DAS KÖLNER STRASSENMAGAZIN DRAUsSENSEITER
31. Jahrgang | Nr. 240 | April 2023
Foto: Roland Kaiser
VORWORT
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DRAUSSENSEITER-UNTERSTÜTZER-STATEMENT #15
„Housing First“ – also zuerst eine Wohnung, dann alles Weitere – ist mein Traum seit Jahren. Jetzt bekommt es Drive, u. a. dank Finnland und der Bethe-Stiftung. Und der DRAUSSENSEITER berichtet darüber. Wunderbar!
Liebe Leserinnen und Leser, der Beschluss des Verwaltungsgerichts im Januar 2023 war eindeutig: „Wenn der Stadt keine geeignete Unterkunft zur Verfügung steht“, die Jacqueline Winands mit ihren fünf Kindern nach ihrer Zwangsräumung durch den Vermieter Vonovia beziehen kann, „hat sie grundsätzlich sämtliche in Betracht kommenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in den Blick zu nehmen“. Dazu gehöre die Anmietung von Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt oder auch die Anmietung geeigneter Hotelzimmer, die Kosten seien dabei unerheblich. Wir haben mit Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim gesprochen, wie es zu diesem Urteil kommen konnte, das eine Kehrtwende in der Zwangsunterbringung von Obdachlosen bedeuten könnte.
Seit die 22-jährige iranische Kurdin Mahsa Amini am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam gestorben ist, nachdem sie in Teheran wegen „unangemessener Kleidung“ festgenommen worden war, kämpfen iranische Frauen auf der Straße, aber auch von zu Hause, für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit. Arina Moradi hat mit einigen von ihnen gesprochen.
Vor Ihnen liegt eine gehaltvolle Ausgabe, in der wir über Frauen berichten, die trotz großer Not und Bedrohung für sich und andere einstehen und für Frauenrechte kämpfen. Ihnen gebührt unser größter Respekt.
Gute Lektüre wünscht ...
Der Stadtplan „Starke Frauen. Starkes Köln“ ist auf Initiative der Stiftung Frauen*leben Köln in Kooperation mit dem Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln und dem Kölner Frauengeschichtsverein entstanden. Im März 2022 gestartet, enthält er mittlerweile mehr als 125 Beiträge. Marie Breer hat ihn sich genauer angeschaut: Seite 11.
Aus der Not heraus zog Lucian irgendwann in den Wald. Streetworkerin Friederike Bender wurde über das Ordnungsamt auf den obdachlosen Mann aufmerksam und bemühte sich, ihm zu helfen. Doch jetzt ist der rumänische Staatsbürger in seiner Waldhütte verstorben – Seite 17. Friederike
Seit mehr als 30 Jahren bietet die OASE – Benedikt Labre e.V. Beratung, Informationen und weiterführende Hilfen rund um die Themen Wohnungslosigkeit und drohender Wohnungsverlust.
Die OASE – Benedikt Labre e.V. unterstützt Menschen ohne Wohnung oder in Wohnungsnot durch Förderung ihrer Fähigkeiten dabei, das Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.
OASE – Benedikt Labre e.V.
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Christina Bacher
VORWORT | INHALT Foto: Privat
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FRAUENPOWER Maria 2.0 Nicht mit der Botschaft Jesu vereinbar 4-6 Proteste Iranische Frauen kämpfen
aber auch von zu Hause
8-10 Neue Internetpräsenz Frauen*Stadtplan Köln .............................................. 11 Angie Hiesel ......................................................... 12-13 Zwangsräumung: Adäquater Wohnraum 14- 16 Auf der Strasse: Lucian 17 Männernothilfetelefon 18 Buchtipps | Cartoon 20-21 Kolumne: Lothars Reise (2) 22 Aus den Einrichtungen | OASE-News 23 Abonnement | Impressum 24 Vorschau | Kulturtipp 25 Service: Adressen 26-27
FRANZ MEURER katholischer Pfarrer in Köln-Vingst und -Höhenberg
Themenschwerpunkt:
auf der Straße,
aus
Bender
Foto: Frauen*Stadtplan Köln
Foto: Chistiane Rath
17 11
nicht mit der Botschaft Jesu
vereinbar - Solidarität über religionsgrenzen hinweg
Maria Mesrian hat mit Hilde Regeniter darüber gesprochen, wie sie mit ihren Mitstreiterinnen bei Maria 2.0 für eine gerechtere Kirche kämpft.
InTErVIEW: HILdE rEGEnITEr
DRaussenseiteR: Sie kommen ursprünglich aus Süddeutschland. Wie lange leben Sie jetzt schon in Köln - und wie gerne?
Maria Mesrian: Ich lebe seit 13 Jahren in Köln und inzwischen sehr gerne. Das einzige, was ich vermisse, ist süddeutsches Essen. Aber an sich finde ich die Energien dieser Stadt und auch die Menschen extrem offen und freundlich.
DRaussenseiteR: Die Kölner*innen feiern sich ja gerne als supertolerant und supersozial. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
Maria Mesrian: Ehrlich gesagt: ja! Ich habe sie wirklich als tolerant und weltoffen erlebt – und als empfindlich gegenüber Ungerechtigkeiten. Wenn wir zum Beispiel gegen Missstände in der katholischen Kirche wettern, erfahre ich von den Kölnerinnen und Kölnern viel Solidarität.
DRaussenseiteR: Wie nehmen Sie persönlich wohnungs- und obdachlose Menschen hier in der Stadt wahr und wie den Umgang mit ihnen?
umgeht. Der Film „Das Schweigen der Hirten“ etwa zeigt, wie Täter über Jahrzehnte immer wieder versetzt wurden, auf andere Kontinente zum Beispiel – die sogenannte geografische Lösung. Die Verantwortlichen an den neuen Einsatzorten wurden nicht über die Vergangenheit der Versetzten informiert. Auch hier in Köln haben wir erlebt, dass immer wieder Täter versetzt wurden, ohne dass an den neuen Einsatzorten bekannt wurde, dass sie vorher Kinder missbraucht hatten. Aus dem Entsetzen darüber hat sich Maria 2.0 gegründet. Wir haben grundlegende Reformen für diese Kirche gefordert, damit sie überhaupt weiter bestehen kann: Dass es einen Zugang zu allen Ämtern für alle geben muss; dass es auch in der Kirche Macht- und Gewaltenteilung geben muss; dass das Zölibat freiwillig sein und das herrschende Priesterbild überdacht werden muss. Weil wir all das als Ursachen des Missbrauchs in der katholischen Kirche ausgemacht haben.
DRaussenseiteR: Dass Weiheämter allen offen stehen müssen, ist eine Ihrer Forderungen. Wie frustrierend ist es, dass Sie damit in der Amtskirche bisher auf Granit beißen?
Maria 2.0
Maria Mesrian: Es macht mich wirklich sehr traurig, dass in einem Land wie Deutschland Menschen auf der Straße schlafen müssen. Da erlebe ich Köln schon als eine Stadt, in der vieles nicht funktioniert und auf ehrenamtliche Initiativen abgewälzt wird, was eigentlich Aufgabe der Stadt sein müsste. Im Bereich der Obdachlosenarbeit sehe ich großen Handlungsbedarf. Wenn ich nicht das tun würde, was ich jetzt mache, dann würde ich mich gern dafür einsetzen, dass Häuser gebaut werden, in denen würdevolles Übernachten möglich wäre.
DRaussenseiteR: Wir hören immer vom „Hillije Kölle“, vom heiligen Köln. Kölns Vergangenheit ist stark von der katholischen Kirche geprägt. Wie sieht das in der Gegenwart aus?
Die Initiative Maria 2.0 setzt sich dafür ein, dass die christliche Botschaft im Mittelpunkt steht und nicht der Erhalt der Institution katholische Kirche. Dabei ist Kirche eben nur der Raum, Gemeinschaft christlich zu leben und in der Welt im Sinne des Evangeliums zu wirken – aus der Sicht der Aktivist*innen jedoch nur mit der Umsetzung zentraler Kernpunkte wie gleiche Würde und gleiche Rechte für alle, Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern und Aufhebung des Pflichtzölibats.
mariazweipunktnullrheinland.de
Maria Mesrian: Wir unterschätzen oft, wie viel Einfluss die katholische Kirche in Köln bis heute hat, allein durch ihr riesiges Immobilienvermögen. In Köln gehört die katholische Kirche zu den größten Immobilienbesitzer*innen. Das bringt ihr viel Macht und Einfluss im Hintergrund, was nicht immer gut ist. Schließlich kommt dieser Einfluss von einem System, in dem – wie ich es erlebe – viel Repression und Intransparenz herrscht. Der Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt, den wir anprangern, ist für mich unsäglich.
DRaussenseiteR: Sie sind Mitbegründerin der Initiative Maria 2.0. Was ist Maria 2.0, wofür steht Maria 2.0?
Maria Mesrian: Maria 2.0 ist entstanden aus dem Schock darüber, wie die katholische Kirche mit Missbrauch
Maria Mesrian: Das ist überhaupt nicht frustrierend, weil wir uns eben nicht auf die Idee des Weiheamtes fixiert haben. Natürlich muss es da Gleichberechtigung geben. Aber gleichzeitig müssen wir das Weiheamt selbst hinterfragen, weil es Machtmissbrauch allein dadurch möglich macht, dass der Priester von vornherein höhergestellt ist. Ich glaube, keine Frau würde sich in dieses Amt, so wie wir es jetzt kennen, noch hinein weihen lassen. Wir sind allerdings überzeugt, dass, wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, Frauen dieselben Fähigkeiten und Gaben wie Männer haben. Deshalb tolerieren wir nicht, wenn Männer darüber bestimmen, ob Frauen das dürfen oder nicht. Wir brandmarken das als diskriminierendes Handeln, das absolut nicht mit der Botschaft Jesu vereinbar ist. Es ist nicht vertretbar in einer Kirche, die sich doch am Evangelium orientieren sollte.
DRaussenseiteR: Wo stehen wir in Ihren Augen heute in Sachen Aufarbeitung des Missbrauchs durch katholische Kirchenleute?
Maria Mesrian: Ich glaube, dass vieles jetzt an die Öffentlichkeit gekommen ist, geht auch auf unser permanentes Anprangern der Missstände zurück. Aber die katholische Kirche bewegt sich nur sehr schleppend. Wir sehen keinerlei Einsicht darin, dass sie Aufarbeitung nicht kann. Wir haben eine Beratungsstelle für Missbrauchsopfer gegründet und erleben da, dass die Kirche Menschen weiter traumatisiert. Dass sie sich etwa weigert, sich an
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5 FRAUENPOWER FRAUENPOWER Foto: Privat
den Schmerzensgeld-Tabellen des Staates zu orientieren, spricht für sich. Betroffene werden oft retraumatisiert, wenn sie mit kirchlichen Stellen zu tun haben. Anwält*innen, die von der Kirche bezahlt werden, entscheiden über die würdelosen Anträge, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Missbrauchs-Gutachten, wie sie in den jeweiligen Diözesen als wichtige Schritte gerühmt werden, ändern erst einmal nichts. Oft ist es nur der akribischen Arbeit von Journalist*innen zu verdanken, dass hinter den Fällen tatsächlich die Abgründe sichtbar werden, die Schicksale dahinter. Wir sagen: Aufarbeitung ist nur dann gut, wenn auch Konsequenzen folgen! Und diese Konsequenzen müssten sein, dass wir transparente Strukturen schaffen, dass etwa die Macht eines Bischofs eingehegt ist durch Gremien, die ihn kontrollieren. Dass eben nicht einer als Alleinherrscher über Geld und Mittel verfügt. Insofern hat sich im Bereich der Aufarbeitung in meinen Augen eigentlich gar nichts getan, außer dass ein Gutachten nach dem anderen erscheint. Aber letztlich wissen wir ja, wo Aufarbeitung ansetzen müsste.
DRaussenseiteR: Ihre Beratungsstelle heißt „Leuchtzeichen“, der Trägerverein „Umsteuern! Robin Sisterhood“. Was steht dahinter?
Maria Mesrian: Wir haben die Beratungsstelle gegründet, weil es in Deutschland bis dahin keine spezialisierte Stelle gab für Missbrauchsbetroffene, die im Kontext Kirche geschädigt wurden. Inzwischen haben wir den Status einer Fachberatungsstelle, arbeiten mit einer fest angestellten Kraft und vielen Ehrenamtlichen. Jetzt gibt es mit der Anlaufstelle einen Ort, wo Menschen sich vernetzen können, wo sie merken, sie sind nicht mehr alleine. Was mich am meisten berührt, sind die Betroffenen in unseren Reihen. Wir arbeiten als Verein immer in dieser Parität von Betroffenen und Nicht-Betroffenen. Wir haben Betroffene, die jetzt andere Betroffene beraten und mit ihren Erfahrungen anderen helfen. Das ist Empowerment! Mir persönlich hat die Perspektive der Betroffenen erst den Blick geschenkt, den ich jetzt auf die Dinge habe.
DRaussenseiteR: Viele engagierte Katholiken und Katholikinnen sind inzwischen aus der Kirche ausgetreten, zum Beispiel auch die Maria-2.0-Mitbegründerin Lisa Kötter. Warum Sie nicht, warum sind Sie geblieben?
Maria Mesrian: Ich sage immer: „Vor der Scheidung müssen wir über Geld reden!“ Ich bin noch nicht an dem Punkt, die Mitsprache allein geweihten Männern zu überlassen. Aber natürlich reden wir von einem schmalen Grat. Ich denke schon oft daran, auch auszutreten, um nicht länger durch meine Mitgliedschaft, mit meinen Mitteln diese Struktur zu unterstützen. Ich halte es für legitim und wichtig, dass so viele Menschen den Schritt tun und austreten. Auch deshalb haben wir unseren Verein gegründet, um umzusteuern, um Kirchensteuern dahin zu geben, wo es wirklich nötig ist.
DRaussenseiteR: Was ist denn in Ihren Augen gut an der Kirche, warum bleibt sie für die Stadtgesellschaft wichtig?
Maria Mesrian: Der Klerus, den ich ja für vieles verantwortlich mache, ist gerade einmal 0,01 Prozent von dem, was die katholische Kirche ausmacht. Es gibt so viele engagierte Leute. Gemeinden sind oft Orte des Miteinanders, des Daseins für andere. Viel ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit wird in den Gemeinden getan. Für eine Stadtgesellschaft sind solche Orte wichtig. Auch deshalb muss die Hierarchie am Ende zerstört werden, weil sie durch ihre Art diese Orte austrocknet. Denn wenn die Menschen sich in Scharen abwenden, wird es diese Orte so nicht mehr geben. Das ist für mich als christlich geprägter Mensch ein Antrieb, mich zu engagieren. Wir brauchen in der Stadt doch diese Orte der Nächstenliebe, des Daseins für andere. Auch die Gebäude gehören nicht selbstverständlich der Hierarchie, sondern allen. Sie müssen auch von allen besetzt und genutzt werden dürfen!
DRaussenseiteR: Können Sie mit dem Begriff „starke Frau“ etwas anfangen?
Maria Mesrian: Als Einzelperson würde ich mich nicht als stark bezeichnen. Ich finde, stark sind wir nur im Verbund mit anderen. In den Jahren, in denen ich mit Maria 2.0 und jetzt auch mit „Umsteuern! – Robin Sisterhood“ unterwegs bin, habe ich viele starke Frauen, aber auch starke Männer kennengelernt. Ich wäre nichts ohne die, die an meiner Seite sind.
DRaussenseiteR: Wie haben Sie den Weltfrauentag am 8. März begangen? Braucht es so einen Tag überhaupt?
Maria Mesrian: Ich war am Weltfrauentag gemeinsam mit der muslimischen Theologin Dina El Omari beim Mittwochsgespräch im Maxhaus in Düsseldorf zu Gast zum Thema „Interreligiös und solidarisch“. Letztlich müssen wir uns über alle Religionsgrenzen hinweg solidarisieren, denn wir sehen, wie Religionen seit Jahrtausenden Durchlauferhitzer des Patriarchats sind. Wir müssen den Glauben, den wir noch in uns tragen, von den toxischen, patriarchalen Strukturen trennen, unter denen ja auch Männer leiden – und diese toxischen Strukturen als solche benennen. Das sehe ich als große Aufgabe, darin steckt viel Potenzial für gesellschaftlich-politisches Engagement. Ich sehe die Zukunft gerade in den Graswurzelbewegungen. Da kann viel Neues passieren, wenn wir aus unseren eigenen Blasen rausgehen und uns mit denen vernetzen, die auch für eine offene, demokratische, plurale Gesellschaft eintreten. Wir werden auch weiter Missstände ansprechen, klar. Aber anstatt immer nur gegen Hierarchien anzurennen, schaue ich nach vorn und solidarisiere mich mit denen, die für dieselben Ziele streiten.
DRaussenseiteR: Danke für das Gespräch.
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Teheran im September 2022. Die 22-jährige iranische Kurdin Mahsa Amini stirbt in Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen „unangemessener Kleidung” festgenommen wurde. Ein Rückblick auf den Start der sich daran anschließenden
Proteste: Nach ihrem tragischen Tod skandierten Tausende von jungen Frauen und Männern auf den iranischen Straßen „Frauen, Leben, Freiheit“. Darüberhinaus gab es noch die iranischen Frauen, die den Demonstrationen fernblieben. Obwohl sie sich so sehr nach Freiheit sehnten, konnten sie ihre Familienhäuser nicht verlassen.
Es ist jetzt über einen Monat her, seit Bayan, eine 30-jährige Persischlehrerin, zuletzt ihr Zuhause in der kurdischen Stadt Piranshahr, 730 Kilometer nordwestlich von Teheran, verlassen hat. Ihre Eltern sind der Meinung, sie müssten sie davor beschützen, was einer Demonstrantin im Iran alles zustoßen könnte.
„Ich habe ihnen gesagt, dass ich bereit bin, jetzt in diesem Kampf zu sterben, anstatt in diesem Land zu Tode zu schmachten“, sagt sie am Telefon. Wie die anderen Interviewpartnerinnen, die im Iran leben, will auch sie ihre Identität aus Angst vor Vergeltungsakten nicht preisgeben. Ihre Familie, fügt sie hinzu, habe Angst, sie könnte festgenommen, gefoltert oder sogar in einer Haftanstalt sexueller Gewalt durch Sicherheitskräfte ausgesetzt werden.
Nach dem tragischen Tod von Mahsa Amini – der 22-jährigen iranischen Kurdin, die in Polizeigewahrsam starb, nachdem sie in Teheran wegen „des Tragens unangemessener Kleidung“ festgenommen worden war – skandieren seit Mitte September Tausende junger Frauen und Männer in den Straßen Irans: „Frauen, Leben, Freiheit“. Eine noch größere Anzahl iranischer Frauen hat bisher jedoch niemand unter den Demonstrierenden gesehen. Wie Bayan sehnen sich viele von ihnen nach Freiheit, können ihr Zuhause aber nicht verlassen.
Für Männer ist es zweifellos einfacher. Trotz der Brutalität der Sicherheitskräfte hat sich Soran, Bayans jüngerer Bruder, fast jeder Demonstration in der Stadt angeschlossen, erzählt er. Seine Eltern warnen ihn vor den möglichen Konsequenzen, aber sie können ihn nicht davon abhalten, das Haus zu verlassen.
„Ich habe versucht, meine Eltern davon zu überzeugen, dass meine Schwester mich begleiten darf, aber sie erlaubten es nicht. Also haben wir einen Weg gefunden, daran teilzunehmen, der sicherer ist“, sagt der 24-jährige Kurde. Gemeinsam legten sie eine Liste mit den Kontaktdaten vieler Journalist*innen im Ausland an.
„Mein Bruder geht hinaus auf die Demonstrationen und sammelt Nachrichten. Ich nehme mit den Journalist*innen auf der Liste Kontakt auf und sage ihnen, was hier vor sich geht: Ich schicke ihnen Videos, Fotos und die Namen derer, die vermutlich von Sicherheitskräften festgenommen worden sind“, erklärt Bayan. „Ich hoffe, dass ich damit irgendwie helfen kann.“
Free_Human__
ist eine Initiative, die sich zu Beginn der Iran-Revolution Ende September gegründet hat. 14 Frauen und Männer mit und auch ohne iranische Wurzeln setzen sich seitdem als Schallverstärker der Menschen in Iran ein. Sie organisieren Menschenketten, Mahnwachen, halten Vorträge, organisieren Demos mit und veranstalten Infoabende zum Thema. Sie kooperieren mit Vereinen, anderen Initiativen und Organisationen. Auch über Kölns und Deutschlands Grenzen hinaus. Free_Human__ ist parteiunabhängig; religiöse und politische Zugehörigkeit spielen keine Rolle, solange die Freiheit und Rechte anderer geachtet und nicht eingeschränkt werden.
https://www.instagram.com/ free_human__
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA sind im ganzen Iran mehr als 1000 Personen, darunter Journalistinnen und Journalisten, festgenommen worden, wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich viel höher ist. Über die Anzahl der bei den jüngsten Protesten im Iran Inhaftierten liegen keine
Was können wir tun?
Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 kämpfen Iraner*innen um ihre Freiheit. Jina Mahsa Aminis Tod war der Auslöser der Iran-Revolution, die bis heute andauert. Das iranische Regime geht erbarmungslos gegen die Demonstrierenden vor. Allein im Januar und im Februar 2023 gab es schon 55 Hinrichtungen. Damit die Menschen sich nicht zu Demonstrationen verabreden können, stellt die islamische Regierung immer wieder das Internet ab. So können sich die Menschen nicht absprechen. Und so verhindern sie, dass Videoaufnahmen von der Brutalität des Regimes hochgeladen werden. Die Infos dringen nicht bis zu uns – in den Westen – durch. Wir können aber den Menschen in Iran helfen, die Internetsperre zu umgehen, indem wir das Tor-Proxy „Snowflake“ auf unseren Rechnern einrichten. Das dauert nur wenige Sekunden und ist sehr effektiv! Wie das geht, findet ihr auf der Instagram-Seite „Free_human__“. Das Wichtigste für die Demonstrierenden und Inhaftierten aber ist die Aufmerksamkeit weiterhin auf den
offiziellen Daten vor. Unter den Festgenommenen ist die iranische Journalistin Niloofar Hamedi. Am 16. September erhielt Hamedi Zugang zum Kasra-Krankenhaus in Teheran, wo Mahsa Amini nach ihrer Inhaftierung durch die Sittenpolizei in Behandlung war. Später veröffentlichte Hamedi ein Foto von Aminis Eltern, die einander im Krankenhaus weinend umarmten. Das Foto und der dazugehörige Bericht über Aminis Tod verbreiteten sich schnell und führten schließlich zu landesweiten Protesten.
Auch die 38-jährige Neda, Mutter von zwei Kindern, leistet in der Hauptstadt Teheran ihren Beitrag zum Aufstand. Seit dem Beginn der Proteste hat sie Dutzende Demonstrant*innen bei sich aufgenommen, die von den Sicherheitskräften verfolgt wurden und einen Unterschlupf brauchten. „Das erste Mal war in der zweiten Nacht der Proteste in Teheran. Eine Gruppe von sechs jungen Frauen und Männern hämmerte an die Tür und bat um Hilfe, sie seien auf der Flucht vor der Polizei. Es war vor Mitternacht. So
Iran zu richten! In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass Hinrichtungen ausgesetzt wurden, wenn wir laut geworden sind. Je bekannter die Person, desto weniger wird sie gefoltert. Durch die Öffentlichkeit sind sie geschützter. Wir müssen der Schallverstärker der Menschen in Iran sein. Wir müssen laut sein – und bleiben. Es gibt weitere, konkrete Dinge, die ihr tun könnt, um die Menschen im Iran zu unterstützen: Folgt Menschen und Institutionen, die von den Geschehnissen in Iran berichten. Wichtig ist, wie bereits erwähnt, diese zu teilen, um die Reichweite der Geschichten der Einzelnen zu erhöhen. Bleibt aktiv! Geht auf Demos, Aktionen, Mahnwachen! Informiert euch. Die Infos zu den Veranstaltungen in Köln und Umland findet ihr auch auf unserem free_human__Kanal. Schreibt den Abgeordneten aus eurem Wahlkreis und fordert sie auf, sich öffentlichkeitswirksam für die Menschen im Iran einzusetzen. Golrokh Esmaili Akkus Abgeordnete aus eurem Wahlkreis:
www.bundestag.de/abgeordnete
Petitionen bezüglich Iran – viele findet man unter:
www.amnesty.de/jina
Iranische Frauen kämpfen auf der Straße, aber auch von zu Hause aus
Foto: REUTERS/Christian Mang TEXT: Ar I n A Mor A d I 8 FRAUENPOWER 9 IRAN
Nach dem Tod von Mahsa Amini im Iran wird der iranische Staatschef Ayatollah Ali Chamenei bei einer Demonstration in Berlin mit einer Waffe in der Hand abgebildet.
schnell wie möglich öffnete ich dieTür und schloss sie noch schneller. Die Kinder wachten auf und wir gerieten alle in Panik. Ich war vor Gefühlen so überwältigt, dass ich zu weinen begann und eines der Mädchen umarmte. Auch einige von ihnen weinten. Ich kann ihre jungen unschuldigen Gesichter nicht vergessen“, sagt die Iranerin in einem Telefongespräch.
Seit dieser Nacht ist Neda stets zur Stelle, wenn eine Demonstration durch ihre Nachbarschaft zieht. Sie bringt den Demonstrant*innen, die sich vor den Ordnungskräften verstecken, Lebensmittel, Wasser, Medikamente und was sie sonst noch benötigen. „Eines Nachts war da ein Junge mit einer Schusswunde im rechten Bein. Ich rief einen befreundeten Arzt an, ob er ihn bei mir zu Hause behandeln könnte. Aus Sicherheitsgründen konnten wir es nicht riskieren, ihn ins Krankenhaus zu bringen.“
Nadas einziger Wunsch ist es mitzuerleben, wie die Islamische Republik ihre Macht verliert. „Ich wünsche mir, dass meine Kinder in einem Land aufwachsen, in dem Frauen, Freiheit und Gleichheit respektiert werden. Ich will mit eigenen Augen sehen, wie dieses Regime gestürzt wird.“ Allerdings fällt es ihr schwer, ihren Mann davon zu überzeugen, dass sie das Haus verlässt und sich den Demonstrierenden auf der Straße anschließt.
„Von einer zweifachen Mutter wird erwartet, dass sie zu Hause bei den Kindern bleibt. Ich fühle mich, als stünde ich in Flammen. Während diese jungen Leute da draußen auf der Straße ihr Leben aufs Spiel setzen, bleibe ich zu Hause. Manchmal fühle ich mich machtlos und habe große Schuldgefühle“, gibt sie zu.
Schon bis zum 15. Oktober 2022 sind nach Angaben der norwegischen Organisation „Iran Human Rights“ bei den Protesten im Iran mindestens 215 Menschen getötet worden, darunter 27 Kinder. „Angesichts der rücksichtslosen Gewalt des Staates, die sich sogar gegen Kinder und Häftlinge richtet, und den falschen Narrativen, die die Beamten der Islamischen Republik verbreiten, ist es wichtiger als je zuvor, dass die internationale Gemeinschaft eine unabhängige Stelle unter Aufsicht der UNO einrichtet, um diese schweren Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen“, wird der Direktor der Organisation Mahmood Amiry-Moghaddam im Bericht zitiert.
Am 17. Oktober ersuchte Amnesty International den UN-Menschenrechtsrat, „dringend“ eine Sondersitzung zum Iran abzuhalten, und forderte den Rat auf, einen „unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung, Meldung und Ahndung der schwersten Völkerrechtsverbrechen und anderer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen im Iran“einzurichten. Die iranischen Behörden behaupten,
Ich bin zu Hause geblieben, um auf die Kinder aufzupassen, und mein Mann ging hinaus und demonstrierte. Er meint, die Kinder brauchen mich mehr als ihn, falls er verhaftet oder verletzt wird oder sogar stirbt, weil die Sicherheitskräfte so brutal gegen die Demonstrant*innen vorgehen ...
FRAUEN UND IHRE STÄRKEN SICHTBAR MACHEN
der Westen hätte zu den Unruhen angestiftet. „Wer hätte gedacht, dass dem Westen der Tod eines Mädchens so wichtig ist?“, sagte der iranische Außenminister Hussein Amir Abdollahian.
Trotz des zunehmend harten Durchgreifens der iranischen Sicherheitskräfte breiteten sich die Proteste im ganzen Land aus – dank Menschen wie der 41-jährigen Hana. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Bukan, 478 Kilometer westlich von Teheran, in der Provinz West-Aserbaidschan. In dieser Stadt mit rund 200.000 Einwohner*innen fanden im vergangenen Monat mehrere Proteste und öffentliche Streiks statt. Hana konnte sich den Demonstrierenden auf den Straßen jedoch nicht anschließen.
„Ich bin zu Hause geblieben, um auf die Kinder aufzupassen, und mein Mann ging hinaus und demonstrierte. Er meint, die Kinder brauchen mich mehr als ihn, falls er verhaftet oder verletzt wird oder sogar stirbt, weil die Sicherheitskräfte so brutal gegen die Demonstrant*innen vorgehen“, erzählt Hana am Telefon. Sie führt ein Damenbekleidungsgeschäft und hat als Zeichen des Widerstandes gegen den Staat an allen Streiks teilgenommen. Die Sicherheitskräfte haben die Schaufenster in ihrem Laden und in vielen anderen Geschäfte in der Stadt eingeschlagen, um ein Ende des Streiks zu erzwingen.
„Ich habe nicht aufgegeben. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, um den Aufstand zu unterstützen“, sagt die Iranerin. „Frauen, Leben und Freiheit“, betont sie, ist viel mehr als nur ein Slogan. „Für die meisten iranischen Frauen ist es ein Lebensziel. Sie leiden schon lange unter dem Druck durch ihre Familien, die Gesellschaft und vor allem durch den Staat und seine frauenfeindlichen Gesetze.“
Übersetzt aus dem Englischen von Lisa Strausz. Mit freundlicher Genehmigung von Inter Press Service / International Network of Street Papers.
Was haben Frauen geschafft und bewirkt? Einen Einblick gibt der Kölner Frauen*Stadtplan – eine Internetseite mit Informationen über frauenrelevante Orte, historische und zeitgenössische Persönlichkeiten sowie Frauenorganisationen in der Stadt. Er zeigt: Eine ganze Menge ist geschafft, aber da ist noch Luft nach oben! TEXT: MArIE BrEEr
Der Kölner Frauen*Stadtplan „Starke Frauen. Starkes Köln“ ist auf Initiative der Stiftung Frauen*leben Köln in Kooperation mit der Stadt Köln (Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern) und dem Kölner Frauengeschichtsverein entstanden. Er ging im März 2022 anlässlich des Internationalen Frauentags an den Start und enthält mittlerweile (Stand Januar 2023) 125 Beiträge. Die Stiftung Frauen*leben in Köln ist eine Tochter der Frauenberatungsstelle FrauenLeben e.V., die Frauen in Köln seit 40 Jahren auf ihrem Weg in ein freies und selbstbestimmtes Leben unterstützt. Die Stiftung, gegründet von Dr. Maria J. Beckermann, Dr.
www.frauenstadtplan.koeln
Su sanne Zickler und Dr. Annegret Gutzmann, hat sich zum Ziel gesetzt, feministische Frauenprojekte zu fördern und sichtbar zu machen. Sie möchte Frauen ermutigen, sich mit all ihren Potenzialen zu zeigen. Sie engagiert sich gegen Frauenarmut und Diskriminierung jeder Art, sei es aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung, der ethnischen Herkunft, der sozialen Schicht, der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder aufgrund einer Behinderung.
Vom Kölner Frauengeschichtsverein haben Ina Hoerner-Theodor und Irene Franken historisches Material zur Verfügung gestellt, sie prüfen alle Beiträ-
ge auf wissenschaftliche Korrektheit. Das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln unter Leitung von Bettina Mötting setzte die geodatenbasierte Online-Plattform mit Unterstützung des Amts für Informationsverarbeitung auf und wird kontinuierlich alle Beiträge einpflegen.
Der Frauen*Stadtplan ist als fortlaufendes Projekt über zehn Jahre konzipiert. Wer eine Frau für die Aufnahme in den Frauen*Stadtplan von Köln vorschlagen möchte, kann sich an die Stiftung Frauen*leben wenden:
mail@stiftung-frauenleben.koeln
www.stiftung-frauenleben.koeln
www.frauengeschichtsverein.de
Der interaktive Kölner Frauen*Stadtplan kann auf dem PC und auf dem Smartphone oder Tablet unter der Internet-Adresse www.frauenstadtplan.koeln gelesen werden. Farbige Pins untergliedern die zu entdeckenden Orte:
Rote Pins: Historische oder zeitgenössische Kölnerinnen, die wegen ihres ungewöhnlichen Lebenswegs Vorbild wurden; Frauen, die sich für die Gleichberechtigung eingesetzt, die das politische und gesellschaftliche Leben in Köln beeinflusst haben und die gegenwärtig für Frauen und Geschlechtergleichheit in Köln aktiv sind. Das sind internationale Größen und lokal bekannte Persönlichkeiten wie die Schriftstellerinnen Esther Donkor und Barbara Beuys, die Künstlerinnen Gerda Laufenberg und Mary Bauermeister oder die Frauenrechtlerinnen Brigitte Erdweg und Lale Akgün. Vertreten sind auch die DRAUSSENSEITER-Chefredakteurin Christina Bacher und Linda Rennings („Kölsche Linda“), die lange wohnungslos war, sich mittlerweile für obdachlose Frauen einsetzt und in der DRAUSSENSEITER-Redaktion mitwirkte. Gelbe Pins: Frauenprojekte und -organisationen wie die „Lobby für Mädchen“ oder der Frauennotruf.
Grüne Pins: Bekannte Orte in Köln, die in besonderer Verbindung zu Frauen stehen, wie der Fischweiberbrunnen in der Altstadt oder der Bayenturm.
Foto: Stiftung Frauen*leben in Köln 10 11 IRAN FRAUENPOWER
Die Kooperationspartnerinnen (von links): Ina Hoerner-Theodor, Anne Gutzmann, Bettina Mötting, Maria Beckermann, Irene Franken, Susanne Zickler.
ANGIE HIESL
Dieser Text über die Kölner Künstlerin wurde dem Kölner Frauen*Stadtplan entnommen
Lebensdaten geboren 22.12.1954 in Riedenburg/Oberpfalz –aufgewachsen in Venezuela, Perú und Deutschland.
Markanter Satz: Unterwegs sein, immer wieder aufbrechen, Neues suchen, weiter entdecken – Begegnungen mit Menschen ... Ort ihres Wirkens: Vor allem der öffentliche Raum. Neben der Homebase im Kunsthaus Rhenania Köln, arbeite ich seit vielen Jahren international, mit unterschiedlich langen Aufenthalten an den jeweiligen Orten.
Biografisches: Bereits mit drei Monaten übersiedelte ich mit meinen Eltern nach Caracas/Venezuela, wo mein Vater für drei Jahre an die deutsche Botschaft berufen wurde. Nach kurzem Aufenthalt in Bayern, wo meine beiden Schwestern, eineiige Zwillinge, geboren wurden, ging es für die ganze Familie für vier Jahre nach Perú, wo mein Vater für die deutsche Botschaft in Lima tätig war. Diese Zeit bedeutete die stärkste Prägung in meiner Kindheit: fast täglich Schwimmen im Meer, meine Grundschulzeit, das Erlernen der spanischen Sprache als zweite „Muttersprache“, das Zusammenleben mit zwei indigenen Haushaltshilfen, Besuche von Inka- und Präinkakulturstätten, Buntheit und Exotik, was Pflanzen und Tiere anging, üppigste Märkte und gleichzeitig Armut und Elendsviertel in unserer nächsten Umgebung, die peruanische Küche mit Ceviche und den vielfältigsten Fischgerichten, sehnsuchtsvolle Musik, Tanz und Rhythmus, aber auch die wunderschöne, langhaarige Heilige Rosa von Lima und ein sehr naiv gelebter Katholizismus.
Vielfältigste Eindrücke einer andinen, aber leider auch sehr kolonial geprägten Kultur ließen in mir schon früh Fragen nach Gerechtigkeit und Zugehörigkeit aufkommen. Es blieb für mich eine lebenslange Sehnsucht, wieder zu meinen lateinamerikanischen Wurzeln zurückzukehren – einer Kindheit zwischen bayrischem und lateinamerikanischem Barock.
Mitte der 60er Jahre ging es zurück nach Deutschland, ins Rheinland, wo ich rechtsrheinisch im Hinterland von Bonn aufwuchs. Diese Zeit, nach der Rückkehr aus Perú, begann mit der Erfahrung, dass ich erst einmal richtiges Schul-Deutsch lernen musste und nach einem Jahr fünfte Volksschulklasse ins Mädchengymnasium „Sacre Coeur“ kam. Schule war nicht meine Leidenschaft, dafür aber das Kunstturnen, die rhythmische Sportgymnastik und das Theaterspielen. Besuche von Sonntagsmatineen im Ballett Bonn ließen den Traum, selber einmal zu tanzen oder gar als Künstlerin zu leben, immer wacher werden.
Die Olympischen Spiele 1972 in München entzündeten in mir ein regelrechtes Brennen für die Kunst. Bei diesen Spielen kam zum ersten Mal wieder der griechische Ursprungsgedanke der Verbindung von Kunst und Sport zum Tragen. Täglich hielt ich mich auf dem Gelände der sogenannten Spielstraße, von Werner
Ruhnau konzipiert, und der Bühne am See auf, wo die angesagtesten Off-Theatergruppen aus aller Welt experimentelles, zeitgenössisches Theater präsentierten. Aber die Kunst und der Sport wurden durch die tragische Geiselnahme im olympischen Dorf erschüttert.
Nach dem Abitur studierte ich von 1975 bis Anfang der 1980er Jahre an der Deutschen Sporthochschule in Köln (SpoHo), wo ich mich auf Bewegungstheater und Elementaren Tanz spezialisierte. Ich hatte mich nur sehr zögerlich an die Kunst herangetraut. Hier kreierte ich u.a. mein erstes, für mich sehr wichtiges Tanzsolo zu Vokalmusik von Lauren Newton. Ich fiel mit meinem Abschlussstück in Bewegungstheater erst einmal durch, da es zu eigenwillig war, nicht der Ästhetik und den Lehrinhalten entsprach. Ich merkte sehr schnell, dass mich meine Suche doch weiterführen würde, und so begann ich auf einem selbstgewählten Wegmeine „Ausbildung“ fortzusetzen.
An der SpoHo erhielt ich die Grundlagen für meine Unterrichtstätigkeiten – Graziela Padilla, Maya Lex sowie Anna und Wolfgang Tiedt waren meine geschätzten Dozent*innen! So kam es auch, dass ich sehr früh anfing zu unterrichten, noch vor meinem eigenen Kunstschaffen.
Die Akademien und Hochschulen waren weniger interessant. Ich war ein Kind der Off-Szene. Ich suchte mir die Lehrer und Lehrerinnen, die mich speziell interessierten, wie u.a. Jerzy Grotowski mit seinem legendären Theater in Wroclaw/Polen, der den Bühnenraum und die Aktion der Schauspieler*innen auf sehr eigene Weise neu definierte, sowie das Living Theater mit seinen radikalen, politischen Straßenaktionen, und ich lernte die Schauspielmethode nach Lee Strasberg kennen.
In die Zeit fiel auch der Beginn des Theaterzirkus Piccolini, dessen Mitbegründerin ich war – wir gehörten zu den Initiator*innen des neuen Straßentheaterzirkus in Deutschland.
Die Frauenbewegung der 1970er und 80er Jahre zog mich in ihren Bann. Meinen Weg zu gehen sah ich als selbstverständlich an, auch wenn es für uns Frauen oft doppelt so schwer war wie für unsere männlichen Kollegen, was mir bereits meine Mutter vermittelt hatte.
Die Besetzung der legendären Stollwerckfabrik in der Kölner Südstadt Ende der 1970er Jahre war der Beginn meiner eigenen künstlerischen Arbeit. Bis zum Ende der Stollwerckzeit 1987 habe ich mich fast täglich dort aufgehalten, hatte dort meinen Arbeitsbereich und habe für die unterschiedlichsten Räumlichkeiten Performances und Installationen kreiert, angetrieben von dem Zeitgeist, der damals herrschte. Neben Soloarbeiten waren es auch Projekte, bei denen ich andere Künstler*innen mit inszenierte – z.B. dort angesiedelte Musiker*innen. Dieses
Gelände bedeutete für mich fast grenzenlose künstlerische Freiheit in jeglicher Richtung – ich konnte frei experimentieren, habe inter- bzw. transdisziplinär und rein ortsspezifisch gearbeitet. So kam es auch, dass ich zu den ersten deutschen Künstler*innen im darstellenden Kunstbereich gehöre, die ausschließlich ortsspezifisch gearbeitet haben.
Selbst dieser so progressive Ort, das Stollwerck, war primär männlich geprägt, und es bedeutete für uns wenige Frauen, die dort angesiedelt waren, extra Einsatz und Durchsetzungsvermögen, sich gegen die männlichen Kollegen zu behaupten.
Diese Zeit, die von gesellschaftlichen Brüchen gekennzeichnet war, von Hausbesetzungen und politischen Kämpfen für Frieden und soziale Gerechtigkeit, war prägend für die Entwicklung der Freien Szene. Über längere Zeit war es ein sehr harter Weg, denn erst allmählich entstanden Fördersysteme, die unsere Arbeit kontinuierlich ermöglichten. So gehörte der kulturpolitische Kampf für mich immer zur künstlerischen Arbeit dazu.
Nach der Stollwerck-Zeit folgten mehrere Großprojekte, mehrere Großprojekte wie die Performances „Die Rose ist rot und flatterhaft. manchmal flatterhaft in seinen Erscheinungen...“ u.a. im Neptunbad Köln 1988, „Rhein...Rhein...Rhein...
ROT... zwischen Schöpfung und Erschöpfung...“ an und auf der Südbrücke Köln 1990 und „x-mal Mensch Stuhl“, eine AktionsInstallation/Fassaden-Inszenierung in Köln 1995 und danach in vielen internationalen Städten.
Seit 1997 arbeite ich mit meinem Partner Roland Kaiser künstlerisch zusammen. Unsere Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von performativer und bildender Kunst. Die vor-
Orte im privaten und öffentlichen Raum konzipierten Arbeiten werden bundesweit und international gezeigt. Unsere performativen Interventionen lassen neue Zusammenhänge entstehen, kondensieren die örtlichen Besonderheiten und setzen sie in Bezug zu gesellschaftlichen Phänomenen. Thematische Koordinaten sind das Verhältnis zwischen menschlichem Körper und Raum/Architektur sowie der Mensch in seinem kulturellen, sozialen, politischen und globalen Umfeld. Eine Einladung für Publikum und Passant*innen, einen neuen Blick auf vertraut Geglaubtes zu werfen, eine Ver-Rückung der Realität. An Akademien und Hochschulen vermitteln wir unseren Arbeitsansatz.
Seit vielen Jahren werden wir von der Stadt Köln konzeptionell gefördert und erhalten die Spitzenförderung des Landes NRW, wofür wir sehr dankbar sind.
www.angiehiesl-rolandkaiser.de
Das Titelbild dieser Ausgabe ist ein Foto der Performance FAT FACTS / Asa Astardottir aus dem Jahr 2017 in Köln.
12 13 KÜNSTLER
Foto: Roland Kaiser
Wenn Rainer Kippe auf eine Ungerechtigkeit stößt, ist mit ihm nicht gut Kirschen essen. Das ist auch in der Kölner Stadtverwaltung bekannt, wo der Aktivist mit Petitionen, Mahnwachen und Forderungen häufig vorstellig wird. Der gelernte Sozialarbeiter, der 1974 mit seinen Mitstreiter*innen die Sozialistische Selbsthilfe in Mülheim (SSM) mit begründet hat, setzt sich zur Zeit für die fünfköpfige Familie Winands ein, die Ende Januar wegen einer Zwangsräumung zunächst in einem Obdachlosenhotel am anderen Ende der Stadt untergebracht werden sollte. Seit vor dem Kölner Verwaltungsgericht nun in einem Eilverfahren beschlossen wurde, dass das „unzumutbar“ sei, kämpft die Familie umso mehr für adäquaten Wohnraum. In der Zwischenzeit hat Kippe sie in einer Interimswohnung unterbringen können, die nicht allzu weit von Schule und Kindergarten entfernt ist.
I n TE r VIEW: CH r ISTI n A BACHE r
DR aussenseiteR: Einer Kölner Familie mit fünf Kindern –eins davon mit einer Behinderung, das besondere Betreuung braucht – wurde mit Zwangsräumung gedroht, dann wurde diese tatsächlich durchgeführt. Die Familie sollte in einem Hotel für Obdachlose in Ehrenfeld untergebracht werden – unzumutbar weit weg von Kindergarten und Schule der Kinder. Aufgrund des Protests vieler KölnerBürger*innen und mit (juristischer) Unterstützung des SSM, den du vertrittst, kam es Mitte Januar zu einem Eilverfahren am Kölner Verwaltungsgericht, das diese Unterbringung als „unzumutbar“ bezeichnete. Was genau ist das Neue an dem Urteil? Es stellt einen Präzedenzfall dar und könnte Einfluss auf die Unterbringung von Kölner Obdachlosen allgemein in dieser Stadt haben. Rainer Kippe: Du fragst nach der Bedeutung dieses Urteils. Da muss ich erst mal nach den gesetzlichen Grundlagen fragen. Für die Unterbringung von Obdachlosen gibt es eine Vorschrift im sogenannten „Ordnungsbehördengesetz NRW“. In § 14 Absatz 1 heißt es da: „(1) Die Ordnungsbehörden können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren.“ Auf diese Rechtsvorschrift stützt sich die Unterbringung von Obdachlosen. Wie geht das? Nun, der Jurist sieht das so: Obdachlosigkeit ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Sie ist mithin „ordnungswidrig“. Der Obdachlose gilt als „Störer“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so wie einer, der z.B. seinen Wagen ins Halteverbot stellt.
DRaussenseiteR: Obdachlosigkeit müsste demnach also von den Ordnungsbehörden beseitigt werden …
Rainer Kippe: Genau. Ja, die Ordnungsbehörden, das ist in Köln die Stadtverwaltung, sind demnach verpflichtet, Obdachlose von den Straßen zu holen. Dabei muss die Stadt aber die Grundrechte der Menschen beachten.
Sie darf deren Menschenwürde nicht verletzen. Wie das gehandhabt werden muss, bestimmen die Gerichte in vielen Einzelfällen. Die Verwaltungsgerichte in den Städten und das Oberverwaltungsgericht in Münster, welches für Köln zuständig ist. Die Unterbringung muss „menschenwürdig“ sein. Das gebietet der Artikel 1 des Grundgesetzes („die Würde des Menschen ist unantastbar“).
DRaussenseiteR: Ist „menschenwürdig“ nicht irgendwie Auslegungssache?
Rainer Kippe: Eben drum hat es sich die Stadt Köln das in der Vergangenheit ziemlich einfach gemacht, denn das Minimum, was einem Menschen zugemutet werden darf, ist ziemlich niedrig angesetzt. Die Rechtsprechung spricht von von „Schutz vor den Unbilden der Witterung“ sowie von „Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse“. Da müssen die Menschen zusammenrücken und auch mit der Unterbringung in einer „Sammelunterkunft“ zufrieden sein. Schlafsäle oder Mehrbettzimmerwie in der Vorgebirgstraße und in den „Vertragshotels“ der Stadt Köln, schlafen mit Drogenkranken oder psychisch Kranken in einem Raum, mit 3, 4, 5, 6 anderen Obdachlosen, jede Stunde geweckt, jede Nacht beklaut werden – das ist die Hölle für jeden, der es einmal mitgemacht hat, aber es ist im reichen NRW durchaus legal und üblich. Abschließbare Einzelzimmer für jeden Obdachlosen, das hat der Rat vor einem Jahr zwar beschlossen, die Regel ist es aber immer noch nicht.
DRaussenseiteR: Okay, verstanden. Zurück zu dem aktuellen Urteil, das die Familie Winands betrifft … Rainer Kippe: Jetzt komme ich zu dem Urteil: „Die Grenze zumutbarer Einschränkungen“ – so führt es das Verwaltungs-
gericht Köln im vorliegenden Fall aus, „liegt allerdings dort, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht eingehalten sind.“ Und hier haken die Richter*innen ein. Denn für Juristen kommt es immer auf den Einzelfall an. „So kann“ – formuliert das Gericht ganz vorsichtig – durchaus in „Ausnahmefällen“ selbst auch bei Einzelpersonen ein Anspruch auf Versorgung mit einem Raum, der der Betreffenden für sich allein zur Verfügung steht, bestehen“. „Liegen“– so urteilt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in einem Fall aus dem Jahre 2016 – „besondere Umstände wie etwa Alter, körperliche und psychische Erkrankungen sowie Pflegebedürftigkeit vor, bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob eine grundsätzlich zur Unterbringung von Obdachlosen geeignete Unterkunft auch für den jeweiligen Antragsteller zumutbar ist.“
DRaussenseiteR: Zumutbarkeit ist ja auch Auslegungssache … Rainer Kippe: Das stimmt zwar, aber dass das Verwaltungsgericht Köln in der Sache Winands hier ein dickes Fragezeichen hinter die „Zumutbarkeit“ der „Unterkunft“ in Ehrenfeld macht, ist tatsächlich das „Bahnbrechende“ an der Entscheidung, weil ein Gericht zum ersten Male einhakt in diesem wesentlichen Punkt. „Darüber hinaus muss die zugewiesene Unterkunft den schutzwürdigen Belangen von minderjährigen Kindern Rechnung tragen und nach ihrem Zuschnitt Rückzugsmöglichkeiten für einzelne (erwachsene) Familienangehörige bieten.“
DRaussenseiteR: Viele obdachlose Menschen werden in Köln ja in Hotels untergebracht, mit denen die Stadt einen Vertrag geschlossen hat. Die sind zwar eigentlich als kurzfristige Lösung gedacht, die Leute sind da jedoch häufig lange Zeit – manchmal Jahre – untergebracht. In dem Urteil ging es jetzt interessanterweise auch um die Dauer dieser Unterbringungen …
Rainer Kippe: Ja, das ist der nächste Punkt, den sich das Verwaltungsgericht vorgeknöpft hat: die Dauer der Unterbringung Damit hat das Kölner Gericht einen neuen Punkt in die rechtliche Betrachtung eingeführt. Kurz gesagt: Was für die Unterbringung in der ersten Not gelten mag, wo es tatsächlich darum geht, Menschen vor der Witterung und den Gefahren der Straße zu schützen, gilt nach der Meinung der Kölner Richter*innen nicht für einen Daueraufenthalt. Das leuchtet jedem unbefangenen Betrachter unmittelbar ein, wurde aber in den bisherigen Entscheidungen, soweit sie uns zugänglich sind, nie berücksichtigt. Hier schreibt das VG Köln wohl Rechtsgeschichte – wenigstens in NRW, denn sie sagen, dass „die Antragsgegnerin (das ist die Stadt Köln) selbst davon ausgeht, dass die Antragstellerin (das ist die Familie Winands) wahrscheinlich längerfristig untergebracht werden“ müssee. Und dazu forscht das Gericht in den E-Mails der Stadt Köln, was bedeutet, dass das Gericht einen Blick in die städtischen Akten geworfen hat, die es sich hat vorlegen lassen. Hier wurde aufmerksam und sorgfältig gearbeitet. Das zeichnet das Urteil weiter aus.
DRaussenseiteR: Dass Menschen in angemieteten Hotels untergebracht werden, die teilweise heruntergekommen und fast unbewohnbar sind, ist euch vom SSM schon lange ein Dorn im Auge. Meines Wissens wurde das in Köln zwar schon lange so gehandhabt, aber es hat kaum einer Anstoß daran genommen.
Rainer Kippe: Die Stadt Köln beschränkt sich beim Angebot für obdachlose Menschen auf ihre eigenen Gebäude und auf die „Hotels“, mit denen sie Verträge unterhält – nach Angebot und Kosten ein Extra-Skandal, den in Köln außer dem SSM tatsächlich noch niemand aufgegriffen hat. Das Verwaltungsgericht hingegen ist der Auffassung, dass die Stadt Köln im Falle der Obdachlosigkeit geeignete Unterbringung in der ganzen Stadt, bei allen Hotels und auch auf dem
Die Zwangsräumung der Familie Winands am 17. Januar 2023 aus ihrer Wohnung in Köln-Gremberghoven geschah vor den Augen der Öffentlichkeit. Aktivist*innen wie Kalle Gerigk (im Foto oben an der Tür) versuchten die Räumung zu verhindern, die von einem Gerichtsvollzieher angeordnet worden war. Die Aktion wurde von einem hohen Polizeiaufgebot begleitet, lief jedoch friedlich ab.
Nach der Räumung zog die 34-jährige Mutter mit ihren Unterstützerinnen und Unterstützern, darunter der Kabarettist Jürgen Becker und der Journalist Martin Stankowski, zum Historischen Rathaus. Oberbürgermeisterin Henriette Reker war nicht zu sprechen, so stand wenig später Sozialdezernent Harald Rau Rede und Antwort.
„Wir verlangen, dass die Stadt Köln für alle Menschen adäquaten Wohnraum anmietet“
Foto: SSM Foto: Kalle Gerigk 14 15 ZWANGSRÄUMUNG ZWANGSRÄUMUNG
SSM Rainer Kippe (rechts) und Reentje Streuter von der Sozialberatung der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim verlasen auf dem Alter Markt vor dem Rathaus den Beschluss des Verwaltungsgerichts: „Wenn der Antragsgegnerin keine geeignete, öffentlich-rechtlich gewidmete und von ihr betriebene Obdachlosenunterkunft zur Verfügung steht, hat sie grundsätzlich sämtliche in Betracht kommenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in den Blick zu nehmen.“
Kommentar von Rainer Kippe (SSM)
Unabhängig von der formellen Lösung muss sich unsere städtische Sozialpolitik grundlegend ändern.
FRIEDERIKE BENDER ÜBER LUCIAN
freien Wohnungsmarkt suchen muss. Es sagt wörtlich: „Die Auswahl eines geeigneten Mittels darf von Rechts wegen nicht von vorneherein auf die in der beschriebenen Form zur Verfügung stehenden Unterbringungsmöglichkeiten beschränkt werden.“
Und es weist auf einen anderen, für die Jurist*innen selbstverständlichen, für Laien aber bahnbrechenden und für die Stadt Köln schwer zu akzeptierenden Umstand hin: „Welche Kosten hierdurch entstehen, ist rechtlich unerheblich.“ Das heißt, die Fachstelle Wohnen ist seit der Kündigung der Familie Winands Anfang letzten Jahres verpflichtet, in ganz Köln, bei allen Hotelangeboten und auch auf dem freien Wohnungsmarkt, nach einer geeigneten Wohnung für die Familie Ausschau zu halten.
DRaussenseiteR: Und wie sieht das die Stadt Köln? Sozialdezernent Rau war ja persönlich bei der Räumung dabei, und auch nach der Kundgebung am Rathaus einige Tage später habt ihr ihn mit dem Gerichtsurteil konfrontiert.
Rainer Kippe: Dr. Rau hat am Räumungstag, als wir mit der Familie vors Rathaus zogen, vor laufenden Kameras der Frau Winands den Vorwurf gemacht, sie habe ihre Miete nicht bezahlt. Sie musste sich öffentlich rechtfertigen mit dem Hinweis: „Nicht ich habe die Miete nicht bezahlt, sondern das JobCenter.“ Außerdem hat er öffentlich Tatsachen mitgeteilt, die er nur aus den Akten haben kann. Das ist nicht nur ein schwerer Verstoß gegen die Regeln der Verwaltung und der Sozialen Arbeit, das ist auch strafbar, und deswegen hat Frau Winands ihn auch bei der Staatsanwaltschaft Köln wegen Verrat von Privatgeheimnissen angezeigt. Ordnungsrechtlich ist es im Übrigen völlig unerheblich, aus welchem Anlass die Familie obdachlos geworden ist und wer die Schuld dafür trägt. Die Stadt als Ordnungsbehörde muss die Obdachlosigkeit ohne Ansehen der Person oder des Räumungsgrundes beseitigen. So viel Ordnungsrecht müsste einem Sozialdezernenten und einem städtischen Presseamt bekannt sein.
DRaussenseiteR: Und wie geht es dann weiter?
Rainer Kippe: Die Sozialberatung des SSM hat Frau Winands geholfen, einen Antrag an das Gericht zu stellen, wonach das Gericht die Stadt auffordern soll, dem Gerichtsbe-
schluss nachzukommen und ihr im Falle der Weigerung ein Bußgeld auferlegt. Auf die Stellungnahme der Stadt sind wir gespannt. Sollte das Gericht seinen eigenen Beschluss bestätigen und der Stadt ein Bußgeld auferlegen, dann wäre der Skandal perfekt. Gespannt sein dürfen wir auch auf die Entscheidung von Sozialdezernent Raus Rechtsabteilung, ob sie nun doch noch gegen den Beschluss des VG Köln beim OVG Münster Beschwerde einlegen will. Viel Zeit hat sie in einer Eilsache wohl nicht.
DRaussenseiteR: Und wo lebt die Familie jetzt? Gehen die Kinder wieder zur Schule?
Rainer Kippe: Nach der Räumung war sie für drei Tage in einem Kölner Hotel zu Gast, dann kam sie in einem kleinen Appartement in Porz in ihrer gewohnten Umgebung unter, welches uns Unterstützer zur Verfügung gestellt haben –ohne Kosten und ohne zeitliche Begrenzung. Am Montag waren die Kinder bereits wieder in Schule und Kita. Jetzt suchen wir nach einer geeigneten Wohnung. Auch die Therapie des behinderten Sohnes läuft weiter. Von hier aus wird für die Familie eine geeignete Wohnung im Umfeld gesucht. Die Familie hat das Nötigste, die Möbel etc. sind derzeit untergestellt.
DRaussenseiteR: Welche Auswirkungen wird der Fall Winands auf die Politik dieser Stadt haben?
Rainer Kippe: Je nachdem, was Stadt und Gericht in den nächsten Wochen vorlegen, wird der Beschluss der 22. Kammer des VG Köln erheblichen Einfluss auf die Obdachlosenunterbringung der Stadt Köln haben, denn der Beschluss erklärt weite Teile der jetzigen Unterbringungspraxis für illegal. So wie zu Zeiten des legendären Wohnungsamtschefs Uwe Kessler (Rainer Kippe arbeitete bei ihm 1975 als Praktikant der Sozialarbeit. Anm. d. Red.), wird die Stadt Köln dann nicht mehr nur wie jetzt bis zum Tage der Räumung zuschauen dürfen. um dann die Geräumten in ihren Billig-Hotels für sündhaftes Geld (40 Euro pro Nacht) in Mehrbettzimmern unterbringen. Sondern sie wird, wie vor 30 Jahren üblich, am Räumungstag mit Wohnungsangeboten, Lagerraum und Kinderbetreuung bereitstehen. Auch wird die Stadt vermehrt und zeitnah Räumungen durch Übernahme der Mietkosten verhindern, wozu sie sich ohnehin verpflichtet hat. Dies auch, weil nach einer Erfahrungsregel die Resozialisierung eines Menschen, der erst einmal auf der Straße gelandet ist, z.B. durch Housing First, zehn Mal teurer ist als die Verhinderung der Räumung durch die Übernahme von Mietschulden.
DRaussenseiteR: Danke für das Gespräch.
Die Stadt braucht wieder ausreichend Belegwohnungen bei GAG und Genossenschaften, so wie das vor 30 Jahren noch der Fall war, und sie braucht auch wieder Wohnungen in Übergangshäusern für die ganz harten Fälle, die es ja auch gibt. Es muss aufhören, dass die Sozialverwaltung, statt Wohnungen und Betreuung anzubieten, das Problem auf die Straße verlagert und die Menschen der privaten Fürsorge überlasst. Das ist auch verfassungswidrig, weil beim jetzigen Zustand die Menschenrechte der Obdachlosen sowie der von Obdachlosigkeit Bedrohten in erheblichem Ausmaß verletzt werden.
Es ist ja nicht zu übersehen, dass die große Mehrheit der Menschen, die auf der Straße sind, psychisch oder körperlich krank ist beziehungsweise alkohol- und drogenkrank. Für diese Menschen muss es betreute Einrichtungen geben mit Sozialarbeiter*innen, Pfleger*innen, Ärzt*innen. Aus Spenden finanzierte private Hilfen wie Gulliver am Hbf oder die ARCHE am Bergischen Ring am Wiener Platz genügen in einem Sozialen Rechtsstaat, wie ihn das Grundgesetz vorsieht, wohl kaum. Wir haben in den 1980er Jahren die Psychiatrien aufgemacht, jetzt sitzen die Patienten auf der Straße. Das kann nicht sein. Dass diese bekannten und immer weiter anwachsenden sozialen Probleme ins Ordnungsrecht verschoben werden, ist auch rechtlich ein Skandal, der alle Juristen und alle Organe der Rechtspflege aufwecken sollte.
Wir verlangen, dass die Stadt Köln für alle Menschen, die in den Hotels oder in provisorischen Unterkünften wie der Gummersbacher Straße 25 (OMZ) vor sich hindämmern, Wohnungen anmietet, die finanziert werden aus den eingesparten Hotelmieten von 40 Euro pro Person und Nacht – bei einem Vierbettzimmer sind das bis zu 160 Euro pro Nacht, pro Monat und Zimmer also bis zu 4.800 Euro. Und dass die Stadt langfristig auch wieder selber Wohnungen baut. Aus der Mietdifferenz kann man dann noch die Betreuung und Resozialisierung bezahlen.
Lucian lebte seit etwa drei Jahren in Deutschland. Er hatte Familie, die bereits in Deutschland war, und hat dann über Vermittlung seines Bruders eine Arbeit als Hilfskraft auf einer Baustelle gefunden. Mit seinem Arbeitseinkommen gelang es Lucian ein kleines Zimmer anzumieten. Aufgrund einer Kündigungswelle verlor er seine Arbeit und konnte somit auch sein Zimmer nicht mehr halten. Er bemühte sich, andere Arbeit zu finden, dies gestaltete sich jedoch als schwierig. Aufgrund der beengten Wohnverhältnisse war ein Unterkommen bei seiner Familie nicht möglich. Außerdem war ihm seine Situation sehr unangenehm und er wollte niemandem zur Last fallen. Die Übernachtung in einer Notschlafstelle lehnte er ab, da ihm dort zu wenig Privatsphäre und zu viele Konflikte waren, außerdem hatte er Angst vor Diebstählen und Krankheiten.
Lucian zog in den Wald. Er baute sich in einem kleinen Waldstück in der Nähe von Holweide in wochenlanger Kleinarbeit eine kleine Holzhütte aus Ästen und Stöcken. Abgehängt mit Planen gegen den Regen und mit grünen Zweigen geschützt vor allzu vielen Blicken von Spaziergänger*innen, begann er, sich dort ein wenig „häuslich“ mit dem Nötigsten einzurichten, und schuf sich so seinen eigenen kleinen Rückzugsort. Seinen Lebensunterhalt verdiente er fortan mit dem Sammeln von Pfandflaschen, hierfür organisierte er sich extra ein altes, klappriges Fahrrad, mit dem er stadtweit alle Mülleimer anfuhr.
Ich wurde auf Lucian über das Ordnungsamt aufmerksam. Man hatte die Hütte im Wald im Rahmen einer Streife entdeckt. Lucian war sehr krank und in einem schlechten körperlichen Zustand, als das Ordnungsamt ihn antraf. Es dauerte eine Weile, bis ich die gut versteckte Hütte von Lucian im Wald fand. Als ich Lucian antraf, war er sehr stark abgemagert, konnte nicht mehr stehen oder laufen und lag bereits seit mehreren Wochen nur noch auf seiner Pritsche in der Hütte. Er klagte über sehr starke Schmerzen in den Beinen. Versorgt wurde er von seinem Bruder, der ihm alle paar Tage Lebensmittel in den Wald brachte. Die Hütte war sehr verdreckt, da Lucian körperlich nicht mehr in der Lage war, sie sauber zu halten. Es war sehr deutlich, dass er sich in einem potenziell lebensgefährlichen Zustand befand und dringend ins Krankenhaus musste. Auf meine Frage, warum er oder sein Bruder nicht schon früher einen Krankenwagen gerufen hätten, antwortete er, er habe sich Sorgen um möglicherweise anfallende Kosten gemacht, da er aktuell über keine Krankenversicherung in Deutschland verfügte. Ich alarmierte einen Krankenwagen. Es gestaltete sich schwierig, Lucian aus dem Wald zu transportieren. Eine normale Krankentrage konnte aufgrund des unwegsamen Waldgeländes nicht zum Einsatz kommen. Die Rettungssanitäter alarmierten die Feuerwehr, die Lucian schließlich in einem Bergungssack mit schs Feuerwehrmännern aus dem Wald trug. Er wurde sofort in das Krankenhaus eingeliefert. Mehrere Tage später rief mich der behandelnde Arzt an und machte deutlich, dass Lucian sehr starke Wassereinlagerung in den Beinen habe und dringend operiert werden müsse. Da er in Deutschland noch nicht lange genug versicherungspflichtig gearbeitet und somit keinen Anspruch auf Sozialleistungen hatte, verfügte er auch über keine Krankenversicherung, die in seinem Fall die OP-Kosten übernehmen würde. Lucian wurde in dem Krankenhaus mehrere Tage versorgt und dann in die Notschlafstelle entlassen. Dort verbrachte er eine Nacht und ging am nächsten Tag zurück in seine Waldhütte.
Drei Tage nach seiner Krankenhausentlassung rief mich erneut das Ordnungsamt an. Lucian war allein in seiner Hütte im Wald verstorben.
FRIEDERIKE BENDER ist Streetworkerin in der OASE und vor allem für den Bereich humanitäre Hilfen zuständig. Sie spricht unter anderem rumänisch und bulgarisch und berichtet im DRAUSSENSEITER ab sofort regelmäßig über ihre Arbeit.
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AUF DER STRASSE
Foto: Christiane Rath
AUCH MÄNNER WERDEN GESCHLAGEN
Gewalt an Männern ist noch immer ein Tabuthema. Ein Psychologe und Psychotherapeut berichtet von seiner Arbeit bei der Bielefelder Männerberatungsstelle „man-o-mann“. Er ist Teil eines multiprofessionellen Teams, das seit April 2020 an der Strippe von Deutschlands erstem Männerhilfetelefon sitzt.
gehört wurden“, sagt der Männertherapeut. Als wichtigstes Kriterium für das neue Angebot haben die Expert*innen einhellig die Niedrigschwelligkeit genannt. „Die Hürde, sich Hilfe zu holen, ist bei Männern per se viel, viel höher als bei Frauen. Das darf das Angebot mit seiner Struktur nicht verstärken. Deshalb galt: keine Wege, keine Kosten, kein Risiko“, erläutert Süfke.
fällt es schwerer zuzugeben, dass sie derjenige waren, der am Boden lag, als derjenige, der zugeschlagen hat. Wehrlos zu sein ist für die meisten unmännlich“, erzählt Süfke. Für männliche Opfer von Gewalt, erst recht, wenn sie ihnen von Frauen angetan wurde, kommt neben dem eigentlichen körperlichen und seelischen Schmerz immer noch ein Identitätskonflikt mit der eigenen Geschlechterrolle hinzu.
Alexander ist einer, dem Frauen hinterherschauen. Und einer, der was zu sagen hat. Er ist der Assistent des Geschäftsführers in einem größeren Logistikunternehmen. Oft arbeitet er mehr als 50 Stunden in der Woche. Und geht vor oder nach dem Büro noch ins Fitnessstudio. Verheiratet ist er auch. Mit Lisa-Marie. Alexander ist einer, bei dem niemand auf die Idee kommen würde, dass er häusliche Gewalt erfährt. Genauso ist es aber. Lisa-Marie kontrolliert ihn. Filzt sein Handy, durchwühlt seine Sachen, horcht gemeinsame Freunde aus, checkt den Verlauf des Navis im Auto und versteckt den Türschlüssel, wenn sie ihn nicht aus der Wohnung lassen möchte. Sie wird sogar gewalttätig. Wirft mit Sportschuhen nach ihm, zertrampelt seine Modellbau-Flugzeuge und schlägt blindlings um sich – das alles begleitet von wüsten Beschimpfungen.
Arbeitssucht als Kompensationsversuch
Alexander und Lisa-Marie gibt es nicht. Sie sind ein Beispiel für die Konflikte, mit denen Björn Süfke tagtäglich zu tun hat. Der Psychologe und Psychotherapeut arbeitet in der Bielefelder Männerberatungsstelle „man-o-mann“ und weiß: „Männer, die zu Hause Gewalt erleben, überperformen oft im Außen und versuchen so, ihr Leid zu kompensieren.“ Zusammen mit seiner Beratungsstelle ist er Teil eines multiprofessionellen Teams, das seit dem 22. April 2020 an der Strippe von Deutschlands erstem Männerhilfetelefon sitzt. „Das Männerhilfetelefon ist im Grunde genommen nichts anderes als der kleine Bruder des Hilfetelefons für Frauen, das es schon lange gibt“, erklärt Süfke.
Ins Leben gerufen wurde das Angebot vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Seit dem 1. April 2021 beteiligt sich auch das Land Baden-Württemberg mit einer finanziellen Förderung
daran. Neben der Beratungsstelle „man-o-mann“, die von nordrhein-westfälischer Seite am Projekt beteiligt ist, engagieren sich für Bayern die Beratungs- und Clearingstelle der AWO Augsburg und für Baden-Württemberg die Sozialberatung Stuttgart. Das Männerhilfetelefon versteht sich als Angebot für jeden, der in irgendeiner Form eine Verletzung seiner körperlichen oder seelischen Grenzen erlebt und erlitten hat oder noch immer in so einer Situation gefangen ist.
„Den Gewaltbegriff fassen wir sehr weit auf. Für uns ist das Leid entscheidend, das der Einzelne hat, und die Unterstützung, die nötig ist. Alles, was einen weiterhin umtreibt oder nicht zur Ruhe kommen lässt, kann Anlass für einen Kontakt zu uns sein“, führt Süfke aus.
Auch Frauen gehen ans Männerhilfetelefon
Die Gründung vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren sei mit den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern Hand in Hand gegangen, berichtet Süfke. „Das war ein guter Prozess, in dem Praxisstellen intensiv gefragt und
Die Hürde, sich Hilfe zu holen, ist bei Männern per se viel, viel höher als bei Frauen. Das darf das Angebot mit seiner Struktur nicht verstärken. Deshalb galt: keine Wege, keine Kosten, kein Risiko ...
Das Männertelefon ist zwar in erster Linie eine Hotline, bietet aber auch kostenlose und anonyme Beratung via E-Mail und Live-Chat an. Im Vergleich zu seinem Pendant für Frauen ist es noch deutlich spärlicher ausgestattet. „Wir können kaum Beratung für fremdsprachige Männer anbieten, sind meistens auf einer, maximal auf zwei Leitungen erreichbar und am Wochenende gar nicht da. Das ist alles noch ausbaufähig, aber dass es uns überhaupt gibt, ist ein erster Schritt, mit dem ich – ganz ehrlich – so schnell nicht gerechnet hätte“, fasst Süfke zusammen.
Als Berater*innen sind beim Männerhilfetelefon auch Frauen tätig, denn Männer erfahren weit häufiger Gewalt durch andere Männer als in der Partnerschaft mit einer Frau. „Bei uns melden sich Homosexuelle, die von Homophoben mit dem Tod bedroht werden, Männer, die als Kind von den Mitschülern gemobbt, vom Vater geprügelt oder vom Trainer missbraucht wurden, und auch Männer, die von den älteren Männern ihrer Großfamilie zu einer Zwangsheirat gedrängt werden“, beschreibt Süfke das Spektrum der Hilfesuchenden und ergänzt, dass eine Frau am anderen Ende der Leitung „da manchmal geeigneter ist“. Überproportional viele Anrufer wenden sich aber mit Erlebnissen von häuslicher Gewalt in der Partnerschaft an Süfke und seine Kolleginnen und Kollegen. Etwa 60 Prozent der Klienten berichten davon. „Ich glaube, hier zahlt sich unsere Niedrigschwelligkeit aus. Den meisten Männern
Von der Hälfte des Menschseins abgeschnitten Gerade bei den Männern, die Gewalt in der Partnerschaft mit einer Frau erleben, geht es zunächst mal darum, ihnen Glauben zu schenken. „Manche haben sich wegen schlimmen Misshandlungen an die Polizei gewandt – und wurden ausgelacht“, erzählt Süfke. Ansonsten besteht seine Aufgabe hauptsächlich darin, sich auszukennen und gut vernetzt zu sein. „Wir sind eine erste Anlaufstelle, der es hoffentlich gelingt, Vertrauen ins Hilfesystem zu schaffen.“ Je nach Problemlage verweist Süfke die Männer dann weiter – zum Beispiel an Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen oder Psychotherapeut*innen.
Langfristig sieht Süfke aber nur eine Lösung in gesamtgesellschaftlichem Umdenken. „Auch wenn es da in Bildungskonzepten für Kindergarten- und Schulkinder schon gute Ansätze gibt, müssen wir viel mehr dahin kommen, dass als Lebensentwurf alles für jeden möglich ist. Jemanden auf seine traditionelle Geschlechterrolle zu reduzieren, schneidet ihn von der Hälfte seines Menschseins ab und verwehrt ihm unzählige Möglichkeiten. Das ist ungesund und macht krank“, untermauert Süfke seinen Appell.
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Trott-war / International Network of Street Papers
BJÖRN SÜFKE
arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten mit problembelasteten Männern. Direkt nach dem Studium hat er in einer Männerberatungsstelle angefangen. Heute sitzt er auch am Hörer von Deutschlands erstem Männerhilfetelefon.
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Foto: Privat
TEXT: AnnE BroCKMAnn
Blutmond
Was wäre die Krimiszene ohne Harry Hole? Wie kämen die Ermittler*innen in Oslo bloß ohne ihn klar? Er muss wieder her, dieser trunkene, versoffene, an Leib und Seele kaputte Außenseiter, der gerade dabei ist, sein letztes Hemd an der Theke einer Spelunke in Los Angeles zu versaufen. Als einzige Begleiterin Lucille, eine alternde verkommene Diva, die gut und gerne seine Mutter sein könnte. Nicht ein Penny bleibt ihm mehr, da kommt der Hilferuf aus Oslo gerade recht. Dort sind etwa zeitgleich zwei junge Frauen ermordet worden – auf bestialische und gleichzeitig unglaublich wahnsinnige Art. Ermittlerin Katrine Bratt braucht die Hilfe von Harry Hole. Denn niemand sonst kennt sich so im Aufspüren von Serientätern aus wie ihr ehemaliger Kollege. Doch die oberen Chargen, angefangen vom Chef bis hin zum Justizminister, wollen davon nichts wissen. Und Harry hat ein Problem. Er braucht dringend fast eine ganze Million Dollars, um Lucilles Haut zu retten. Seine Saufkumpanin hat sich mit den falschen Leuten eingelassen. Und die drohen nun, sie hopsgehen zu lassen, wenn nicht innerhalb einer kurzen Frist das Geld eintrudelt. Also macht sich Harry Hole auf den Weg nach Oslo, wo ihm ein Bonze, der der Morde an den jungen Frauen verdächtigt wird, genau die Summe bietet, die er für den Freikauf von Lucille benötigt. Seine einzige Aufgabe: den Täter finden. Pech für den reichen Gönner ist allerdings, dass er als Erstes in den Dunstkreis der Verdächtigen gerät. Das Team, das Harry Hole sozusagen als Konkurrenz zu den ermittelnden Polizeibeamt*innen um sich scharrt, ist wenig ansehnlich: ein im Sterben liegender Psychologe, an dessen Krankenbett die Teamsitzungen abgehalten werden. Ein korrupter Polizist, der allerdings Zugang zu den Polizeidaten hat. Und ein kokaindealender ehemaliger Schulkamerad, der sich in der Szene sehr gut auskennt. Trotz aller Widrigkeiten und obwohl die parallel ermittelnden Polizist*innen ihnen Stein über Stein in den Weg legen, kommen die kuriosen Gestalten um Harry Hole gut voran. Hole hat sich eine
strenge Trinkdiät auferlegt, an die er sich hält. Immer unterbrochen durch seine Trauer um die Ermordung seiner geliebten Rakel, um die Erkenntnis, dass er einen Sohn hat. Und einen ehemaligen Freund, der dies nicht ertrug. Mit sicherer Hand führt uns Jo Nesbø wieder einmal in die kaputte Welt des Harry Hole. Man traut ihm eigentlich nichts mehr zu, er will sich zu Tode saufen. Und plötzlich, um Lucille freizukaufen, findet er wieder zu alter Größe und scharfem Verstand zurück. Durch alle Wirren und Widrigkeiten geleitet uns
Autor Jo Nesbø, der sein Handwerk versteht wie kaum ein anderer.
Ingrid Müller-Münch
Jo Nesbø: Blutmond. Harry Hole ermittelt.
Ullstein 2022, 25,90 Euro.
ISBN 978-3-55020-155-4
Denn Coben scheut sich nicht, das Terrain zu wechseln und sich der Cloud zu widmen, den Influencer*innen und Hacker*innen ebenso wie geheimen Online-Organisationen. Etwa der Online-Gruppe Boomerang, spezialisiert darauf, Online-Trolle und Mobber ausfindig zu machen und die Schlimmsten von ihnen zu bestrafen.
HARLAN COBEN
Was im Dunkeln liegt
Wilde weiß nicht, woher er kommt. Als kleines Kind wurde er in den Wäldern der Appalachen ausgesetzt, von wem auch immer. Dort überlebte er, indem er in Ferienhäuser einbrach, sich von den gehorteten Konserven ernährte.
Irgendwann wurde er entdeckt, kam in eine Pflegefamilie, sorgte als das wilde Waldkind amerikaweit für Schlagzeilen. Nun ist er erwachsen, Privatdetektiv und in zweiter Krimi-Folge präsent. Aus einer Laune heraus hat er seine DNA in eine Website eingegeben, die auf die Forschung nach Familienangehörigen spezialisiert ist. Unerwartet wird ein Treffer gelandet. Alter, Geschlecht und die hohe Übereinstimmung zeigen, dass ein unter DC registrierter Mann sein Vater zu sein scheint.
Wilde sucht den Mann auf, der reagiert erstaunlich verwirrt, Wilde insistiert nicht, verkrümelt sich wieder, zieht sich in seine hyper-hightechmäßig ausgestattete Waldbehausung zurück. Ohne zu ahnen, was er durch seine schlichte Suche ausgelöst hat. Harlan Coben, in diesem Fall im Cyberspace.
„Sie haben Selbstjustiz geübt“, sagte Wilde. Chris wiegte den Kopf. „Ich sehe es eher so, dass wir versucht haben, in einem bisher gesetzlosen Bereich die Ordnung einzuführen. Unser Rechtssystem ist noch nicht im Internet angekommen. Noch ist die Online-Welt der Wilde Westen der Gegenwart. Es gibt keine echten Regeln oder Gesetze, nur Chaos und Verzweiflung. Deshalb haben wir als eine Gruppe seriöser Menschen mit ethischen Werten versucht, ein Mindestmaß an Recht und Ordnung zu etablieren. Unsere Hoffnung war, dass neue Gesetze und Normen uns irgendwann einholen und dann überflüssig machen würden.“
Was das alles mit ihm zu tun hat, muss Wilde auf eine schmerzliche, ja lebensbedrohliche Weise erfahren. Eine Zeitlang gerät er gar in Verdacht, die sich anhäufenden Morde verübt zu haben. Muss mühsam lernen, dass es in Reality-Shows so gar nicht um die Wirklichkeit geht, dass sich Fakes und Glamour mit dem tatsächlichen Leben vermischen. Und letztlich nur das zählt, was die Fans in miesen SocialMedia-Accounts liken und followen. Eine hinreißende Story, mag sie nun Fake, Fiktion oder Realität sein. Cobens Serienheld Myron Bolitar, der einstige Basketballstar und spätere Rockagent mit detektivischen Ambitionen, hat abgedankt. Und das Zepter an Wilde weitergegeben. Protagonist eines Autors, der längst mit allen Ehrungen des Krimigenres ausgezeichnet wurde. Und der ein Meister der Ironie, der Wortspiele, der fetzigen Antworten und launigen Dialoge ist. Der von Anfang an wie ein Marionettenspieler alle Fäden hält, um genau im richtigen Moment den entscheidenden Strang zu ziehen.
Ingrid Müller-Münch
Harlan Coben: Was im Dunkeln liegt. Goldmann 2022, 16 Euro.
ISBN 978-3-44220-631-5
Christina Bacher (Hrsg.)
dIE LETZTEn HIEr
Köln im sozialen Lockdown
Wie erleben Obdachlose die Corona-Pandemie in Köln? Wie geht eine Großstadt mit dem Lockdown um, wenn nicht alle zu Hause bleiben können? Was, wenn Armut in einer Stadt plötzlich deutlich sichtbarer wird? Haben sich Strukturen des Hilfesystems verändert?
Und: Hat sich durch die Krise vielleicht sogar etwas zum Guten gewandt für diejenigen, die sonst durchs Raster fallen? Mit eben diesen Fragen hat sich Deutschlands ältestes Straßenmagazin DRAUSSENSEITER beschäftigt und nun eine Auswahl an Texten und Fotos zusammengestellt, teilweise von Betroffenen selbst.
Daedalus Verlag
144 Seiten (mit zahlreichen Abbildungen)
12,- Euro, ISBN 978-3-89126-267-2
Erhältlich im Straßenverkauf oder im Buchhandel
21 BUCH-TIPPS
HEIKO SAKURAI
CARTOON
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JO NESBØ
Lauter gute Gründe dagegen zu sein – Außenministerin Baerbock präsentiert zusammen mit Entwicklungsministerin Schulze ihr Konzept einer »feministischen Außenpolitik«.
20
HÄFTLINGSBETREUUNG
Erzählwerkstatt in der JVA
LOTHARS REISE
TEIL 2: ERINNERUNGEN AN DAS NEUNEURO-TICKET
2. Juni 2022: Mein Tagesausflug ist noch lange nicht zu Ende. Nachdem ich von Köln aus über Aachen und Düren nach Euskirchen gefahren bin, steht hier um 15 Uhr eine Regionalbahn nach Mechernich bereit. Am nächsten Halt muss ich dann in den Schienenersatzverkehr umsteigen.
LOTHAR SCHMIEDING macht freiwillig Platte, wie er sagt. Seit vielen Jahren zeigt er den Menschen bei Sozialen Stadtrundgängen gerne seine Sicht auf Köln, er verkauft den DRAUSSENSEITER nicht nur, er schreibt auch für ihn. Das Unterwegssein hat ihm immer schon Freude gemacht. Daher war das Neun-Euro-Ticket für ihn ein großes Geschenk, das er großzügig ausgenutzt hat. Ein 49-Euro-Ticket wird er sich wohl nicht leisten können.
Kloster Steinfeld gefahren. Ich besteige den zweiten Bus, er ist mit dem
Heute kommen sogar zwei Busse. Der erste wäre wahrscheinlich übers Kloster Steinfeld gefahren. Ich besteige den zweiten Bus, er ist mit dem Zielort „Gerolstein“ beschildert. Trotz vieler Fahrgäste bekomme ich einen angenehmen Platz mit Luftzufuhr durch eine geöffnete Dachluke. Der erste Bus fuhr wahrscheinlich als RB-Ersatz, also für eine Regionalbahn, der zweite als RE-Ersatz (Regionalexpress). „Wohin bringt ihr uns?“ Ich muss an den 31. Mai denken. Da war ich beim „Grauen Bus“, einem aus Beton gegossenen und dann in vier Teile geteilten Bus. Ein Mahnmal, das an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern soll und vor dem LVR-Gebäude in Köln-Deutz installiert wurde. Im zweiten Bus führt ein Teil der Strecke sogar über die Bundesautobahn 1 durch die Eifel. In Gerolstein steht bereits der Bus Richtung Trier. Als Zielort ist von außen jedenfalls Trier angegeben.
Teilweise bin ich völlig allein mit dem Fahrer. In Bitburg-Erdorf dreht er sich zu mir um und bittet mich auszusteigen. Er verweist auf den hier bereitstehenden Zug nach Trier. Erleichterung macht sich bei mir breit. Der Zug braucht noch fast eine Stunde und bringt mich durch das Kylltal. Dort habe ich im Mai 2018 eine Gewitterübernachtung erlebt, auf der letzten Etappe kurz vor Kordel. Ehrang – Pfalzel – Trier waren die letzten Halte. Auf dem gegenüberliegenden Gleis fährt gegen 19 Uhr die RB nach Koblenz ein. Nach dem noch vor einer Stunden erlittenen Schreck steige ich ein, um hinter Wittlich noch ein wenig Moselromantik mitzunehmen. Pfand aus Aachen war mit an Bord. An meinem Platz mit Tisch holte ich noch einen Euro (weiteres Pfand) aus dem Abfallbehälter.
Um 20 Uhr habe ich in Koblenz zwei Züge zur Auswahl: 20.16 Uhr und 20.19 Uhr, nur drei Minuten Unterschied. Ein geschulter Blick auf den Fahrplan verrät mir: Der um 20.16 Uhr fährt auf der linken Seite des Rheins, der um 20.19 Uhr fährt rechtsrheinisch. Als beste Lösung erscheint mir in diesem Augenblick der Zug nach Emmerich, der pünktlich um 20.16 Uhr losfährt. An diesem Tag ist das mein vollster Zug. Ich bekomme noch einen Platz, weil der Zug verlängert worden ist. Bei kurzen Bahnsteigen wird nun gelegentlich eine Durchsage gemacht, welche Türen verschlossen bleiben.
Um 21.21 Uhr hätte ich Köln-Süd erreichen sollen. Zwei zusätzliche Stopps auf offener Strecke: Zehn Minuten Zeitverlust ließen sich nicht mehr aufholen. Beim zweiten Stopp schaue ich aus dem Fenster, auf drei Meter Entfernung sehe ich zwei Vögel auf einem Geländer hocken. Sie sehen wie unechte Vögel aus. Auf den zweiten Blick das gleiche Bild, beim dritten Hinschauen sind sie plötzlich weg. Sie waren sicher am Dösen gewesen; der stehende Zug hatte sie wohl aufgeschreckt. Erinnerung an Berlin im Juli 2021: In Kreuzberg – ein guter Freund hatte mich im Flixtrain mitgenommen – hatte ich ein ähnlich einschneidendes Erlebnis mit Vögeln.
Um 22 Uhr bin ich in Zollstock. Nachdem ich mir bei Rewe noch Bier als Belohnung geholt habe, erreiche ich um 23.30 Uhr das Zelt. Ein Tag voller (un)angenehmer Erlebnisse geht zu Ende.
„Das Problem ist, dass ich das Schreiben vom Gericht nicht verstehe“, sagt Jimmy mit leichter Verzweiflung in der Stimme zur Begrüßung. Hier, in einem kleinen Besucherraum in der JVA Ossendorf, findet heute die Erzählwerkstatt statt, die Klaus Jünschke seit Oktober 2022 wöchentlich anbietet.
„In der Anklageschrift vom 12.12. stand ‚Handel in einem minder schweren Fall mit nicht geringer Menge und illegaler Waffenbesitz‘. Und jetzt steht da plötzlich, dass ich bewaffneten Handel treibe“, zitiert der junge Mann seine Anklage aus dem Gedächtnis. Nächsten Montag wird er sich vor Gericht behaupten müssen. Plötzlich ist er sich gar nicht mehr so sicher, dass er freigesprochen wird. Dabei ist Jimmy Erststraftäter, war also noch nie vor Gericht und wurde im Winter letzten Jahres zum ersten Mal festgenommen.
Die Polizeibeamt*innen standen eines Morgens vor seiner Tür, baten um Einlass und liefen schnurstracks auf eine Packung Gras zu, die offen herum lag, erzählt er. Jimmy ist sich sicher, dass ihn seine Ex-Freundin, von der er sich nicht im Guten getrennt hatte, damals bei der Polizei angeschwärzt hat.
Seit der gebürtige Kölner in Untersuchungshaft sitzt, hat er kaum mehr die Möglichkeit, die vielen Fragen zu stellen, die ihm unter den Nägeln brennen. Das wöchentliche Angebot Erzählwerkstatt tut ihm deshalb gut. Hier hört ihm nicht nur jemand zu, sondern er kann auch erfahrene Mitgefangene um Rat fragen, wie zum Beispiel Blecki, der schon einschlägig vorbestraft ist und bei dem es seit 1991 immer wieder Anzeigen hagelte – anfangs wegen Verkehrsdelikten, später wegen Beschaffungskriminalität und Einbrüchen. 1997 kam er dann erstmals in Haft. Schon früh wird er aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig, spricht dann immer mehr dem Alkohol zu. „Wer säuft, der kann nicht arbeiten“, weiß er heute. Alle am Tisch nicken. Jeder hier hat offenbar so seine Erfahrungen mit Alkohol oder anderen Drogen gemacht. Und Sucht muss eben irgendwie finanziert werden. Ein Teufelskreis. Klaus Jünschke hat einen Fragenkatalog mitgebracht und immer, wenn das Gespräch ein wenig ins Stocken gerät, gibt er neue Impulse. Er berichtet, dass er heute besonders ausführlich am Eingang gefilzt wurde. Wie immer hat er pünktlich seinen Ausweis an der Pforte abgegeben und sein Handy in einen Spind eingeschlossen, erstmals aber musste er eine Packung Prinzenrolle da lassen, die er eigens für die Gefangenen mitgebracht hatte – ohne jegliche Erklärung. „Der Wind wird hier schärfer“, so seine Beobachtung. „Ich verstehe nur nicht, warum.“ Jünschke wird schnell misstrauisch. Er, der seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich in Justizvollzugsanstalten geht, um den Leuten Mut zu machen und eine Stütze zu sein, fühlt sich sicher häufig auch an die eigene Vergangenheit erinnert, wenn sie auch schon lange zurückliegt: Als Mitglied der ersten RAFGeneration kam er 1972 für viele Jahre in strenger Einzel-
haft. Heute distanziert er sich von dieser Zeit und weiß, dass es sich lohnt, an die Freiheit zu glauben. Gerd, der ihm gegenüber sitzt, zweifelt das zur Zeit oft an. Er hat mehrere Anzeigen laufen. Wegen Vergehen, von denen er teilweise gar nicht mehr weiß, wann und wo er sie begangen hat. Der 57-jährige Maler und Lackierer aus der Eifel hat nach der Flutkatastrophe monatelang unbezahlt Aufbauhilfe geleistet. Seitdem bekommt er die schrecklichen Bilder dieser Tage im Sommer 2021 nicht mehr aus dem Kopf. Völlig erschöpft fährt er nach Köln, wo offenbar alles seinen gewohnten Gang geht. Keiner scheint sich für die Katastrophe zu interessieren, die sich – keine Stunde von Köln entfernt – gerade für tausende Menschen abgespielt hat. Das gibt ihm den Rest. Er, der seit 20 Jahren trocken war, fängt wieder an zu trinken, so viel, dass er kaum noch etwas wahrnimmt. Nachts schläft er am Dom oder am Bahnhof.
Heute hat er den körperlichen Entzug hinter sich. An vieles kann er sich nur noch schemenhaft erinnern: „Ich habe mir beim McDonalds mal einen Hamburger aus der Tonne geholt. Ich bin dann besoffen eingepennt und am nächsten Morgen gucke ich und sehe, der Burger war voller Maden. Da hatte ich Maden gegessen. Ich war so besoffen, ich hatte das gar nicht gemerkt.“ Der Suchtdruck im Kopf sei immer noch da, sagt Gerd. Deshalb würde er gerne eine Therapie machen, die aber in U-Haft nicht möglich ist. Von den anderen bekommt er sofort Zustimmung. Das Gefühl, mit den Sorgen nicht alleine zu sein, tut allen sichtlich gut. Als der Teller mit den Keksen fast leer gegessen und die Zeit fortgeschritten ist, macht Klaus Jünschke sein Diktiergerät aus.
Herzlich verabschiedet man sich per Handschlag, als die Beamt*innen kommen, um die drei Männer wieder in ihre Zellen zu bringen. Jünschke verspricht Jimmy noch, am Montag zur Verhandlung zu kommen „Vielleicht kann ich ja ein gutes Wort für dich einlegen“, beruhigt er ihn. Die Kekse und die restlichen kleinen Cola-Flaschen packt er wieder in seinen Korb. Jimmy, Blecki und Gerd dürfen nichts mit in die Zellen nehmen – mit einer Ausnahme: Heute haben sie die aktuelle Ausgabe vom DRAUSSENSEITER bekommen und bereits ein wenig darin geblättert. Gerd hat sich bereits einiges angekreuzt und möchte sich die Tipps aufbewahren, wenn er raus kommt. Wann immer das auch sein wird. (cb)
22 NEWS 23
REISEKOLUMNE - BERBER UNTERWEGS
Foto: Christina Bacher
Foto: Rolf Acker wikimedia.de
Klaus Jünschke vor einigen Jahren im Gespräch mit jungen Gefangenen. Bei unserem Besuch blieb die Kamera im Spind. Foto: Jörg Hauenstein
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IMPrESSUM
Redaktionsleitung Christina Bacher (cb), bacher@draussenseiter-koeln.de www.draussenseiter-koeln.de
Redaktionsassistenz Markus Düppengießer (mad), dueppengiesser@draussenseiter-koeln.de
Herzlichen Dank allen freien Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe.
Lektorat Barbara Feltes
Gestaltung Edgar Lange, https://www.desdev.de
Titelfoto Roland Kaiser
Druck druckdiscount24.de
CARLsGARTEN Gemeinsam gärtnern
Der CARLsGARTEN vom Kölner Schauspiel wird 11 Jahre alt. Aus diesem Grund wird am 16. April von 13-18 Uhr mit allen, die sich für Gartenarbeit interessieren, gemeinsam gebuddelt, gegärtnert und gepflanzt. In dem Workshop „Kleine Küche der Wildpflanzen“ lernt man dann, wie man selbst Kräutersalz, Hummus und Pesto herstellt, und
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Abos Martina Jühlke, juehlke@oase-koeln.de
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DRAUSSENSEITER ist das Sprachrohr für alle Obdachlosen, deren Freunde, ehemals Obdachlose und andere Betroffene. Leserbriefe sind immer herzlich willkommen. Für namentlich gekennzeichnete Artikel und Leserbriefe sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Bedürftigen wird für veröffentlichte selbstgeschriebene Artikel, Interviews und Fotos ein kleines Honorar gezahlt, wenn dies der Autor ausdrücklich wünscht. Nachträgliche Forderungen werden nicht akzeptiert.
Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1.1.2009.
DRAUSSENSEITER ist Mitglied des
Neugierigen wird ein Rundgang über das grüne Gelände geboten – mit Live-Musik und hausgemachten Cocktails aus der Frida Bar.
Anmeldung: garten@buehnenkoeln.de Gerne gegen eine kleine Spende für den Garten vor Ort.
CArLsGArTEn
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www.carlsgarten.koeln
Rupert Neudeck – am 14. Mai 1939 in Danzig geboren – hat den Zweiten Weltkrieg als kleiner Junge auf der Flucht erlebt. Sicher auch deshalb hat er später nicht gezögert, anderen zu helfen, die in Not waren. Mit dem Schiff Cap Anamur hat er mit einem ehrenamtlichen Team über viele Jahre 11.300 „Boat People“ aus dem Südchinesischen Meer vor dem Ertrinken gerettet. Wir haben mit Christel Neudeck über den Mut gesprochen, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen und was der plötzliche Tod ihres Mannes ausgelöst hat. „Man stellt sich vor, was er in dieser oder jener Situation wohl gesagt oder getan hätte“, fasst es seine Tochter Yvonne in dem gerade erschienenen Buch „Ein Schiff für den Frieden“ zusammen. „Und dadurch beeinflusst er (…) unsere Entscheidungen weiterhin.“
Der nächste DRAUSSENSEITER erscheint zum 1. Mai 2023. Mehr dazu unter www.draussenseiter-koeln.de und auf www.facebook.com/Draussenseiter-Das-Kölner-Strassenmagazin-106192356124749
Tuende soll man ehren 25 KULTURTIPP | VORSCHAU
24
DRAUSSENSEITER –Abonnement
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❚ Kulturtipp
ABO | IMPRESSUM
Illustration: Lukas Ruegenberg
Foto: Tommy Hetzel
Lukas Ruegenberg hat die Geschichte von Christel und Rupert Neudeck für das Buch „Ein Schiff für den Frieden“ illustriert. Es ist im Verlag L 100 erschienen.
Für alle
n Diakoniehaus Salierring
Fachdienst für Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werkes Köln und Region gGmbH, Salierring 19, 50677 Köln, Tel.: 27 69 70-0, verwaltung.salierring@diakonie-koeln.de, www.diakonie-koeln.de
Beratung: Mo bis Fr 9-12 Uhr, Mo u. Mi 14-16 Uhr (u. a. Postadressen u. Treuhandkonten)
Tagestreff: Mo bis Do 8.30-12.30 Uhr, Frühstück, Duschen, Wäschekeller, Aufbewahrung, Internetzugang
Kleiderkammer: Di u. Do 10-12 Uhr
Krankenwohnung, Betreutes Wohnen gem.
§ 67 SGB XII, Ambulantes Betreutes Wohnen gem.
§ 67 SGB XII in Außenwohnprojekten, Clearingstelle Claro im Trägerverbund, VIADUKT, mietfest im Trägerbund
n Emmaus
Geestemünder Str. 42, 50725 Köln, Tel.: 971 17 31, www.emmaus-koeln.de. Leben und Arbeiten in Gemeinschaft, günstige Secondhand-Artikel, Hilfslieferungen an Bedürftige in anderen Ländern. Appellhofplatz: Essensausgabe Mo, Mi und Fr ab 21 Uhr und medizinische Versorgung Mo und Mi ab 21 Uhr durch Gesundheit für Wohnungslose e.V., Trakehner Straße 18, 50735 Köln, http://gesundheitfürwohnungslose.de
n Gulliver – Überlebensstation für Obdachlose
Trankgasse 20, Nähe Hauptbahnhof, 50667 Köln, Tel.: 120 60 91
Duschen, Toiletten, Waschmaschinen, Trockner, Tagesschlafraum, Postadressen, Caféteria mit Frühstück und Snacks, Beratungsangebote, Internetzugang, Kunstausstellungen, Handyladestation, Gepäckaufbewahrung
Öffnungszeiten: Mo bis So, auch an Feiertagen: 8:00-15:00 Uhr
Kleiderkammer: Notfallkleiderkammer
nach Bedarf
n Lobby-Restaurant LoRe des KALZ für Berber und Banker
Domstr. 81, Nähe Hauptbahnhof, 50668 Köln, info@koelnerarbeitslosenzentrum.de, www.koelnerarbeitslosenzentrum.de
Mittagessen: Mo, Di 12-16 Uhr, Mi, Do, Fr 12-15.30 Uhr
n Kölner Obdachlosenfrühstück, Peter-Deubner-Stiftung
Tel.: 430 39 83
Angebote: Kostenloses sonntägliches Frühstück
9-11 Uhr: Jeden 2. Sonntag im Monat im Vringstreff, Im Ferkulum 42, Kölner Südstadt. Jeden 3. Sonntag im BÜZE Bürgerzentrum Köln-Ehrenfeld, Venloer Str. 429. Jeden 4. Sonntag im Liebfrauenhaus, Köln-Mülheim, Adamstr. 21.
n GUBBIO Obdachlosenseelsorge
Ulrichgasse 27-29, 50577 Köln, www.gubbio.de
Öffnungszeiten: Di, Mi 14–17 Uhr
Angebote: Raum zum Gespräch, Bibelstunde, Meditation, thematische Gesprächskreise, religiöse Filme
n Kontakt- u. Beratungsstelle Rochus (SKM)
Bartholomäus-Schinkstr. 6, 50825 Köln, Tel.: 3377063-4, rochus@skm-koeln.de, http://www.skm-koeln.de
Öffnungszeiten: Mo-Fr 11.00-15.00 Uhr
Angebote: Mo bis Fr warmes Essen von 12.0014.00 Uhr, kalte u. warme Getränke, Duschmöglichkeit (Behindertendusche u. -toilette), Wäsche waschen Mo-Do von 11.00-14.30 Uhr, Beratung tägl. von 11.00-15.00 Uhr oder nach Vereinbarung. Medizinische Sprechstunde Di und Do von 12.30-13.30 Uhr, Postadresse, ambulantes betreutes Wohnen, PC-Nutzung mit Internet-Zugang. Sa geöffnet – es gibt Frühstück.
Kleiderkammer: täglich geöffnet, Mo zwischen 9.15 und 10.30 Uhr auch für Menschen aus dem Bezirk Ehrenfeld mit Köln-Pass.
n Kontakt- und Beratungsstelle am Hbf (SKM Köln)
Bahnhofsvorplatz 2a (1. Etage), 50667 Köln-Innenstadt, Tel.: 13 49 19, kontaktstelle@skm-koeln.de, www.skm-koeln.de
Angebot: Aufenthaltsmöglichkeit, Begegnung, täglich Fachberatung, Freizeitangebote, (Spieleangebot, Kaffee), Essen, Duschen, Wäschepflege, Schreibhilfe, Telefonmöglichkeit, Postadresse, mediz. Versorgung, PC-Nutzung mit Internetzugang
Kontaktstellenbereich/Tagestreff:
Mo. bis Fr.: 12.00 bis 15.30 Uhr
(Essensangebot: 12.00 bis 14.00 Uhr)
So. und Feiertage: 12.00 bis 13.00 Uhr
Samstags geschlossen
Beratung (auch anonym): Mo, Mi, Do, Fr
9-11.30 Uhr, Mo bis Fr 14-15.30 Uhr
n Vringstreff e.V.
Für Menschen mit und ohne Wohnung
Im Ferkulum 42, 50678 Köln, Tel.: 278 56 56, info@vringstreff.de, www.vringstreff.de
Öffnungszeiten: Mo bis Do 11.30-17 Uhr, Fr 9-12 Uhr
Jeden 2. und 3. Sonntag Obdachlosenfrühstück
9-11 Uhr, Café, Freizeitangebote, Veranstaltungen, Beratung
n Bürger für Obdachlose e.V.
Basislager Gebrauchtwarenkaufhaus
Bürger für Obdachlose e.V.
Basislager: Silcherstr. 11, 50827 Köln
Tel.: 640 22 68, info@bfoev.de
Kleiderkammer, Gebrauchtwaren-Kaufhaus für Jedermann, Arbeitsprojekt und Suppenküche. Obdachlose können gerne auch Kleidung, Schlafsäcke etc. in unserem Gebrauchtwaren-Kaufhaus kostenlos bei uns beziehen.
Gemeinsam mit Emmaus betreibt der Verein die Suppenküche am Appellhofplatz.
n Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V.
Peter-Michels-Str. 1-9, 50827 Köln
Tel.: 0221/ 9535301, Fax: 0221/ 5948789 ibwa@netcologne.de www.bauenwohnenarbeiten.de
Angebot: Arbeitsgelegenheiten, Beschäftigung, Wohnen, Betreutes Wohnen
n OASE – Benedikt Labre e.V. Alfred–Schütte–Allee 4, 50679 Köln, Tel. 0221/9893530
kontakt@oase-koeln.de www.oase-koeln.de
Kontakt- und Beratungsstelle:
Montag und Freitag 9–13 Uhr,
Dienstag und Donnerstag 9–16 Uhr, Mittwoch nach Terminvereinbarung
Offener Treff:
Montag 10.30–13 Uhr, Dienstag 13–16 Uhr, Donnerstag 13–16 Uhr, Freitag 11.30–13 Uhr
Frühstück: Montag 10.30–13 Uhr
Sprechstunde Mobiler Medizinischer
Dienst: Montag 10.30-11.30 Uhr und Donnerstag 13.30-14.15 Uhr
Kleiderkammer/Duschen:
Montags ab 10.30 Uhr
Donnerstags ab 13.00 Uhr
Computer-Nutzung: nach Vereinbarung
Weitere Angebote: Gepäckaufbewahrung
REDAKTIONSSITZUNG DRAUSSENSEITER: siehe Aushang
Nur für Frauen
n agisra e.V. Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen
Salierring 48, 50677 Köln, Tel.: 0221/124019 oder 1390392, www.agisra.org
Beratung nach Terminvereinbarung, telefonische Sprechzeiten: Mo, Di und Do 10-15 Uhr
n Café Auszeit 1 des SKF e.V. Kontakt- und Beratungsstelle für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen, Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln, Tel.: 0221/126 95 310
Duschen, Waschen, Kleidung, Postadresse, warme Mahlzeit (1,- Euro)
Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 11 – 15 Uhr; Mittwoch 15 – 19 Uhr
n Café Auszeit 2 des SKF e.V. Beratungsstelle für Frauen
An der Fuhr 3, 50997 Köln, (EG, Gang auf der linken Seite, erste Tür links), Tel.: 02232/14 82 92, cafe-auszeit2@skf-koeln.de
Jeden Di und Do offene Beratung von 10–15 Uhr; Do von 10 bis 12 Uhr Frauenfrühstück
n Comeback
Notschlafstelle für Frauen, Sozialdienst kath. Frauen e.V., Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln | Nähe Neumarkt, Tel.: 0221/126 95 210
Täglich geöffnet von 20 – 10 Uhr. Angebot für wohnungslose Frauen und Frauen in Notlagen:
Schutz, Übernachten, Essen, Duschen, Wäsche waschen, Kleiderkammer, PC- und Internetnutzung. Tiere sind erlaubt. Beratung und Vermittlung an weiterführende Hilfen möglich.
n Elisabeth-Fry-Haus Albert-Schweizer-Straße 2, 50968 Köln (Raderthal), Tel.: 0221/99 56-43 00 Aufnahme-EFH@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de
Notaufnahme für Frauen in Krisensituationen auch mit Kindern, Schutz, Übernachtung, Verpflegung und Beratung. Aufnahme nach telefonischer Vorankündigung möglich
n Der Wendepunkt Frauenberatung und Gewaltschutzzentrum. Danzierstr. 142 A, 51063 Köln (Mülheim), Tel.: 0221/99 56-44 44 wendepunkt@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de
Beratung für Frauen in akuten Krisen, (drohender) Wohnungslosigkeit, nach Gewalt und in existenziellen Notlagen. Di, Do, Fr 9-12 Uhr, Mo, Di, Do 15-18 Uhr
n Frauen gegen Gewalt e.V. – Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen Herwarthstr. 10, 50672 Köln, Tel.: 56 20 35, mailbox@notruf-koeln.de, www.notruf-koeln.de
Beratung telefonisch, persönlich und per E-Mail, Begleitung und Unterstützung nach sexualisierter Gewalt; Prozessvorbereitung und -begleitung; Rechtsberatung; Gruppenangebote
n Haus Rosalie Wohnprojekt für Frauen.
Gocher Straße 45, 50733 Köln-Nippes
Tel.: 0221/97 30 88 88 haus-rosalie@vinzentinerinnen.de
n LOBBY FÜR MÄDCHEN e.V. für Mädchen und junge Frauen Beratung und Begleitung bei Problemen und in Krisensituationen
Mädchenberatung linksrheinisch
Fridolinstr. 14, 50823 Köln-Ehrenfeld
Tel.: 0221/45 35 56 50 maedchenberatung-linksrhein@lobbyfuer-maedchen.de
Mo bis Do: ganztägig nach Vereinbarung
Mi 14-16 Uhr: ohne Anmeldung
Di 10-11 Uhr, Do 14-15 Uhr: telefonische Beratung, Di 16-18 Uhr: kostenlose Betreuung
Ess-Störungen 0800 5 03 58 85
Mädchenberatung rechtsrheinisch
Buchheimer Str. 56, 51063 Köln-Mülheim
Tel.: 0221/890 55 47; maedchenberatung-rechtsrhein@lobby-fuer-maedchen.de
Mi bis Fr: ganztägig nach Vereinbarung, Fr 14-18 Uhr: ohne Anmeldung
n Mäc-Up
Treffpunkt für Mädchen von 14-27 Jahren
Gereonstr. 13, Nähe Bahnhof, 50670 Köln, Tel.: 0221/13 35 57
Essen, Trinken, Dusche, Wäsche waschen, Second-Hand-Kleidung, medizinische Versorgung, Beratung
Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do. und Fr. von 12-15.30 Uhr Di. von 10-13 Uhr, Frühstück gibt es Di. und Mi., gekocht wird Mo. und Fr..
Nur für Männer
n Die Heilsarmee in Deutschland
Erik-Wickberg-Haus
Marienstr. 116-118, 50825 Köln Tel.: 955609–0 koelnewh@heilsarmee.de www.heilsarmee.de/ewh
Stationäre Einrichtung für wohnungslose Männer. Beratung und Unterstützung durch fachkompetente Mitarbeiter in den Bereichen: Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Finanzen, Arbeitsund Beschäftigungsmöglichkeiten, Freizeitangebote. Besonderheiten: externe Holzwerkstatt und Café-Bistro. Wir bieten Vollverpflegung und haben Möglichkeiten zur Selbstversorgung.
n Notschlafstelle für Männer Johanneshaus Köln, Annostr. 11, 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz, Tel.: 93 12 21-54 (tagsüber) und -26 (ab 18 Uhr), jhk-notaufnahme@johannesbund.de Sozialarbeiterische Beratung, Erarbeitung einer Perspektive, Vermittlung in weiterführende Hilfen Aufnahme: Täglich (auch Sonn- u. Feiertags) ab 17:30 Uhr für wohnungslose Männer ab 18 Jahren.
n „Reso“ – Resozialisierungsabteilung
Johanneshaus Köln, Annostr. 11 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz Tel.: 93 12 21-54, th.klahr@johannesbund.de Hilfe für wohnungslose Männer mit sozialen Problemlagen nach § 67 SGB XII: Unterbringung, Verpflegung und Selbstversorgung, individuelle Einzelfallhilfen, Beschäftigungsangebote, Mo bis Fr.: 8-16.30 Uhr
SERVICE SERVICE
Foto: Christina Bacher Foto: Christina Bacher Sichere Mobiltelefonladestation im Vringstreff
Bei Emmaus in der Geestemünder Straße 42 gibt es gebrauchte Kleider, Möbel und Geschirr.
Vringstreff in der Kölner Südstadt 26 27
Foto: S. Rupp
Wer denkt schon im Strom der Touristen an Suppenküchen und Kleiderkammern? Und wo können Menschen ohne Budget täglich satt werden? Wie wild sind die Nächte am Dom wirklich? Und wo kann man sich mitten in der Stadt am besten zur Ruhe legen, wenn man kein Zuhause hat? Bei dem beliebten Kölner Stadtrundgang „Der doppelte Stadtplan“ werden DRAUSSENSEITER-Verkäufer zu „Experten der Straße“.
http://www.draussenseiter-koeln.de/stadtrundgang/
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FOTO: ANDREAS ETTE