hinweises, daß die Entscheidung über Krieg oder Frieden unter solchen Umständen von der italienischen Staatsführung unter ganz anderen Gesichtspunkten gefällt wird als etwa die der französischen Staatsleitung. 2 Der Ausspruch Mussolinis: „Für mich ist die Nation vor allen Dingen Geist und nicht Territorium", ist für Italien in mehr als einer Beziehung richtig.
D ie südcuropäische Mittelmcerzone
i5y
im In la n d entwickelte Industrie infolge der überlegenen Konkurrenz der alten Industriestaaten nicht erreichbar. D ie biologische Überschußenergie erschöpfte sich daher auch nach der Einigung des italienischen Königreichs im wesentlichen in der Auswanderung, während der V evölkerungsaufbau und die berufliche und wirtschaftliche Struktur im In n ern kaum eine Verschiebung erfuhren. D a s Land blieb bis in die Nachkriegszeit ein ausgesprochenes Agrarland mit städtischem Siedlungscharakter, das entsprechend seiner historischen Entwicklung die Landwirtschaft von der kleinen S ta d t aus betreibt. D ie Gegen überstellung der S ied lu n g s- und Berufsstruktur von Italien, Frank reich und Deutschland hebt diese Anterschiede klar heraus. V o n der Gesamtbevölkerung entfallen in :
auf
Italien
Frankreich
Deutschland
Landwirtschaft Landgemeinden ^
43,4 v .L . 11,8 v .L .
38,4 v .L . 52,5 v. L .
29,0 v .L . 35,6 V .L .
* B is 2000 Einwohner. D e r nach dem Kriege durch den Faschismus unternommene V e r such, diesen fortgesetzten V erlust wertvoller Volksteile zu unterbinden und den aus der Bevölkerungsverdichtung erwachsenden Kompres sions- und Expansionsdruck in geordnete Bahnen zu lenken, führte Ita lie n a u f den W e g der Industrialisierung im Innern und der in dem ruhebedürftigen Nachkriegseuropa nicht mehr gern gesehenen nationalen Expansionspolitik. D ie fast unüberwindlichen Schwierig keiten, die dieser P o litik entgegenstehen, sind einmal dadurch gegeben, daß die benachbarten slawischen Völker im Südosten Europas infolge ihres noch stärkeren Bevölkerungswachstums selbst beachtliche Erpansionskräfte entwickeln und überdies ein zu ausgeprägtes, durch T raditio n und völkische Eigenart bedingtes staatliches Selbstbewußt sein haben, als daß eine wirtschaftliche Durchdringung von italie nischer S e ite her Aussicht auf Erfolg hätte. Ähnliches gilt von den in letzter Z e it von der italienischen P olitik besonders bevorzugten Gebieten des mitteleuropäischen Binnenraum s, die auf Grund ihrer natürlichen Lage für Ita lie n nur geringe Aussichten einer dauerhaften Einflußnahme bieten. D ie zweite Schwierigkeit liegt in der Tatsache, daß jeder gewaltsamen Ausdehnung nach den afrikanischen Sied-
Das wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
160
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D ie südeuropäische Mittelmecrzone
161
lungsgebictcn durch die älteren Besihrcchte der stärksten europäischen Großm ächte enge Grenzen gesetzt sind. Anter diesem doppelten Zwang der inneren Kompression durch die Vevölkerungsverdichtung und der äußeren B egren zu n g der politischen Möglichkeiten einer völkisch geschlossenen Expansion hat Ita lie n als erstes europäisches Land eine N euordnung seines gesamten staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen A p p a rates durch den Faschism us versucht, deren Grundzüge be kannt sind. D ie N otw endigkeit der Bereitstellung industrieller Erwerbsmög lichkeiten für die wachsende Bevölkerung und der Anspruch des Faschism us a u f politische M achtentfaltung im Wettbewerb mit den Großm ächten haben im Laufe des letzten Jahrzehnts starke V erLinderungen der wirtschaftlichen Grundlagen Italiens erzwungen, über deren E rfo lg heute noch nicht abschließend geurteilt werden kann. D ie W irkung dieser K rä fte seit der Eindämmung der Auswanderung wird am deutlichsten in der W andlung der Berufsstruktur sichtbar, die sich nach jahrzehntelanger Stagn ation seit 1925 mit beinahe revolutionärer Schnelligkeit ändert. Von
d er G e s a m tb e v ö lk e r u n g e n tfie le n in v. Ä . a u f
Jah r
Landwirtschaft
Gewerbe
Verwaltung und freie Berufe
1910 1925 1931
56 54 47
35 36 43
9 10 10
W ie bereits erwähnt, besitzt Italien im Gegensatz zu den alten Großmächten keinen der wichtigen Grundstoffe — Kohle, M etalle, E rd ö l — und hatte infolgedessen auch die großen Produktionsgüter industrien — B e rg b a u , Großeisen- und Metallhüttenindustrie, M a schinenbau, Chem ie — nur unbedeutend entwickelt, deren Besitz im 19. Jahrhundert zur Voraussetzung politischer und wirtschaftlicher M achtentfaltung geworden w ar. D er Boden gewährt an gewerb lichen Rohstoffen nur dieW eißeKohle der Alpenflüsse und Schwefel erze, das M e e r S a lz und die Lust Stickstoff. N u r mit Mühe hat die zehnjährige Agrarpolitik Mussolinis die Eigenversorgung der vor wiegend landwirtschaftlichen Bevölkerung mit dem wichtigsten B rot getreide, dem W eizen , erreichen können. Dafür läßt das milde Klima R -U h in g e r
1!
162
D aS wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
die verfeinerten Konsumgütcr der M ittelm eerw clt — R e i s , M a i s , O livenöl, W e in , Südfrüchte, T abak, S e id e , L a u f - und F la c h s , fasern — reifen, und die Schönheit der südlichen S o n n e und die A n . ziehungskraft der historischen und religiösen S tä tte n bringen durch den Fremdenverkehr den Dcvisenstrom für den E inkauf der notwen digen ausländischen Rohstoffe in das L an d , die der eigene B oden versagt. W ic h t ig e A g r a r - und I n d u s t r ie p r o d u k t io n I t a l i e n s 1934 Agrarstoffe
1000 t
W eizen............. M a is ................ R e i s .................. Zuckerrüben . . T abak................ Wein (Will, bl) O liven öl...........
6333 3193 617 2652 41 31 22Zi
in v. L . d. europ. Industriestoffe Produkt.
1000 t
in v. L . d. europ. Produkt.
Schwefelkies . . . Eisenerz................ Nohstahl ........... Zem ent................ Stickstoff............. Kunstseide........... Seide ..................
812 502 1932 4076 7148 3-
19,6 0,8 4,8 14,1 6,725,3 72,7-
15,2 17,2 67,7 5,8
20,5 18,9 32,7-
- 1933 D e r neue S t a a t hat aus den gegebenen biologischen N otw en dig keiten und seiner politischen Zielsetzung heraus die reichen W asser kräfte des Landes weitgehendst ausgebaut und besonders im N o r den zur Grundlage einer Eisen- und M etallindustrie, einer hochent wickelten Maschinen- und Kraftfahrzeugfabrikation und einer nicht unbedeutenden Chemieproduktion gemacht, aber auch die W eiter entwicklung der Textil- und Kunstseidenindustrie und der sonstigen Zw eige verfeinerter Konsumgütererzeugung nicht vernachlässigt. I m Laufe eines Jahrzehnts ist die Beschäftigtenzahl in der Eisen- und M etallhütten- und Lalbzeugindustrie au f fast das V ierfach e, in der chemischen Industrie a u f das Zweieinhalbfache, in der Elektrizitäts industrie a u f nahezu das Doppelte, im P a p ie r - und Druckgewerbe a u f das Eineinhalbfache und in der B a u - und Baumaterialindustrie und ihren Vorstufen um mehr als ein D rittel gesteigert worden. Durch den raschen N euaufbau dieser Industrien sind auch regional große Verschiebungen in der Wirtschaftsstruktur des Landes ent standen. D a s bedeutendste Industriebecken Ita lie n s breitet sich heute
D ie südeuropäische Mittelmcerzone
?6z
über die mailändische Tiefebene au s, aber auch in den neu gewonnenen P ro v in ze n sucht die italienische P o litik geschützt gelegene Industriezentren zu entwickeln. D i e Z u n a h m e der B e r u f s t ä t i g k e i t in w ichtigen In d u strie n Bescho fügte 1921 1931
Industriezweige Groszeisen- und Metallhüttenindustrie.......... Chemische Industrie............................................. G a s-, Wasser- u. Elektrizitätsversorgung . Metallverarbeitung, Maschinen- und Fahrzeugbau ................................................................. Lolz- u. Schnitzstoffindustrie......................... Textilindustrie....................................................... Papier- und Druckgewerbe ........................... Baustoff- und Bauindustrie...........................
24138 76776 61183
Zunahme in v. L .
82462 -ft 241,6 178735 -ft 132,8 110744 -ft 81,0
613738 756388 -ft 23,2 496258 551048 -ft 11,0 560307 722767 -ft 29,0 84818 132647 -ft 56,4 874516 1276530 -ft 46,0
W o jedoch der A u fbau dieser Industrien zu vermehrtem NohstoffEinfuhrbedarf und damit zu verstärktem Fertigwaren-Ausfuhrdruck geführt h at, werden bereits wieder die Schwierigkeiten der italienischen S itu a tio n sichtbar. D ie faschistische Wirtschaftspolitik hat zwar die innere Wirtschastsstruktur des Landes erstaunlich rasch ge wandelt, aber bisher nicht vermocht, auch die Außenhandelsstruktur D e r A u ß e n h a n d e l I t a l i e n s nach L a u p t e in - u n d - a u s fu h r w a re n 1934 Laupteinfubrwaren
M ill. Lire
Lauptausfuhrwaren
Baumwolle, Wolle, Ju te . Kohlen und K oks............... Maschinen, Eisenwaren.. . Eisen und M e ta lle ............. Mineralöle und Derivate . Chemieerzeugnisse. . . . . . . Läute und F e lle .................. So lz ......................................... Kolonialwaren.................... Weizen....................................
1291 857 580 450 377 341 307 272 202 185
Textilwaren.......................... Südfrüchte und Obst* . . . Kunstseide und Seide — Maschinen und Fahrzeuge Käse........................................ W ein...................................... L a u f ..................................... R e i s ...................................... Weizenmehl....................... Olivenöl............................ ..
i Frisch, getrocknet und Konserven. Relchlnger 11'
M ill. Lire 967 760 497 308 152 146 129 119 69 61
164
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
diesen Veränderungen anzupassen. D ie durch die Nohstoffknappheit bedingte Einfuhr von technischen G ü tern und die a u f der A grarb asis des südlichen K lim a s aufgebaute A u sfu h r von Südfrüchten, W e in , O liven öl, K äse, R e i s , L a u f und Se id e und der traditionelle TextilWarenexport einschließlich der Kunstseide sind nach wie vor absolut beherrschend geblieben. D ie erstrebte A u sfu h r der neu aufgenom menen technischen Produktion — Eisen- und M e ta llw a re n , M aschinen, Fahrzeuge, elektrotechnische Artikel und Chemieprodukte — trifft au f die überlegene Konkurrenz der alten Industrieländer, und wo die A u sfu h r von Konsumerzeugnissen a u f G ru n d billiger Lohnarbeit Aussicht a u f E rfo lg bietet, kann sie sich nur m it M ü h e gegen den W ettbewerb der noch billigeren P roduktion der neuen japa nischen, südosteuropäischen oder afrikanisch-kleinasiatischen Industrie behaupten. A u s dem gleichen Grund hat Ita lie n im V e r la u f des letzten J a h r zehnts ununterbrochen Amlagerungen in der R ich tu n g seines AußenHandels hinnehmen müssen. D ie Bedeutung der einzelnen B e zu g sund Absatzländer für den italienischen Außenhandel unterliegt stän digen Veränderungen und ist ein deutliches Zeichen der Anausgeglichenheit der bisherigen Entwicklung. S o hat der italienische Außenhandel, der vor einem Jahrzehnt noch stark a u f Übersee einD i e Ä n a u s g e g lic h e n h e i t der ita lie n is c h e n A u ß e n h a n d e l s stru k tu r
In v. Ä . der Gesamtausfuhr Italiens gingen nach 1925 Frankreich . . . . . Deutschland. . . . . V . S t . v.Amerika Großbritannien . Schweiz................ . Argentinien. - - . Ä gy p ten ............. . Österreich............. . Britisch-Indien . Niederlande. . . . U d S S R ............. . U n garn ................ .
1930 11,1 Deutschland........... 11,1 V . S t . v.Amerika 10,4 Frankreich ........... 10,2 Großbritannien. . 8,9 Schweiz.................. 6,3 Argentinien........... 3,7 Ä gy p ten ................ 3,6 Österreich................ 1,8 Britisch-Indien . 1,0 Niederlande----0,9 U n garn ................... 0,5 U d S S R ................
1934 12,8 Deutschland........... 10,9 Großbritannien. . 10,2 Schweiz................... 9,8 V . S t . ».Amerika 7,7 Frankreich ........... 6,9 Argentinien........... 3,2 Niederlande----3,1 U n g arn .................. 2,1 Österreich................ 1,6 U d S S R ................ 0,8 Britisch-Indien. 0,8 Ä gyp ten ................
15,9 10,2 8,4 7,4 6,7 4,1 2,6 2,5 2,4 2,4 2,3 2,3
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
i6Z
I n v. L . der Gesamteinfuhr Italiens kamen aus 1925 V . S t . ».Amerika Großbritannien. Frankreich ----Deutschland----Britisch-Indien Argentinien----Österreich............. Belgien-Luxembürg................... Schweiz................ Ä gyp ten ............. U d S S R ..............
1934
1930 23,6 10,4 9,0 8,3 6,6 5,2 2,5 2,2 2,0 1,9 ! 0,9
V . S t . ».Amerika Deutschland — Großbritannien. Frankreich — Britisch-Indien Argentinien — Schweiz............... U d S S R ............. Österreich............. Belgien-Luxembürg.................. Ägypten.............
14,6 12,6 9,7 8,7 4,2 4,1 3,2 3,2 2,4 2,1 1,2
Deutschland — V . S t . ».Amerika Großbritannien. . Frankreich .......... Britisch-Indien. Schweiz.............. Argentinien — Belgien-Luxembürg................. U d S S R .............. Österreich............ Ägypten..............
15Z 12F 9,1 5,7 4,6 3,8 3,6 3,0 2,9 2F 2,0
gestellt w ar, sich unter den Einwirkungen der Krise wieder weitgehend auf Europa zurückziehen müssen. I m Verkehr mit den europäischen Industriestaaten sind jedoch in der Hauptsache nur die südlichen Agrarerzeugnisse gegen Kohle und technische Güter zu tauschen. Hier bestehen starke Spannungen, die auch bei friedlicher Entwicklung noch weitere W andlungen der italienischen Außenhandelsstruktur in A u s sicht gestellt hätten. W ie m an von Frankreich sagen kann, daß die lange politische und wirtschaftliche M achtentfaltung die biologischen Kräfte des Sta a ts volkes weitgehend erschöpft hat, so hat die aus den biologischen W achstumsenergien entspringende politische und wirtschaftliche Großmachtstellung Ita lie n s die materiellen und finanziellen H ilfs quellen des Landes bis an die äußerste Grenze seiner Leistungsfähig keit angespannt. D e r in der Krise frühzeitig erfolgte Zusammenbruch des Finanzsystems und eines großen Teils der Industrie ist nicht nur konjunkturell, sondern mit als Ausfluß dieser strukturellen Anaus geglichenheiten zu werten. W enn der rasche Zugriff des Staates zunächst auch die schlimmsten Folgen für das Wirtschaftsleben ab gewendet h at, so sind die krisenhaften Spannungen doch geblieben. D ie Staatsau sgab en mußten trotz stark rückläufiger Einnahmen stän dig gesteigert werden, der H aushalt schließt seit Jahren mit Defiziten ab , und die öffentliche Verschuldung ist, gemessen am Volkseinkom men, beträchtlich größer als in jedem europäischen oder außereuro-
i6 6
DaS wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Z oncn
päischen Land. D e r öffentliche Schuldendienst beträgt in v . L . des Volkseinkommens bei: Italien
Großbritannien
Frankreich
V . S t . v. Amerika
Deutschland
10
8
6
5
3
I m ganzen gesehen bietet das wirtschaftliche Gesicht Ita lie n s einen kaum schärfer denkbaren Gegensatz zu dem Frankreichs. D o r t eine nicht mehr wachsende Bevölkerung in einem Sied lu n g sra u m , der fast allein schon eine Großmachtstellung in Europa sichert, und m it politischen und wirtschaftlichen Reserven, die in der Krise eine starke S ta b ilitä t des Gesam torganism us und im großen und ganzen auch die Fortführung der überkommenden demokratisch-liberalen S t a a t s und W irtschaftsform ermöglichen. Ä ie r eine rasch fortschreitende Vevölkerungsverdichtung au f zu engem und politisch überaus un günstig gelegenem R a u m , die zu einer nicht immer organischen N e u ordnung im Innern und zu einer Großmachtpolitik nach außen ge führt h at, für die die materiellen Voraussetzungen fehlen. D ie Folge ist eine erhöhte Krisenempfindlichkeit im gesamten W irtschaftsorga n ism us, die durch die noch vorhandene agrarische Grundstruktur zwar gemildert, aber nicht beseitigt werden kann und früher oder später auch als politischer Faktor zur "Geltung kommen muß. D ie franzö sische W irtschaft ist jedenfalls trotz der gegenwärtig viel schärfer aus geprägten Depressionserscheinungen wesentlich stärker fundiert als die italienische. D ie staatliche W irtschaftspolitik w ar wegen der a u f den S p a r kasseneinlagen des P ubliku m s aufgebauten Finanzierung des S t a a t s kredits bis zum abessinischen Konflikt im Grunde deflationistisch ein gestellt und wurde durch mehrmalige Lohn- und Preissenkungen und durch Gehaltskürzungen der öffentlichen Angestellten unterstützt. Deflationserscheinungen waren deshalb trotz hoher A u sgab en für die Arbeitsbeschaffung überall im W irtschaftsbild sichtbar. Trotzdem konnte weder die Zahlungsbilanz zum Ausgleich noch der fortgesetzte Goldabfluß zum Stillstand gebracht werden. D ie S itu a tio n der W ähru n g w ar daher nie sehr stark und konnte die L il f e der B a n k von Frankreich gut gebrauchen. D ie erreichte Steigerung der indu striellen Produktion bedeutete unter diesen Amständen keine E n tlastung.
D ie siideuropäische Mittelmeerzvne
Staatsh aushalt Jah r
1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935-
Währung!S-undWirt chaftslage
A us gab en
E in n a h m en
D e fizit
M r d . L ire
M r d .L ir e
M r d .L ir e
S ta a t s verschul dung > M r d .L ir e
-f- 0,2 — 0,9 — 4^ — 3,9 — 6^ — 2,9 - 1 ,6
88,9 89,9 93,0 97,1 100,0 103,2 110,0-
19,8 21,0 23,3 21,9 24,5 20,6 19,6
20,0 20,1 19,0 18,0 18,0 17,7 18,0
167
S o ld - und Devisen bestand M rd .L ire
Autzenhandelssaldo M rd .Lire
Prvdultionsinbe» 192» - IW
10^ 9,6
- 6 ,4 — 5,2 - l ,4 -1 § - 1 ,4 - 2 ,4 - 2 ,6
109,2 100,3 84,7 73,0 80ch 87,7 96,0
7,2 7,4 5,9 4,6
^ Ohne Kapitalwerl der Annuitäten für den wirtschaftlichen Aufbau (25—30 M rd . Lire). 'D i e Kriegsfinanzierung erfolgt außerhalb des Etats und erfordet etwa I Milliarde Lire pro Monat. D ie E inleitung des abesfinischen Eroberungsseldzuges und der Konflikt m it dem Völkerbund haben die an sich bereits äußerst labile Lage des Landes nochmals empfindlich verschärft. D ie schon vor B e g in n der Afrika-Expedition nahezu erschöpften finanziellen R e serven waren bis zum Einsetzen der Sanktionen aufgezehrt. Der Rohstoffmangel kann durch die Versuche der chemischen Neustoffproduk tion nicht entfernt ausgeglichen werden, und das ansteigende PreisNiveau zeigt heute bereits unverhüllt inflationistische Züge. Die noch vor Jah resfrist gestellte F ra g e/ ob der M angel an materiellen G rundlagen oder der Äberschuß an bevölkerungspolitischen Energien für die Zukunft eines aktiven und unter einheitlicher Führung zu sammengeschlossenen V o lk es letzten Endes ausschlaggebend sein wird, ist heute bereits gegen Ita lie n entschieden? Angeachtet des Ausgangs des Mittelmeerkonflikts wird jedoch die italienische Politik auch nach der B een digu n g des afrikanischen Feldzuges sich nicht von diesem Gegensatz zwischen dem biologischen Wachstum der Bevölkerung und der Angunst der materiellen Lage lösen können, der ihr sowohl das Gesetz des L a n d eins wie dessen Grenzen vorschreibt. » V g l. Europäische Revue, Jahrgang 1935, N r. 3. ' Die finanzielle Situation nach Abschluß des Afrikakrieges wird die künftigen Entscheidungen der italienischen Politik weitgehend festlegen.
i6 8
D as wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Jonen 11. D i e Ib e r is c h e L a l b i n s e l
D ie Iberische Lalbin sel ist ihren geographischen und historischen Grundlagen nach Zwischenland zwischen Europa und A frik a a u f der einen und Europa und Am erika au f der anderen S e it e . W ie Ita lie n ist sie durch eine unwegsame A lpcnm auer vom übrigen Europa ab getrennt und wendet ihr Gesicht nach A fr ik a , aber gleichzeitig auch über den Atlantischen Ozean hinweg der N eu en W e lt zu. Trotzdem sind weder Sp an ien noch P o r tu g a l eigentlich m aritim e Länder. G e ringe Küstengliederung, schlechte V erbindung der L ä se n m it dem Linterland infolge der vorgelagerten N andgebirge und wasserarme, zum T e il steil zur Küste abfallende Flu ß läu fe öffnen das Land nur ungern dem M eere und haben keine bedeutendere S ch iffa h rt entstehen lassen. B e id e Länder sind verhältnismäßig wenig in die W eltw irt schaft verflochten, und ihr Außenhandel pro K o p f ist m it der niedrigste in E uropa. D ie spanische und portugiesische Lan d elsflotte steht im V e rh ä ltn is zur Bevölkerung hinter der aller europäischen Küsten nationen m it A usnahm e von Jugoslaw ien. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g u n d A u ß e n h a n d e l d er I b e rischen L a l b i n s e l um 1935 Land
Sp an ien . . P o rtu g a l.
S ta a tsgebiet 1000 4 I W
512 92
Bevölkerung M u tte rla n d M illio n e n je
24,5 7,2
74 47
K olon ien M illio n e n
1,0 8^
A n te il der Land beoölk.
in V . H . 57 58
A u ß en handel 1SZ4 je K o p f in
RM. 48 48
Trotz gegebener wirtschaftlicher und politischer Voraussetzungen ist die Bedeutung Sp a n ie n s und P o r tu g a ls im N ah m e n der W eltw irt schaft nach dem übermäßigen Einsatz ihrer V olkskrast zu B e g in n der N euzeit jahrhundertelang rückläufig gewesen. D ie bis zum W eltkrieg anhaltende S ta g n a tio n zeigt sich schon in der Bevölkerungsbewe gung. D ie V o lk sziffer der Iberischen Lalb in sel ist trotz hoher G e burtenüberschüsse seitdem 16. Jahrhundert nur um das Anderthalb fache gegenüber einer Vervierfachung der europäischen Gesam t bevölkerung gewachsen. D ie Bevölkerungsdichte liegt unter dem europäischen Durchschnitt, erreicht nur die L ä lfte bis ein D r itte l der Dichte in W esteuropa und ist niedriger als in den südosteuro-
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
169
päischen L än d e rn . In n e re B ürgerkriege und vor allem Auswanderung sind die Arsache dieses relativen Bevölkerungsrückgangs. Z u Beginn unseres J a h rh u n d e rts haben jährlich etwa 80000 Auswanderer, im Durchschnitt der J a h re 1909— 1913 sogar die dreifache Z a h l — vorwiegend a u s dem dichtbevölkerten, unter starker Bodenzersplitterung leidenden N o rd w e ste n —
d a s Lan d verlassen. Nach dem Weltkrieg
ist die A u s w a n d e ru n g allerdings stark zurückgegangen und hat in den letzten J a h re n sogar einem Nückwanderungsüberschuß Platz gemacht. D a b e i zeigt die hohe Geburtenziffer gegenüber der Vorkriegs, zeit eine n u r geringfügige Senkung, die durch den stärkeren Rückgang der Sterblichkeit weit überkompensiert wird, so daß im Gegensatz zum übrigen E u r o p a eine beträchtliche Steigerung der natürlichen V e r m ehrungsrate eingetreten ist.
D a s V e v ö lk e r u n g s w a c h s t u m der Ib erisch en H a lb in se l in d er V o r - u n d N a c h k rie g s z e it A b so lu te Z a h le n ln 1000 gahr G e b u rte n
T o d e sfälle
üderfchuh
A u f I0VV der Bevölkerung Neffen l . .. > GeburtenTodesfälle Überschuh
Geburten
Spanien 1913 1934
618 637
449 388
1913 1934
200 203
125 119
168 249
30 26
22 16
8 10
33 29
21 17
12 12
31 27
22 16
P o r tu g a l 75 84
zusammen 1913 1934
818 840
574 507
243 333
Zum Vergleich Deutschland 1913 1934
1606 1181
885 716
721 465
27 18
15 II
D ie agrarische Siedlungsdichte ist besonders in Portugal wesentlich höher als in W est- und Mitteleuropa und entspricht etwa osteuropäischen Verhältnissen. Doch sind noch große ungenutzte Flächen vorHänden, denn die landwirtschaftliche Nutzfläche macht in Spanien und
170
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
P o r tu g a l noch nicht die H ä lfte der Gesamtfläche a n s . D e r A m fan g der anbaufähigen aber unbebauten Fläche w ird a u f mehr a ls ein F ü n ftel der gegenwärtig benutzten Fläche geschätzt. Auch das bebaute Land könnte bei intensiverer Bew irtschaftung wesentlich mehr Menschen ernähren. Anvollkommene Technik und B odenbearbeitung, starke Bodenzersplitterung in einigen T eilen und vernachlässigter Großgrundbesitz in anderen Gebieten haben die Hektarerträge zu den niedrigsten Europas absinken lassen. V o n größter B edeu tu n g für die Steigerung der Erträge der Landwirtschaft ist die Bew ässerungs frage, da von der landwirtschaftlichen Nutzfläche zwei D r itte l auf den trockenen Südosten entfallen, wo die Ernten noch nicht die H ä lfte der E rträge in den bewässerten Gebieten erreichen. D ie A rsache der großen Ausdehnung des ertragsarmen Landes ist die in den jahrhundertelangen Kriegen erfolgte Abforstung, die dem B od en H u m u s und Wasser entzogen hat. A n te il der land wirtschaftlichen Fläche an der Gesam tfläche
Agrarische S ie d lu n g s dichte
Spanien .......................... Portugal .......................
40 40
54 80
10,5 8,2
119 200
Z u m V e rg le ich : Ita lie n .......................... Griechenland............. Deutschland................
70 30 63
SO 85 48
14,7 8,3 18,9
60 55 160
Siidwestcuropa
Hektarerträge 1SZ0/S4 in 62 G etreid e
j
K arto ffeln
Erst in den letzten Jahrzehnten machen sich Anzeichen nationaler und wirtschaftlicher Wiedererstarkung bemerkbar. D ie tiefgreifenden innenpolitischen Spannungen, die zuweilen sogar den Zusammenhalt des spanischen Wirtschaftsgebietes gefährdeten, und die scharfen sozialen Gegensätze auch au f dem flachen Lande, die durch die zahl reichen Streiks verschärft wurden, bilden allerdings starke H em mungen für den Fortschritt des wirtschaftlichen A u fb a u s. Auch in der industriellen Produktion ist nach der jahrhundertelangen S ta g n a tion eine W endung eingetreten. I m G efolge der Kriegskonjunktur hat sich in Sp anien eine ansehnliche verarbeitende Industrie ent wickelt, die dank dem Reichtum der Iberischen Halbinsel an den wich tigsten M ineralien — Steinkohle, Eisenerz, B le i, K upfer, Zink,
171
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
Quecksilber, Schw efel — günstige Voraussetzungen für ihre weitere E n tfaltu n g h a t. D e r M etallbergbau, der in Spanien mit auslänbischer K a p ita lh ilfe schon frühzeitig entwickelt wurde, zeigt zwar einen R ü ck g a n g , dagegen haben der Kohlenbergbau, die Eisen- und Stahlerzeugung und die verarbeitenden Industrien zugenommen. Im allgemeinen aber stehen sowohl Spanien als auch Portugal erst am A n fa n g ihrer industriellen Entwicklung. W ic h t ig e B e r g b a u - u nd In d u strie p ro d u k tio n
der I b e
rischen H a lb in s e l in 1000 T on n en Portugal
Spanien
Jah r 1913 1934
Eisenerz
B le ie rz
Steinkohle
Briketts
B-chstahl
9862 1970
303 66
4016 6021
486 802'
242 508'
Zement
512 1407'
Ste in - und Braunkohle
25 207
' 1933 V o n allen europäischen Agrarländern weisen Spanien und P o r - ' tu g a l die geringste Landelsverflechtung mit dem europäischen Festland au f. W ährend im Durchschnitt der kontinentaleuropäischen Lauder nur ein D ritte l der Einfuhr und ein Viertel der Ausfuhr auf Außereuropa entfällt, ist bei Spanien und Portugal der Anteil des Überseehandels wesentlich höher. Besonders eng sind die Beziehun gen zu Großbritannien, wie sie im englisch-portugiesischen LandelsD e r A u ß e n h a n d e l der Ib erisch en H a lb in se l nach B e z u g s u n d A b satzm ärk ten im J a h r 1934 in v. L>. der Einfuhr bzw. Ausfuhr kamen aus oder gingen nach: > Europa llbersee von K ontinentalGroßIn s europa britannlen gesamt sricher- Besitzungen S p a n ie n Einfuhr ............. A u sfu h r............. P o rtu g a l . Einfuhr ............. A u sfu h r.............
45 51
10 23
45 26
11 11
53 40
23 25
24 35
11 11
l
172
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
vertrag von 1642, dem M uster des bis zur Krise im W elthandel vorherrschenden Meistbegünstigungssystems, festgelegt wurden. G roß britannien nim m t etwa ein V ie rte l der A u sfu h r der Iberischen H a lb insel a u f und deckt auch ein V ie rte l des portugiesischen, aber nur etw as mehr a ls ein Zehntel des spanischen Einfuhrbedarfs. Daneben ist der Handelsverkehr m it Deutschland und Frankreich noch von größerer B edeu tu n g. I m H andel m it Äbersee nehmen die Kolonien und früheren Besitzungen in Amerika und A frik a den Hauptanteil ein. D a s G e fü h l der Zusammengehörigkeit m it den zw ölf ibero-
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
I7Z
amerikanischen S ta a te n durch gemeinsame Sprache und Zivilisation hat b is zur G egen w art einen regen Warenaustausch erhalten, wenn auch jede politische Verflechtung aufgehört hat. D ie Lauptausfuhrprodukte der Pyrenäenhalbinsel sind Früchte, W e in , O liv e n ö l und Sard in en , dazu kommen an bergbaulichen und forstwirtschaftlichen Rohstoffen Erze und M etalle sowie Kork. A n F ertigw aren werden in nicht unbeachtlichem M aße Erzeugnisse der chemischen Industrie sowie Textilwaren ausgeführt. I n der Einfuhr stehen die F ertigw aren , insbesondere chemische Erzeugnisse, Kraft w agen, M aschinen, Textilwaren sowie Eisen- und Stahlwaren an erster S t e lle ; an Rohstoffen werden Baumwolle, Mineralöle und K oh le in größerem Am fang eingeführt, unter der Nahrungs- und Genußm itteleinfuhr sind Kolonialwaren, Eier und Fische zu nennen.
D e r A u ß e n h a n d e l der Ib e risch e n L a lb in s e l nach wichtigen W a r e n g r u p p e n im J a h r 1934 Lauptausfuhrwaren in M ill. R M . Ausfuhr L e b e n s m itte l........... davon Früchte........................ W e in .......................... Olivenöl..................... Konserven................ R o h s t o f f e u .L a lb w a r e n ....................... davon Metalle Kork .......................... F e r t ig w a r e n ........... davon Chemieerzeugnisse. Textilwaren.............
1 1933.
Spanien Dgal
Lebensm ittel.......... davon E ie r .......................... Kolonialwaren . . . Fische.......................
118
42
29 29 23
0 II 13
N o h sto ffe u .L a lb w aren..................... davon Baumwolle............ Mineralöle ............ Kohle.......................
245
108
75 33 18
17 5 15
F e rtig w a re n ......... 334 davon Chemieerzeugnisse. 96 64 Kraftwagen........... 20 ^ Maschinen.............. 52 8 Textilwaren............ 42 Eisen-u.Stahlwaren 13
77
323
52
193 36 37 33
4 23 2 16
80
30
32 21 20
1 1 12
92
16
37 24
Laupteinfuhrwaren in Mill. R M . Por Spanien tugal Einfuhr
18 9 15 14 4
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
174
D ie konjunkturelle Besserung der W irtschaftslage h at auch au f Sp an ien und P o r tu g a l übergegriffen. I n S p a n ie n sind im Gegensatz zu anderen Ländern die ausfuhrorientierten W irtschaftszw eige infolge der B elebu n g in den Lauptabnehm erländern sogar besser beschäftigt als die für den Jnlandsm arkt arbeitenden Industrien. I n P o r tu g a l hat sich, unterstützt durch die seit mehreren Ja h re n betrie bene staatliche W irtschaftsförderung eine allgemeine B eleb u n g durchgesetzt. L ie r steht der 15-Iahresplan der R eg ieru n g für den W iederaufbau A u sgab en von insgesamt 6 ^ M r d . Eskudos für öffentliche B a u te n , Bew ässerung, Verkehrswesen und Rüstungen vor. D agegen hat sich die A u sfu h r nicht so günstig entwickelt wie der Binnenm arkt. D i e k o n ju n k tu r e lle E n tw ic k lu n g in S p a n i e n u n d P o r t u g a l se it 1932 Jah re se n d e
B ankdiskont
A p .-.
G ro h h a n - I A k tien d elsindex* > Index* ln G o ld
E in fu h r
^ A u s fu h r
in W ill. A M .
Goldbestand i.M ill.R M .
S p a n ie n 1932 1933 1934 1935
6,0 6,0 5,5 5,0
50,2 50,1 50,8 50,7
1932 1933 1934 1935
6,5 5,5 5,0 5,0
53,0 32,0 32,2 29,3
74,2 62,4 55,6 65,7
790,1 676,7 692,4 711,4
598,1 541,5 494,9 472,6
230,1 245,0 226,3 245,2
106,7 103,2 104,7 98,6
1829,5 1831,7 1836,8 1826,0
Portugal 41,3 54,2 59,7 66,7
' Basisjahr bei Spanien 1927/29, bei Portugal 1929 — 100. ° Bastsjahr bei Spanien 1929, bei Portugal 1930 — 100.
12. G r ie c h e n la n d D e r au f drei S e ite n von M eeren umspülte südöstliche G e b irg s ausläufer des europäischen Festlandes m it seinen ausgedehnten Inselbrücken nach A frika und dem vorderen O rient, der im Altertum der M ittelpunkt des von Südeuropa über N ordafrika nach Klein asien reichenden Kulturkreises w ar, ist heute nur mehr von lokaler
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
175
B e d eu tu n g. D a s griechische Dreieck, das in breiter Landsehne dem südosteuropäischen Agrarblock anliegt und mit seiner Spitze in den kleinasiatischen R a u m vorstößt, ist durch den Verschleiß der natür lichen V odenkräste zur B lü tezeit des Hellenentums und die jahr hundertelange Fremdherrschaft wechselnder Eroberervölker weitgehend ausgezehrt. N a ch dem Kräfteeinsatz in den Balkanfeldzügen, den Erschütterungen des Weltkrieges und den anschließenden verlustreichen Auseinandersetzungen mit der neuen Türkei sucht das Land nunmehr in Anlehnung an Großbritannien seine wirtschaftlichen K räfte zu entwickeln. Griechenland hat einerseits weitgehende Ähnlichkeiten mit dem slawischen A g ra r ra u m , dem es in den grundlegenden Lebenserscheinungen der Geburtenhäufigkeit, Sterblichkeit, Alterszusammen setzung und Siedlungsdichte gleicht, und andererseits mit den roma nischen A n liegern der Mittelmeerzone, mit denen es die Gemeinsam keiten der Siedlungsw eise, der beruflichen Gliederung und der agra rischen P ro d u k tio n h at. Durch die Rückführung der kleinasiatischen Griechen und die hohe Vermehrungsrate leidet das Land an einer starken, durch die Gunst des K lim as nur unzureichend gemilderten Übervölkerung, die den Äauptherd der immer wieder ausbrechenden Anruhen bildet. Ähnlich wie bei der Iberischen Halbinsel ist vor dem Krieg ein großer T e il des Bevölkerungszuwachses nach den benach barten Gebieten und nach Übersee ausgewandert, während heute die Auswanderungsmöglichkeiten weitgehend versperrt sind. Verstädte rung und Industrialisierung schreiten daher hier noch rascher fort als in den angrenzenden Gebieten. S t a a t s g e b i e t , B e v ö lk e r u n g und A u ß en han d el Griechen la n d s seit I91Z Jahr
Staatsgebiet 1000 gLiü
Bevölkerung M ill.
1913 1925 1935
63,2 130,2 130,2
2,6 6,0 6,6
Siedlungsdichte Außenhandel je Kopf N M . je qkm 41,1 46,1 50,7
80 151 22
W ie Ita lie n erzeugt Griechenland die edlen Agrarprodukte derMittelmeerzone W e in , O livenöl, Tabak,Handelsgewächse, Seide,Wolle und neuerdings auch B aum w olle. D ie Anstrengungen zur Steige-
176
D a s wirtschaftliche Gesicht der einzelnen Zonen
rung des W eizenanbaus und damit zur größeren Anabhängigkeit in der Nahrungsversorgung haben teilweise gute E rfo lg e gezeitigt. D e n natürlichen Vorbedingungen entsprechend, ist besonders die S c h a f, zucht außerordentlich verbreitet. Auch die A usbeutung der nicht unbedeutenden Bodenschätze macht Fortschritte; neben Braunkohle und Eisenerzen kommen im wesentlichen Schw efel, B l e i , Z in k , Chrom und etwas Nickelerze vor. W ic h t ig e A g r a r - u n d R o h s t o f f p r o d u k t i o n G r ie c h e n la n d s 1934 Agrarstoffe
1000 t
Industriestoffe
1000 t
Weizen............................... M a i s .................................. Wein (M ill.d l)............. Olivenöl............................. Tabak ............................... Baum w olle..................... W o lle .................................. Seide (in Tonnen) . . .
784,1 231,3 3,6 112,5 40,0 6,9 6,6 215,0
Braunkohle................... Eisenerz.......................... Schwefeleisen................ B l e i .................................. Z in k .................................. Chrom ............................. M agnesit........................ Nickelerze .....................
99,1 85,2 184,4 22,0 12,3 14,8 44,7 28,7
D ie infolge des Feh len s von Steinkohle erschwerte Industrialisie rung wird von der griechischen N egierung vor allem in den Zw eigen gefördert, die a u f G ru n d einheimischer Nohstoffvorkommen arbeiten. D ie stärkste Entwicklung haben in jüngster Z e it die Elektrizitätswirtschast, die T extil- und Papierindustrie, der Maschinenbau und das B augew erbe zu verzeichnen. D e r Hauptwirtschaftszweig bleibt jedoch nach wie vor die S ch iffa h rt, die zusammen m it den Ausw anderer rücksendungen die P assiv ität der H andelsbilanz ausgleichen muß. S ta r k belastet ist das Land durch die hohe auswärtige Verschuldung, die im letzten Jah rzeh n t durch die Ansiedlung der m it der Türkei ausgetauschten kleinasiatischen Griechen beträchtlich angewachsen ist. D a s über den M ittelm eerkreis hinaus m it der W eltwirtschaft eng verbundene Land hat im Gegensatz zu Kontinentaleuropa und den übrigen M ittelm eerländern eine besonders eigenartige Handelsver flechtung. I n der E infuhr stehen Großbritannien, Deutschland, R u ß land, Argentinien und R u m än ien , in der A u sfu h r die beiden erst genannten Länder sowie Ita lie n , die Vereinigten S ta a te n von A m e rika und Frankreich an der Spitze. Diese merkwürdige Streuun g ist
D ie südeuropäische Mittelmeerzone
177
D e r A u ß e n h a n d e l G r i e c h e n l a n d s nach w ichtigen E in - und A u s f u h r w a r e n 1934
M i«. Mill. Wichtige Einfuhrwaren Drachmen Wichtige Ausfuhrwaren Drachm en "cxtilien
Metalle und -waren . Chemieerzeugnisse. . . Steink"hl" .............. "ucker ^ Papier und -waren.. Ziegen und Schafe . . yy
1836 1309 740 490 413 374 299 265 236 201
Tabak ......................... Rosinen....................... Oliven......................... Lolzwaren................... Mineralien ................. Olivenöl....................... W ein........................... Getrocknete Feigen . . . Nohhäute ................. Textilien .....................
2027 1420 219 187 182 174 154 149 134 93
durch die Spezialproduktion des Landes bedingt. M it den beiden Industrieländern Deutschland und Großbritannien tauscht Griechen land seinen B e d a r f an Kohlen, Maschinen und Fertigwaren gegen seine bergbaulichen Rohstoffe und Lauptagrarerzeugnisse. Von R u ß lan d und R u m än ien bezieht es Agrarprodukte, Mineralien, Erdöl und L o l z , von Argentinien Weizen und Fleisch; nach den V ereinigten S ta a te n von Amerika liefert es Geschmackstabacke und O liven öl, nach Frankreich und Italien W ein und Seide. N ach der radikalen Lösung der früheren Gegensätze mit der Türkei durch die Rückführung von 2s4 M illionen Griechen ist der Friede mit dem benachbarten Kleinasten hergestellt worden. Nach Norden ist das Land durch die Balkanverträge abgedeckt, zur See wird es durch seine traditionelle Freundschaft mit England gesichert, blnter
D i e k o n ju n k tu r e lle E n tw ick lu n g G riech en lan d s seit 1932 Ja h re s ende
1932 1933 1934 1935
P rod u k tlo n slndex 1923 --- 100
Großhandels index 1927/29---100 (ln Gold)
102,8
46,0 47,7 47,6 48,7
107,1 122,8 153,2
Einfuhr
Ausfuhr
ln M l U R M .
280,8 201,4 214,2 251,6
163,7 122,8 133,4 165,5
Bank diskont '/ .p .a .
9,0 7,0 7,0 7,0
178
Das wirtschaftliche Gesicht der einzelne« Zonen
diesen Amständen dürste für Griechenland auch die Entwicklung im westlichen Mittelmeerbecken zunächst kaum größere Störungen seines in G an g befindlichen wirtschaftlichen Aufschwunges mit sich bringen. D ie konjunkturelle Lage hat sich beträchtlich gebessert, und besonders die Industrialisierung macht rasche Fortschritte.
Schlußwort I n dem vorliegenden Buch ist versucht worden, einen T eil der wirkenden Kräfte* bloßzulegen, von denen die Zukunft Europas be stimmt wird. Aufstieg und Niedergang der einzelnen Völker und ihrer politischen und wirtschaftlichen Gruppenbildungen, die dem bloßen Auge oft nur als Zu fall oder Willkürakt geschichtlicher P ersönlichkeiten erscheinen, werden dabei als Schicksal und Ergebnis von Kräften sichtbar, deren Stärke und Richtung meßbar und damit auch einer Beeinflussung zugänglich ist. Der Niederschlag der tatsächlichen Entwicklung und die tastenden Scheinwerferbündel ihrer geistigen Erkenntnis schieben sich unter diesem Gesichtswinkel zu einer neuen Perspektive zusammen, in der das politische und wirtschaftliche W elt bild an Schärfe gewinnt und die unvermeidlichen Trübungen des Sehrandes, die bislang der Intuition und dem Experiment Raum gaben, durch das wissenschaftliche Llrteil aufgehellt werden. Die tastenden Versuche einer politischen Neuordnung in Europa, von der Gründung des Völkerbundes und seinen mehrfachen W and lungen angefangen bis zu den zahlreichen seither sichtbar gewordenen Llmgruppierungen seiner Mitglieder -der Gegenspieler zeigen deut lich, daß die Erkenntnis der treibenden Entwicklungskräfte im euro päischen Raum noch bei kaum einer der beteiligten Mächte vorhanden ist. Aus diesen Gründen sind, auch wenn man die Bereitschaft der einzelnen Mächte zur Mitwirkung an der Konsolidierung Europas unterstellt, alle Bemühungen bisher erfolglos geblieben, weil der beginnenden Erkenntnis von der Notwendigkeit neuer Methoden und Zielsetzungen noch die Beweiskraft gegenüber den Beharrungstendcnzen überlieferter Grundsätze fehlt. Das vorliegende Buch kann in dieser Richtung nur ein allererster Anfang sein, der immerhin die Brauchbarkeit der angewandten Methoden beweist. Die Wissenschaft von der Entwicklung der i Sow eit sie der biologischen und wirtschaftlichen Sphäre entspringen.
180
Schlußwort
natürlichen T rieb- und W iderstandskräfte, die unaufhörlich das Netz der vielseitigen Beziehungen der N a tio n e n untereinander in Spannung halten, steckt noch in den ersten A n fä n g e n . S i e hat aller dings als idealen R o h sto ff für ihre Forschung das seit vielen Ja h r zehnten in der ganzen W e lt angehäufte statistische M a t e r ia l, an dem sie ihre M ethoden überprüfen und ihre Schlußfolgerungen ziehen kann. D ie naturwissenschaftlich-mathematische D enkform dieser neuen Wissenschaft wird die alte geisteswissenschaftlich-historische Betrach tungsweise des politischen W eltb ild es nicht nur deshalb zurück drängen, weil sie im günstigsten F a l l den Sch leier der Zukunft zu lüften verm ag, sondern vor allem , weil sie die exakteren M ethoden und den kürzeren ziffernmäßigen Ausdruck besitzt. D e r Versuch, solche M ethoden weiterzuentwickeln, die einen zuverlässigeren Einblick in die treibenden Entwicklungskräfte der V ö lk e r und die zw angs läufigen Ausw irkungen a u f ihre politischen Entschlüsse ermöglichen, scheint m ir eine A u fg a b e , die für Deutschland und fü r E u rop a nicht ohne Interesse ist. A . R e ith in g e r .