Kölner Straßenzeitung Draussenseiter 11/2022: Vorbilder

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das KÖlner strassenMagazIn DRAUsSENSEITER
Simon
30. Jahrgang | nr. 235 | november 2022 VORBILDER hELDInnEn unD hELDEn auS KÖLn
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Veith

JAHRE

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Liebe Leserinnen und Leser, bezahlbarer und dauerhaft sozial gebundener Wohnraum ist eine Grundvoraussetzung zur Versorgung von Menschen in Wohnungsnot. Schnelle Hilfe muss auch her, um weitere Wohnungsverluste zu verhindern und um wohnungslosen Menschen wieder ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, gingen viele am bundesweiten Mietenstopp-Aktionstag Anfang Oktober auf die Straße – darunter Aktivisten, Promis, Studierende und auch obdachlose Menschen, denen die Verzweiflung oft anzusehen ist. Auch wir wollen uns weiter dafür einsetzen, Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren – durch Berichte und Artikel über Initiativen und Privatpersonen, die uneigennützig handeln, wenn Not ist.

Ja, auch in Köln gibt es viele Heldinnen und Helden, die ihr Engagement oft nicht an die große Glocke hängen. Eine von ihnen ist Jutta Schulte. Seit nahezu 25 Jahren versorgt sie alle zwei Wochen vor dem Domforum Menschen mit warmer Suppe. Wir haben der vielbeschäftigten Frau, die allen Anfeindungen zum Trotz ihr Engagement nie aufgegeben hat, freitags mal über die Schulter geschaut.

Mit Jean Jülich hat sich unsere Mitarbeiterin Karin Volberg beschäftigt und sich mit seinem Sohn Marco zum Gespräch getroffen. Nach dem Kölner Widerstandskämpfer, der vor über zehn Jahren verstorben ist, wurde nun ein eigener Weg benannt.

Wir wünschen gute Lektüre und einen guten November

Mirijam Günter (Bild rechts) und Dominik Meiering kennen sich schon viele Jahre. Beiden gemeinsam ist der tiefe Glaube an Gott. Fragt man sie nach Hoffnung, bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Seite 14–15.

Jean Jülich gehörte im Zweiten Weltkrieg zu den Edelweißpiraten – einer Widerstandsbewegung, die zahlreiche Facetten aufweist. Wir haben mit seinem Sohn Marco über das bewegte Leben des Kölner gesprochen, der 2011 verstorben ist. Seite 8–10.

themenschwerpunkt: Vorbilder

Suppenküche am Domforum

„Juttas Liebe zu den Menschen“ 4-6

Interview mit Marco Jülich

Jean Jülich - Widerstandskämpfer 8-10

Erfahrungsbericht

Als German Doctor in Kalkutta 12-13

Mirjam Günter und Dominik Meiering: Hoffnung ........ 14-15

Aus eigener Werkstatt: Texte von DRAUSSENSEITERn ..... 16-18 Kultur: „Heldenhaft!“ im Casamax Theater .................... 19 Buchtipps

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Service: Adressen

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Montag und Freitag: 9.00 – 13.00 Uhr Dienstag und Donnerstag: 9.00 – 16.00 Uhr

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Christina Bacher
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pEtERS Vorstand SKm Köln Foto: C. Bacher Foto: Thomas Schäkel
maRKuS
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.............................................................. 20 Cartoon ................................................................. 21 Aus den Einrichtungen | OASE-News ...................... 22-23 Abonnement | Impressum
24 Vorschau | Kulturtipp
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Herzlichen Glückwunsch an Deutschlands erstes und für mich einzig wahres Kölner Straßenmagazin zu 30 Jahren „DRAUSSENSEITER“ oder wie es anfangs hieß „Bank extra“! Hier werden alle Beteiligten stark gemacht und gut begleitet, niemand wird instrumentalisiert. Hier geht es um echte Menschen, um das echte Köln, nicht um Kommerz! 30 JAHRE DRauSSEnSEItER-untERStützER-StatEmEnt #10 14 8
Foto: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln

JuttaS LIEBE zum mEnSchEn

Jutta Schulte liebt Menschen. Das war schon als kleines Kind so, als die 72-Jährige gemeinsam mit ihrer Familie den Nachbar*innen im Dorf geholfen hat. Trotz einiger Enttäuschungen hat sie sich ihr Mitgefühl für andere bewahrt: Seit vielen Jahren organisiert sie eine Suppenküche für Obdachlose am Dom und setzt sich für diejenigen ein, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Sie nimmt die Dinge so, wie sie sind, und zögert nicht weiterzugehen, wenn ihr Steine in den Weg gelegt werden. „Es muss immer irgendwie weitergehen,“ sagt die Frau, die im Eifelstädtchen Baasem zu Hause ist, selbstbewusst. Laura Hofschlag hat sie einen Freitag lang bei ihrem ehrenamtlichen Engagement begleitet.

steckt

Die Liebe zum Menschen sei einfach da, sagt die 72-Jährige. Für sie steht fest: „Mensch ist Mensch, egal woher du kommst. Du hast Hunger, dann brauchst du etwas zu essen“. Jutta erzählt, ihr habe mal jemand gesagt, sie habe ein Helfersyndrom. „Dann habe ich eben ein Helfersyndrom, ich komme gut damit klar und mache es gerne“, sagt sie lachend.

Die 72-Jährige wirkt dynamisch und tatgen und die Aufforderung zur Eile signadie Lebensmittelkisten, die von Helfer*innen zurück zu Obdachlosen aufmerksam wurden. Dieser trug ein Schild Weihnachtsessen davon erfuhr, waren damals noch alle Nichten. Am Dom erlebte sie, wie sehr sich die Menschen

s ist der zweite Freitag der Sommerferien. Auf der Domplatte tummeln sich die Menschenmassen. Sonnenstrahlen wärmen die Haut und ein angenehmer Wind wirbelt durch die Haare – es ist ein schöner Tag. Gegenüber dem Westportal des Kölner Doms, vor dem Domforum, flattert rot-weißes Absperrband. Es kennzeichnet den Ausgabebereich von Juttas Suppenküche. In blauem T-Shirt und dunkler Jeans steht Jutta Schulte vor den Klapptischen und koordiniert die Verteilung der Lebensmittel. Die heutige Ausgabe steckt in den letzten Zügen und es stehen nur noch wenige Menschen in der Schlange. Die 72-Jährige wirkt dynamisch und tatkräftig. Durch hektische Handbewegungen und die Aufforderung zur Eile signalisiert sie, dass sie rasch durchkommen möchte. Obwohl es heute keine zweite Runde gibt, bleiben einige der Bedürftigen in der Nähe der Ausgabe stehen. Sie greifen hastig in die Lebensmittelkisten, die von Helfer*innen zurück zu Juttas Auto getragen werden, und ergattern letzte Joghurts. Die Suppenküche gibt es seit 25 Jahren. Alles begann an Weihnachten 1997, als Jutta und ihre Tochter auf einen Obdachlosen aufmerksam wurden. Dieser trug ein Schild mit der Aufschrift „Keine Wärmestube für Obdachlose“ bei sich. Die beiden sprachen den Mann an und vereinbarten, dass es an Weihnachten eine warme Suppe für obdachlose Menschen geben sollte. Als die Familie beim gemeinsamen Weihnachtsessen davon erfuhr, waren damals noch alle erstaunt: „Wie, Tante Jutta ist am Dom?“, fragte eine ihrer Nichten. Am Dom erlebte sie, wie sehr sich die Menschen über eine warme Mahlzeit freuten, und es stand fest: Die Suppe an Weihnachten reicht nicht. Jutta wollte und will keine „U-Boot-Christin“ sein – jemand, der sich nur um die Adventszeit engagiert und dann wieder „abtaucht“. Nun steht die Initiatorin der Suppenküche alle zwei Wochen, freitags ab 13 Uhr, mit ihrem Team auf der Domplatte. Mittlerweile kommen nicht mehr 30, sondern bis zu 200 Menschen. Die Suppe wird in „Peters Brauhaus“ gekocht und ehrenamtliche Helfer*innen verteilen Kleidung, Schuhe, Hunde- und Katzenfutter sowie Lebensmittel. Zudem werden Spenden gesammelt, um den Bedürftigen individuelle

Die Suppe an Weihnachten reicht nicht. Jutta wollte und dann wieder „abtaucht“. Nun steht die IniWochen, freitags ab 13 Uhr, mit den Spenden gesammelt, um den Bedürftigen individuelle Wünsche zu erfüllen.

Eine soziale Ader hat sie seit jeher. Jutta ist in Baasem, einem 500-Seelen-Dorf in der Eifel, aufgewachsen. Schon als Kind hat sie gemeinsam mit ihrer Familie anderen geholfen. „Wir hatten im Dorf eine Frau, die lebte am absoluten Minimum. An Heiligabend musste ich ihr eine kleine Aufmerksamkeit bringen, erst dann haben wir gefeiert“, erzählt sie. Dabei war es auch für ihre Familie nicht immer einfach. „Ich war das älteste Mädchen im Haus, wir waren sechs Kinder. Zu der Zeit hatten wir kein Geld, um uns gedankenlos Dinge zu kaufen“, berichtet die gebürtige Eiflerin. Auch Traumberufe oder Wünsche sind auf der Strecke geblieben. „Für so etwas hatte ich keine Zeit“, äußert sie. Auf die Frage, welche prägenden Erinnerungen ihr aus der Kindheit geblieben sind, winkt sie ab. Erzählt aber, dass sie in Baasem auf die Volksschule gegangen ist. Nach der Schule hat sie eine Lehrstelle als Friseurin angenommen und schnell wieder abgebrochen. „Ich bin dreimal in dem Laden zusammengeklappt, als die Dauerwelle angerührt wurde – kein Beruf für mich“, erinnert Jutta sich. Danach folgte die Haushaltsschule in Köln. „Hat auch nicht viel gebracht“, sagt sie schmunzelnd. Für einen kurzen Zeitraum konnte die damals 18-Jährige dann bei ihrem Vater im Büro aushelfen.

Am Domforum kommen die Helfer*innen mit den Lebensmittelkisten bei Juttas Auto an. Darum hat sich eine Traube von Menschen gebildet. Jutta ist schon da, öffnet den grauen Kofferraum und beginnt kleine, abgepackte Beutel Tierfutter zu verteilen. Die Stimmung ist angespannt, jeder möchte etwas vom Tierfutter abbekommen. Eine ältere Frau drängt sich zu Jutta und fragt sie nach Lebensmitteln. Obwohl am Auto nur noch Tierfutter und speziell angeforderte Dinge, wie zum Beispiel Schuhe oder Schlafsäcke, verteilt werden, drückt Jutta der Nachzüglerin mit liebevollen Worten eine Tüte Milch in die Hand. Sie koordiniert nicht nur entschlossen die Ausgabe am Auto, sondern behält auch den Überblick über ihr Team, das den Abbau der restlichen Tische übernimmt.

Foto: Simon Veith 5 4
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TEXT: laura HoFSCHlag
„mensch ist mensch, egal woher du kommst. Du hast hunger, dann brauchst du etwas zu essen.“

Koordinieren, sich durchsetzen und den Überblick behalten – Eigenschaften, die Jutta als Wirtin im eigenen Restaurant erwarb. Als sie mit 18 Jahren ihren Mann kennenlernte, hat direkt alles gestimmt. Ehe sie sich versah, wurde der Schreibtisch im Büro ihres Vaters durch die Theke im Restaurant ihres Mannes ersetzt. Doch niemals hätte sie als Kind gedacht, dass sie einmal Wirtin wird. „Wir hatten innerhalb der Familie ein Problem mit Alkohol. Ich habe Wirte gehasst“, erinnert sie sich. Mittlerweile kann sie jedoch voller Überzeugung sagen: „Ich liebe den Beruf“. Besonders ihre Gäste lagen Jutta am Herzen. Hatte jemand zu viel getrunken, wurde ihm der Autoschlüssel abgenommen und er wurde von der Chefin persönlich nach Hause gefahren. „Ich habe da Full-Service gemacht“, sagt sie. Der ständige Kontakt mit ihren Gästen prägte Jutta stark in Sachen Menschenkenntnisse. „Ich habe gelernt, mit Menschen umzugehen und vor allem sie so zu nehmen, wie sie sind“, sagt Jutta. Im Restaurant hat sie viele Leute kennengelernt, die alkoholkrank waren. „Das hat mich erschüttert“, berichtet sie. In ihren 42 Jahren als Wirtin hat sie im Dienst nie etwas getrunken. Statt zum Kölsch griff sie beim obligatorischen „Drinkste ene met?“ zur Apfelschorle.

Jutta erzählt weiter, dass sie früher viele Menschen beneidet hat. Die Gäste im Restaurant etwa - oder Fenster, in denen vermeintlich friedlich das Licht brannte. Ihr Mann entgegnete oft: „Nicht hinter jedem Fenster, wo Licht brennt, ist auch Frieden.“ Heute weiß sie, dass es viele Menschen gibt, bei denen nicht alles in Ordnung ist. Kaum

einer offenbare mehr sein Inneres und daher gäbe es immer mehr Menschen mit psychischen Problemen. Jutta vermutet, dass mangelnde Gesprächsbereitschaft einen großen Anteil daran hat. Deshalb hat sie nicht nur damals im Restaurant ein offenes Ohr für ihre Gäste gehabt, sondern schafft auch mit der Suppenküche einen Raum für Kommunikation.

Durch die Gastronomie wohnte Familie Schulte lange woanders, unter anderem in Wesseling. Die Kinder leben noch heute da. Doch als Jutta und ihr Mann vor einigen Jahren das Restaurant aufgegeben haben, zog es die beiden wieder in die Eifel. „Es ist ja mein Heimatort“, winkt sie ab. Dennoch fühlt sich die 72-Jährige als Kölnerin: „Ah, ich liebe Köln“, schwärmt sie. „Ich mag nicht nur die Sprache, sondern auch den Kölner. Der ist so wie ich: bekloppt und offen.“ Nach dem Tod ihres Mannes ist das Haus für Jutta allein zu groß. Doch Ausziehen ist bis jetzt keine Option. „Ich kann da nicht wegziehen. Die Garage ist voll mit Sachen für den Dom. Nebenbei verkaufe ich auch noch Thermomixgeräte und ein Zimmer ist nur damit voll“, erklärt sie. „Solange ich noch Auto fahren kann und solange ich noch beweglich bin, bleibe ich in der Eifel. Wenn ich dann so langsam humple, dann muss ich sowieso nach Wesseling ziehen, weil meine Kinder mich dann versorgen müssen“, sagt sie lachend.

Die Ausgabe des Tierfutters an ihrem Auto beendet Jutta mit den Worten: mit den Worten „Fertig, nichts mehr da“ und lehnt sich erschöpft ans Auto. Manchmal frage sie sich selbst, woher sie ihre Kraft nimmt. Doch die Antwort ist klar: ein Lächeln und ein Dankeschön. „Ich brauche das Lächeln und ein paar nette Worte, denn jeder möchte doch auch mal hören, dass er etwas gut macht“, sagt sie. Während der gesamten Ausgabe zeigt die Gründerin der Suppenküche eine unheimliche Stärke. Danach merkt man, dass sie erschöpft ist. Die Frau, die in diesem Jahr 73 wird, fühle sich „ausgebufft“, aber sei zufrieden.

Wenn Jutta abends ins Bett geht, ist sie dankbar dafür, wie gut es ihr geht. Dass sie ein Bett und eine Toilette hat. „Ich habe mal einen Bericht über Obdachlose gesehen. Eine Frau sagte: ‚Ihr steht morgens auf und geht als erstes auf Toilette. Wir haben keine Toilette‘… Keine Toilet-

te“, berichtet sie fassungslos. Oft halten die Gedanken sie wach – an prägende Erlebnisse, wie sie alles organisiert bekommt und ob alles reibungslos funktioniert. Auch in dieser Nacht konnte sie nicht schlafen. „Dann bin ich um drei Uhr aufgewacht, habe gebügelt und mich um halb fünf wieder hingelegt“, sagt Jutta. Als sie damals die Suppe noch im eigenen Restaurant gekocht haben, habe ihr Mann immer gesagt: „Ich koche dir gerne die Suppe, solange du die Probleme nicht mit nach Hause bringst.“ Geklappt hat das nicht. Ein wenig erzählen musste sie immer. Sie sei ein sehr emotionaler Mensch. Auf die Frage, ob sie ihre Emotionen auch auslebe, antwortet sie lachend: „Wie denn?“ Doch mittlerweile kommuniziert Jutta, wenn es ihr mal nicht gut geht – weitergemacht wird trotzdem. Aktuell plagen Jutta starke Rückenschmerzen. Der Arzt hat ihr zu Ruhe geraten, doch sie ist da anderer Meinung: „Ich kann ja nicht meinen Leuten sagen, diese Woche kann ich nicht“. Rückenschmerzen sind jedoch kein Vergleich zu einigen Erlebnissen, mit denen sie während ihres langjährigen Ehrenamts schon konfrontiert wurde.

Im Jahr 2014 wurde ihr Haus gemeinsam mit acht weiteren Häusern beschmiert. „Auf dem ganzen Haus stand: ‚Jutta Schulte Pennerfütterin‘“, erinnert sie sich. Bis heute konnte der*die Täter*in nicht ermittelt werden, aber sie vermutet, dass es ein*e Insider*in gewesen ist. Es wurden nur Orte beschmiert, die sich für die Suppenküche engagieren – zum Beispiel Peters Brauhaus. „Das war schlimm, aber nicht meine schlimmstes Erlebnisg“, sagt Jutta. „Früher habe ich das Auto in der Tiefgarage am Dom geparkt. Einmal hing ein Zettel an meinem Auto“, fährt sie fort. Die Botschaft auf dem Zettel war eindeutig: Jutta sollte verschwinden, ansonsten würde ihrer Tochter Daniela etwas zustoßen. „Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt hochschwanger“, ergänzt sie. In diesem Moment dachte die fürsorgliche Mutter das erste Mal daran aufzugeben: „Meine Familie

Um die 200 Menschen versammeln sich freitags am Dom, um eine warme Suppe zu bekommen.

darf nicht angegriffen werden.“ Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigten den Täter und Jutta erkannte ihm am Gang. Beweisen konnte sie es jedoch nicht. Solche Aktionen machen die gebürtige Eiflerin wütend und fassungslos. Am Ende machte sie weiter. „Dann erst recht“, betont sie.

Nach der Ausgabe trifft sich das gesamte Team der Suppenküche im Café des Domforum, um den Tag Revue passieren zu lassen. Man tauscht sich aus und spricht über seine Gefühle. Im Café ist es ruhig und man hört leises Murmeln von den wenigen Gästen, die an den runden Tischen sitzen. Jutta spricht mit ruhiger Stimme, gestikuliert und scheut keinen Blickkontakt. Heute bestellt sie sich keinen Kaffee und erzählt, dass ihr Frühstück noch im Auto liegt.

Halt und Ruhe geben Jutta ihre Kinder und ihre Familie. „Wenn ich gleich nach Hause fahre und meine Enkelkinder kommen“, sagt sie liebevoll. Außerdem liest sie gerne. Aktuell einen Roman, der von Einsamkeit, wahren Gefühlen, von Nähe und Zusammensein handelt – eine Buchempfehlung ihrer Tochter. Dann genießt sie ihren Garten mit der kleinen Terrasse und kann sich entspannen. Abschalten kann die 72-Jährige auch beim Spazieren oder Radfahren in der Eifel. Aber vor allem vertrödelt sie gerne den Tag. Damals, mit der Doppelbelastung von Gastronomie und Ehrenamt, kannte sie keinen Tag unter 14 Stunden Arbeit. „Ich bin nachts erst um drei oder vier Uhr ins Bett gegangen.“ Trödeln ist für Jutta heute ein echter Luxus. Besonders, weil sie dennoch viel „op Jück“ ist mit dem Ehrenamt und dem Verkauf des Thermomix.

In der Gastronomie hat Jutta wegen des Alters aufgehört. Auf die vorsichtige Nachfrage, wie es bei der Suppenküche aussieht, kommt von ihr direkt: „Hier noch nicht. Ich werde erst 73. Ich mache das, solange es geht!“ Die Initiatorin der Suppenküche hat auch schon wieder eine neue Aktion im Sinn. „Ich würde gerne am 24.12. die Autobahnparkplätze abfahren und den Fahrern, die wegen Weihnachten nicht fahren dürfen, ein Päckchen bringen“, erklärt sie. Auch für die Suppenküche hat Jutta immer wieder kreative Ideen – sei es ein Eiswagen oder die neu eingeführten Geburtstagstüten inklusive Ständchen.

In 25 Jahren hat Jutta Schulte schon diverse Preise und Anerkennungen erhalten. Zum Beispiel den Kölner Ehrenamtspreis im Jahr 2010 und eine Einladung nach Berlin zum Bundespräsidenten. Am stolzesten ist sie aber hier am Dom. Wenn alle auf sie zustürmen und sich über „ihre Jutta“ freuen. „Ich bin stolz auf mich“, sagt die gebürtige Eiflerin, die sich auch in Köln zu Hause fühlt. Und stolz kann sie auch sein.

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„Ich habe gelernt, mit menschen umzugehen und vor allem sie so zu nehmen, wie sie sind.“
Ohne ihr ehrenamtliches Team würde Powerfrau Jutta die Suppenausgabe nicht schaffen. Man arbeitet seit Jahren Hand in Hand. Fotos: Birgit/Privat

JEan JüLIch

Der bekannte Kölner Jean Jülich (geb. am 18.4.1929, gest. am 19.10.2011) gehörte im Zweiten Weltkrieg zu den Edelweißpiraten – einer Widerstandsbewegung, die zahlreiche Facetten aufweist. Ursprünglich waren die Edelweißpiraten eine Gruppe von Jugendlichen, die sich gegen die straffe Ordnung und Eingriffe in persönliche Freiheiten durch das Nazi-Regime auflehnten. Sie unterschieden sich durch Kleidung, lange Haare und den Drang nach individueller Freiheit von der angepassten Jugend, wie sie vor allem die „Hitlerjugend“ verkörperte. Jean Jülich gehörte zu dieser Gruppe und hat – wie er später sagte – nie militanten Widerstand geleistet. Aber was war

Jean Jülich für ein Mensch? Wie hat ihn die Erfahrung des Krieges und insbesondere die Mitgliedschaft bei den Edelweißpiraten geprägt? Unsere Mitarbeiterin Karin Volberg hatte Gelegenheit, sich mit dem Sohn Marco Jülich über seinen Vater zu unterhalten.

DRAUSSENSEITER: Herr Jülich, was war Ihr Vater für ein Mensch?

Welche Eigenschaft fällt Ihnen als Erstes ein?

Marco Jülich: Mein Vater war ein Lebenskünstler. Er konnte sehr lustig sein und war zudem ein begnadeter Sitzungspräsident im Karneval! Er war ein Menschenfänger - aber im positiven Sinn - und hatte eine unglaubliche Ausstrahlung. Allein durch seine Präsenz zog er alle Anwesenden in seinen Bann. Er hat immer schon Karnevalssitzungen geleitet und organisiert, trug dabei immer eine Köbes-Uniform. Er hatte z. B. nie ein Problem, die Gäste im Saal still zu bekommen, wenn mal ein*e nicht so gute*r Redner*in auftrat. Das gelingt heute den wenigsten Sitzungspräsidenten.

DRAUSSENSEITER: Können Sie sich erklären, wie aus einem Menschen, der als Kind und Jugendlicher so schreckliche Erfahrungen im Krieg gemacht hat, eine solche lebensbejahende Persönlichkeit wurde? Marco Jülich: Nicht wirklich. Mein Vater wollte ursprünglich Musiker werden – Gitarrist. Mit den Edelweißpiraten zusammen hat er musiziert, teilweise hat er auch selbst Lieder geschrieben. Nach dem Krieg musste er sich jedoch um seinen Lebensunterhalt kümmern. Er hatte verschiedene Jobs und parallel dazu in der Abendschule seinen Abschluss als Kaufmann gemacht. Nachdem er einige Jahre zusammen mit meiner Mutter einen Schreibwarengroßhandel mit mehreren Filialen in Köln betrieben hatte, ist er dann in der Gastronomie gelandet.

DRAUSSENSEITER: In der Öffentlichkeit hat Jean Jülich – wie man nachlesen kann – erst nach und nach über seine Kriegserfahrungen und die Zeit bei den Edelweißpiraten gesprochen. Hat Ihr Vater auch zu Hause anfangs nichts erzählt?

Marco Jülich: Es gab keine Situation, dass mein Vater gesagt hätte: So, Kin-

der, jetzt setzen wir uns mal zusammen und ich erzähle euch vom Krieg.

Wie wahrscheinlich in den meisten Familien wollte man die schreckliche Zeit vergessen und nicht darüber sprechen. Es kam natürlich beiläufig aus der Situation heraus das eine oder andere zur Sprache, auch von Hunger und Entbehrung. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, aber sicher versucht, die schlimmen Erfahrungen zu verdrängen.

DRAUSSENSEITER: Woran können Sie sich denn erinnern?

Marco Jülich: Es waren merkwürdigerweise eher die schönen Seiten, über die er sprach: über die Geselligkeit in der Gruppe der Edelweißpiraten,

das gemeinsame Musizieren und Singen der verpönten Fahrtenlieder, die Ausflüge zum Blauen See am Rande des Siebengebirges. Da mein Vater schon als Jugendlicher sehr sportlich war, musste er auch immer mit den Instrumenten flüchten, wenn die HJ ihnen auflauerte. Denn die hätte die Instrumente zerschlagen. Aber mein Vater konnte immer alles retten. Das hat er gern erzählt. Aber tatsächlich habe ich das meiste über seine Kriegserlebnisse erst aus seiner Autobiografie „Kohldampf, Knast und Kamelle“ erfahren.

DRAUSSENSEITER: Später hat sich Ihr Vater aber doch öffentlich geäußert und sich als Zeitzeug*in zur Verfügung gestellt.

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EDELwEISSpIRat, GaStROnOm, KaRnEVaLISt
Edelweißpiraten im Beethovenpark, Köln 1943/1944 (ganz rechts: Jean Jülich)
F o T o S: n S-Do K um E n T aT ion S z E n T rum DE r S T a DT Köln
Jean Jülich im Alter von etwa 15 Jahren bei einem Ausflug zum Blauen See im Siebengebirge – einem beliebten Treffpunkt von Gruppen aus Köln, Düsseldorf, Wuppertal und Solingen TEXT: Karin Volb E rg

Marco Jülich: Das war die eigentliche Heldentat meines Vaters, dass er so ab Mitte der 1970er Jahre in die Schulen gegangen ist und dort seine Geschichte an die Kinder und Jugendlichen weitergegeben hat. Das war ihm wichtig. Vor Fremden zu berichten ist ihm leichter gefallen als in der Familie. Bezeichnend ist, dass er einmal in eine Schule ging, die eins seiner Enkelkinder besuchte. Das ist ihm sehr schwergefallen, weil die Distanz, die er brauchte, nicht mehr gegeben war.

DRAUSSENSEITER: Ihr Vater hat sich auch bereits kurz nach dem Krieg in der Jugendarbeit engagiert.

Marco Jülich: Das war ihm immer schon wichtig. Er hat u.a. Sitzungen zugunsten von Kinderheimen organisiert und geleitet, wo er seine Leidenschaft für den Karneval einbringen konnte.

DRAUSSENSEITER: Apropos Karneval: War Ihr Vater eigentlich Mitglied in einer der großen Karnevalsgesellschaften?

Marco Jülich: Mein Vater war lange Jahre Mitglied in der „KG Alt -Severin“, wurde 1963 zum Präsidenten gewählt und war eng verbunden mit den „Winzern und Winzerinnen vun d‘r Bottmüll“. Zudem war er damals eines der jüngsten Mitglieder im Festkomitee Kölner Karneval. Bei „Alt-

Severin“ hat er die Leitung des Tanzkorps übernommen und – obwohl er selbst kein Tänzer war – die Idee der Hebefiguren in den Karneval gebracht. Und ganz nebenbei seine Frau kennengelernt, denn die war das Tanzmariechen.

DRAUSSENSEITER: Jean Jülich war ja ein stadtbekannter Gastronom. Neben seinen Kneipen hat er verschiedene gastronomische Unternehmungen betrieben und u.a. zeitweise auch die Gastronomie im Foyer von Trude Herrs Theater in der Severinstraße geleitet. Aber wie kam es überhaupt dazu? Dieser Weg war ja keineswegs vorgezeichnet.

Marco Jülich: Nach der Insolvenz seines Schreibwarenunternehmens hat mein Vater sich Ende der 60er Jahre Geld geliehen und die Kneipe „Haus Bonntor“ übernommen. Er hatte ein gutes Team, und meine Mutter hielt ihm den Rücken frei. Als Kind war ich dort auch häufig und kann mich erinnern, dass mein Vater in der Kneipe auch schon kleine Sitzungen abhielt. Anfang der 1970er Jahre hat er dann die Südstadtkneipe „Em Blomekörfge“ übernommen, die einen größeren Saal für Sitzungen hatte. Das „Blomekörfge“ wurde eine richtige Institution mit vielen Stammgästen und vielen Vereinen, natürlich auch aus dem karnevalistischen Umfeld, aber nicht nur. Die

Kneipe war damit auch ein kultureller Schmelztiegel. Die Straßenfront des Lokals war gepflastert mit den zahlreichen Vereinsschildern. Und dann hat er das Geschäft durch Catering und andere Aktivitäten ausgeweitet. Meine Mutter hat auch einige Projekte übernommen, wie z.B. das Catering des berühmten „Müllemer Böötchens“.

Meine Schwester – die jetzt übrigens die Severinstorburg betreibt – und ich haben die ganzen Jahre ebenfalls in der Gastronomie gearbeitet.

DRAUSSENSEITER: Sie selbst sind seit 25 Jahren Geschäftsführer der Köln-Mülheimer Stadthalle, wo wir auch gerade zusammensitzen. Wie kam es dazu?

Marco Jülich: 1997 habe ich die Gastronomie der Stadthalle gemeinsam mit meinem Vater übernommen. Ohne seine Kontakte und seine Erfahrung hätte ich das allein nie geschafft.

Ich war von Anfang an der Chef, das war die Bedingung. Aber mein Vater hat mich tatkräftig unterstützt, und wir haben gut zusammen harmoniert.

Das war eigentlich die beste Zeit, die ich mit meinem Vater verbracht habe, weil meine Eltern vorher immer bis nachts gearbeitet hatten. Aber jetzt hatte er endlich Zeit für mich!

DRAUSSENSEITER: Herzlichen Dank für das interessante und aufschlussreiche Gespräch!

Jean Jülich beim ersten Edelweißpiratenfestival im Friedenspark am 1. August 2004
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Edelweißpiraten im Beethovenpark, Köln um 1944 (von links: Jean Jülich, Georg Winkel, Heinz Wunderlich, Willi Colling, Ferdi Steingaß)

aLS GERman DOctOR

In KaLKutta

Ein Raum, vielleicht drei mal zwei Meter groß, das Gitterfenster zum Treppenhaus lässt kein Tageslicht herein, die blau gestrichenen Wände verstärken noch den dunklen Eindruck.

Ein abgemagerter Junge von 17 Jahren kauert in der Ecke auf einer Matratze, die etwa die Hälfte des Raumes einnimmt, davor ein Öl-Öfchen mit Blechgeschirr, an dem die Mutter gerade etwas kocht. Diese Behausung wird von einer sechsköpfigen Familie bewohnt! Das Wasser muss von einem Hydranten geholt werden. Eine Toilette befindet sich in der Gasse um die Ecke, die einzige für 50 bis 80 Bewohner*innen. Der Jugendliche leidet unter einer ansteckenden Lungentuberkulose, die in Indien immer noch weit verbreitet ist. Er muss für mindestens ein halbes Jahr regelmäßig Medikamente einnehmen, eine Unterbrechung würde zu einem Rückfall und zur Resistenzentwicklung führen und die Behandlung erheblich erschweren und verlängern. Dies war nur einer der Haushalte, die ich an jenem Tag in Begleitung von zwei indischen Healthworkern aufsuchte, um nach dem Rechten zu sehen. Schon lange spielte ich mit dem Gedanken und dem Wunsch, meine medizinischen Kenntnisse im Rahmen humanitärer Einsätze bei besonders bedürftigen Menschen in armen Ländern anzuwenden. Das Konzept der deutschen Hilfsorganisation German Doctors, damals noch unter dem Namen „Ärzte für die Dritte Welt“, passte gut zu meinen Vorstellungen und Möglichkeiten: Die Ärzt*innen arbeiten unentgeltlich und verpflichten sich für jeweils sechs Wochen zu einem Einsatz, etwa auf

den Philippinen, in Indien, Bangladesch oder Afrika. Sie übernehmen die Flugkosten teilweise selbst.

Zu meiner Person: Ich bin Arzt/Internist mit langjähriger Tätigkeit in einer größeren Gemeinschaftspraxis in Hamburg, habe eine Familie mit Frau und Kindern. Inzwischen befinde ich mich im Ruhestand. Ab 2008 war ich in Teilzeit tätig und konnte mich erstmalig zu einem Einsatz bewerben, der mich auf die Philippinen führte, im Folgejahr nach Nairobi in Kenia und dann viele Male nach Kalkutta in Ostindien. Über all diese Einsätze gäbe es viel zu erzählen, sie waren ganz unterschiedlich und persönlich sehr bereichernd und faszinierend. Nach Kalkutta hat es mich immer wieder gezogen, diese brodelnde, schier überquellende Stadt mit den vielen Menschen und das Land haben eine Menge zu bieten. Der Flug dorthin führt über einen Zwischenstopp in der Glitzerstadt Dubai - einen größeren Kontrast zu meinem Zielort kann man sich kaum vorstellen!

Bei der Ankunft in Kalkutta überwältigt mich der charakteristische Geruch, die unglaublich dichte Menschenmenge, der Lärmpegel und der Dreck überall. Wir sind ein Team von sechs Ärzt*innen, die eine WG in einem belebten, muslimisch geprägten „Bustee“ bewohnen - einem slumähnlichen Wohnviertel mit lautstarkem Gassentreiben, dessen Lärm ungehindert zu uns dringt und uns in der Nacht oft den Schlaf raubt. Im Folgejahr nach Umzug in eine etwas ruhigere Gegend waren die Bedingungen wesentlich besser. Jeweils zwei Kolleg*innen werden mit ihrem indischen Team täglich zu wechselnden Einsatzorten in Kalkutta oder Howrah (auf der anderen Seite des Ganges = Hugli) gefahren. Es sind spärlich beleuchtete, sehr einfache Clubräume, Hütten oder garagenähnliche Verschläge, die in Windeseile zu einer improvisierten Praxis umfunktioniert werden. Ein*e erfahrene*r Mitarbeiter*in ist jeder*jedem Ärztin*Arzt zugeteilt, der*die die diversen indischen Sprachen beherrscht und ins Englische übersetzt. In langen Schlangen, getrennt nach Kindern, Frauen und Männern, werden wir seit Stunden erwartet, und mitunter sind es einfach zu viele Menschen, denen wir bis zum Einsetzen der Dunkelheit nicht gerecht werden können. Um Benachteiligungen zu vermeiden, werden der Reihe nach die Patient*innen mit einem Stempel auf den Unterarm versehen,

nicht immer geht es dabei friedlich zu. Sichtlich Schwerkranke werden vorgezogen, und nicht selten müssen einige in ein Krankenhaus eingewiesen und gefahren werden. In der Regel werden die Patient*innen unentgeltlich mit Medikamenten versorgt, die unsere mitgeführte Apotheke nach ärztlicher Verordnung ausgibt. Kleinere chirurgische Eingriffe und Wundversorgungen können wir vor Ort leisten, auch unkomplizierte Brüche richten und eingipsen.

Die bunten Saris der Frauen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die überwiegende Mehrheit wirklich arm ist und sich Arztbesuche und Medikamente nicht leisten kann. Viele sind untergewichtig, die Frauen wiegen meist nur zwischen 35 und 40 Kilogramm! Entsprechend sind ihre Kinder schon bei der Geburt klein und mager. Wenn der Einsatz teurer Medikamente, wie beispielsweise Insulin, oder operative Eingriffe erforderlich sind, erfolgt ein Hausbesuch durch eine*n indische*n Mitarbeiter*in, der*die sich von der Bedürftigkeit der Familie überzeugen muss.

Die häufig katastrophalen hygienischen Wohnverhältnisse und der stete Smog über der ganzen Stadt tragen viel zu den Infektionskrankheiten wie Durchfall, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Lungenentzündung und anderen Atemwegserkrankungen bei, besonders zu der hier verbreiteten, gefürchteten und ansteckenden Lungentuberkulose. Auch andere Organe können von der Tuberkulose befallen sein, z.B. Knochen, Darm, Gehirn, Lymphknoten. Für diese Erkrankungen betreiben die German Doctors eine eigene Station für Kinder sowie eine Klinik für Frauen. Die Behandlung dauert mehrere Monate, manchmal Jahre. Übrigens werden die dafür notwendigen Medikamente in Indien staatlich finanziert. Alles andere muss von privaten Spenden bestritten werden. Für jede Operation müssen Spendengelder akquiriert werden, die der Langzeitarzt jeweils bei uns unterstützenden Großspendern beantragt, sei es eine Herzoperation bei einem angeborenen Herzfehler, eine Wirbelsäulen-OP bei drohender Querschnittslähmung durch eine Wirbelsäulen-Tbc. Zu den vordringlichen Aufgaben gehört die Vorsorge, also Impfungen, Verabreichung von Vitaminen, Eisen und Spurenelementen, die Beratung

von Schwangeren und zur Familienplanung, Erkennung und Behandlung von chronischen sog. Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Asthma.

Die abgemagerten Kinder und ihre düstere Zukunftsperspektive machen mir immer besonders zu schaffen. Ein zweijähriger, mit vier Kilogramm extrem untergewichtiger Junge wurde uns von seiner neunjährigen Schwester gebracht. Später war zu erfahren, dass die Mutter das Kind immer wegsperrt und hungern lässt, um „wirksam“ mit ihm betteln gehen zu können! Vielfach müssen die Kinder schwere Arbeiten leisten, um zur Ernährung der Familie beizutragen, und das bedeutet auch, dass sie nicht zur Schule gehen: ohne Bildung folgt eine chancenlose Zukunft. In den sogenannten Brickfields, den Ziegeleien am Ganges oder Hugli, leisten ganze Familien einschließlich der Kinder für einen Hungerlohn schwere Arbeit, hier ist Vorsorge wie Impfungen und die Erkennung von Vitaminmangel und bedrohlichen Krankheiten lebenswichtig.

Die armen, sozioökonomisch benachteiligten Menschen sind durch die derzeitige Corona- Pandemie extrem betroffen, der radikale Lockdown in Indien infolge der starken Ausbreitung der Covid-Erkrankung durch die Delta-Variante hat die vielen Tagelöhner*innen daran gehindert, für das tägliche spärliche Einkommen und die Ernährung der Familie zu sorgen. Nicht nur die Erkrankung bedroht sie, noch mehr der Hunger! Aus Sicherheitsgründen entsenden die German Doctors derzeit keine Einsatzärzt*innen. Zum Glück lebt der deutsche Langzeitarzt Dr. Vogt seit etwa 20 Jahren in Kalkutta, verteilt mit einheimischen Ärzt*innen und Helfenden Essen und hält eine gewisse medizinische Versorgung aufrecht.

Mir war bis zu meinen Einsätzen für die German Doctors nicht bewusst, wie weit verbreitet die Armut in Indien ist, einem von Tourist*innen so begeistert bereisten Land, in dem andererseits einige der reichsten Menschen der Erde zuhause sind. Ich bin überzeugt, dass „meine“ Hilfsorganisation weiterhin auch hier gebraucht wird, um Gutes zu tun und die Not zu lindern, allerdings mit dem Ziel, diese irgendwann in einheimische Verantwortung zu übergeben.

Volker Petersen bei der Arbeit Waschtag im Slum
Fotos: Volker Petersen Fotos: Privat 12 13
Großer Andrang und gedudiges Warten der Hilfesuchenden
VORBILDER
Erfahrungsbericht von Volker Petersen, protokolliert von Christiane Rath
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mIRIJam Günt ER ü BER hOFF nunG

I ch erinnere mich nicht, ob es an den Düften der Lacke lag oder an meiner blühenden Fantasie, dass ich mir während meiner Ausbildung zur Malerin und Lackiererin überlegte, wohin wohl der beste Freund gehen würde, wenn ich ihn verlassen würde. Ich danke Gott, dass diese Karriere jäh endete, obwohl mir gedroht wurde, dass man – sollte ich mich nicht zusammenreißen und an die Regeln halten – schwarz für meine Zukunft sähe. Ich besorgte einen Eimer bunter Farbe und schrieb das Wort Hoffnung in Großbuchstaben an die weißen Wände. Sie sagten mir, dass aus mir eh nichts werden würde. Aber meine Traurigkeit darüber beklebte ich mit Micky-Maus-Pflastern. Den Dämonen, die unter unseren Betten lauern und die jederzeit erbarmungslos zuschlagen können, weil wir die Hölle, die wir in jungen Jahren betreten haben, nie verlassen werden, kochte ich rot-grünen Wackelpudding und lud sie zum Essen ein. Mir wurde keine Zukunft mit meinem Verhalten gewünscht. Aber ich ersehnte mir eh nur eine Schildkröte, die mir keiner schenkte. Ich ging mit ihr im Blücherpark spazieren und erklärte Thomas und Petra, dass ich mir mit Waffeleisen aus ihrem Café eine rosa Zukunft backen würde. Statt mir einen Vogel zu zeigen, luden sie mich auf einen Cappuccino ein. Ich beerdigte meinen Vater, den ich mir herbeibetete, der aber nie kam; derweil verließen mich die letzten Getreuen.

Ich frage Dich, wer heilt das Wort, das gebrochen wurde, und wem vertraut Deine Hoffnung?

Wie heißt das letzte Gebet, dass Du gesprochen hast? Welche Sprache spricht Dein Schweigen?

Wo ist die Träne, die Du nicht um mich geweint hast?

Welchen Satz sagt Deine Seele zur Freude?

mIRIJam GüntER

ist Schriftstellerin und Publizistin. Die Kölnerin absolvierte in verschiedenen Stationen die Hauptschule, gekrönt von einem Realschulabschluss. In verschiedenen Heimen aufgewachsen, sind die Themen ihres Schreibens nah an den eigenen Erfahrungen von erlebter sozialer Ungleichheit und massiver Ungerechtigkeit gegenüber den Schwachen der Gesellschaft. Sie ist Trägerin des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises und schreibt regelmäßig für den DRAUSSENSEITER.

DOmIn IK mEIERInG ü BER hOFF nunG

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as Mirijam da schreibt, klingt wunderbar. Es klingt so, als würde sie durch alle Hoffnungslosigkeit hindurchtänzeln, sie einfach ignorieren, ihr einfach ein „Und dennoch“ entgegensetzen. Auch wenn sie dabei ziemlich allein unterwegs ist. Die Menschen gehen unterschiedlich mit der Hoffnung um. Manche haben welche, andere haben gar keine.

„Es ist ein Wunder, dass ich all meine Hoffnungen noch nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube.“

So schreibt Anne Frank 1944 in ihr Tagebuch angesichts ihrer eigenen Situation und der damals hoffnungslosen Lage Europas. Hoffnungslos schauen heute viele Menschen auch auf die vielfältigen Herausforderungen. Da sind nicht nur die großen Themen wie Corona, Krieg in der Ukraine, Klimawandel, steigende Energiekosten und Inflation, die Situation der Kirche, das Auseinanderklaffen von Arm und Reich.

Für viele gibt es auch die eigenen großen Themen: die eigene Biografie, erlittene Traumata, finanzielle Situation, fesselnde Abhängigkeiten, Krankheiten und Depressionen, streitende Familien, bröckelnde Freundschaften und was weiß ich nicht noch alles… Da stellt sich die Frage, woher die Hoffnung kommen soll. Vom Vertrauen und Glauben in das Gute im Menschen, so wie bei Anne Frank?

Ich liebe den Roman „Oblomow“ von Iwan Gontscharow, in dem einer der liebenswürdigsten „Helden“ der Weltliteratur zu finden ist. Tagaus, tagein liegt Oblomow im Bett, kann sich kaum entschließen, einmal aufzustehen. Fasst er diesen Entschluss doch einmal, schlummert er darüber wieder ein. Jeder Gedanke ist ihm zu viel, jedes Tun lästig. Aber man kann ihm nicht böse sein. Er tut niemandem weh, er ist in Wirklichkeit ein gutmütiger Zeitgenosse. Die Weichheit des Bettes behagt ihm mehr als die harte Wirklichkeit, die außerhalb seines Schlafkabinetts lauert. Er hat aber auch keine Hoffnung – weder für sich noch für die Welt. Sein Trübsinn, seine Traurigkeit wirkt sich in einer ständigen Handlungshemmung aus. Immer wieder findet er Gründe, etwas nicht zu machen. Soll der Plan doch im Gedanken bleiben, seine Realisierung ist ja nur Abstieg und Armut. Alle möglichen Ideen werden hin und her überlegt, von allen Seiten beleuchtet, damit sich am Ende notwendigerweise ergibt, man lasse es besser sein.

Man trauert den verpassten Gelegenheiten nach. Man hat sie nicht erkannt, als sie sich einem darboten. In der Rückschau beklagt man sich nun, man hätte sie ergrei-

fen können. Nun sei es aber zu spät, die Chance komme ja doch nicht wieder. Eine lähmende Passivität liegt über einem, alles zerfällt zu Staub, bevor es überhaupt Form annimmt. Der Mehltau der Illusionslosigkeit durchdringt alle Poren der Existenz. Dasjenige, was gerade ist, ist immer schlecht. Jeglicher Einsatz ist umsonst. Das Rennen ist schon verloren, bevor der Startschuss ertönt. Ein angewiderter Ekel, ein tiefschwarzer Überdruss verdüstert das Leben.

Und einer der intelligentesten Philosophen des 19. Jahrhunderts, Friedrich Nietzsche, geht noch einen Schritt weiter: „Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: Sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“ Ich hoffe, Nietzsche hat unrecht.

Die Bibel zum Beispiel spricht immer wieder vom „Hoffen wider alle Hoffnung“, dem „Sperare contra spem“. Und auch Cicero hat einen schönen Satz: „Dum spiro spero“, „solange ich atme, hoffe ich.“ Ein Grund hierfür ließe sich im Glauben daran finden, dass Gott das Gute in alle Schöpfung hineingelegt hat: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31).

Mich ermutigt immer wieder neu ein Satz aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer: „Wir rühmen uns der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“

DR. DOmInIK maRIa mEIERInG ist katholischer Seelsorger. 1970 in Westfalen geboren, ist er in Bergisch Gladbach und Köln aufgewachsen. Nach den Studien von Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte wurde er 1998 zum Priester geweiht. In der Kölner Innenstadt wirkt er bereits lange, ehemals als Stadtjugendseelsorger, heute als Domkapitular und Innenstadtpfarrer. Er ist verantwortlich für eine Reihe lokaler Unterstützungsangebote. Zuletzt hat er hierzu ein Heft mit sozialen Hilfsangeboten in der Kölner Innenstadt herausgegeben.

 www.hilfe-in-koeln.de

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Foto: Simon Veith Foto: Ben Hammer

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Neulich, da saß ich etwas verträumt am Rande des Sandkastens auf dem Spielplatz Römerpark. Neben mir Doro, Freundin, Bekannte, auf jeden Fall eine Südstädterin, die ich seit mehr als 40 Jahren kenne. Und die ich, wie es hier so ist, immer mal wieder treffe, mit ihr plaudere, sie wieder aus den Augen verliere. Jemanden, den ich nicht missen möchte. Und die zu all denen gehört, deretwegen ich für einen Gang zum Chlodwigplatz nicht wie eigentlich notwendig fünf Minuten einkalkuliere, sondern eine Viertelstunde. Weil ich immer wieder aufgehalten werde und schwätze. Unter anderem mit Menschen wie Doro.

Doro und ich sitzen also nebeneinander auf der Holzumrandung des Sandkastens und beobachten unsere Enkelkinder, die miteinander herumtoben. Es passiert weiter nichts. Wir sitzen da einfach. Alles okay bei dir? Bei dir auch? Hast du schon gehört von X? Mhmh. Aber unsere Enkel*innen, die machen Spaß. Und dann sitzen wir wieder nebeneinander. Bis mich plötzlich so ein wohliges Gefühl erfasst. Saßen Doro und ich nicht schonmal hier? Vor mehr als 30 Jahren? Als mein Sohn noch im Sandkasten spielte, ihr Ältester später sein Babysitter wurde? Beider Kinder hüten wir nun. Mehr als 30 Jahre später. Auf dem gleichen Spielplatz. Etwas aufgemotzt das Ganze. Aber der Sandkasten noch an derselben Stelle. Und wir, wie damals, sitzen da, älter geworden, faltiger, aber immer noch fit genug fürs Enkelkindersitten.

Das Gefühl, das ich dabei hatte, war mir fremd. Es ähnelte dem, das bei mir aufkam, als ich neulich mit meiner 101-jährigen Mutter (sie im Rollstuhl, wir alle mit Enkel*innen und Urenkel*innen um sie herum) am Weiher im Volksgarten saß. Vor uns im Wasser die Enten. Und meine Mutter murmelte irgendwann versonnen vor sich hin: Hier saß ich früher schon immer mit meinem Enkel T.. Jetzt sitze ich hier mit dessen Kindern, meinen Urenkel*innen.

Um es kurz zu machen, dieses eigenartige, mir bislang fremde Gefühl, das mich auch hierbei beschlich, war ein Hauch von Heimat. Ja, dieses missbrauchte, verhunzte, beschädigte Wort machte sich irgendwie breit. Und verunsichert, aber irgendwie auch froh dachte ich: Das, was ich gerade erlebe, ist genau das Gefühl von Heimat, das ich immer so missachtet und verscheucht habe. Irgendwo hinzugehören. Irgendwo eine Geschichte zu haben. Und die spielt sich für mich seit mehr als 40 Jahren genau hier in der Südstadt ab.

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a, das ist mir vertraut: Ich lese. Eile von Wort zu Wort, von Zeile zu Zeile, von Abschnitt zu Abschnitt, von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel… Und ab und zu halte ich inne. Vor lauter Aufregung kann der Puls beim Lesen schon mal Akrobatik machen, der Blutdruck schnellt in die Höhe…

Das nennt man Lesefieber. Es ist nicht lebensbedrohlich, ähnelt einem Glücksrausch. Das Lesen bringt meine Seele zum Schwingen, bringt mich zum Weinen, zum Lachen, zum Mitfühlen und Mitleiden… Die Melodie, der feine Klang der Worte, begleitet mich weiter, nachdem ich das Buch zur Seite gelegt habe. Das Lesen öffnet mir die Tür zur Welt der Antworten und Hinweise. Ich lese ein Wort, ein Zitat - plötzlich durchströmt mich ein Glücksgefühl. Nachdem ich nun mit aller Mühe sehr pünktlich auf das Gleis gelangt war, an dem mein Zug nur selten fuhr, war er nicht da − in etwa vor der Zeit schon abgefahren? Da hörte ich’s: „Die Bereitstellung Ihrer Bahn am Gleis verzögert sich. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Verständnisarm zog ich mir einen Kaffee, schlenderte verträumt an Bahnsteigen entlang und wartete. Andere Reisende kamen und gingen, kopfschüttelnd, teils leise schimpfend, blieben; mit dieser*diesem oder jener*jenem unterhielt ich mich zum Zeitvertreib, faltete die Morgenzeitung auf der Bank aus,

bat einen Schaffner, mir Lautzeichen zu geben, wenn der Zug doch endlich komme.

So vergingen die ersten Tage und Wochen am Gleis recht abwechslungsreich. Manche Reisende kamen täglich, um nachzuschauen, ob der Zug für unsre Reise nun bereits gekommen wäre, gingen jedoch nach einigen Stunden Wartens wieder. Wir begannen, einander mit Namen zu grüßen. Ich überlegte, meine Wohnung zu kündigen, da ich ja nun im Bahnhof nächtigte und die Kaffees und Müsliriegel des Kiosks doch recht teuer waren. Glücklicherweise gab es Geldautomaten in der Nähe des Gleises und die Bahnhofsmission richtete mir ein Postfach ein, über das ich behördliche Korrespondenz abwickeln konnte.

So habe ich mich nach kaum drei Monaten fast häuslich nah am Gleis gefühlt − und begann den Augenblick zu fürchten, an dem mein Zug nun endlich käme und ich das schon gelöste Ticket stempeln könnte. Doch auf die Bahn war stets Verlass: Sie kam und kam nicht.

Ich machte Frauenbekanntschaften und meine Ehe mit Dorothea Thiel wurde in der mosaiküberwölbten Bahnhofsvorhalle geschlossen; der Standesbeamte sprach in bewegenden Worten von „gemeinsamer Reise“, was durchaus stimmte, da sie eine der täglich Nachschauenden, ob unser Zug wohl endlich einmal komme, gewesen war. Das Wartehäuschen wurde mithilfe recht verständiger Beamter unser trautes Heim, und als die Bahn dann endlich einmal kam, machten wir mit unsren sieben Enkeln eine Reise ins noch ungeklärte Morgen.

In meiner Kindheit habe ich Lego gesammelt. Heute sind die Modelle kaum noch erschwinglich. Man nimmt sie auch nicht mehr auseinander, darunter leidet die Kreativität enorm. Auch Briefmarken und Münzen haben sich als eher kostspielige Investition herausgestellt, ohne dass man irgendeinen Gewinn bei der Sache erkennen konnte.

Mit meiner Sammlung an Schallplatten (etwa 600 Stück) und Compact Discs (etwa 400 Stück) hatte ich später wenigstens im Bereich des Jazz kleine Schätze erkennen können, da ich mich durch das Hören sehr intensiv damit beschäftigte. Ich hatte eine Liebe zu dieser Musik entwickelt, konnte aber nicht jeden mit meiner Begeisterung mitreißen.

Seit 2016 ist alles, bis auf die Begeisterung, in der Versenkung verschwunden. Dennoch habe ich im 2021 –kurz nach meinem ersten Auszug aus dem Hostel, das mir durch die „Helping Hands“ vermittelt worden war – wieder als Jäger und Sammler begonnen. Und zwar im Wald, wo ich ein Zelt errichtet habe. Was man sammelt, sollte man auf jeden Fall schätzen, aber unter keinen Umständen schätzen lassen. Alles kommt dann so, wie man es benötigt. Auch die Kreativität und die Begeisterung der Vergangenheit waren bis heute sehr hilfreich. Im Winter schätzte ich natürlich auch die Zeit im Hostel; aber mit dem Zelt habe ich mir einen Traum für die weniger kalte Jahreszeit erfüllt. Es zog mich auch im Winter täglich zum Zelt, weil ich gerne mit dem Gaskocher etwas warm mache.

Bücher kommen mir ebenfalls vor wie ein Wink aus der Vergangenheit. Jazzlexika etwa und die „Was ist was“-Reihe, die ich als Kind gesammelt habe. Bevor ich im Dezember 2021 ein zweites Mal in das Hostel ziehen durfte, hatte ich noch eine Truhe gefunden. Eine Schatztruhe, in die ich meine Dinge unterbringen konnte. Nach meinem Auszug bin ich wieder in meinem Domizil. Der Hausstand, den ich 2021 gesammelt habe, wird mir jetzt wieder dienlich sein.

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Denis
/ unsplash.com
Müde von des Jahrs erfülltem Leben Sucht der Baum im Winter seine Ruh –Gibt sich indes naturgegeben Mit Frost und Eis ein kühles Rendezvous
Foto:
Vdovin
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Foto: Charisse Kenion / unsplash.com

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Neulich, da wurde es mir wieder mal zu viel mit den ewigen Horrormeldungen in der Tagesschau und überhaupt. Vor allem aber mit dem ganzen Hass, der herumirrenden Menschen auf dieser Welt entgegenschlägt. Wenn ich da an meine beiden eritreischen Freundinnen denke (ja, aus diesen Flüchtlingsfrauen wurden Freundinnen, und zwar ganz ganz dicke). Was aus ihnen geworden ist.

F. hatte, bevor sie nach Deutschland kam, in Rom mehrere Jahre unter Brücken genächtigt, gebettelt, geputzt, wurde gedemütigt und hat Dinge erlebt, die ich mir nicht vorstellen mag. Ihr Mann wurde aus einem Boot von der libyschen Küstenwache aufgegriffen, nachdem er schon über Bord gestürzt war. Er wurde inhaftiert, gefoltert –und wird bis heute durch immer wiederkehrende heftige Kopfschmerzen daran erinnert.

T.‘s Mann habe ich im Flüchtlingscafé am Kartäuserwall kennengelernt, als er dort herumsaß, traurig, verzweifelt, denn seine geliebte Frau wartete in einem südsudanesischen Camp auf die Einreiseerlaubnis nach Deutschland. Immer wieder hieß es, sie komme bald, sie komme morgen. Seine eritreischen Freund*innen und Verwandte versuchten ihn aufzumuntern, sie kochten und backten wie wild, jedes Mal, wenn T. angekündigt wurde. Im Stillen dachte ich stets, die kommt nie. Wie denn auch. Und eines Tages stand sie da, mit dem gemeinsamen zweijährigen Sohn M. Glückliche Menschen, die nichts hatten, außer ihren Helfer*innen im Flüchtlingscafé und ein paar Landsleuten, die es bis nach Köln geschafft hatten.

Ich begann, F. und T. einmal in der Woche zu mir nach Hause einzuladen, um ihnen beizubringen, wie es hier so zugeht und wie man hier so spricht. Da fragten mich

Nachbar*innen fassungslos: „Du lädst die zu dir nach Hause ein? Hast du da keine Angst?“ Nein, ich hatte nie Angst. Wovor denn auch. Ich habe die beiden Frauen von Anfang an geschätzt und später auch wirklich geliebt.

Wir haben zusammen Weihnachtsplätzchen gebacken, Reibekuchen gebrutzelt, eritreische Fladenbrote hergestellt. Ich habe ihnen die Uhrzeiten beigebracht und was man hier so sagt im Alltag. Wie naiv ich da noch war. Dachte, der Satz „Ich hätte gerne ein Pfund Gehacktes vom Rind“ wäre für die beiden ganz wichtig. Dabei haben sie ihn nie gebraucht. Mit dem wenigen Geld, das sie anfangs hatten, konnten sie nicht einmal zum Metzger gehen, haben immer in Billigmärkten abgepacktes Fleisch oder Gemüse gekauft. Inzwischen haben beide zwei Kinder, eigene Wohnungen. T.‘s Mann hat sich selbstständig gemacht und lebt völlig unabhängig von staatlichen Subventionen. F. arbeitet halbtags in der Küche eines Kindergartens, ihr Mann macht gerade seinen Führerschein als LKW-Fahrer. Bislang scheiterte er stets an seinen Folterfolgeschäden, seinen Kopfschmerzen und Depressionen.

Wenn ich sie besuche, dann komme ich in adrette, liebevoll eingerichtete Wohnungen – und kann mir kaum noch vorstellen, dass F. mal in Rom unter Brücken genächtigt hat und T. in einem sudanesischen Flüchtlingscamp nicht wusste, wie es weitergehen sollte.

wo nicht möglich ist als dort in den kalten Eingängen?

Wieder ein flaues Gefühl im Magen, weil die Geldspenden des Tages nicht genügten, um ausreichend Lebensmittel zum Sattwerden zu kaufen. Gerade mal für einen Coffee to go als inneren Aufwärmer hat es heute Abend gereicht.

R E a LE Fanta SIE n

caSamax thEatER mIt nEuEm StücK „hELDEnhaFt!“

TEXT: TH oma S D a H l | Fo T o: ngo Solm S

Mitte September 2022 vor den Pforten des Casamax. Es ist zehn Uhr und endlich wieder etwas kühler nach hitzigen Wochen, die nicht nur für den Verfasser dieser Zeilen anstrengend waren. Auch die Stadt scheint für einige Momente aufzuatmen. Noch eine halbe Stunde bis zum Start des neuen Stücks „Heldenhaft!“ und somit Zeit für Mutmaßungen über die aktuelle Inszenierung der Stätte, die kontinuierlich einfühlsame wie intelligente Stücke produziert, um jungen Menschen einen verständigen Spiegel für Ängste und Sehnsüchte entgegenzuhalten. Ein paar Minuten also für eigene Mutmaßungen über den Inhalt der kommenden Aufführung. Ich frage mich, was die Menschheit über die Jahrtausende auszeichnet, und antworte mir selbst: Selbstbewusstsein, Kreativität, Fortschritt, Gemeinschaftlichkeit, aber auch Kriege, eine fortschreitende Umweltzerstörung, immer wieder auftretende Hungersnöte sowie schwelende Armut. Der Kontrast bestimmt die Epochen. Lösungen fand die Spezies vor allem auf dem Papier. Vielversprechende Übereinkünfte in der Staatenwelt wurden geschlossen, um wieder gebrochen zu werden. Die Realität bleibt weiterhin eine Tragödie, in der das Happy End allenfalls einseitig ausfällt. Scheinbar fehlte bisher die Kraft, ein harmonisches Zusammenleben auf dem Planeten zu ermöglichen.

Dafür erfand man Superhelden, denen nicht minder begabte Heldinnen folgten. In Comics oder auf der Kinoleinwand sorgten und sorgen

„Heldenhaft!“ Dauer: circa 60 Minuten, empfohlen ab 8 Jahren Casamax Theater, Berrenrather Straße 177, 50937 Köln, Tel.: 0221 - 44 76 61  www.casamax-theater.de

K

alt, wieder bitterkalt war die Nacht und auch noch der frühe Morgen. Durchgefroren und vor Kälte zitternd am ganzen Leib. Wie sich warm anziehen, wenn wärmende Kleidung ebenso fehlt wie die Traute, sich aus der Altkleidersammlung zu bedienen, weil die Scham noch überwiegt?

Wieder eine Nacht in Kälte, weil Unterkünfte für Obdachlose wegen behördlichen Hin und Hers nicht ausreichend zur Verfügung stehen und die vorhandenen Unterkünfte restlos überfüllt sind. Den glattpolierten Marmorböden der Geschäftseingänge fehlt die Wärme für ein Übernachtungslager. Wo dennoch übernachten, wenn es anders-

Kalt, wieder bitterkalt! Und schnell aus dem Abfalleimer etwas Essbares herausholen, Essbares, das achtlos entsorgt wurde von satten Leuten. Wenn es gut geht, reicht das für heute Nacht. Der angebissene Hamburger, um den nagenden Hunger ein wenig zu stillen.

Kalt, bitterkalt der Gedanke, dass so etwas kaum Vorstellbares in der heutigen Zeit noch geschieht.

Menschlichkeit und Mitgefühl bleiben auf der Strecke, auch und gerade in pandemischen Zeiten, wo doch Solidarität mit den Schwächsten dieser Gesellschaft ganz oben stehen müsste und dringend Hilfe erforderlich ist. Jetzt und nicht erst morgen!

sie für die erträumte Gerechtigkeit. Nun auch im Casamax, das pünktlich um halb elf im vollbesetzten Saal furios zur Weltrettung aufruft. Mit Supergirl (Anna Rödiger), Captain America (Lev Leib) sowie Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf (Banu Yalkinoglu) treffen gleich drei führende Persönlichkeiten aus dem Fantasy-Genre mitten in Sülz aufeinander. Nach imposanten Posen für das begeisterte Publikum verpuffen die Superkräfte jedoch schnell. Die Stars sind müde. Ewig Waldbrände mit dem Atem löschen, Bösewichte im Dutzend stellen, Kriege zwischen ganzen Kontinenten vereiteln, Tsunamis mittels ausgestreckter Arme aufhalten oder durch Zusammenziehen unterirdischer Plateaus Erdbeben verhindern, verbraucht enorm viel Energie. Dann auch noch Corona, das zur Untätigkeit verdammt. An den verherrlichten Figuren sind die Jahre daher nicht spurlos vorbeigezogen. Fettpolster zieren den Körper, wo einst Muskeln die nötige Power entfachten. Anstatt schwungvoll loszulegen, ergehen sich die Ex-Held*innen in amüsantem Selbstmitleid und nicht minder unterhaltsamen gegenseitigen Nörgeleien. Aber wo bleiben die Pläne für die sofortige universale Harmonie auf einem Planeten, der zukünftigen Generationen noch als Nährboden dienen soll? Auf diese Gretchenfrage geben die Darsteller*innen unter der Regie von Ragna Kirck nach einer kindgerechten, unterhaltsamen Vorstellung die vermutlich klügste Antwort, die denkbar ist: Anstatt allgemeine Phrasen aus dem Politik-, Religions-, Geschichts- oder Sozialkundelehrbuch zu rezitieren, sensibilisieren die nun menschlich gewordenen Protagonist*innen ihre Zuschauer*innen zu eigenverantwortlichem Handeln und entlassen vielleicht auch die älteren Theater-Gäste ein wenig motivierter, den Konflikten im vertrauten Lebenskreis entgegenzuwirken. Wenn der Mensch nicht einmal in der Lage ist, Vermüllungen, Streitereien oder Diskriminierungen an seinem Wohnort Einhalt zu gebieten, wie soll dann globale Einigkeit gelingen?

Erstveröffentlicht auf www.choices.de

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Wolfgang Hübner-Bergfeld
Superheld*innen gesucht: Captain America (Lev Leib), Pippi Langstrumpf (Banu Yalkinoglu) und Supergirl (Anna Rödiger) können die Weltprobleme nicht mehr alleine lösen.

Tana French

Der Sucher

 Irland. Cal Hooper, Cop aus den Hotspots von Chicago, ist ausgebrannt. Sein Job ist ihm eine Last, seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter lebt weit entfernt in Seattle. In einer Art Panik kündigt Cal, kauft sich ein verfallenes Haus mitten in Irlands Pampa. Zunächst lässt sich sein neues Leben gut an. Seine Nachbar*innen sind freundlich, an die Krähen in seinem Gartenbaum hat er sich gewöhnt, die Landschaft mit ihren fetten, grünen Wiesen, den sanften Hügeln am Horizont, den friedlich grasenden Schafen bezaubert ihn. Doch bald spürt er, dass er beobachtet wird, dass jemand um sein Haus herumschleicht. Das klapperdürre Kind, das er bald schon erwischt, ist zunächst scheu. Hat aber ein konkretes Anliegen: Da alle im Dorf wissen, dass Cal Polizist war, bittet es ihn, seinen verschwundenen Bruder zu finden. Damit beginnt eine langsame, aber hartnäckige Suche nach einem jungen Mann, der doppelbödig lebte und zwiespältige Gefühle hinterließ. Der verschwand und Cal fast mit in den Abgrund reißt. Einen Abgrund, der Cal seine neue Heimat mit gänzlich anderen Augen sehen lässt als zu Anfang.

In „Der Sucher“ gibt es zwar akribisch detailliert auserzählte Passagen, Exkurse in die Geologie Irlands, das Zusammenzimmern eines Schreibtisches, das Auseinandernehmen eines Gewehres und den Alltag mit Krähen, die einen vom Gartenbaum aus beobachten. Doch auf keinen dieser Schlenker hätte ich verzichten mögen. Der Wortwitz dieser Autorin bezaubert ebenso wie der rasante Schlagabtausch zwischen den Protagonist*innen und die mitreißenden Dialoge. Beim Lesen bin ich eingetaucht in eine Landschaft, die mich bezaubert, beruhigt und gleichzeitig auch misstrauisch gemacht hat. Dadurch, dass Tana French ein Szenario schafft, so liebreizend ländlich sittlich, so hintergründig verhalten gewalttätig, so traumhaft

schön schummrig, dass ich gleich eintauchen wollte in diese irische Welt der kleinen Leute.

In dieses Dorf, von dem die jungen Leute fliehen, weil sich nichts mehr dort abspielt, was sie halten könnte. Und in dem jede*r jede*n kennt, beobachtet, sein Verhalten kommentiert und gegebenenfalls auch reglementiert. Genau die Welt, von der sich Cal Hooper Ruhe erhoffte.

Vergeblich, wie sich zeigen wird. Ein wahres Meisterwerk. Schon als Tana French 2008 ihren ersten Krimi in deutscher Übersetzung veröffentlichte, konnte ich mich vor Begeisterung kaum halten: „Manchmal, da wartet die Sparte wirklich mit etwas Besonderem auf.“ Diesmal hat French sich selbst übertroffen.

An einem Strand ganz in der Nähe wird die Leiche einer jungen Frau angeschwemmt, mit ihr ein totes Baby. Etwa zeitgleich wird auf dem Grund der in einem heftigen Sturm tobenden See ein Segelboot geortet. Ronan Prad weiß nur eins: Er muss da runter, muss tauchen, muss schauen, ob es nicht das Schiff seiner Camille ist. Doch sein Tauchgang wird zur Todesstrecke. Das gesunkene Schiff birgt ein gutes Dutzend Leichen. Männer, Frauen und Kinder, allesamt getötet mit einem Kopfschuss. Kurz darauf muss er sich gegen die tödliche Attacke eines mittauchenden Fremdenlegionärs wehren, den er, in höchster Not, umbringt.

Irgendjemandem passt Prads Fund und der Verlauf der Ereignisse unter Wasser gar nicht.

Tana French: Der Sucher.

Fischer-Scherz-Verlag 2021, 22,90 Euro. ISBN 978-3-65102-567-7

Die Bretagne mal ganz von ihrer Schattenseite. Keine Rede von Stränden, Urlauber*innen, Wohlgefühl, Austern schlürfen, Cidre oder Hummer

Christian Buder, Krimiautor und Wanderer zwischen Deutschland und der Bretagne, hat der Region den Charme genommen. Aber sowas von brutal. Sein Protagonist, Ronan Prad, ist Einzelgänger und Misanthrop. Vor 13 Jahren verschwand seine Frau Camille spurlos nach einem Segelturn. Seitdem hat er seine Seele einbetoniert, wartet auf den Tag, an dem er endlich ihr versunkenes Boot finden kann, erfährt, was an ihrem Todestag geschah. Bis dahin arbeitet der ehemalige Geheimdienstler in der Gendarmerie Maritime, angesiedelt in dem beschaulich bretonischen Fischerdorf Penec. Doch eines Tages wird er jäh aus seiner Trauerphase gerissen.

Vor allem, als sich unter den Toten auch die Familie eines ehemaligen Umweltschützers aus Penec befindet, vor mehr als zehn Jahren spurlos verschwunden. Prad gerät durch seine Entdeckung in das Visier auf Töten spezialisierter Ex-Legionäre, mit denen sich der Bürgermeister von Penec umgibt. Vor allem, als Prad feststellt, dass die meisten der Toten des gesunkenen Bootes ebenso wie die an den Strand gespülte tote junge Frau samt Baby aus dem Lager in Calais stammen, „La Jungle“. Dorther also, wo Migranten aus Afrika und Vorderasien unter unmenschlichen Bedingungen ausharren, in der Hoffnung, doch noch eine Überfahrt nach England zu bekommen. Weil, so glauben sie, dort ein besseres, ein menschenwürdigeres Leben auf sie wartet.

Christian Buder hat ein Feuerwerk an explosiven Situationen entzündet, so viel Unmenschlichkeit und Korruption auf einen Haufen geschichtet, dass die Bretagne, wie wir sie lieben, darunter begraben wird und all ihren Charme verliert. Allein die Verflechtungen von Politik, Macht, Geld und Korruption verwandelt dieses bezaubernde Fleckchen Erde in einen rauen und mörderischen Landstrich. Ein ungewohnter Blickwinkel, gekonnt eingesetzt, glaubwürdig und fesselnd umgesetzt.

Christian Buder: Der Dachs. Aufbau-Verlag 2022, 18 Euro. ISBN 978-3-35200-963-1

Anzeige

„Mit großem Interesse gelesen – ein informatives, oft herzzerreißendes, sehr professionell gemachtes Buch über Obdachlosigkeit in Köln.“

Elke heidenreich, Literaturkritikerin

DiE lETzTEn HiEr Köln im sozialen Lockdown

Wie erleben Obdachlose die Corona-Pandemie in Köln? Wie geht eine Großstadt mit dem Lockdown um, wenn nicht alle zu Hause bleiben können? Was, wenn Armut in einer Stadt plötzlich deutlich sichtbarer wird? Haben sich Strukturen des Hilfesystems verändert? Und: Hat sich durch die Krise vielleicht sogar etwas zum Guten gewandt für diejenigen, die sonst durchs Raster fallen? Mit eben diesen Fragen hat sich Deutschlands ältestes Straßenmagazin DRAUSSENSEITER beschäftigt und nun eine Auswahl an Texten und Fotos zusammengestellt, teilweise von Betroffenen selbst.

daedalus Verlag

144 seiten (mit zahlreichen abbildungen) 12,- euro, IsBn 978-3-89126-267-2 Erhältlich im Straßenverkauf oder im Buchhandel

caRtOOn Buch-tIppS 20 21
Christian Buder Der Dachs Christina Bacher (Hrsg.)
30 JAHRE
hEIKO SaKuRaI

InsP-Konferenz mit Preisverleihung

I n diesem Jahr fand die Tagung des International Network of Streetpapers auf Einladung der Straßenzeitung Scarp de‘ tenis in Mailand statt. Neben Fachvorträgen, Ausflügen in eine Suppenküche und die Redaktion wurden schließlich am letzten Abend die INSP-Awards verliehen. Diesmal war auch der DRAUSSENSEITER in der Kategorie „Beste Verkäuferkolumne weltweit“ für die Kolumne der ehemals obdachlosen Linda nominiert: die zehn Jahre lang aus der Sicht ihres Hundes Clayd aus ihrem Alltag berichtet hat – den Preis bekamen schließlich die Kolleg*innen der ASPHALT. Wir bedanken uns für inspirierende Gespräche und Anregungen aus allen Teilen der Welt. (cb)

Der DRAUSSENSEITER fühlte sich sichtlich wohl inmitten der internationalen Straßenzeitungsszene.

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Seit nunmehr zehn Jahren bietet die OASE – Benedikt Labre e.V. in Kooperation mit dem Straßenmagazin DRAUSSENSEITER „Soziale Stadtrundgänge“ durch Köln an. Leider kam das Angebot immer wieder zum Erliegen – zuletzt während der Corona-Pandemie. Da das Interesse an den besonderen Stadtführungen aber immer mehr wächst, erarbeitet ein Team ein Konzept, um die Touren zum „Doppelten Stadtplan“ auf breitere Beine zu stellen. Die Touren finden zurzeit für Gruppen und nur nach vorheriger Anmeldung statt.

Informationen und Anmeldung:  tour@oase-koeln.de

Am 28. September war eine Gruppe vom Jobcenter Köln-Innenstadt beim Sozialen Stadtrundgang mit dabei – geführt wurden sie von Lothar Schmieding, der selbst seit vielen Jahren in einem Zelt lebt. Flankiert von der neuen studentischen Hilfskraft der Oase Stefan und Sozialarbeiter Andreas zeigte Stadtführer Lothar auf seiner Tour vom Ebertplatz ausgehend bekannte Stationen seiner Zeit auf der Straße mit dem Fokus auf die schwere Zeit während der Corona-Pandemie und die Hilfangeboten, die ihn dabei unterstützt haben. Die Kolleg*innen des Jobcenters stellten besonders viele Fragen zum Thema „freiwillige Obdachlosigkeit“, das Lothar erwähnt hatte, und wollten wissen, warum manche Menschen Angebote wie Transferleistungen ablehnen. Lothar konnte hier viel Klarheit über die verschiedenartige Wahrnehmung von Hilfsangeboten und den Unterschied zwischen den für Obdachlose teils mechanisch wirkenden Vorgängen im Jobcenter und der gelebten Realität für Menschen mit Hilfebedarf schaffen. (ae)

Auch die Mitarbeiter*innen des Diakoniehauses am Salierring nahmen Mitte Oktober an einem Sozialen Stadtrundgang teil. Bei den Führungen ist neben dem „Experten der Straße“ immer auch ein*e Sozialarbeiter*in oder ein*e Streetworker*in der OASE dabei.

Gefängnis statt Geldstrafe?

Fast jeder zehnte Häftling in einem Gefängnis hierzulande verbüßt eine „Ersatzfreiheitsstrafe“. Eine freundliche Umschreibung der Tatsache, dass obdachlose Menschen z. B. beim Schwarzfahren erwischt und im Wiederholungsfall angezeigt werden. Daraufhin verhängt ein Gericht eine Geldstrafe, die diese zumeist mittellosen Menschen nicht zahlen können, worauf sie im Knast landen. Dieser „Ersatz“ der Geldstrafe kostet den Staat ein Vielfaches der ursprünglichen Strafe – ganz abgesehen davon, dass Gefängnisse so zu Armenhäusern mutieren. Kriminologen und Sozialarbeiter fordern schon lange eine Reform der Ersatzfreiheitsstrafe. Ein Abend über Folgen der aktuellen Gesetzgebung und sinnvolle Alternativen.

Gäste: Peter Biesenbach (NRW-Landesminister der Justiz a.D.), Dr. phil. Nicole Bögelein (Institut für Kriminologie Köln), Petra Hastenteufel (Sozialarbeiterin der OASE in Köln).

Moderation: Martin Stankowski 30.11.2022, 19:00 uhr Karl Rahner akademie, Jabachstr. 4-8, 50676 Köln Eintritt: 7 Euro (Spende für KVB-Tickets)

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Foto: Andrea Cherchi Foto: Fedele Costadura Foto: Andrea Cherchi Foto: Fedele Costadura nEwS
Mailand traf sich vom 12.-18.9.2022
Foto: Christina Bacher
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die große weltweite Straßenzeitungsfamilie des INSP.
Delegierten-Begrüßung in einer Suppenküche Fachvorträge Preisverleihung
Eine Gruppe Mitarbeiter*innen des Jobcenters Innenstadt nahm viel mit von der Führung mit DRAUSSENSEITER-Verkäufer Lothar.
Foto: Andreas Ette
Foto: Petra Hastenteufel
 https://www.karl-rahner-akademie.de 22 23

Ich möchte den draussenseIter unterstützen und bestelle:

imPrESSum

redaktionsleitung Christina Bacher (cb), bacher@draussenseiter-koeln.de www.draussenseiter-koeln.de

redaktionsassistenz Markus Düppengießer (mad), dueppengiesser@draussenseiter-koeln.de

Herzlichen Dank allen freien Mitarbeiter*innen dieser Ausgabe.

lektorat Barbara Feltes

gestaltung Edgar Lange, https://www.desdev.de titelfoto Simon Veith

❚ Kulturtipp

lesung über mutige Menschen

www.draussenseiter-koeln.de, abo@draussenseiter-koeln.de

ein Straßen-Abo zu 42,– Euro pro Jahr ein Sponsoren-Abo zu 85,– Euro pro Jahr ein Förder-Abo zu 150,– Euro pro Jahr (Als Dankeschön für das Förder-Abo gibt es zudem das druckfrische Buch „Die Letzten hier. Köln im sozialen Lockdown“.) lieferanschrift Vorname Name Straße PLZ/Ort Unterschrift

druck druckdiscount24.de abos Martina Jühlke, juehlke@oase-koeln.de

Vertrieb Ali Baran

Herausgeber

Benedikt-Labre e.V. – OASE Alfred-Schütte-Allee 4, 50679 Köln Tel.: 0221 / 98 93 53-0, Fax: 0221 / 98 93 53 16

depots (nur für Verkäufer)

• Kiosk Orman, Salierring 15, 50677 Köln

• OASE, Alfred-Schütte-Allee 2-4, 50679 Köln

Verkauf öffentlich

• Fachbuchhandlung Gaby Schäfers, Merlotstr. 4, 50668 Köln

• Agnesbuchhandlung, Neusser Straße 63, 50670 Köln

• Buchladen Neusser Straße, Neusser Straße 197, 50733 Köln

• BUNT Buchhandlung, Venloer Straße 338, 50823 Köln

Kontoverbindungen

IBAN: DE66 3705 0198 0016 5020 31

SWIFT-BIC: COLSDE33, Sparkasse KölnBonn

draussenseIter ist das Sprachrohr für alle Obdachlosen, deren Freunde, ehemals Obdachlose und andere Betroffene. Leserbriefe sind immer herzlich willkommen. Für namentlich gekennzeichnete Artikel und Leserbriefe sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Bedürftigen wird für veröffentlichte selbstgeschriebene Artikel, Interviews und Fotos ein kleines Honorar gezahlt, wenn dies der Autor ausdrücklich wünscht. Nachträgliche Forderungen werden nicht akzeptiert.

Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1.1.2009.

DRAUSSENSEITER ist Mitglied des

Rupert Neudeck wollte sicher nie explizit die Welt retten. Und dennoch hat er – ohne lange nachzudenken – immer dort geholfen, wo Menschen in Not waren. Vielleicht, weil er als kleiner Junge selbst auf der Flucht gewesen ist? Nun hat DRAUSSENSEITER-Chefredakteurin Christina Bacher das Buch „Ein Schiff für den Frieden – Das mutige Leben des Rupert Neudeck“ geschrieben, in dem man – liebevoll illustriert von Bruder Lukas Ruegenberg – viel über den Menschen erfahren kann, der mit dem Schiff Cap Anamur mehr als 10.000 Menschen aus dem Südchinesischen Meer rettete. Später hat er die Grünhelme gegründet und bis zu seinem Tod in Köln und Troisdorf gelebt und gewirkt.

Bei einer Lesung über Mut darf die Kölner Autorin Andrea Karimé nicht fehlen, die in „Nuri und der Geschichtenteppich“ die Geschichte der 7-jährigen Nuri erzählt, die mit ihren Eltern vor dem Krieg aus dem Irak nach Deutschland geflohen ist. Sie schreibt Briefe an ihre Tante, in denen sie von ihren Sorgen in der neuen Heimat berichtet. Aller Anfang ist bekanntlich schwer, doch Nuri gibt nicht auf und schafft es schließlich, die Klassenkamerad*innen mit farbigen Geschichten zu faszinieren.

sonntag, 20.11.2022, 15:00 uhr stadtbibliothek Köln Josef-Haubrich-Hof 1 50676 Köln - altstadt/süd

Eine Veranstaltung im Rahmen von „Sonntags in der Bibliothek“. Der Eintritt ist kostenlos.

 https://www.stadt-koeln.de/leben-inkoeln/stadtbibliothek/zentralbibliothek/ index.html

Lesen ist Hoffnung

Wenn ich sonntagmorgens in den WDR fahre, komme ich immer an der Südbrücke vorbei. Da liegt ein Mann in seinem Schlafsack, der Verkehr braust um ihn herum, manchmal regnet es, es zieht und der liegt einfach da. Und jeden Sonntag bricht es mir das Herz, wenn ich das sehe“, erzählt Elke Heidenreich von der Hilflosigkeit, die viele Menschen empfinden, weil sie in dieser Situation nicht helfen können. Wir haben mit der renommierten Literaturkritikerin über ihr soziales Engagement, unser Dezemberthema Hoffnung und über Fluchtpunkte im Alltag gesprochen. Im Dezember stellen wir zudem den Verein Literaturszene Köln e.V. vor, mit dessen Hilfe wir eine wunderbare Literaturausgabe auf die Beine stellen konnten – sozusagen als Weihnachtsgeschenk an unsere treuen Leser*innen.

Widerrufsbelehrung: Die Bestellung wird erst wirksam, wenn sie nicht binnen einer Frist von 10 Tagen schriftlich widerrufen wird. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Das Abo kann jederzeit gekündigt werden.

der nächste draussenseIter erscheint zum 1. dezember 2022. Mehr dazu unter www.draussenseiter-koeln.de und auf www.facebook.com/draussenseiter-das-Kölner-strassenmagazin-106192356124749

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einzugsermächtigung Vorname Name Straße PLZ/Ort IBAN SWIFT Kreditinstitut Unterschrift draussenseIter –Abonnement
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Bild: C. Bacher Foto: Hanna Witte Die Literaturkritikerin Elke Heidenreich und den belesenen Straßenzeitungsverkäufer Lothar Schmieding hat Chefredakteurin Christina Bacher (li.) zum Gespräch ins Literaturhaus geladen. Man war sich in vielen Punkten überraschend einig.

für alle

n diakoniehaus salierring Fachdienst für Wohnungslosenhilfe des Diakonischen Werkes Köln und Region gGmbH, Salierring 19, 50677 Köln, Tel.: 27 69 70-0, verwaltung.salierring@diakonie-koeln.de, www.diakonie-koeln.de

Beratung: Mo bis Fr 9-12 Uhr, Mo u. Mi 14-16 Uhr (u. a. Postadressen u. Treuhandkonten)

tagestreff: Mo bis Do 8.30-12.30 Uhr, Frühstück, Duschen, Wäschekeller, Aufbewahrung, Internetzugang Kleiderkammer: Di u. Do 10-12 Uhr

Krankenwohnung, Betreutes Wohnen gem. § 67 SGB XII, Ambulantes Betreutes Wohnen gem. § 67 SGB XII in Außenwohnprojekten, Clearingstelle Claro im Trägerverbund, VIADUKT, mietfest im Trägerbund

n emmaus Geestemünder Str. 42, 50725 Köln, Tel.: 971 17 31, www.emmaus-koeln.de. Leben und Arbeiten in Gemeinschaft, günstige Secondhand-Artikel, Hilfslieferungen an Bedürftige in anderen Ländern. appellhofplatz: Essensausgabe Mo, Mi und Fr ab 21 Uhr und medizinische Versorgung Mo und Mi ab 21 Uhr durch Gesundheit für Wohnungslose e.V., Trakehner Straße 18, 50735 Köln, http://gesundheitfürwohnungslose.de

n gulliver – Überlebensstation für obdachlose

Trankgasse 20, Nähe Hauptbahnhof, 50667 Köln, Tel.: 120 60 91

Duschen, Toiletten, Waschmaschinen, Trockner, Tagesschlafraum, Postadressen, Caféteria mit Frühstück und Snacks, Beratungsangebote, Internetzugang, Kunstausstellungen, Handyladestation, Gepäckaufbewahrung

Öffnungszeiten: Mo bis So, auch an Feiertagen: 8:00-15:00 Uhr

Kleiderkammer: Notfallkleiderkammer nach Bedarf

n lobby-restaurant lore des Kalz für Berber und Banker Domstr. 81, Nähe Hauptbahnhof, 50668 Köln, info@koelnerarbeitslosenzentrum.de, www.koelnerarbeitslosenzentrum.de

Mittagessen: Mo, Di 12-16 Uhr, Mi, Do, Fr 12-15.30 Uhr

n Kölner obdachlosenfrühstück, Peter-deubner-stiftung Tel.: 430 39 83

angebote: Kostenloses sonntägliches Frühstück 9-11 Uhr: Jeden 2. Sonntag im Monat Alte Feuerwache, Agnesviertel. Jeden 3. Sonntag im BÜZE Bürgerzentrum Köln-Ehrenfeld, Venloer Str. 429. Jeden 4. Sonntag im Liebfrauenhaus, KölnMülheim, Adamstr. 21.

n guBBIo obdachlosenseelsorge Ulrichgasse 27-29, 50577 Köln, www.gubbio.de Öffnungszeiten: Di, Mi 14–17 Uhr angebote: Raum zum Gespräch, Bibelstunde, Meditation, thematische Gesprächskreise, religiöse Filme

n Kontakt- u. Beratungsstelle rochus (sKM) Bartholomäus-Schinkstr. 6, 50825 Köln, Tel.: 3377063-4, rochus@skm-koeln.de, http://www.skm-koeln.de

Öffnungszeiten: Mo-Fr 11.00-15.00 Uhr, Sa 10.00-13.00 Uhr angebote: Mo bis Fr warmes Essen von 12.0014.00 Uhr, kalte u. warme Getränke, Duschmöglichkeit (Behindertendusche u. -toilette), Wäsche waschen Mo-Do von 11.00-14.30 Uhr, Beratung tägl. von 11.00-15.00 Uhr oder nach Vereinbarung. Medizinische Sprechstunde Di und Do von 12.30-13.30 Uhr, Postadresse, ambulantes betreutes Wohnen, PC-Nutzung mit Internet-Zugang. Sa geöffnet – es gibt Frühstück. Kleiderkammer: täglich geöffnet, Mo zwischen 9.15 und 10.30 Uhr auch für Menschen aus dem Bezirk Ehrenfeld mit Köln Pass.

n Kontakt- und Beratungsstelle am Hbf (sKM Köln)

Bahnhofsvorplatz 2a (1. Etage), 50667 Köln-Innenstadt, Tel.: 13 49 19, kontaktstelle@skm-koeln.de, www.skm-koeln.de

angebot: Aufenthaltsmöglichkeit, Begegnung, täglich Fachberatung, Freizeitangebote, (Spieleangebot, Kaffee), Essen, Duschen, Wäschepflege, Schreibhilfe, Telefonmöglichkeit, Postadresse, mediz. Versorgung, PC-Nutzung mit Internetzugang

Kontaktstellenbereich/tagestreff: Mo. bis Fr.: 12.00 bis 15.30 Uhr (Essensangebot: 12.00 bis 14.00 Uhr) So. und Feiertage: 12.00 bis 13.00 Uhr

Samstags geschlossen

Beratung (auch anonym): Mo, Mi, Do, Fr 9-11.30 Uhr, Mo bis Fr 14-15.30 Uhr

n Vringstreff e.V.

Für Menschen mit und ohne Wohnung Im Ferkulum 42, 50678 Köln, Tel.: 278 56 56, info@vringstreff.de, www.vringstreff.de Öffnungszeiten: Mo bis Do 11.30-17 Uhr, Fr 9-12 Uhr Jeden 2. und 3. Sonntag Obdachlosenfrühstück 9-11 Uhr, Café, Freizeitangebote, Veranstaltungen, Beratung

n Bürger für obdachlose e.V.

Basislager gebrauchtwarenkaufhaus Bürger für Obdachlose e.V. Basislager: Silcherstr. 11, 50827 Köln Tel.: 640 22 68, info@bfoev.de

Kleiderkammer, Gebrauchtwaren-Kaufhaus für Jedermann, Arbeitsprojekt und Suppenküche. Obdachlose können gerne auch Kleidung, Schlafsäcke etc. in unserem Gebrauchtwaren-Kaufhaus kostenlos bei uns beziehen. Gemeinsam mit Emmaus betreibt der Verein die Suppenküche am Appelhofplatz.

n Initiative Bauen Wohnen arbeiten e.V. Peter-Michels-Str. 1-9, 50827 Köln Tel.: 0221/ 9535301, Fax: 0221/ 5948789 ibwa@netcologne.de www.bauenwohnenarbeiten.de angebot: Arbeitsgelegenheiten, Beschäftigung, Wohnen, Betreutes Wohnen

n oase – Benedikt labre e.V. Alfred–Schütte–Allee 4, 50679 Köln, Tel. 0221/9893530 kontakt@oase-koeln.de www.oase-koeln.de Kontakt- und Beratungsstelle: Montag und Freitag 9–13 Uhr, Dienstag und Donnerstag 9–16 Uhr, Mittwoch nach Terminvereinbarung offener treff: Montag 10.30–13 Uhr, Dienstag 13–16 Uhr, Donnerstag 13–16 Uhr, Freitag 11.30–13 Uhr frühstück: Montag 10.30–13 Uhr sprechstunde Mobiler Medizinischer dienst: Montag 10.30-11.30 Uhr und Donnerstag 13.30-14.15 Uhr Kleiderkammer/duschen: Montags ab 10.30 Uhr Donnerstags ab 13.00 Uhr Computer-nutzung: nach Vereinbarung Weitere angebote: Gepäckaufbewahrung redaK t IonssItzung draussenseIter: siehe Aushang

nur für frauen

n agisra e.V. Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen Salierring 48, 50677 Köln, Tel.: 0221/124019 oder 1390392, www.agisra.org Beratung nach Terminvereinbarung, telefonische Sprechzeiten: Mo, Di und Do 10-15 Uhr

n Café auszeit 1 des sKf e.V. Kontakt- und Beratungsstelle für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen, Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln, Tel.: 0221/126 95 310

Duschen, Waschen, Kleidung, Postadresse, warme Mahlzeit (1,- Euro) Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 11 – 15 Uhr; Mittwoch 15 – 19 Uhr

n Café auszeit 2 des sKf e.V. Beratungsstelle für Frauen An der Fuhr 3, 50997 Köln, (EG, Gang auf der linken Seite, erste Tür links), Tel.: 02232/14 82 92, cafe-auszeit2@skf-koeln.de Jeden Di und Do offene Beratung von 10–15 Uhr; Do von 10 bis 12 Uhr Frauenfrühstück

n Comeback

Notschlafstelle für Frauen, Sozialdienst kath. Frauen e.V., Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln | Nähe Neumarkt, Tel.: 0221/126 95 210

Täglich geöffnet von 20 – 10 Uhr. Angebot für wohnungslose Frauen und Frauen in Notlagen:

Schutz, Übernachten, Essen, Duschen, Wäsche waschen, Kleiderkammer, PC- und Internetnutzung. Tiere sind erlaubt. Beratung und Vermittlung an weiterführende Hilfen möglich.

n elisabeth-fry-Haus Albert-Schweizer Straße 2, 50968 Köln (Raderthal), Tel.: 0221/99 56-43 00 Aufnahme-EFH@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de Notaufnahme für Frauen in Krisensituationen auch mit Kindern, Schutz, Übernachtung, Verpflegung und Beratung. Aufnahme nach telefonischer Vorankündigung möglich

n der Wendepunkt Frauenberatung und Gewaltschutzzentrum. Danzierstr. 142 A, 51063 Köln (Mülheim), Tel.: 0221/99 56-44 44 wendepunkt@diakonie-michaelshoven.de www.diakonie-michaelshoven.de Beratung für Frauen in akuten Krisen, (drohender) Wohnungslosigkeit, nach Gewalt und in existenziellen Notlagen. Di, Do, Fr 9-12 Uhr, Mo, Di, Do 15-18 Uhr

n frauen gegen gewalt e.V. – notruf und Beratung für vergewaltigte frauen Herwarthstr. 10, 50672 Köln, Tel.: 56 20 35, mailbox@notruf-koeln.de, www.notruf-koeln.de Beratung telefonisch, persönlich und per E-Mail, Begleitung und Unterstützung nach sexualisierter Gewalt; Prozessvorbereitung und -begleitung; Rechtsberatung; Gruppenangebote

n Haus rosalie Wohnprojekt für Frauen. Gocher Straße 45, 50733 Köln-Nippes Tel.: 0221/97 30 88 88 haus-rosalie@vinzentinerinnen.de

n loBBY fÜr MädCHen e.V. für Mädchen und junge frauen Beratung und Begleitung bei Problemen und in Krisensituationen Mädchenberatung linksrheinisch

Fridolinstr. 14, 50823 Köln-Ehrenfeld Tel.: 0221/45 35 56 50 maedchenberatung-linksrhein@lobbyfuer-maedchen.de

Mo bis Do: ganztägig nach Vereinbarung Mi 14-16 Uhr: ohne Anmeldung

Di 10-11 Uhr, Do 14-15 Uhr: telefonische Beratung, Di 16-18 Uhr: kostenlose Betreuung Ess-Störungen 0800 5 03 58 85

Mädchenberatung rechtsrheinisch

Buchheimer Str. 56, 51063 Köln-Mülheim Tel.: 0221/890 55 47; maedchenberatung-rechtsrhein@lobby-fuer-maedchen.de

Mi bis Fr: ganztägig nach Vereinbarung, Fr 14-18 Uhr: ohne Anmeldung

n Mäc-up

Treffpunkt für Mädchen von 14-27 Jahren Gereonstr. 13, Nähe Bahnhof, 50670 Köln, Tel.: 0221/13 35 57

Essen, Trinken, Dusche, Wäsche waschen, Second-Hand-Kleidung, medizinische Versorgung, Beratung

Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do. und Fr. von 12-15.30 Uhr Di. von 10-13 Uhr, Frühstück gibt es Di. und Mi., gekocht wird Mo. und Fr..

nur für Männer

n die Heilsarmee sozialwerk gmbH Erik-Wickberg-Haus

Marienstr. 116-118, 50825 Köln Tel.: 955609–13

koelnewh@heilsarmee.de www.heilsarmee.de/ewh

Stationäre Einrichtung für wohnungslose Männer: Beratung und Unterstützung durch fachkompetente Mitarbeiter in den Bereichen: Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Finanzen, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, Vollverpflegung und Möglichkeiten zur Selbstversorgung, Nachgehende Hilfen im „Ambulant betreuten Wohnen“, Freizeitangebote

n notschlafstelle für Männer

Johanneshaus Köln, Annostr. 11, 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz, Tel.: 93 12 21-54 (tagsüber) und -26 (ab 18 Uhr), jhk-notaufnahme@johannesbund.de

Sozialarbeiterische Beratung, Erarbeitung einer Perspektive, Vermittlung in weiterführende Hilfen aufnahme: Täglich (auch Sonn- u. Feiertags) ab 18 Uhr für wohnungslose Männer ab 18 Jahren

n „reso“ – resozialisierungsabteilung Johanneshaus Köln, Annostr. 11 50678 Köln, Nähe Chlodwigplatz Tel.: 93 12 21-54, th.klahr@johannesbund.de Hilfe für wohnungslose Männer mit sozialen Problemlagen nach § 67 SGB XII: Unterbringung, Verpflegung und Selbstversorgung, individuelle Einzelfallhilfen, Beschäftigungsangebote, Mo bis Fr.: 8-16.30 Uhr

SERVIcE SERVIcE
Foto: Christina Bacher Foto: Christina Bacher
Sichere Mobilfonladestation im Vringstreff De Flo, Second-Hand-Artikel und Möbelhalle in Köln-Nippes Vringstreff in der Kölner Südstadt
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Foto: S. Rupp

Wer denkt schon im Strom der Touristen an Suppenküchen und Kleiderkammern? Und wo können Menschen ohne Budget täglich satt werden? Wie wild sind die Nächte am Dom wirklich? Und wo kann man sich mitten in der Stadt am besten zur Ruhe legen, wenn man kein Zuhause hat? Bei dem beliebten Kölner Stadtrundgang „Der doppelte Stadtplan“ werden DRAUSSENSEITER-Verkäufer zu „Experten der Straße“.

tour@oase-koeln.de  http://www.draussenseiter-koeln.de/stadtrundgang/
FOTO: CHRISTINA BACHER

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