Nachhaltig konstruieren

Page 1

Sebastian El khouli Viola John Martin Zeumer

Nachhaltig konstruieren Vom Tragwerksentwurf bis zur Materialwahl: Gebäude ökologisch bilanzieren und optimieren ∂ Green Books


Impressum

Autoren: Sebastian El khouli, Dipl.-Ing. Viola John, Dr. sc. ETH Zürich, Dipl.-Ing. Martin Zeumer, Dipl.-Ing. Co-Autorin: Franziska Hartmann, Dipl.-Ing. Projektleitung und Lektorat: Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Redaktion und Layout: Jana Rackwitz, Dipl.-Ing. Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Korrektorat: Dr. Ilka Backmeister-Collacott Zeichnungen: Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. (FH) Titelgestaltung: Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (FH)

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch ­begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikrover­ filmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs­weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetz­lichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs­pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestim­mungen des Urheberrechts. DTP & Produktion: Roswitha Siegler Reproduktion: ludwig:media, Zell am See Druck: fgb freiburger graphische betriebe GmbH & Co. KG, Freiburg 1. Auflage 2014 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München Telefon: +49/89/38 16 20-0 Telefax: +49/89/39 86 70 www.detail.de © 2014 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, ­München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL ISBN: 978-3-955532-17-8

Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifizierten ­Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und ­sozialverträglicher Herkunft stammen.


Inhalt

Vorwort

6

Nachhaltig konstruieren – eine Standortbestimmung 8 Die Architektur und ihre Materialien 8 Zwischen Tradition und Innovation 9 Entwicklung der Nachhaltigkeitsbetrachtung von Gebäuden 12 Handlungsfelder und -spielräume 14 Schutzziele, Kriterien und Bewertungsmethoden 16 Ökologische Schutzziele und Bewertungskriterien 16 Ökobilanzierung von Gebäuden 23 Hilfsmittel für die ökologische Bewertung von Gebäuden 36 Strategien der Materialverwendung im Bauprozess 44 Planungsstrategien für ressourcenschonende Gebäude 44 Optimierung des Materiallebenszyklus 44 Opimierung des Gebäudelebenszyklus 57

Umweltwirkungen von Bauteilen 86 Bauteile in der baubiologischen und bauökologischen Betrachtung 86 Deckenkonstruktionen 90 Opake Fassaden 92 Transparente Fassaden 94 Dächer 96 Innenwände tragend/nicht tragend 98 Fußbodenaufbauten – Bodenbeläge, Estriche und Trittschallschutz 100

Fallbeispiele 102 Einleitung 102 Ferienhaus auf Taylor Island (USA) 103 Sanierung und Erweiterung eines ­Einfamilien­­hauses in Hamburg (D) 109 Wohn- und Geschäftshaus in Zürich (CH) 117 Verwaltungsgebäude in Krems (A) 125 Hauptschule in Langenzersdorf (A) 133 Anhang

Planungsablauf und -prozesse 68 Optimierung als Prozess 68 Grundlagenermittlung / Vorstudie 71 Wettbewerb / Vorplanung 72 Entwurfsplanung/Genehmigungsplanung 74 Ausschreibung und Vergabe /Ausführungsplanung 77 Ausführung / Fertigstellung 79 Übergabe / Betrieb 80

140


Vorwort

Nachhaltig konstruieren? Nichts im Bauwesen ist älter als die Auseinandersetzung mit Materialien. Bis zum Beginn der industriellen Revolution war die Zahl der zur Verfügung stehenden Baustoffe stark eingeschränkt. Die Möglichkeiten und Techniken zu ihrer Anwendung wurden über Jahrhunderte optimiert und bis ins Detail weiterentwickelt. Das Industriezeitalter mit seinen neuen, maschinellen Fertigungstechniken und effizienten Transportwegen sowie das spätere Aufkommen des »International Style« befreiten die Architektur dann aus ihrem bis dato vorherrschenden, vor allem regional geprägten Materialkanon. Die Entwicklung von Baustoffen hat sich seitdem immer weiter beschleunigt, sodass in den letzten 20 Jahren vermutlich mehr neue Produkte entwickelt wurden als in der gesamten Geschichte der Materialkunde zuvor. Seit Ende der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war bei der Neuentwicklung von Baustoffen oft die Energieeffizienz von Gebäuden der entscheidende Treiber. Mittlerweile werden auch immer mehr »nachhaltige Baustoffe« auf dem Markt platziert. Dabei wird das Thema Nachhaltigkeit mit sehr unterschiedlichen Aspekten verknüpft. Regionale Produkte, Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, Materialien mit geringem Primärenergieinhalt, besonders langlebige Produkte oder auch besonders gut recycelbare Werkstoffe werden ausdrücklich als nachhaltig beworben. Vieles deutet darauf hin, dass die ökologische und baubiologische Bewertung von Baustoffen in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. So verweist z. B. das Kreislaufwirtschaftsgesetz auf einen in sich geschlossenen Materialkreis­ lauf, und die Bauproduktenverordnung der EU benennt Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz sowie die nachhaltige Nut6

zung natürlicher Ressourcen als wichtige Grundlagen für die Entwicklung von Gebäuden. Steigende gesetzliche Anforderungen sorgen dafür, dass Gebäude immer weniger Energie zum Hei­zen, Kühlen, für die Belüftung und Beleuchtung benötigen. Umso relevanter wird bei einer Betrachtung des gesamten Lebenszyklus die Herstellung und Nach­nutzung von Baumaterialien und Gebäuden. Auch viele Planer und Bauherren sind inzwischen bereit, sich den neuen Themen und Anforderungen im Bereich der Baustoffe zu stellen. Oft fehlt es ihnen jedoch noch an dem entsprechenden Hintergrundwissen. Unsere Praxiserfahrung im Architekturbüro und bei der Baustoffberatung hat gezeigt, dass viele Planer das Themenfeld als unüberschaubar wahrnehmen und sich daher vor allem einfache Aussagen und Hilfestellungen wünschen. Dass dieser Wunsch aufgrund der Komplexität der Materie und der zahlreichen Bewertungskriterien und -methoden meist nicht zu erfüllen ist, zeigt bereits eine oberflächliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch deshalb haben wir die Anfrage für eine Publikation zum Thema »Nachhaltig konstruieren« in der Reihe DETAIL Green Books mit Freude aufgenommen. Uns war dabei bewusst, dass der Begriff der Nachhaltigkeit in der Architektur ein breit gefächtertes Bedeutungsspektrum umfasst. Um das Thema sinnvoll einzugrenzen, werden wir uns daher vorrangig auf die Scho­ nung und effiziente Nutzung von Ressourcen sowie die gesundheitliche Unbedenk­ lichkeit von Baustoffen konzentrieren. Annäherung an ein komplexes Thema

Zu Fragen der Baukonstruktion gibt es bereits eine Vielzahl etablierter Grundlagen- und Standardwerke. Wie lässt sich diese Palette an Büchern sinnvoll ergänzen? Was zeichnet »nachhaltige« Baustoffe wirklich aus? Stimmt es, dass sich

in der Konstruktion von Gebäuden graue Energie einsparen lässt, und wenn ja, wie viel? Sind gesundheitliche Einwirkungen anders zu bewerten als Auswirkungen auf die Umwelt, und wenn ja, wie? Fragen dieser Art lassen sich für die meisten Bauteile und Konstruktionen nicht eindeutig und widerspruchsfrei beantworten. Das Buch hat daher vorrangig das Ziel, den aktuellen Wissensstand zum nachhaltigen Umgang mit Baustoffen zusammenzutragen. Es wendet sich an Fachplaner und insbesondere an Architekten, in der Absicht, ihnen den ökologisch optimierten Gebäudeentwurf und die Auswahl ökologisch nachhaltiger Baukonstruktionen nahezubringen. Wir hoffen, mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu leisten und den allgemeinen Wissensstand zu diesem Thema zu verbessern. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass der Ausspruch von Walter Gropius: »Gestalten heißt: In Fesseln tanzen« unter dem Blickwinkel der nun neu hinzukommenden Bewertungsparameter für Baustoffe aktueller denn je ist. Denn die Auswahl von Bauprodukten unter ökologischen Gesichtspunkten ist eine Kernaufgabe der Architektur, die nur im Kontext des jeweiligen individuellen Entwurfs umfassend beurteilt werden kann. Als Reaktion auf diesen Umstand haben wir in diesem Buch nicht die spezifischen Eigenschaften einzelner Baustoffe in den Vordergrund gestellt, wie man sie aus bisherigen Publikationen zur Baustoffkunde kennt. Vielmehr orientiert sich unser Buch an den unterschiedlichen Lebenszyklen und Planungsprozessen im Bauwesen – dem Materiallebenszyklus, dem Gebäudelebenszyklus sowie den verschiedenen Bearbeitungszyklen in der Planung und bei der Erstellung einer Ökobilanz. Der Bezug zu einzelnen Baustoffen entsteht dann in der Regel über konkrete Fallbeispiele.


Nachhaltig konstruieren?

Inhalte dieses Buchs

Die Einleitung zu diesem Buch geht zunächst der Frage nach, anhand welcher Kriterien Baustoffe bislang beurteilt wurden und aufgrund welcher Entwicklungen die Baustoffwahl – seit jeher eines der Kernthemen der architektonischen Praxis – heute als komplexere Herausforderung denn je wahrgenommen wird. Das anschließende Kapitel »Schutzziele, Kriterien und Bewertungsmethoden« nähert sich den neuen Bewertungskriterien für Baustoffe an und beleuchtet deren Hintergründe. Dabei steht vor allem die Ökobilanzierung im Mittelpunkt. Noch immer erscheint diese Bewertungs­ methode vielen als eine Art »Blackbox«, deren Ergebnisse nur für Eingeweihte zu interpretieren sind. Das Kapitel erläutert daher Schritt für Schritt die Erstellung und Auswertung einer Ökobilanz und versucht, deren Indikatoren über Vergleiche greifbarer zu machen. Aber auch andere Bewertungskriterien und -indikatoren – allen voran jene der Baubiologie – werden in diesem Kapitel vorgestellt. Ein Überblick über die wichtigsten Planungstools, Datenbanken und Gütezeichen für Bauprodukte rundet die Darstellung ab. Das Kapitel »Strategien der Materialverwendung im Bauprozess« untersucht in der Folge die Lebenszyklen von Materialien und Gebäuden und benennt grundsätzliche baubiologische und -ökologische Optimierungsstrategien, derer sich Planer und Architekten bedienen können.

Deutlich wird dabei, dass sich Anforderungen an Reinigungs- und Instandhaltungsaufwand, die Dauerhaftigkeit von Baustoffen oder auch die Rückbaubarkeit von Baukonstruktionen nur im Zusammen­ hang mit der jeweiligen Nutzung ermitteln lassen. Auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis der gewählten Maßnahmen ist stets vom Einzelfall abhängig. Das Kapitel »Planungsablauf und -prozesse« identifiziert die zentralen Stellschrauben für ökologisch optimierte Gebäude im Planungsprozess. Gegliedert nach Planungsphasen, erläutert es die unterschiedlichen Ansätze zur Optimierung, deren zeitliche Abfolge und mögliche Wechselwirkungen untereinander. Zudem enthält das Kapitel eine Übersicht von Softwaretools und Datenbanken für die Planung. Da die meisten Diskussionen in der Praxis bislang auf der Ebene der Bauteilgruppen stattfinden, gibt das darauffolgende Kapitel »Umweltwirkungen von Bauteilen« eine Hilfestellung für die Materialwahl bei den aus ökologischer Sicht wichtigsten Bauteilen. Dabei werden bauökologische und baubiologische Aspekte gleichermaßen diskutiert, weil sich nur so eine ganzheitliche Bewertung sicherstellen lässt. Deutlich wird dabei auch, dass ökologische und gesundheitliche Anforderungen an Bauprodukte nur in den seltensten Fällen im Widerspruch zueinander stehen. Für das abschließende Kapitel »Fallbeispiele« haben wir Gebäude ausgewählt,

bei denen nicht nur die Baustoffwahl eine zentrale Rolle spielt, sondern für die auch die gewählten Bewertungskriterien, Planungsschritte und Ergebnisse detailliert dokumentiert wurden. So steht z. B. bei einzelnen Projekten die Vermeidung von Schadstoffen im Vordergrund, für andere wurde eine Ökobilanz erstellt oder spezifische Konzepte zum Recycling entwickelt. Die Zahl der Fallbeispiele in diesem Buch ist bewusst stark eingeschränkt, um eine möglichst umfassende Dokumentation jedes einzelnen Objekts zu ermöglichen. Die ökologische Optimierung von Baukonstruktionen ist stets kontextabhängig. Je nachdem, welche Anforderungen an ein Gebäude und seine Bauteile gestellt werden, können ganz unterschiedliche Lösungen die »richtigen« sein. Die vorliegende Publikation versteht sich deshalb vor allem als Anleitung zum Weiterdenken und Selbstentwickeln. Denn das nachhaltige Konstruieren von Gebäuden ist kein abgeschlossener Wissensbereich, sondern in ständiger, dynamischer Entwicklung begriffen. Und je mehr Planer und Architekten ihre eigenen Erfahrungen dazu beisteuern, desto mehr wird das Bauwesen als Ganzes davon profitieren.

0.1 Einfamilienhaus in Nyborg (DK) 2013, Lendager Arkitekter. Durch konsequente Verwendung von Recyclingmaterialien wurden bei diesem Experimentalbau verglichen mit einer Standardkon­ struktion über 80 % der »grauen« CO2-Emissionen eingespart.

0.1

7


Schutzziele, Kriterien und Bewertungsmethoden • Ökologische Schutzziele und Bewertungskriterien • Ökobilanzierung von Gebäuden • Hilfsmittel für die ökologische ­Bewertung von Gebäuden

Ökologische Schutzziele und ­Bewertungskriterien Den Großteil unseres Lebens verbringen wir in Gebäuden. Durch deren Errichtung und die damit einhergehende intensive Nutzung von Ressourcen (Rohstoffe und Energie) prägt der Mensch seine unmittelbare und mittelbare Umwelt und verändert im Zuge dessen das bestehende Ökosystem. Gleichzeitig hat die neu gebaute Umwelt einen entscheidenden Einfluss auf die menschliche Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden. Aus diesen Wechselwirkungen leiten sich die drei »Schutzziele des ökologischen Bauens« [1] ab: • Schutz der menschlichen Gesundheit • Schutz des Ökosystems • Schutz der Ressourcen In Anlehnung an diese Schutzziele lassen sich für das Bauwesen die Begriffe der 2.1 Ziele und Handlungsfelder der Baubiologie und Bauökologie 2.2 Schutzziele der Baubiologie und Bauökologie 2.3 »Baumhotel« in Harads (S) 2010, Tham & Videgård Hansson: Eskapismus oder Ideal menschlichen Lebensraums in Einklang mit der Umwelt? 2.4 Ziele und Strategien der Baubiologie

Baubiologie und der Bauökologie unterscheiden (Abb. 2.1 und 2.2). Die Baubiologie definiert als Schutzziel den Menschen und implementiert Strategien, um z. B. die Wirkung von Schadstoffen auf die menschliche Gesundheit zu ermitteln und Schadstoffquellen in Gebäuden zu vermeiden (Gebäudeeinwirkung auf den Menschen). Die Hauptaufgabe eines Baubiologen besteht dementsprechend darin, die Leistungsfähigkeit von Gebäuden hinsichtlich ihrer Wirkung auf die menschliche Gesundheit zu verbessern, wobei ein integraler entwerferischer Ansatz verfolgt wird. Im Gegensatz dazu bewertet die Bauökologie die Auswirkungen von Gebäuden und Baumaterialien auf die Umwelt und entwickelt Strategien, um entsprechende negative Wirkungen während des Gebäudelebenszyklus zu minimieren (Gebäudeauswirkung auf die Umwelt). Ein gemeinsames Ziel beider Themenfelder ist der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen. Hierbei ergänzen sich die eher qualitativen Einschätzungen aus der Baubiologie und die quantifizierte Abschätzung der Umweltwirkungen aus der Bauökologie. Für eine ganzheitliche

Betrachtungsweise in der Gebäudeplanung müssen die beiden Themenfelder gleichwertig berücksichtigt werden. Dabei sollte einer projektspezifischen, individuellen Abwägung und Gewichtung der unterschiedlichen baubiologischen und -ökologischen Aspekte besondere Beachtung geschenkt werden. Denn in der Regel erfüllt kein Bauteil oder Baustoff alle baubiologischen und -ökologischen Kriterien gleichermaßen. Für den Architekten ergibt sich daher die Herausforderung, den Entscheidungsprozess bezüglich der Tragstruktur und Materialwahl von Gebäuden im Sinne beider ­Themenfelder zu beeinflussen und zu optimieren. Dieses Kapitel stellt als Grundlage für diesen Entscheidungsprozess die Schutzziele und Bewertungskriterien aus Baubiologie und Bauökologie samt ihrer Zusammenhänge und Wechselwirkungen vor. Ein besonderer Fokus liegt dabei im Rahmen der Baubiologie auf der Bewertung von Schadstoffen und im Rahmen der Bauökologie auf der Ökobilanzierung (LCA), die eine quantitative Abschätzung der Umweltwirkung von Baumaterialien und Gebäuden ermöglicht.

Gesundheitsschutz

Behaglichkeit

Umweltwirkungen in der Entsorgung und Nachnutzung

Umweltwirkungen in Wartung, Instandhaltung und -setzung

Umweltwirkungen im Betrieb

Umweltwirkungen in der Herstellung

Umweltwirkungen in der Rohstoffgewinnung

Schonung natürlicher Ressourcen

psychologische Effekte

Bauökologie

wahrnehmungsrelevante Effekte

physikalische Innenraumbelastungen

chemische Innenraumbelastungen

biologische Innenraumbelastungen

Baubiologie

Ressourcen- und Ökosystemschutz 2.1

16


Ökologische Schutzziele und Bewertungskriterien

Baubiologie (Gebäudeeinwirkung)

Bauökologie (Gebäudeauswirkung) Material, Ressourcen, Umweltwirkung Energie

Wohlbefinden Erstellung

Komfort

Betrieb

LCA Entsorgung

Leistungsfähigkeit

gesundes Wohnen, Arbeiten und Schlafen

Schonung natürlicher Ressourcen

Reduzierung von Abfällen und Emissionen über den Gebäudelebenszyklus

Schutzziele: menschliche Gesundheit, Ressourcen, Ökosystem

Gesundheitsschutz biologische Innenraum­belastung

2.3

Zieldefinition im Detail und erforderliche Maßnahmen Vermeidung von ­Schimmel, Hefepilzen und Bakterien; Reduktion von Allergenen

chemische Innenraum­ Reduzierung von Baubiologie belastung ­Schadstoffen (Gebäudeeinwirkung)

physikalische Innenraumbelastung

2.2

Reduzierung nieder­ frequenter elektrischer und magnetischer ­Wechselfelder Wohlbefinden Komfort

Leistungsfähigkeit Reduzierung hoch­ frequenter elektro­ magnetischer Felder

Reduzierung der ­Radonbelastung gesundes Wohnen, Arbeiten und Schlafen

Schimmelpilze können durch Sporen und Stoffwechselprodukte auf den Menschen toxisch, infektiös oder allergen wirken. Ziel ist es daher, möglichst erst gar keine geeigneten Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze in Gebäuden zu schaffen (≤ 80 % relative Raumluftfeuchte). Die Baukonstruktion sollte dazu frei von signifikanten Wärmebrücken und anderen Mängeln (z. B. Schäden an Wasserleitungen) sein. Der nutzungsbedingte Feuchteeintrag (z. B. durch Küche/Bad/menschliche Verdunstung) sollte durch Luftwechsel regelmäßig aus der Innenraumluft abgeführt werden. Eine komplette Vermeidung humantoxisch (schädlich auf den menschlichen Organismus) oder ökotoxisch Bauökologie (schädlich auf die Umwelt) wirkender Substanzen in Gebäuden ist nach heutigem Kenntnisstand kaum möglich. (Gebäudeauswirkung) Durch die Verwendung von Produktgruppen mit geringem Schadstoffgehalt (z. B. lösemittel- und schwermetallfreie Produkte) sowie die Vermeidung gesundheitsgefährdender Stoffe wie Formaldehyd, VOCs oder Bioziden, können schädliche Emissionen in die Raumluft reduziert werden. Schadstoffe sollten durch Luftwechsel Material, aus der Innenraumluft abgeführt werden. regelmäßig Ressourcen, Umweltwirkung Elektrische Energie Wechselfelder entstehen z. B. durch elektrische Wechselspannung in Kabeln, Installationen, Geräten sowie Steck- und Verteilerdosen. Sie können durch Kompensationsmaßnahmen (z. B. Phasentausch), Abschirmung von Kabeln und Abschaltung von Geräten und Stromkreisen (z. B. über Netzfreischalter) reduziert werden. Hilfreich sind ebenso eine getrennte Erdung und Nullleiter in der Installation (z. B. über TNS-Installation) und eine sternförmige anstelle ringförmiger Verlegung. Im Gegensatz zu elektrischen Wechselfeldern entstehen magnetische Wechselfelder nur bei Stromfluss, insbeErstellung BetriebLadegeräten, Motoren, Spulen sowie Fehl- und Rückströmen. Maßnahmen zur sondere bei Transformatoren, Reduktion von elektrischen Wechselfeldern sind zumeist auch hier wirksam. Das einfachste Mittel zur Reduktion LCA magnetischer Wechselfelder ist jedoch ein erhöhter Abstand zur Quelle. Signifikante Immissionen können z. B. durch Stromnutzung in Nachbargebäuden, Bahnanlagen oder Starkstromleitungen entstehen. Hochfrequente elektromagnetische Felder entstehen z. B. durch schnurlose Kommunikation, Funk oder Radar. Entsorgung Die Belastung durch im Gebäude befindliche Emissionsquellen lässt sich durch deren Positionierung (z. B. außerhalb des Schlafbereichs), ggf. Ausrichtung, partielle Abschirmung und Abschaltung reduzieren. Für den Immissionsschutz bleibt häufig nur eine lokale Abschirmung von spezifischen Nutzungsbereichen oder die umfassende Abschirmung der Fassade über leitende Materialien.

Radon ist ein natürliches, radioaktives Edelgas, das beim Zerfall uranhaltigen Gesteins entsteht und aus dem in dasvon Bauwerk SchonungUntergrund Reduzierung Abfällendiffundiert. Durch Abfuhr des Gases, bevor es in das Gebäude eindringen kann einer Drainage natürlicher(Erstellung und Emissonen überund eines »Radonbrunnens« zum Abtransport), Abdichtung (z. B. Einsatz radonhemmender Verfugung, Nachbetonieren von Naturkellerböden) oder erhöhte Ventilation im KellerRessourchen denBeschichtungen, Gebäudelenszyklus bereich (z. B. durch verstärkte natürliche oder mechanische Lüftung) kann die Radonbelastung in gefährdeten Bereichen reduziert werden. Über die Gefährdung geben lokale Radonkarten Aufschluss.

Schonung natürlicher Ressourcen Zieldefinition im Detail und erforderliche Maßnahmen Schutzziele: menschliche Gesundheit, Ressourcen, Ökosystem Mit stofflichen Ressourcen (z. B. Wasser, fossile Energieträger, mineralische Rohstoffe) sollte schonend umgeErhalt stofflicher Ressourcen gangen werden. Durch die bewusste Beschränkung auf das Notwendige, die Verwendung ressourcen- und umweltschonend hergestellter Baustoffe, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe und eine optimierte Ausnutzung der Materialleistung (z. B. Einsatz langlebiger Materialien bei minimierten Erneuerungszyklen) lässt sich die Ressourcenausbeutung verlangsamen. Erhalt und Rückgewinnung von Flächen und Böden

Die Flächenversiegelung sollte minimiert werden. Anzustreben ist eine kompakte bzw. angemessen verdichtete Bauweise sowie eine Erhöhung der lokalen Versickerung von Regenwasser (z. B. durch durchlässige Boden­ beläge im Außenbereich sowie Gründächer). Dies trägt zum Erhalt des lokalen Wasserhaushalts bei und verbessert das lokale Mikroklima. In Einzelfällen ist auch eine Entsiegelung bereits versiegelter Flächen möglich.

Erhalt und Stärkung der Biosphäre

Eingriffe in das bestehende Ökosystem sollten minimiert werden. Bereits bei der Gebäudeplanung können die lokalen Gegebenheiten genau untersucht werden, um natürliche Biotope nicht zu gefährden und biologische Kreisläufe (z. B. den Wasserkreislauf) zu unterstützen.

Förderung der Anthroposphäre

Nicht genutzte Abfälle schwächen die Anthroposphäre und erzeugen gesamtwirtschaftlich Verluste. Konstruktionen, die sich in kreislauffähige Stoffe zerlegen lassen, vermeiden perspektivisch Abfall beim Rückbau eines Gebäudes. Sinnvolle Rückbaustrategien sollten deshalb möglichst bereits bei der Planung berücksichtigt werden. 2.4

17


Schutzziele, Kriterien und Bewertungsmethoden

Baubiologie

Konzentration in der Raumluft

2.5

Zeit typisches Emissionsverhalten mineralischer Baustoffe (z. B. Gips, Mörtel, Beton etc.) typisches Emissionsverhalten relativ schwerflüchtiger Komponenten, die über einen längeren Zeitraum emittiert werden (z.B. SVOCs in Holzschutzmitteln, Klebern, Lacken etc.) typisches Emissionsverhalten »nasser« Materialien (z. B. Anstrichstoffe, Grundierungen) 2.6 1990

2003

Verkehr Lösungsmittel und andere Produktverwendungen Landwirtschaft diffuse Emissionen aus Brennstoffen Haushalte und Kleinverbraucher Industrieprozesse Energiewirtschaft verarbeitendes Gewerbe 2.7 2.5 Kapelle in Valleacerón (E) 2001, Sancho-Madridejos Arquitectos: Sichtbetonbau mit ausgeprägter Raumatmosphäre durch intensiven Außenbezug und »minimalistische« Materialpalette 2.6 typisches Emissionsverhalten verschiedener ­Arten von Baumaterialien 2.7 Anteile verschiedener Quellen an den anthropogenen VOC-Emissionen in Deutschland 1990 und 2003 2.8 Ferienhaus Ufogel in Nußdorf-Debant (A) 2013, Peter Jungmann: Beispiel für Materialoptimierung unter Behaglichkeitsaspekten. Das Haus ist fast komplett aus Lärchenholz gefertigt. 2.9 Auswahl von Schadstoffen und ihrer Quellen im Gebäude (chemische Innenraumbelastung)

18

Die Baubiologie ist definiert als Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner gebauten Umwelt. Sie ist Synonym für eine umweltfreundliche und schadstoffarme Ausführung von Gebäuden, welche zudem dem Bedürfnis der Gebäude­ bewohner nach einem behaglichen und gesunden Lebensumfeld Rechnung trägt. Hierbei spielt nicht zuletzt die individuelle Wahrnehmung der Bewohner eine wichtige Rolle. Baubiologen sind dabei zum einen beratend und planend tätig, indem sie z. B. Hinweise zum gesunden Wohnen, Arbeiten und Schlafen sowie zur Schonung der natürlichen Ressourcen und Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur geben. Zum anderen führen sie konkrete Untersuchungen am Gebäude durch, um etwa­ igen Belastungen durch Lärm, Schadstoffe, Schimmelpilze, Radon, elektrische und magnetische Wechselfelder etc. auf den Grund zu gehen. Gesundes Wohnen, Arbeiten und Schlafen Das Ziel ist eine Steigerung von •  Komfort (Behaglichkeit, Zufriedenheit mit Faktoren der Wohn- und Arbeits­ umgebung): Analysiert werden können u. a. die Einflüsse von Luft- und Oberflächentemperatur sowie Luftfeuchtigkeit innerhalb des Gebäudes auf die Behaglichkeit der Bewohner oder die Farb- und Lichtgestaltung im Gebäude. •  Wohlbefinden (physische und psychische Gesundheit): Dies umfasst die – Analyse biologischer, chemischer und physikalischer Innenraumbelastungen   – Messung der Schadstoffemissionen aus Baumaterialien (flüchtige orga­ nische Verbindungen/VOC, Formal­ dehyd, Biozide etc.)   – Untersuchung der Staub- und Schadstoffkonzentration in der Raumluft   – Untersuchung von Räumen auf Schimmelbefall (z. B. über Materialproben, Keimsammler oder Abklatschproben)   – Bestimmung und Reduzierung der Radon- sowie der Elektrosmogbelastung im Innenraum. •  Leistungsfähigkeit (Bewertung der eigenen Arbeitsfähigkeit): Ein wichtiger Aufgabenbereich der Baubiologie besteht in der Vermeidung des sogenannten »Sick Building Syndroms«, das meist hervorgerufen wird durch schadstoff­ belastete Raumluft oder unsachgemäß gewartete Klimaanlagen und zu Allergien, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Infek­ tionen und Asthma führen kann.

Schonung natürlicher Ressourcen Die Schonung natürlicher Ressourcen umfasst folgende Einzelziele: • den Erhalt von Ressourcen • den Erhalt und die Rückgewinnung von Flächen und Böden • den Erhalt und die Stärkung der Biosphäre • die Förderung einer Rezyklierbarkeit von Baumaterialien. Abb. 2.4 (S. 17) zeigt eine Übersicht dieser Ziele und möglicher Umsetzungsstrategien. Die baubiologische Planung beinhaltet damit in der Regel eine sehr hohe Planungsintegration und eine Anpassung an die jeweilige Gebäudeplanung. Unabhängig davon lässt sich insbesondere das Thema »Schadstoffe in Gebäuden« betrachten, das in der Folge näher erläutert wird. Bewertung von Schadstoffen

Viele Baustoffe emittieren Schadstoffe in die Umgebungsluft, die dann vom Menschen über die Atemwege aufgenommen werden. Hierbei sind insbesondere flüchtige Kohlenwasserstoffverbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) zu nennen. Diese chemische Stoffgruppe umfasst z. B. Lösungsmittel, die in verschiedenen Farben und Lacken enthalten sind und über einen langen Zeitraum aus dem behandelten Material ausgasen können. Formaldehyd, das für die Produktion von Kunstharzen verwendet wird, trägt ebenfalls zur Schadstoffbelastung in Innenräumen bei. Es ist in vielen verleimten Holzwerkstoffprodukten und Möbeln, aber auch in Klebstoffen, veredelten ­Textilien, Isoliermaterialien und Papier­ produkten zu finden. Formaldehyd verursacht beim Menschen Kopfschmerzen, Allergien und Depressionen und steht im Verdacht Krebs auszulösen. Um Gesundheitsschäden zu vermeiden, sollte die Formaldehydkonzentration in bewohnten Wohn- und Aufenthaltsräumen laut Richtwert des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit (BAG) eine Konzentration von 0,1 ppm, entsprechend 125 Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft (μg/m3), nicht übersteigen [2]. Eine weitere Schadstoffquelle im Ge­bäu­de stellen chemische Holzschutzmittel dar. In Innenräumen angewendet, können die darin enthaltenen Biozide eine Beeinträchtigung des menschlichen Nervensystems zur Folge haben. Im Sinne der Gewährleistung gesundheitlicher Unbedenklichkeit für den Menschen sollten möglichst wenige Schadstoffe in Gebäude eingebracht werden.


Ökologische Schutzziele und Bewertungskriterien

Abb. 2.7 zeigt, welchen großen Anteil etwa Lösungsmittel laut Angaben des Umweltbundesamtes an den anthropo­ genen VOC-Emissionen in Deutschland haben und wie deutlich dieser Anteil innerhalb weniger Jahre gestiegen ist. Eine generelle Verringerung des Einsatzes solcher Hilfsstoffe ist vor diesem Hintergrund erstrebenswert. So lässt sich z. B. bereits durch die Verlegung von Teppichen und elastischen Bodenbelägen mittels Verspannung statt Verklebung eine potenzielle Schadstoffquelle vermeiden. Gleichzeitig vereinfacht eine solche Maßnahme auch den späteren Austausch des Bodenbelags (siehe Optimierung von Austauschprozessen, S. 64ff.). Ebenso lässt sich z. B. der Rostschutz von Stahlbauteilen statt durch eine Beschichtung auch mittels Verzinken bewerkstelligen. Da die getroffenen Maßnahmen mitunter gestalterische Auswirkungen mit sich bringen, ist eine Prüfung der vorgesehenen Baustoffe hinsichtlich potenzieller Problemstoffe bereits in einer frühen Entwurfsphase sinnvoll. Die Bewertung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Bauprodukten verändert sich allerdings kontinuierlich mit dem aktuellen Stand der Forschung. So ist es zu erklären, dass manche Baustoffe, die ursprünglich als innovative Neuerung im Bauwesen angesehen wurden, erst später als Schadstoffquelle erkannt wurden (z. B. Asbestfaserprodukte). Bezüglich Schadstoffen im Bau

2.8

Bei der Auswahl gesundheitlich unbedenk­ licher Baustoffe ist zu beachten, dass manche Schadstoffe mitunter zunächst unerkannt in Gebäude gelangen können und dort erst Jahre später ihre schädigende Wirkung entfalten (Abb. 2.6). Ein Beispiel hierfür ist der Alterungsprozess von Kleb- und Kunststoffen, bei dem sich mit dem fortschreitenden Zerfall des Materials Schadstoffe bilden können. In Bestandsgebäuden können sogar Baustoffe, die eigentlich gesundheitlich unbedenklich sind, durch langfristige Konta­ mination selbst zu Emittenten werden. Sowohl nutzungsbedingte Belastungen (z. B. ausgelaufene Flüssigkeiten, Reinigungsmittel) als auch primäre Schadstoffbelastungen anderer Baustoffe können solche sekundären Belastungen hervor­ rufen. In einem solchen Fall kann ein Bau­ bio­loge ein umfassendes Schadstoffgutachten erstellen, von dem sich dann geeig­nete Maßnahmen zur Gebäude­ sanierung ableiten lassen. Da solche Maßnahmen typischerweise umfangreich und kostenintensiv sind, muss für Planer das Hauptziel darin bestehen, einen Schadstoffeintrag in das Bauwerk möglichst von vornherein zu vermeiden. Auf diese Weise lässt sich auch die langfristige Werthaltigkeit der Immobilie gewährleisten. Bei Neubauten können Planer bereits direkt bei der Auswahl von Baukonstruktion und Baustoffen eine Vielzahl potenzieller Problembaustoffe vermei­ den, sofern ihnen die wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktoren bekannt sind. Gesundheitliche Risiken können etwa von Nutzoberflächen und Oberflächenbelägen sowie von Beschichtungen, Grundierungen und Dichtmitteln ausgehen, da hier verstärkt Lösungsmittel zum Einsatz kommen. In solchen Bauhilfs- und Bau­ zusatzstoffen, die insgesamt nur etwa fünf Masseprozent des heutigen Gebäude­ bestands ausmachen, sind viele der aktuell bekannten Problemstoffe zu finden [3].

wesen lassen sich also bereits bekannte und neu entstehende Problemfelder voneinander unterscheiden. Abb. 2.9 stellt einige der im Gebäudebestand und Neubau zurzeit problematischsten bekannten Schadstoffe und ihre Quellen im Gebäu­de dar. Bewertungskonzepte Für die Schadstoffbelastung in Innenräumen gibt es bislang bis auf wenige Ausnahmen keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Um trotzdem die Gefährlichkeit eines Schadstoffs bewerten zu können, werden Richtwerte nach zwei unterschiedlichen Konzepten definiert: • toxikologisch abgeleitete Bewertungskonzepte • statistisch abgeleitete Bewertungskonzepte Toxikologisch abgeleitete Bewertungs­ konzepte Die toxikologische Bewertung erfolgt in der Regel über In-vivo-Experimente, in denen verschieden hohe Substanzkonzentrationen eines einzelnen Stoffes an Versuchstieren überprüft werden. Mithilfe solcher Versuche lässt sich die Dosis ermitteln, ab der erkennbare Organveränderungen oder Stoffwechselstörungen auftreten können. Aus den Ergebnissen werden dann Grenzwerte berechnet, bei deren Überschreitung eine Gesundheitsgefahr für den Menschen nicht auszuschließen ist. Allerdings sind toxikologi-

Schadstoff

mögliche Quellen im Gebäude

Asbest

Spritzasbest, Gipse, Putze, asbesthaltige Faserzementplatten (z. B. als Dach- und Fassadenverkleidungen, Fensterbänke und Heizkörper­ nischenverkleidungen), elastische Bodenbeläge, Brandschutz, Asbest­ pappen, Verstopfmassen und Dichtungen, Kittmassen, Schnüre, Kordeln, Gewebe und Schaumstoffe, Reibbeläge; elektrische Isolatoren, Nachtspeichergeräte, Abwasser- und Abgasrohre ∫ seit 1990 in Deutschland für alle Anwendungen verboten; seit 1996 ­Asbestrichtlinie (D)

Biozide

Holzschutzmittel (z. B. in Anstrichen (Farben, Lacke), Leimen, Imprägnierungen, Grundierungen), WDVS-Putze und Fassadenanstriche, Farben für Feuchträume, Teppiche, Verunreinigung von regenerativen Baustoffen

Bisphenol A (BPA)

Kunststoffe (z. B. Verpackungen, Stegplatten), Innenbeschichtung von Wasserrohren, Anstriche (Farben, Lacke), Klebstoffe

Formaldehyd

Holzwerkstoffplatten, Bodenversiegelungen, Einbauschränke, Möbel, säurehärtende Lacke, Holzleim, Konservierungsmittel

künstliche mineralische ­Fasern (KMF)

Dämmmaterialien aus Mineralfasern (Glas-, Gesteins- oder Schlackeschmelzen), textile Glasfasern, Keramikfasern und Fasern für Spezial­ zwecke (Glas-Mikrofasern) ∫ 1990 Einführung des KI-Index (KI-Wert ≥ 40 bedeutet Einstufung als nicht krebserzeugend) (D)

polyzyklische aromatische ­ ohlenwasserstoffe (PAK) K

Steinkohlenteer (z. B. über Parkettkleber, Dach- und Dichtungsbahnen, Asphaltböden); Teeröle (z. B. als Holzschutzmittel); Naphthalin (z. B. Mottenschutzmittel, Anstiche und Lacke) ∫ 1991 Teerölverbotsverordnung (D)

polychlorierte Biphenyle (PCB)

Fugendichtmassen, Anstriche (Farben, Lacke), Elektrotechnik (Kondensatoren, Transformatoren) ∫ 1989 PCB-Verbotsverordnung (D), 2004 EG Verordnung NR. 850/2004

Volatile Organic Compounds (VOC)

Anstriche (Farben, Lacke), Klebstoffe, Versiegelungen, Imprägnierungen, Öle, Lösemittel, Weichmacher, Kunststoffe 2.9

19


Strategien der Materialverwendung im Bauprozess • Planungsstrategien für ressourcen­ schonende Gebäude • Optimierung des Materiallebenszyklus • Optimierung des Gebäudelebenszyklus

Planungsstrategien für ­ressourcenschonende Gebäude Um Ressourcenschonung zu bewerten und daraus planungsbezogene Strate­ gien zu entwickeln, müssen Planer eine Vielzahl von Indikatoren gleichzeitig betrachten. Ansätze hierzu lassen sich z. B. aus den übergeordneten Zielsetzun­ gen der Effizienz, Suffizienz und Kon­­ sistenz (siehe Handlungsfelder und -spielräume, S. 14) ableiten. In der Pra­ xis sind dazu meist Vereinfachungen ­notwendig; andererseits erhöht sich die Wirksamkeit der Strategien, wenn sie auf einer möglichst umfassenden Kennt­ nis und Bewertung der Optionen auf­ bauen. Typischerweise werden Material­ konzepte entweder nach Planungs­ phasen und Maßstabsebenen (siehe ­Planungsablauf und -prozesse, S. 68ff.) oder bauteilbezogen gestaffelt (siehe Umweltwirkungen von Bauteilen, S. 86ff.). Grundsätzlich sind jedoch viele strategi­ sche Ansätze an sich »maßstabslos« (Abb. 1.14, S. 14). Sie lassen sich also in der Regel auch auf anderen Maß­ stabsebenen in ähnlicher Form zur ­Optimierung nutzen. Hierbei werden unterschiedliche Kreisläufe untersucht (Abb. 3.1 und 3.3). biologischer technischer 9 Kreislauf Kreislauf 6

Einen wichtigen ersten Ansatzpunkt zur Optimierung liefert bereits die Reduzie­ rung der Baumaßnahme. Dabei ergeben sich materialbezogene Vorteile durch: • verdichtete Bauweise • hohe Kompaktheit der Bauten • hoher Anteil an Nutzfläche zum gebau­ ten Volumen • reduzierte Erdbewegungen Mitunter lässt sich dadurch der Primär­ energieinhalt im Vergleich zu einem kon­ ventionell geplanten Gebäude um mehr als 50 % senken (Abb. 3.2). Die massen­ technische Optimierung findet erst dort ihr Ende, wo hohe technische Anforde­ rungen an ein Bauteil (z. B. beim Schall­ schutz oder an der Fassade) maßgeblich werden oder die Optimierung zusätzliche Aufwendungen an Betriebsenergie erfor­ dert (Abb. 3.28, S. 54). Die Strategie der Reduktion ist jedoch weitgehend unab­ hängig von den verwendeten Baustoffen. Sie leitet sich vom Gebäude, seiner Nut­ zung und seinem Verhalten im Gebäude­ lebenszyklus ab. Je nach Gebäudetyp können hierbei unterschiedliche Phasen im Gebäudelebenszyklus besonders rele­ vant für eine Optimierung sein (siehe Opti­ mierung des Gebäudelebenszyklus, S. 57ff.). erweiterter Kreislauf

Wiederver­ wendung

8

7

normaler Kreislauf 22

18 10 5

20

13 1

15

18

18

17

19 4

11

19

14 12

16

18

18 19

2 21

20 18

3 18

Materiallebenszyklus

44

Gebäudelebenszyklus

Ebenso kann die Effizienzsteigerung bei der Herstellung und Wiederverwendung von Baustoffen zu einer deutlichen Ver­ besserung der Ökobilanz führen. So ist z. B. bekannt, dass die Verwendung von Aluminium aus 100 % Recyclingmaterial weniger als ein Zehntel der Umweltwir­ kungen erzeugt, die bei neu hergestell­ tem Material entstehen. Beide Betrachtungen können sich in ein­ zelnen Aspekten der Optimierung gegen­ seitig begünstigen und sich in anderen abschwächen. Um eine einseitige Opti­ mierung zu vermeiden, müssen daher beide Lebenszyklen berücksichtigt wer­ den – der des Gebäudes und jener der Materialien. Ferner sollten Entscheidun­ gen, die klar der Optimierung des Mate­ riallebenszyklus zuzuordnen sind, in ihren Wirkungen auf den Gebäudelebenszyklus überprüft werden und umgekehrt.

Optimierung des Materiallebenszyklus Verordnungen bieten erste allgemeine Hinweise zum Materiallebenszyklus: So enthalten z. B. das Kreislaufwirtschafts­ gesetz (KrWG), die europäischen Abfall­ rahmenrichtlinie (2008/98/EG) oder VDI 2243 »Recyclinggerechte Produkt­   1 Produktnutzung   2 Abbruch /Rückbau /Demontage   3 Trennung in Fraktionen   4 Ablagerung   5 biologische Zersetzung   6 Umweltenergie   7 Rohstoffwachstum   8 nachwachsender Rohstoff   9 nicht nachwachsender Rohstoff 10 Baustoff 11 thermische Verwertung 12 Aufbereitung 13 Sekundärrohstoff 14 Aufarbeitung 15 Anpassung an neue Bedarfe 16 Bau/Erstellung 17 Inbetriebnahme 18 Nutzung 19 Wartung /Instandhaltung 20 Instandsetzung 21 Sanierung/Umbau 22 Rückbau

3.1


Optimierung des Materiallebenszyklus

Produktlebenszyklus Eine baustoffbezogene Optimierung ist über den gesamten Lebenszyklus des Baumaterials möglich. Dieser wird in die Abschnitte Erschließung der Grundstoffe, Produktion (inkl. Verpackung, Verkauf sowie ggf. Versand), Nutzung (inkl. Reini­ gung, Wartung, Instandhaltung sowie ggf. Instandsetzung) und Nachnutzung (incl. Recycling, Verwertung und Depo­ nierung) unterteilt. Je nach Berechnungs­ verfahren werden bei der Lebenszyklus­ analyse unterschiedliche Phasen des Lebenszy­klus betrachtet. Daher ist es üblich, zusätzlich zu den Kennwerten die jeweils untersuchten Phasen anzu­ geben oder mit den Begriffen »Cradle to Gate« und »Cradle to Cradle« zu bezeichnen. »Cradle to Gate« beschreibt eine Betrachtung von der »Wiege« (also in der Regel der Rohstoffgewinnung) bis zum Tor des Herstellers. Nutzung und Nachnutzung bleiben dabei unberück­ sichtigt. Dennoch sind Cradle-to-GateBetrachtungen die übliche Arbeitsgrund­ lage bei der Produktbewertung und auch bei den Typ-III-Umwelt­deklarationen üblich (siehe Hilfsmittel für Planer, S. 21). Im Gegensatz dazu berück­sichtigen Cradle-to-Cradle-Betrachtungen die Nut­ zung und Nachnutzung von Produkten und bilden den Produktlebenszyklus und dessen Integration in den Materialkreis­ lauf am besten ab. Um sie zu erstellen, muss eine »Cradle-to-Gate«-Betrachtung in der Regel durch die Umweltwirkungen in der Nutzungs- und Nachnutzungs­ phase ergänzt werden. Eine einzelne Bewertungsgröße für die Nachhaltigkeit im Produktlebenszyklus

kompakt, 8 Einheiten

3.1 schematische Darstellung von Material- und ­Gebäudelebenszyklus im Bauwesen 3.2 Vergleich der grauen Energie von kompakten und nicht kompakten Passivhäusern 3.3 typische Entwicklung des Gebrauchswerts eines Gebäudes und seiner Komponenten im Lebens­ zyklus 3.4 Entwicklung des Materialinputs im anthropo­ genen Materialhaushalt, Verweilzeiten von Mate­ rialien sowie potenzielles Recyclingaufkommen 3.5 durchschnittliche Anteile unterschiedlicher ­Herstellungsphasen an der Grauen Energie von Bauprodukten

+19 %

+15% +52 % 23 kWh/m2EBFa

Massivbau

31 kWh/m2EBFa

+35% 3.2 Bauzeit und Erstinvestition

Modernisierung physische/ moralische Wertminderung

Sanierung Verfall und Abbruch

Produktlebenszyklus Prozesslebenszyklus Gebäudelebenszyklus

Lebensdauer

3.3 20 Input an festen Gütern in den Konsum 15

NettoLagerzuwachs mittlere Verweilzeit

10

Rohstoffgewinnung Eine Optimierung der Rohstoffgewinnung ist für Hersteller in der Regel eine loh­ nende Investition. Die Planer selbst kön­ nen hingegen nur selten Optimierungen umsetzen. Sie haben allerdings die Mög­ lichkeit, die Effizienz der Herstellung eines Produktes z. B. mithilfe sogenannter Environmental Product Declarations (EPD; siehe Datensammlungen und Ins­ trumente zur Bewertung von Bauteilen und Materialien, S. 42) überprüfen. Da in die Berechnung der Daten auch äußere,

26 kWh/m2EBFa

20 kWh/m2EBFa

Leichtbau

Effizienzsteigerung in der Herstellung

Ein Produkt entsteht in der Regel durch die Schritte Rohstoffgewinnung, Roh­ stofftransport zum Produktionsort, Pro­ duktion, Verpackung und Distribution. Dabei rufen Rohstoffgewinnung und ­Produktion die größten Umweltwirkungen hervor (Abb. 3.5) und bieten die höchsten Potenziale zur Effizienzsteigerung in der Herstellung.

nicht kompakt, 8 Einheiten +30%

Gebrauchswert

gibt es nicht. Vielmehr stehen dafür unter­ schiedliche Kennwerte wie die Lebens­ zykluskosten (LCC), der Primärenergie­ inhalt (PEI), das Treibhauspotenzial (GWP) sowie die weiteren Kennwerte einer Ökobilanz (siehe Wirkungskatego­ rien und -indikatoren auswählen, S. 29f.) und gesundheitliche Kennwerte wie Typ I-Umwelt­deklara­tionen oder GISCodes zur Verfügung. Keiner dieser Kennwerte erfasst jedoch gleichzeitig lokale und globale Umweltwirkungen. Selbst aggregierte Kennwerte wie der Ökoindex 3 (OI3) aus Österreich messen nur die globalen Umweltwirkungen und müssen um eine schadstoffbezogene Betrachtung ergänzt werden. Grund­ sätzlich lassen sich unterschiedliche Aspekte des Materialkreislaufs im Bau­ wesen optimieren: • Effizienzsteigerung in der Herstellung • ressourcenschonende Baustoffalter­ nativen • Modularisierung und Systembau • gesundheitliche Unbedenklichkeit • Rückführung der Baustoffe in den Materialkreislauf

Masse [t/E.a]

ent­wicklung« grundsätzliche Definitionen der Phasen im Materialkreislauf (Abb. 3.1 und 3.3). Die in Deutschland zum 1. Juni 2013 in Kraft getretene Novelle der Bauproduk­ tenrichtlinie schreibt darüber hinaus kreis­ laufrelevante Eigenschaften von Baustof­ fen fest. Sie fordert unter anderem, dass alle Baustoffe die Wiederverwendungsund Recyclingfähigkeit von Bauteilen ermöglichen, eine hohe Dauerhaftigkeit des Bauwerks und der Bauteile sowie die Umweltverträglichkeit der Roh- und Sekundärbaustoffe gewährleisten sollen. Maßgeblich für die Materialverwendung im Bauwesen ist darüber hinaus die Res­ sourceneffizienz, die schon im Jahr 2002 in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert wurde. Das Ziel lautet, die Roh­ stoffproduktivität gemessen am Bruttoin­ landsprodukt (BIP) bis 2020 im Vergleich zum Referenzjahr 1994 zu verdoppeln [1].

Output an festen Gütern in den Konsum (Abfälle)

5

0 1960 1980

2000

2020

2040 2060 2080 Jahr 3.4

Produktion 32%

Verpackung 5%

Transport 4% Rohstoffe 59 % 3.5

45


Umweltwirkungen von Bauteilen

ökologisch nicht zu empfehlende Baustoffe

ökologisch akzeptable Baustoffe

ökologisch gute Baustoffe

Dämmstoffe Schaumglasgranulatschüttung Schaumglasplatten   (lose verlegt)

EPS-Automatenplatten (HFKW-frei) XPS-Platten (HFKW-frei)

EPS-Platten (EPS W) Mineralwolldämmplatten (MW-WD) XPS-Platten (HFKW-frei) Schaumglasplatten (mit Bitumen verklebt)

Holzfaserdämmplatten Korkdämmplatten Schaumglasplatten   (lose verlegt)

EPS-Platten (EPS W) Mineralwolldämmplatten (MW-WD)

Holzfaserdämmplatten

Dämmstoffe (Aufsparren) Polyurethanplatten

EPS-Platten (EPS F) Mineralwolldämmplatten (MW-PT) bei Anforderungen an Brandschutz oder Diffusionsfähigkeit

Mineralwolldämmplatten (MW-WF)

Kunstharzputze Kunstharzputze   (löse­mittelhaltig)

Kalkzementputz   (dampfdiffusionsoffen) Kalkputz Lehmputz

Kunstharz-Dispersionsputz Kunstharzputze Kunstharzputze  (lösemittelhaltig)

Silikonharzputze Zementputze

Silikatputze Kalkzementputze Zementputze im Sockelbereich (hochhydraulischer) Kalkputz

Silikonharz-Dünnputze

Silikat-Dünnputze Kalkzement-Dünnputze Kalkzement-Dickputze

Wärmedämmputze   mit EPS-Zuschlag Wärmedämmputze   mit Perlite

Wärmedämmputze mit Aerogel

Oberputze für WDVS Kunstharz-Dünnputz

Flachsdämmstoffe Hanfdämmstoffe Holzfaserdämmplatten Schafwolledämmstoffe Zellulosefaserplatten

Mineralwolle-Dämm­ Flachsdämmstoffe platten und -filze (MW-W) Hanfdämmstoffe Holzfaserdämmplatten Schafwolldämmstoffe Zellulosefaserflocken Zellulosefaserplatten

EPS-Platten (EPS T) Mineralwolldämmstoffe (MW-T, luftdicht verlegt, bei höchsten Anforderungen im Holzbau)

Beschichtungen von nicht mineralischen Oberflächen wasserbasierte, VOC-­ arme Beschichtungen Öle und Wachse aus nachwachsenden Rohstoffen (auf Holz)

Innenwandfarben Acryl- und Kunstharz­ dispersionsfarben Latexfarben

Latexfarben, emissionsarm Acryl- und Kunstharz­ dispersionsfarben,   emissionsarm Dispersionssilikatfarben Silikatfarben Leimbinderfarben Kalkdispersionsfarben

Wandfarben mit ­Fungizidzusatz

Silikatdispersionsfarbe Silikatfarbe Kalkdispersionsfarbe Kalkfarbe

Holz und Holzwerkstoffe

Holz und Holzwerkstoffe (Ausbauplatten innen)

Blähton Blähperlite Korkdämmplatten Schaumglasplatten (bei erhöhten technischen Anforderungen)

Spanplatte (kunstharzgebunden mit erhöhten Emissionen) OSB-Flachpressplatte (mit erhöhten Emissionen) Sperrholzplatte

Massivholzplatte   (fünfschichtig) Spanplatte (zementgebunden) Spanplatte (kunst-  harzgebunden) OSB-Flachpressplatte Holzhartfaserplatte ­(Trockenverfahren)

Dämmstoffe (Wärmedämmung für Heizung, Lüftung, Sanitär) Mineralwolldämmung  (sofern keine Anforde­ rungen an den Brandschutz vorliegen) Polyurethandämmung

Mineralwolledämmung, (wenn aus Brandschutzgründen gefordert)

Naturharzdispersions­ farben Leimfarben in Pulverform Kaseinfarben Kalkfarben

Innenwandfarben mit erhöhten Anforderungen beim Feuchteschutz

Holzfaserdämmplatten Korkdämmplatten

Dämmstoffe (Wärmedämmung unter Estrich) EPS-Platten (EPS W) Mineralwolldämmstoffe (MW-T, luftdicht verlegt) XPS-Dämmplatten (CO2-geschäumt)

Dispersionssilikatfarben Silikatfarben

Silikonharzfarben Kunstharzdispersions­ farben lösemittelhaltige ­Beschichtungen säurehärtende Lacke

Dämmstoffe (Trittschalldämmung unter Estrich)

Polyurethanplatten XPS-Dämmplatten (HFKW-geschäumt)

Silikatputze Kalkzementputze Gipsputze (bis Feuchte­ beanspruchung W 1)

Innenputze

Dämmstoffe (zwischen Latten und Sparren)

Mineralwolldämmstoffe (MW-T) Polyurethanplatten

Lehmbauplatten  Holzverkleidungen

Fassadenfarben Hanfdämmstoffe Holzfaserdämmplatten Korkdämmplatten Mineralschaumplatten

Dämmstoffe (hinterlüftete Fassade)

EPS-Platten (EPS W)

Gipskartonplatten  Gipsfaserplatten

Wärmedämmputze

Dämmstoffe (Wärmedämmverbundsystem) Mineralwolldämmplatten (MW-PT), sofern keine Anforderungen an Brandschutz oder Diffusionsfähigkeit vorliegen

Gipskarton-Gipsfaser­ platten-Verbund

Fassadenputze

Dämmstoffe (Flachdach) Polyurethanplatten XPS-Platten (HFKWgeschäumt oder mit Metallfolien kaschiert)

ökologisch gute Baustoffe

Trockenputze EPS-Automatenplatten (HFKW-frei) Schaumglasplatten (mit Bitumen verklebt) XPS-Platten (HFKW-frei)

Dämmstoffe (Umkehrdach) XPS-Platten   (HFKW-geschäumt)

ökologisch akzeptable Baustoffe

Putze und Farben

Dämmstoffe (Boden) XPS-Platten (HFKWgeschäumt)

ökologisch nicht zu empfehlende Baustoffe

Schafwolledämmung

mitteldichte Faserplatten (MDF) Holzwolle-Leicht-  bauplatte Massivholzplatte   (dreischichtig) Weichholz-Schalungsbretter Massivholz (Nut-Feder) Massivholzplatte   (einschichtig)

Holz und Holzwerkstoffe (Außenverkleidung) Holzwolle-Leichtbauplatte (im Verbund mit Dämmstoffen) Holzfaserplatte   (zementgebunden)

OSB-Flachpressplatte Spanplatte

Holzhartfaserplatte diffusionsoffene MDFPlatte Weichholz-Schalungsbretter

Holz und Holzwerkstoffe (Möbel) Sperrholzplatte 5.3 ökologische Beurteilung von Baumaterialien ­abhängig vom ­Einsatz­gebiet 5.4 relevante Bauteile, Bauteilschichten und ­Anschlüsse bei der bau­ biologischen Betrachtung mit Schwerpunkt Schadstoffe im Innenraum (links) sowie bei der bauökologischen Betrachtung

88

MDF-Platte Spanplatte (kunst-  harzgebunden)

Holzhartfaserplatte (unbeschichtet) Massivholzplatte   (dreischichtig) Massivholzplatte (einschichtig)


Bauteile in der bauökologischen und baubiologischen Betrachtung

ökologisch nicht zu empfehlende Baustoffe

ökologisch akzeptable Baustoffe

ökologisch gute Baustoffe

Abdichtungen

ökologisch akzeptable Baustoffe

Bodenbeläge für Feuchträume, Eingangsbereiche etc. Bitumenbahnen Polyolefinbahnen feuchteadaptive Dampfbremsen

Kraftpapiere diffusionsoffene Konstruktion  (Verzicht auf Dampfbremse)

PVC-Beläge kunstharzgebundener Kunststein Feinsteinzeug poliert Gießharze (PU / EP)

keramische Fliesen, Feinsteinzeug

Trennlagen (z. B. bei Fußbodenaufbauten) Polyolefinbahnen Kunststoffverbundfolien

Kraftpapiere

Bitumenmassen auf Emulsionsbasis lösemittelfreie Kunstharze

lösemittelfreie Kunstharzanstriche auf Disper­ sionsbasis

ECB-Dichtungsbahnen (mechanisch fixiert)

PIB-Dichtungsbahnen (mechanisch fixiert)

erdberührende Bauteile – senkrecht Bitumenmassen   Bitumenmassen   (auf Lösemittelbasis) (auf Emulsionsbasis) Bitumenbahnen ­(vollflächig verklebt) Kunststoffdichtung­bahnen (halogenfrei, ­  heiß verklebt) Asphaltmastix

Laminatböden PVC-Beläge Gießharz (PU / EP)

Dichtungsschlämme Sperrputze

Kunststeinbeläge   (kunstharzgebunden) Kunststoffteppich PVC-Belag Laminat

Bitumenbahnen (Kaltselbstklebebahnen) Bitumenbahnen (mechanisch fixiert) Kunststoffdichtungsbahnen (halogenfrei, mechanisch fixiert)

Holzböden, geölt,   emissionsarm Linoleumbeläge

Polyolefinbahnen (mechanisch fixiert) PIB-Dichtungsbahnen (mechanisch fixiert)

Linoleum Gummi- bzw. ­Kautschukbelag Feinsteinzeug poliert

Kunststeinbelag oder Terrazzo   (mit Recyclingzuschlag) keramische Fliesen (Abriebklasse 4/5   gem. ISO 10545) Parkettböden (geölt) Mosaikparkett (geölt)

Bodenbeläge (geringe Beanspruchung) Polyolefinbeläge PVC-Beläge Korkböden mit   PVC-Beschichtung

Dachabdichtungsbahnen Bitumenbahnen   (Schweißbahnen bzw.   in Heißbitumen) CSM-Dichtungsbahnen (chlorsulfoniertes Polyethylen) Kunststoffdichtungs­ bahnen (halogenfrei, verklebt) PVC-Dichtungsbahnen

Gummi- und Kautschukbeläge

Bodenbeläge (starke Beanspruchung)

erdberührende Bauteile – waagerecht Bitumenbahnen ­(vollflächig verklebt) Kunststoffdichtungs­ bahnen (vollflächig verklebt) Heißbitumenmassen

keramische Fliesen   (Abriebklasse 4/5   gem. ISO 10545) Kunststeinbeläge   Terrazzo   Natursteinböden Gummi- und Kautschukbeläge

Bodenbeläge für Kindergärten und Schulen

Voranstriche Bitumenmassen auf ­Lösemittelbasis Heißbitumenmasse Kunstharzanstriche auf Lösemittelbasis

ökologisch gute Baustoffe

Bodenbeläge

Dampfbremsen Aluminiumfolien Bitumenbahnen mit Aluminiumbandeinlage PVC-Bahnen Kunststoffverbundfolien

ökologisch nicht zu ­empfehlende Baustoffe

Kunststoffteppich   (emissionsarm) Gummi- bzw. ­Kautschukbeläge Korkparkett   (vollflächig verklebt) Korkfertigparkett

Parkettböden (geölt) Mosaikparkett (geölt) Mehrschichtparkett Linoleumbeläge Naturfaserteppich   (emissionsarm)

Aluminiumfenster (bei starker Witterungsexposition oder erhöhten Brandschutzanforde­ rungen) Holzfenster

Holz-Alu-Fenster Holzfenster aus zertifiziertem Holz Holzfenster (wenn   konstruktiver Holzschutz vorhanden)

Fenster Fenster Aluminiumfenster Fenster mit schwermetallhaltigen Dickschicht­ lasuren PVC-Fenster

5.3

baubiologische Betrachtung

bauökologische Betrachtung

5.4

89


Umweltwirkungen von Bauteilen

Deckenkonstruktionen Geschossdecken haben normalerweise maßgeblichen Anteil an den Umweltwirkungen von Gebäudekonstruktionen. Zwar ist ihr Primärenergieinhalt pro Qua­ dratmeter bei klassischen Aufbauten mit 330 – 1390 MJ/m2 eher begrenzt [3], das Bauteil Decke ist jedoch flächen- und massenmäßig besonders relevant (Abb. 5.6). So haben z. B. bei Stahlbetonbauten die Deckenelemente in der Regel einen Anteil von ca. 45 – 55 % an der Gesamtbetonmasse [4]. Aufgrund ihrer geschützten Lage sind Geschossdecken meist langlebig. Unabhängig von der Konstruktionsart kann für die tragende Schicht von einer Lebensdauer von 80 und mehr Jahren ausgegangen werden. Nur bei baukonstruktiven Problemen, Schäden der Gebäudeabdichtung und Havarien im Gebäude verkürzt sich die Nutzungsdauer [5]. Die Art der Lastabtragung beeinflusst dabei maßgeblich die Umweltwirkungen einer Tragkonstruktion. Sofern möglich, sollten Lasten stets ohne große Verschiebung im statischen System abgetragen werden. Aus Sicht einer flexib­len Nutzung und späteren Umnutzungsfähigkeit des Gebäudes ist es außerdem sinnvoll, nicht zu geringe Nutzlasten und Spannweiten vorzusehen. Dies wirkt sich jedoch auf die Ökobilanz des Faktoren zur Optimierung ++

Reduzierung von Spannweiten

++

Vorhaltung von Nutzlastreserven

-

Optimierung der statischen Höhe

++

Material der Zugzone

+++

Reduzierung der Eigenlast

+

Reduzierung der Schallschutzanforderungen

+

Reduzierung der Brandschutzanforderungen

++

bei erhöhten Brandschutzanforderungen:   Reduzierung der Gipsplattenstärke   Reduzierung des Metalleinsatzes   Reduzierung des Dämmstoffeinsatzes Decken

+ + +

Primärenergie [%/50a]

Zusammenspiel von Tragstruktur und Deckenkonstruktion

5.5

100 80 60 40 20 0 0 Haustechnik Ausbau Fassade Rohbau

90

10

20

30 40 50 Nutzungsdauer [a] Geschossdecken Gebäude gesamt: mit heutigem Energiestandard mit Energiestandard 2021 5.6

Bauteils negativ aus. Der Mehrwert einer erhöhten Flexibilität sollte daher vor der Bewertung klar kommuniziert werden. Neben ihrer tragenden Funktion erfüllen Decken meist auch Anforderungen des Schall- und Brandschutzes. Daher bestehen sie in der Regel aus tragender Schicht und Bekleidung. Bodenaufbauten werden im Rahmen dieses Buchs gesondert behandelt (siehe S. 100f.). Gerade Decken mit unverkleideter Unterseite tragen durch thermische Pufferung besonders zum Raumklima bei und können – eingebunden in ein entsprechendes Energiekonzept – bei einer Nachtluftspülung auch Kühlleistung für das Gebäude zur Verfügung stellen.

gegenüber Ortbetondecken nur bis zu einer Entfernung von ca. 250 – 350 km zwischen Herstellungsort und Baustelle vorteilhaft [8]. Holzkonstruktionen zeigen noch deutlich geringere Umweltwirkungen. Hier lassen sich für tragende Deckenbauteile sogar negative Primärenergieinhalte erzielen. Sowohl Massivholzdecken als auch HolzHohlkastendecken und Holz-/Beton-Verbunddecken, bei denen eine massive Holzplatte als Zugbewehrung dient, las­ sen dabei eine optimierte Konstruktion zu (Abb. 5.7). Weniger empfehlenswert ist dabei jedoch die Brettstapelbauweise, die aufgrund ihres hohen Eisenanteils (Nagelung) viel Herstellungsenergie erfordert [9].

Verfügbare Tragkonstruktionen

Unterdecken

Neben der typischen Flachdecke aus Stahlbeton existiert eine Vielzahl weiterer Deckenkonstruktionen. Aus bauökologischer Sicht lassen sich dabei zwei Gruppen unterscheiden: Konstruktionen mit vorrangig mineralischen Bestandteilen sowie Holzkonstruktionen. Bei mineralischen Konstruktionen lassen sich die Umweltwirkungen im Vergleich zu einer Betonflachdecke um bis zu 30 % reduzieren. Besonders große Potenziale bieten die Vergrößerung der statischen Höhe (z. B. durch Plattenbalkendecken) sowie die Nutzung des ressourcenschonenden Hochofenzements (siehe Verwaltungsgebäude in Krems, S. 125ff.). Geringer fallen die Einsparungen bei der Massenreduktion von Betonbauteilen aus: Mit Betonhohldielen lässt sich der Primärenergieinhalt um etwa 10 % reduzieren. Hohlkörperdecken mit Verdrängungs­ körpern aus Kunststoff können gerade bei weiten Spannweiten den Primärenergie­ inhalt um ca. 15 – 20 % senken [6]. Auch die Änderung des Materials für die Zugzone (z. B. Holzbetonverbundecke auf Holzträgern oder Trapezblechverbund­ decke) kann zu einer Verringerung der Umweltwirkungen beitragen, muss jedoch immer im Zusammenspiel mit dem Brandschutz untersucht werden. Klassische Betonkonstruktionen lassen sich auch über Vorspannung optimieren: Spann­ beton-Fertigdecken reduzieren den kumulierten Energieaufwand um ca. 13 %; das Treibhauspotenzial liegt jedoch weiterhin in der gleichen Größenordnung wie bei einer typischen Ortbetondecke [7]. Bei Fertigteilkonstruktionen kann auch der Transport des Bauteils eine mitentscheidende Rolle bei der Bewertung spielen. Je nach Bewertungsgrundlage (Treibhauspotenzial oder Primärenergie) sind vorgefertigte Spannbeton-Fertigdecken

Als Unterdecke bieten sich aus primär­ energetischer Sicht Putz, Gipskarton- und Gipsfaserplatten an. Ebenso empfehlenswert sind z. B. Holzwerkstoffe mit geringem Bearbeitungsgrad oder zementgebundene Holzwolleplatten. Abgehängte Decken verursachen durch die erhöhte Materialmenge einen höheren Primärenergieeinsatz als flächig aufgebrachte oder direkt montierte Unterdecken. Aber auch die Art der Unterkon­struktion hat einen wesentlichen Einfluss. Als vorteilhaft haben sich Holz-Unterkon­struktionen erwiesen. Bei Metall-Unterkonstruktionen ist der Primärenergiebedarf deutlich höher [11], wobei verzinkter Stahl hier noch am besten abschneidet. Deutlich wirken sich auch brandschutztechnisch notwendige Dämmlagen aus. Konstruktionen, die die Brandschutz­ anforderungen ohne Dämmlage aus Mineralwolle erfüllen, weisen meist geringere Umweltwirkungen auf als solche mit Dämmstoffen. Werden im Holzbau aus Brandschutzgründen abgehängte Decken erforderlich, kann sich der materialbedingte, ­ökologische Vorteil der Tragkonstruktion deutlich reduzieren. Bei einer konstruktiv optimierten, massiven Holz-Beton-­ Verbunddecke in F 90 verursacht z. B. die Unterdecke höhere Umweltwirkungen als durch die Nutzung von Holz (im Vergleich zur Betonflachdecke) eingespart werden konnte (Abb. 5.7). 5.5 ökologische Optimierungspotenziale bei Decken und Unterdecken 5.6 Primärenergieverbrauch eines typischen Nichtwohngebäudes (einschließlich Betriebsenergie) im Lebenszyklus und Graue Energie der Geschossdecken 5.7 Ökobilanzkennwerte von unterschiedlichen ­Deckenkonstruktionen über 50 Jahre 5.8 Ökobilanzkennwerte von unterschiedlichen Unter­ decken über 50 Jahre


Deckenkonstruktionen

Geschossdecken [1 m2 Decke] Herstellung, Instandhaltung und Rückbau  Betrachtungszeitraum: 50 a

PEI Primär­ energie nicht erneuerbar [MJ]

PEI Primär­ energie erneuerbar  [MJ]

GWP ODP Klima-  Ozongase abbau [kg CO2 -Äq.] [kg R11 -Äq.]

AP Ver-  sauerung [kg SO2 -Äq.]

EP POCP ÜberSommer-  düngung smog [kg PO4 -Äq.] [kg C2H4 -Äq.] Deckenkonstruktionen

1  Stahlbetonflachdecke

501

40

63,7

1,4 E-6

0,122

0,0165

0,0114

359

27

47,6

1,1 E-6

0,090

0,0124

0,0064

Beton (20 cm; Stahleinlage 2 %); Putz (0,5 cm) 2  Plattenbalkendecke

Beton (12 cm, Stahleinlage 1 %) auf 15 % der Deckenfläche; Betonträger (20 cm, Stahleinlage 5 %) 3  Beton-Hohldielendecke

452

33

63,0

1,5 E-6

0118

0,0165

0,0108

526

56

59,2

1,3 E-6

0,113

0,0150

0,0102

1,3 E-6

0,116

0,0145

0,0120

Beton (30 cm, Stahleinlage 1,5 %) 4  Stahlsteindecke

Beton (12 cm, Stahleinlage 1 %); Betonträger 15 % (20 cm, Stahleinlage 5 %); Hochlochziegel 85 % (20 cm) 5  Trapezblech-Verbunddecke 1 Beton (16 cm, Stahleinlage 2 %); Stahlblech (0,07 cm)

451

30

55,0

9  9 Holz-Beton-Verbunddecke (Betonplatte auf Massivholzplatte) Beton (10 cm, Edelstahleinlage 0,5 %); Leimholz (14 cm) 10

-137

1534

15,3

-1,7 E-6

10  Holz-Beton-Verbunddecke (Betonplatte auf Leimbindern) 11

378

324

44,1

6,6 E-7

2 6  Holzbalkenkonstruktion -158 740 -17,6 -4,1 E-7 0,078 0,0139 0,0060 3 OSB-Platte (1,9 cm); Holzbalken (20 cm) über 10 % der Deckenfläche, dazwischen Mineralwolle (20 cm); OSB-Platte (1,9 cm); Gipskartonplatte (1,25 cm) 4 7  Holz-Hohlkastendecke -276 745 -20,4 -6,6 E-7 0,071 0,0130 0,0055 Deckenkonstruktionen 5 OSB-Platte (2,4 cm); Holzbalken (18 cm) über 8 % der Deckenfläche, dazwischen Mineralwolle (18 cm); OSB-Platte (1,9 cm) 6 8  Massivholzdecke -348 1911 -20,9 -2,3 E-6 0,209 0,0365 0,0114 7 Leimholz (18 cm) 8

-3 20   -20 Leimholzbinder 0 0,1 0,2 cm) -2 %-1 0 1 2 400Edelstahleinlage 20 40 60 0Holzlattung 0,3 -400(10 0 cm, 800 1600 0,5 %); Beton (14 80 cm) über der Deckenfläche; (2,4 nicht erneuerbar PEI [MJ] ODP [mg R11-Äq.] AP [kg SO2-Äq.]-7 GWP [kg CO2-Äq.] 11  Stahlbetonflachdecke mit Hüttensandzement (ca. 80 %) 371 40 24,4 1,7 E erneuerbar Beton CEM IIIb (20 cm, Stahleinlage 2 %)

0,284

-0,0126

0,257

-0,0173

-10 0

0 10 20 30 40 EP [g PO4-Äq.] 0,070 0,0098

0,0177 0,0158 5 10 15 20 POCP [g C2H4-Äq.] 0,0060

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 -400 0 400 800 1600 nicht erneuerbar PEI [MJ] erneuerbar

-20 0

20 40 60 80 GWP [kg CO2-Äq.]

-3 -2 -1 0 1 2 ODP [mg R11-Äq.]

0

0,1 0,2 0,3 AP [kg SO2-Äq.]

-10 0

10 20 30 40 EP [g PO4-Äq.]

0

5 10 15 20 POCP [g C2H4-Äq.] 5.7

Unterdecken [1 m Decke] Herstellung, Instandhaltung und Rückbau  Betrachtungszeitraum: 50 a

PEI Primär­ energie   nicht ern. [MJ]

PEI Primär­ energie erneuerbar  [MJ]

GWP ODP Klima-  Ozongase abbau [kg CO2 -Äq.] [kg R11 -Äq.]

AP Ver-  sauerung [kg SO2 -Äq.]

EP Überdüngung [kg PO4 -Äq.]

POCP Sommer-  smog [kg C2H4 -Äq.]

12  Unterkonstruktion Holz F 30

48

69

3,6

-1,2 E-7

0,011

0,0025

0,0013

4,9 E-8

0,013

0,0017

0,0017

8,5 E-8

0,024

0,0032

0,0031

0,030

0,0046

0,0038

2

2 ≈ Gipskartonplatte, Feuerschutz (1,25 cm); 2 ≈ Holzlattung (3,6 ≈ 5,6 cm); Befestigungsmittel, Stahl verzinkt 13  Unterkonstruktion Metall F 30

72

4

4,8

2 ≈ Gipskartonplatte, Feuerschutz (1,25 cm); Hutprofil Metall (3,6 cm); Befestigungsmittel, Stahl verzinkt 14  Unterkonstruktion Metall F 60

134

7

9,0

2 ≈ Gipskartonplatte, Feuerschutz (1,25 cm); 2 ≈ CD 60/27 Stahlfeinblech (0,6 mm); Befestigungsmittel, Stahl verzinkt 15  Unterkonstruktion Metall F 90

189

10

12,4

8,8 E-8

Gipskartonplatte, Feuerschutz (2,5 cm); Gipskartonplatte, Feuerschutz (1,8 cm); 2≈ CD 60/27 Stahlfeinblech (0,6mm); Befestigungsmittel, Stahl verzinkt

12 13 14 15 0

50 100 150 200 nicht erneuerbar PEI [MJ] erneuerbar

0

5 10 15 GWP [kg CO2-Äq.]

-0,1

0 0,1 ODP [mg R11-Äq.]

0

0,01 0,02 0,03 AP [kg SO2-Äq.]

0

1

2 3 4 5 EP [g PO4-Äq.]

0

1 2 3 4 5 POCP [g C2H4-Äq.] 5.8

91


Fallbeispiele • Ferienhaus auf Taylor Island (USA) • Sanierung und Erweiterung eines ­Einfamilienhauses in Hamburg (D) • Wohn- und Geschäftshaus in Zürich (CH) • Verwaltungsgebäude in Krems (A) • Hauptschule in Langenzersdorf (A)

noch: Die Fallbeispiele illustrieren auch, dass bei ähnlichen Voraussetzungen ganz verschiedene Ansätze möglich sind, die in Bezug auf die Umweltwirkungen zu vergleichbaren Ergebnissen führen können. Denn nachhaltiges Konstruieren bedeutet nicht, sich auf ein Material oder eine Konstruktionsweise zu beschränken, sondern beinhaltet eine große Bandbreite an Möglichkeiten der Materialverwendung. Die Auswahl der Projekte bildet sowohl diese gestalterische und konstruktive Vielfalt ab als auch eine große Bandbreite an Nutzungen und Standorten (Abb. 6.1). Neben klein- und großmaßstäblichen Wohnungsbauten sind je ein Verwaltungs- und ein Bildungsbau vertreten. Sanierungen und Erweiterungen von Bestandsbauten werden ebenso analy-

S. 103 Ferienhaus auf Taylor ­Island (USA)

S. 109 Sanierung und Erweiterung eines Einfamilienhauses in Hamburg (D)

S. 117 Wohn- und Geschäftshaus in Zürich (CH)

S. 125 Verwaltungsgebäude in Krems (A) S. 133 Hauptschule in Langenzersdorf (A)

Kurzbeschreibung Konstruktion

siert wie reine Neubauten. Die Konstruk­ tionsprinzipien reichen vom klassischen Mauerwerks- und Betonbau über den Holzrahmen- und Holzmassivbau bis zu einer Skelettbaukonstruktion aus Metall. Nicht zuletzt zeigen die Beispiele, dass tradierte ästhetische Qualitäten wie »Sichtbarkeit« und »Ehrlichkeit« nicht notwendigerweise ein Indiz für eine besonders nachhaltige Bauweise sein müssen. Die Tragkonstruktion eines Gebäudes kann wie beim Einfamilienhaus auf Taylor Island als gestalterisches Element in Erscheinung treten oder – wie beim Wohn- und Geschäftshaus in Zürich – nur »dienende« Funktionen erfüllen und nachträglich verkleidet werden. Unterschiede bezüglich der Nachhaltigkeit ­solcher Konstruktionen lassen sich hieraus jedoch nicht direkt ableiten.

Metallskelettbau

schwerer Massivbau

Konstruktionsart

leichter Massivbau

Bestand

Neubau

Sonderbauten

Gewerbebau

Bildungsbauten

Alt / Neu

Verwaltungsbau

Typologie Wohnungsbau (EFH / RH)

Projekt

Wohnungsbau (MFH)

Seite

Holzmassivbau

Die vorangegangenen Kapitel haben die einzelnen Themen und Kriterien nachhaltigen Konstruierens dargestellt und die Stellschrauben erläutert, mit denen Baukonstruktionen im Verlauf des Planungsprozesses auf ihre Umweltwirkungen hin optimiert werden können. Um die projektspezifisch »richtigen« Strategien und Konzepte identifizieren zu können, ist aber auch ein Verständnis für die kom­ plexen Zusammenhänge notwendig, die bei der ökologischen Optimierung von Gebäuden wirken. Hierfür eignen sich Fallbeispiele in besonderem Maße. Die folgenden Gebäudedarstellungen zeigen, dass je nach Rahmenbedingungen, Nutzung und Entwurfsziel völlig unterschied­ liche Strategien zum Erfolg führen. Mehr

Holzrahmenbau

Einleitung

•  modularer Aluminiumrahmenbau •  Ausfachungen von ­Wänden und Decken mit vorgefertigten Balloonframe-­Holzelementen •  rückbaubare Konstruktions- und Fügungsprinzipien •  Sanierung und Erweiterung eines bestehenden Massivbaus •  neue Innenwände als Leichtbaukonstruktion •  Neubau als großflächig verglaster Holzrahmenbau mit hinterlüfteter ­Faserzementbekleidung

•  Holz-Beton-Hybridbau •  UG und EG in Stahlbetonskelettbauweise •  Obergeschosse mit Holzhohlkastendecken sowie Holzmassiv­ bauwänden mit hinterlüfteter Glasfaserbetonbekleidung

•  CO2-optimierter Stahlbetonmassivbau mit hohem Anteil an ­Hüttensandzement •  tragende Betonfassade mit Wärmedämmverbundsystem •  Sanierung und Erweiterung eines bereits mehrfach ergänzten Massivbaus •  minimale Eingriffstiefe im Altbau •  Neubau als Holzrahmenbau mit hinterlüfteter Holz- und Faser­ zementbekleidung 6.1

102


Sanierung und Erweiterung eines E ­ infamilienhauses in Hamburg

Sanierung und Erweiterung eines Wohnhauses in Hamburg Ab dem 1. Januar 2021 dürfen in Europa nur noch Gebäude errichtet werden, deren Nettoenergiebedarf nahezu null beträgt. Diese Anforderung stammt aus der europäischen Gebäuderichtlinie (European Performance of Building Direc­ tive, EPBD), die exakte Definition des Begriffs »nahezu null« ist jedoch noch unklar. Das LichtAktiv Haus nähert sich der Thematik auf experimentelle Art und Weise und hat hierfür einen Rahmen in der Initiative »Stadt neu bauen« der Internationalen Bauausstellung (IBA) Hamburg auf der Elbinsel Wilhelmsburg gefunden. Seit 2006 wurden dort rund 50 bauliche, ökonomische und kultu­ relle Projekte mit Vorbildcharakter umge­ setzt. Das LichtAktiv Haus widmet sich in diesem Kontext dem Thema des sub­ urbanen Wandels, der Lebensqualität in kleinen Wohnhäusern und dem Ener­ gieeinsparpotenzial von Bestandssanie­ rungen. Projektbeschreibung

Die Basis des Projekts bildete eine unsa­ nierte Doppelhaushälfte aus dem Jahre 1954 mit 8 ≈ 8 m Grundfläche und einem ursprünglich als Stall genutzten Anbau. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot diese Typologie den Bewohnern bescheidenen

Wohnkomfort und ermöglichte die Selbst­ versorgung durch das Anpflanzen von Obst und Gemüse im großen Nutzgarten hinter dem Haus [2]. Die Innenräume hin­ gegen waren eng und genügen mit ihren niedrigen Deckenhöhen nicht mehr den Anforderungen an modernen Wohnkom­ fort [3]. Ebenso wenig entsprach das Haus heutigen Energiestandards. Es steht damit sinnbildlich für etwa die Hälfte des deutschen Gebäudebestands [4]. Trotz dieser Einschränkungen wurde die Doppelhaushälfte erhalten, saniert und um einen Neubau in Holzrahmenkonstruk­ tion ergänzt (Abb. 6.17). Dieser erweitert die zur Verfügung stehende Wohnfläche um knapp 60 % und beherbergt Wohnund Essbereich, die Küche, den Ein­ gangsbereich sowie den Technikraum. Die privaten Rückzugsbereiche befinden sich im Altbau. Leitideen waren die harmonische Einglie­ derung in das Straßenbild sowie die ener­ getische Neuinterpretation des Nutzgar­ tens zur Selbstversorgung. Daraus entwi­ ckelte sich das Ziel der vollständigen Deckung des Energiebedarfs aus lokalen, regenerativen Quellen, ohne dabei auf Aufenthaltsqualität, Flexibilität, Tageslicht oder Fensterlüftung verzichten zu müs­ sen. Der Ansatz entstand im Rahmen eines studentischen Wettbewerbs am Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizi­ entes Bauen der Technischen Universität

Beteiligte Bauherr: Velux Deutschland GmbH, Hamburg Konzept: Katharina Fey (TU Darmstadt) Entwurfsplanung: Fachgebiet Entwerfen und Energie­ effizientes Bauen, Technische Universität Darmstadt Ausführungsplanung: Ostermann Architekten, Hamburg Energiekonzept: HL-Technik, München Lichtkonzept: Prof. Peter Andres PLDA, Hamburg Statik: TSB-Ingenieure, Darmstadt Kennwerte Lage: Hamburg, Deutschland Nutzung: Wohnungsbau − Umbau und Anbau einer Doppelhaushälfte Planungszeitraum: 2009 /10 Bauzeit: 2010 Wohnfläche: 132 m² Nettogrundfläche: 229 m² Energiebezugsfläche: 172 m² Hüllfläche: 581 m² beheiztes Gebäudevolumen: 643 m³ Fensterfläche: 102 m² Sachwert: 460 000 € Energiekennwerte lt. EnEV-Nachweis (2009) Primärenergiebedarf: 47,2 kWh/m²a Grenzwert (EnEV): 137,6 kWh/m²a Unterschreitung der EnEV-Anforderungen: 65,7 % Endenergie Strom: 18,2 kWh/m²a Heizwärmebedarf: 71,4 kWh/m²a Warmwasserbedarf: 12 kWh/m²a Normheizlast: 7954 W Photovoltaikanlage: 75 m²/ 8,8 kWp (Wirkungsgrad: 13,5 %) Solarthermieanlage: 19,8 m² PEI nicht erneuerbar (50 a): 68,5 MJ/(m²NGF · a) GWP (50 a): 4,1 kg CO2-Äqu./(m²NGF · a) 6.15 E infamilienhaus in Taylor Island (USA) 2007, Kieran Timberlake. Anleitung zum Rückbau 6.16 Aufbau, Umweltauswirkungen und Recycling­ fähigkeit der verwendeten Bauelemente 6.17 Wohnhaus in Hamburg (D) 2010, Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Tech­ nische Universität Darmstadt. Gesamtansicht von Südwesten

6.17

109


Fallbeispiele

Darmstadt. Der Siegerentwurf wurde in der Folge gemeinsam mit einem interdis­ ziplinären Planungsteam aus Architekten, Gebäudetechnikern und Lichtplanern realisiert. Materialität und Konstruktion

Die ursprüngliche Primärkonstruktion aus Kalksandstein prägt den Altbau nach wie vor. Die Außenwandflächen wurden ledig­ lich mit einer mineralischen Wärmedäm­ mung versehen (Abb. 6.29, S. 113). Die ursprüngliche Bodenplatte aus Stahlbe­ ton sowie die Zwischendecke aus Holz­ balken erhielten einen neuen Estrich und einen Bodenbelag aus hellem Parkett. Aufgrund der Kontaminierung durch Holz­ schutzmittel und des hohen Bedarfs an Aussparungen für Dachfenster wurde das ursprüngliche Dachtragwerk nicht weiter verwendet und durch ein neues Sparren­ dach ersetzt. Dach und Außenwand wur­ den mit hellgrauen Faserzementplatten bekleidet, um die Aufheizung durch Son­ neneinstrahlung zu reduzieren. Im Innen­ raum blieben die massiven Trennwände aus Kalksandstein so weit wie möglich bestehen. Die neu eingebrachten Innen­ wände bestehen aus Metallständern mit Gipskartonbeplankung.

110

Der Anbau erhielt leichte Außenwände in Holzständerbauweise, ausgedämmt mit Mineralwolle (Abb. 6.32 und 6.34, S. 115). Seine Stirnseiten sind ebenfalls mit Faser­ zementplatten bekleidet, die farblich an das Bestandsgebäude angepasst wur­ den. Entlang der Längsseiten wechseln sich Fenster mit opaken Wandflächen ab. Letztere sind mit Einscheibensicherheits­ glas in Aluminiumrahmen versehen. Diese Fassadenhaut zieht sich über die kom­ plette Gebäudelänge, fasst also auch den Carport und die Terrasse an den beiden Enden des Neubaus ein. Das Pultdach des Neubaus sowie das Flachdach des Zwischenbaus bestehen aus Holzbin­ dern. Um dachintegrierte Solarthermie­ und Photovoltaikmodule aufnehmen zu können, erhielt das Pultdach eine Unter­ konstruktion aus Aluminium. Die Module fungieren dabei gleichzeitig als Energie­ lieferant sowie als Wetterschutz und ersetzen so eine zusätzliche Dachein­ deckung (siehe Funktionsüberlagerung, S. 61f.). Die neue Bodenplatte verläuft unterhalb des kompletten Anbaus (inklu­ sive Carport und Terrasse). Unter Wohn­ bereich und Zwischenbau wurde sie als Stahlbetonsohle mit Wärmedämmung aus Schaumglas und EPS sowie einem

Zementestrich realisiert. Letzterer bein­ haltet die Fußbodenheizung und dient zugleich als Nutzschicht. Die Innenwände im Neubau bestehen aus Holzständern, bekleidet mit Gipskartonplatten. Im Carport wurde die Bodenplatte mit einem Belag aus Betonwerksteinen im Splittbett versehen. Auf der Terrasse hin­ gegen setzt sich der Estrichbelag des Wohnraums fort. Transluzente Glas­Glas­ Photovoltaikmodule dienen über beiden Freibereichen als Wetter­ und Sonnen­ schutz sowie als zusätzlicher Energie­ lieferant. Sowohl im Altbau als auch im Anbau wur­ den neue Holz­Aluminium­Fenster einge­ baut. Sie sind in den vertikalen Flächen dreifach, im Dachbereich doppelt verglast.

6.18

6.19

6.20

6.21

Energiekonzept

Das Entwurfsmotto »Aus eigenem Anbau« wurde am Projekt durch eine Kombination aus passiven Maßnahmen an Alt­ und Neubau, die den Energiebe­ darf reduzieren, sowie aktiven Maßnah­ men am Neubau zur regenerativen und lokalen Energieerzeugung umgesetzt. Die passiven Maßnahmen beziehen sich in erster Linie auf die Qualität der Gebäu­ dehülle. Die Transmissionswärmeverluste


Sanierung und Erweiterung eines ­Einfamilienhauses in Hamburg

wurden durch Dämmung der Außenhaut reduziert, zusätzlich verringert die gestei­ gerte Luftdichtheit den Heizwärmebedarf deutlich. Auf diese Weise sank der Gesamt-Endenergiebedarf für Warmwas­ ser, Heiz­wärme, Haustechnik und Haus­ halts­strom durch die Modernisierung von 293,6 kWh/m2a auf 108,5 kWh/m2a [5]. Unterstützt wurden diese Maßnahmen durch eine Tageslichtplanung (Abb. 6.24) die bereits mit den ersten Entwurfsskiz­ zen einsetzte und einen prägenden Bestandteil des integralen Planungspro­ zesses darstellte [6]. Gegenüber dem ursprünglichen Siedlungshaus, das über einen Öffnungsanteil von 18 m2 verfügte, beträgt die Fensterfläche im realisierten Projekt rund 90 m2. Etwa 60 m2 hiervon befinden sich im neuen Anbau [7]. Im zentralen Erschließungsbereich wurde außerdem die kleinteilige Raumstruktur geöffnet und zu einer sogenannten Tages­ lichtlampe umgestaltet (Abb. 6.25). Die­ ser mehrgeschossige, von oben belich­ tete Raum bildet den zentralen Kommu­ nikationsbereich. Aufgrund des hohen Fensterflächenanteils beträgt der durch­ schnittliche Tageslichtquotient in beiden Gebäudeteilen nun rund 5 %, in Teilberei­ chen sogar bis zu 10 %. Zum Vergleich:

Im Nutzungsprofil »Neubau Wohnge­ bäude 2012« bewertet die Deutsche Gesellschaft Nachhaltiges Bauen (DGNB) bereits die Versorgung von 50 % der Wohnfläche mit einem Tageslichtquotien­ ten von 2 % mit der höchstmöglichen Punktzahl [8]. Im Altbau wurde ein Großteil der neuen Fensterflächen in das Satteldach inte­ griert (Abb. 6.23). Diese ermöglichen eine gleichmäßigere Ausleuchtung des Rau­ mes, verursachen jedoch auch deutlich höhere Wärmeeinträge als vertikale Ver­ glasungen, da Dachfenster Licht aus nahezu allen Richtungen und einen hohen Anteil an Globalstrahlung in das Gebäude lassen. Die massive Primärkon­ struktion des Bestandes ist dabei jedoch in der Lage, tagsüber solare Wärmege­ winne aufzunehmen und nachts wieder an die Raumluft abzugeben – sie dient als thermischer Speicher. Um darüber hinaus den Abtransport von zu warmer Luft aus dem Innenraum zu unterstützen, wurden die Fenster auf unterschiedlichen Höhen in Fassade und Dach eingebaut. Sie begünstigen so das Entstehen eines natürlichen Kamineffekts. Der Neubau verfügt hingegen nur über einen geringen Anteil an Dachverglasun­

gen (Abb. 6.22). Seine leichte Holzrah­ menkonstruktion reagiert thermisch schneller und deutlicher als der Altbau und gibt solare Gewinne unmittelbar an den Innenraum weiter. Dieser Prozess konnte durch die Aktivierung des Estrichs als Speichermasse teilweise verlangsamt werden. Die Positionen der Öffnungen in Alt und Neubau wurden anhand von planungs­ begleitenden thermodynamischen Simu­ lationen festgelegt. Um Überhitzung zu vermeiden, erhielten außerdem alle Fen­ ster einen automatisch gesteuerten Son­ nen- und Blendschutz. 6.18 L ängsschnitt (Anbau und Bestand), Maßstab 1:250 6.19 Querschnitt Bestand, Maßstab 1:250 6.20 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:250 6.21 Grundriss Obergeschoss (Ausschnitt), Maßstab 1:250 6.22 Energie- und Klimakonzept Anbau 6.23 Energie- und Klimakonzept Bestand 1  solare Energiegewinne durch Dachfenster 2  natürliche Ventilation (Kamineffekt) 3 Photovoltaik 4  Solarthermie (für Warmwasser und Fußboden­ heizung) 5  Regenwassernutzung 6.24 Tageslichtsimulation 6.25 »Tageslichtlaterne« (offener Treppenraum) im sanierten Bestandsgebäude

2 3

4

2

2

1 1

1

2

5

5 6.22

Dachgeschoss

Obergeschoss

Erdgeschoss

6.23

Tageslichtquotient 10,0 8,9 7,8 6,6 5,5 4,4 3,3 2,1

6.24

6.25

111


Fallbeispiele

Neben passiven wurden auch aktive Maß­ nahmen an der Gebäudehülle umgesetzt. Der neu errichtete Anbau fungiert dabei als kleines lokales Kraftwerk zur Versor­ gung der Bewohner. Als sichtbarer Bestandteil der Architektur kamen dach­ integrierte Solarthermie- und Photovoltaik­ module zum Einsatz. Die 19,8 m2 große Solarthermieanlage liefert in Kombination mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe Heiz­ wärme und Warmwasser. Das System verfügt über einen – mit 940 l groß dimen­ sionierten – Warmwassertank, der sowohl die Entnahmestellen in Alt- und Neubau als auch die Fußbodenheizung speist. Den für den Gebäudebetrieb (Hilfsstrom inkl. Wärmepumpe sowie Haushaltsstrom inkl. Beleuchtung) erforderlichen Strom stellt die 75 m2 große Photovoltaikanlage bereit. Die polykristallinen Zellen in der Dachhaut und die transluzenten GlasGlas-Module über Terrasse und Carport sind auf jährlich rund 7000 kWh Strom aus­gelegt; Überschüsse werden ins örtli­ che Netz eingespeist [9]. Zur Reduktion von Lüftungswärmeverlus­ ten sowie zur Verbesserung des Innen­ raumklimas und der Behaglichkeit sind darüber hinaus alle Fenster mit einer umfangreichen Sensorik ausgestattet. Diese erfasst die Innenraumtemperatur, die

Luftfeuchte sowie die Konzentrationen von CO2 und VOC (flüchtige organische Verbindungen) in der Raumluft. Eine auto­ matische Fenstersteuerung reguliert abhängig von den Messwerten den Min­ destluftwechsel und das Innenraumklima. Im Gegensatz zu einer mechanischen Lüftungsanlage kommt diese Technologie ohne kostenintensiv nachgerüstete Lüf­ tungsschächte aus. Weiterhin steuert das System auch automatisch den Sonnenund Blendschutz. Der Sonnenschutz wird dabei nicht nur zur Regulierung der Innen­ raumtemperatur im Sommerfall eingesetzt – in kalten Winternächten sorgt er zusätz­ lich zur Verbesserung der Dämmwirkung und somit zur Reduktion der Transmis­ sionswärmeverluste durch die Fenster. Durch die Sanierung sank der jährliche Endenergiebedarf des Gebäudes um fast 65 %. Der Primärenergiebedarf beträgt nun 47,2 kWh/m2a und unterschreitet damit den Grenzwert der EnEV 2009 um 65,7 %.

Während der Planungsphase wurde der Umgang mit dem Bestandsgebäude anhand von drei Modernisierungsvarian­ ten mit unterschiedlichem Budgetrahmen untersucht (Abb. 6.26).

Die »Basismodernisierung« sah ledig­ lich eine energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle vor. Die Gebäude­ struktur blieb ohne große Veränderun­ gen erhalten. Gezielte Durchbrüche machten den Grundriss offener und ­zeitgemäßer. Die Variante »Erweitungsmodernisierung« beschreibt eine Generalsanierung, bei der das Gebäude in seinen Rohzustand zurückversetzt wird. Der Altbau sollte ent­ kernt, die Hülle energetisch saniert wer­ den. Ergänzt wurde das Wohngebäude durch einen kleinen Anbau in Holzrah­ menkonstruktion. Die Variante »Aktivhaus-Modernisierung« beschreibt in ihren wesentlichen Grund­ zügen den Umbau, der letztlich in Ham­ burg-Wilhelmsburg realisiert wurde. Nach der Fertigstellung und einer Zeit der öffentlichen Ausstellung im Rahmen der IBA startete das Projekt in eine ­zweijährige Testphase mit einer Probe­ familie. Diese wurde im Rahmen eines Monitoringprogramms durch ein inter­ diszipli­näres Forschungsteam aus ­Architekten, Soziologen, Gebäude- und Solartechnikern betreut. Sensoren und Zähler erfassten den Energie- und ­Wasserverbrauch der Familie, die Raum­ temperaturen, den Tageslichtanteil, die

a

b

c

Planungsprozess und erste Betriebserfahrungen

6.26

Basismodernisierung

Erweitungsmodernisierung

Aktivhaus-Modernisierung

Gebäudehülle

saniert

saniert

saniert

Gebäudestruktur

Durchbrüche im Grundriss

entkernt

entkernt

Dach

saniert + Dachfenster

saniert + Dachfenster

neues Sparrendach + Dachfenster

Gebäudetechnik

Öl-Brennwertkessel, Heizkörper, ­Solarthermie + Trinkwasserspeicher

Luft-Wasser-Wärmepumpe, Solar­ thermie, Pufferspeicher, Fußboden­ heizung, Trinkwasserspeicher

Luft-Wasser-Wärmepumpe, Solar­ thermie + PV, Pufferspeicher, Fuß­ bodenheizung, Trinkwasserspeicher

Anbau

bleibt bestehen + Überfirstverglasung

kleiner Holzrahmenbau

großer Holzrahmenbau

Platzbedarf

2 – 3 Personen

3 – 4 Personen

4 Personen

Energiebedarf + CO2-Emissionen (zum unsanierten Bestand)

−50 %

Energie −60 %, CO2 −70 %

Energie −65 %

Kosten (brutto)

140 000 €

274 000 €

460 000 € 6.27

112


Wohn- und Geschäftshaus in Zürich

Wohn- und Geschäftshaus in Zürich Holz umgibt im Bereich des ökologischen und ressourcenschonenden Bauens die Aura der »Allzweckwaffe«. Es ist ein natürlicher Baustoff, ressourcenschonend, schadstofffrei und zu 100 % rezy­ klierbar. Und die minimalistischen Holzbauten, die in den letzten 20 Jahren in ganz Europa realisiert wurden, haben den zeitgenössischen Holzbau zudem aus der »Wollpullover«- und »Birkenstock«-Ecke heraustreten lassen. Seine technische Leistung geht einher mit einer hohen gestalterischen Qualität. Auch daher wird der Baustoff Holz bis heute zumeist sichtbar und gestaltprägend eingesetzt: Sichtbare Holzfassaden, -wände, -decken, -böden und -konstruktionen, die die Atmosphäre und Materialität des Gebäudes entscheidend mitbestimmen, dominieren das Bild des modernen Holzbaus. Hierin liegt – neben der noch immer existierenden Brandschutzproblematik – einer der Gründe, warum Holzbauten im vornehmlich durch mineralische oder metal­ lische Baustoffe geprägten Bild unserer Innenstädte eine Ausnahme sind. Innere Werte

Das Wohn- und Geschäftshaus der Baugenossenschaft an der Badener Straße in Zürich stellt hier eine Neuerung dar. Im

Gegensatz zu vielen mit Holz verkleideten Hybrid- oder Massivbauten handelt es sich bei dem mehrgeschossigen Wohngebäude um einen reinen Holzbau. Zwar wurde Holz primär aus ökologischen Gründen eingesetzt, doch der Umgang mit dem Baustoff war – ebenso wie dies bei einem Gebäude aus Beton oder Backstein der Fall gewesen wäre – primär auf dessen technische und funktionelle Aspekte fokussiert. Weder von außen noch von innen gibt sich das Gebäude als Holzbau zu erkennen. Seine Fassaden- und Grundrissgestaltung ist eine Reaktion auf den anspruchsvollen städtebaulichen Kontext mit der stark verkehrsbelasteten Badener Straße im Süden und dem neuen Quartierpark im Norden; die Oberflächen und Atmosphäre in den Wohnungen lassen bis auf die Eichen­ parkettböden jede hölzerne Anmutung vermissen. Projektbeschreibung

Die Baugenossenschaft Zurlinden ist eine private Unternehmergenossenschaft, die sich dazu entschlossen hat, Neubauten gemäß dem Leitbild der 2000-WattGesellschaft zu errichten (siehe Optimierung des Gebäudelebenszyklus, S. 57f.). Der 2006 ausgelobte Wettbewerb für den Bau von preiswerten innerstädtischen Wohnungen an der Badener Straße in

Beteiligte Bauherrschaft: Baugenossenschaft Zurlinden (BGZ), Zürich Architektur: pool Architekten, Zürich Bauleitung: Caretta Weidmann Baumanagement, ­Zürich Beratung Nachhaltigkeit: Architekturbüro H. R. Preisig, Zürich Holzbauingenieur: SJB Kempter Fitze AG, Frauenfeld Bauingenieur: Henauer Gugler AG, Zürich Bauphysik: Wichser Akustik + Bauphysik AG, Zürich Haustechnik: Amstein + Walthert AG, Zürich Kennwerte Lage: Zürich, Schweiz Planungszeitraum: 2006 – 2008 (20 Monate inkl. ­Wettbewerb) Bauzeit: 2008 – 2010 (18 Monate) Nutzung: 54 Wohnungen (2,5- und 3,5-Zimmer), Supermarkt Grundstücksfläche: 2700 m2 Grundfläche: 2700 m2 Bruttogrundfläche (BGF): 13 876 m2 Wohnfläche (Hauptnutzfläche): 7050 m2 Energiebezugsfläche: 9150 m2 Baukosten (KG 300/400): Gesamtanlagekosten 34 Mio. CHF; Benchmark BKP 1-5 Wohnen CHF/m2 HNF: 3900 CHF

Zielwerte 2000-Watt-Kompatibilität (gemäß SIA-Effizienzpfad Energie) Energiekennwerte (SIA 380/1) Heizwärmebedarf alle Zonen: 17,5 kWh/m2 EBF a Heizwärmebedarf nur Wohnen: 14,7 kWh/m2 EBF a Wärmebedarf Warmwasser: 19,4 kWh/m2 EBF a (davon durch Abwärme aus Supermarkt gedeckt: 15,8 kWh/m2a) Ertrag Photovoltaik: 10 000 kWh/a Energiekennzahl: 62 kWh/m2a Graue Energie (Merkblatt SIA 2032): 24,1 kWh/m2a

6.38 Wohn- und Geschäftshaus in Zürich (CH), pool Architekten 2010: Ansicht von Süden

6.38

117


Fallbeispiele

6.39

50 10

un

dG

mg

esc

art

15

ne

rst

0

fts

ras

se

ha

7•

us

80

03

Ba

20

de

ne

ric

0

h

rst

ras

se

0 25

38

0

0m

Sit ge

z.

ua

tza

tio

n Fo

rm

at

A4 Da

118

tum

Zürich war das erste Pilotprojekt für die Umsetzung dieser Strategie. Um den Pilotcharakter des Bauvorhabens zu unterstützen, begleitete ein hierfür spezialisiertes Architekturbüro die Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien schon in der Vorbereitung des Wettbewerbs. Die Vorgaben sahen neben der Planung von ca. 50 Wohnungen die Schaffung eines weitgehend stützenfreien und großflächigen Bereiches im Erdgeschoss für einen neuen Supermarkt inklusive Anlieferung vor. Anstelle der ehemals auf dem Grundstück vorhandenen Parkplätze sollte eine Tiefgarage in das 6.40 Gebäude integriert werden. Der bis zu siebengeschossige Baukörper besetzt das gesamte 2700 m2 große, ­ehemals der Einzelhandelskette Migros gehörende Grundstück an der Badener Straße (Abb. 6.39). Im Erdgeschoss liegen neben der Einzelhandelsfläche die Anlie­ ferung, die Tiefgaragenzufahrt und die Zugänge zu den Wohngeschossen, während in den sechs Geschossen darüber 54 Wohnungen mit je 2,5 bis 3,5 Zimmern untergebracht sind. Der sich nach oben zurückstaffelnde Baukörper besitzt zwei gleichwertige Schaufassaden. Durch seine kammartige Struktur war es möglich, alle Wohnungen zu den beiden räumlich sehr 6.41 unterschiedlichen Seiten hin zu o ­ rientieren – der ruhigen Nordseite mit Blick auf den geplanten Park und der stark befahrenen Straße im Süden (Abb. 6.40 – 6.42). Durch den Versatz der Baukörper entstehen Höfe, die die Lärmbelastung im Bereich der zurückliegenden Fassaden reduzieren. Auf diese Weise lassen sich auch die N zur Straße orientierten Wohnräume natürlich belüften. Die offenen Wohnungsgrundrisse, in denen sich bei Bedarf ein Zimmer durch eine Schiebetür abtrennen lässt, schaffen Durchblicke durch das gesamte 1:2 5 00 Gebäude. 03 .07 Die beiden Unterschosse, das Erdge.20 09 schoss und die Treppenhäuser sind in 6.42 Massivbauweise aus Beton errichtet. Die Decke über dem Erdgeschoss ist als Abfangtisch konstruiert, auf dem die sechs Wohngeschosse aus tragenden Massivholzwänden und Holz-Hohlkam­ merdecken errichtet wurden. Die hinterlüftete Fassade ist mit Glasfaserbeton­ elementen verkleidet, die auf einer Alu­ miniumunterkonstruktion befestigt sind (Abb. 6.47, S. 120, und 6.55, S. 124). Die Energie für die Wärmeerzeugung stammt größtenteils aus der Abwärme der Kühlgeräte im Supermarkt. Die verbleibende Restwärme liefert eine Grundwasserwärmepumpe, deren Strombedarf rechnerisch von der 82 m2 großen PV6.43


Wohn- und Geschäftshaus in Zürich

Anlage auf dem Dach gedeckt wird. Fußbodenheizungen leiten die Wärme in die Räume ein. Zur kontrollierten Be- und Entlüftung dienen dezentrale Lüftungsgeräte in den Wohnungen, die als raumhohes Element neben jedem Fenster in die Fassade integriert sind (Abb. 6.51, S. 122). Für die Holzbaukonstruktion war es notwendig, die Decken von Einbauten (wie z. B. Lüftungsleitungen) freizuhalten. Abgehängte Decken waren aufgrund der vorhandenen Raumhöhe nicht möglich. Jedes Element besitzt einen Abluftventi­ lator und eine Wärmerückgewinnung mit einem Wirkungsgrad von 80 %, mit der die nachströmende Zuluft vorgewärmt wird, sodass jeder Raum unabhängig funktioniert. Die Abluft aus den Bädern wird ohne Wärmerückgewinnung direkt über Dach geführt. Materialität und Konstruktion

Nutzung und Konstruktionsweise der unte­ren Geschosse unterscheiden sich grundlegend von jener der Obergeschosse. Die Untergeschosse, das Erdgeschoss und die Treppenhauskerne wurden aus Beton erstellt (Abb. 6.44). In den Treppenhäusern besteht der Rohbau aus Recyclingbeton, während bei den erdberührenden Bauteilen und im Erdgeschoss aus statischen und technischen Gründen darauf verzichtet wurde. Die Wohngeschosse wurden in einer bei dem Bau erstmals angewendeten tragenden Massivholzbauweise errichtet, die der Holzbauingenieur Herman Blumer entwickelt hat. Die Konstruktion besteht aus geschosshohen massiven Kanthölzern aus regionalem Fichtenholz mit einem Querschnitt von 100/195 mm, die oben und unten mit einer mittigen Bohrung versehen und mittels Holzdübeln auf einer Holzschwelle fixiert werden (Abb. 6.48, S. 121). Den oberen Abschluss bildet wieder eine Massivholzschwelle, die zugleich zur Einbindung der einzelnen vorgefertigten Holz-Hohlkammer-Deckenelemente genutzt wird. Die Deckenelemente sind über Schubverbinder aus Stahl gekoppelt und bilden zusammen eine horizontale Scheibe aus, die aus Gründen der Erdbebensicherheit an den Treppenhauskernen verankert ist. Die 100 mm starken Innenwände wurden aus Brand- und Schallschutzgründen und wegen der optisch sehr heterogenen Oberflächen der Holzwand beidseitig mit einer Gipsfaser-Vorsatzschale beplankt. Die Wohnungstrennwände wurden als Doppelwände mit Gipsfaser-Beplankung erstellt und mit 40 mm Mineralwolle ausgedämmt.

6.44

6.39 Lageplan, Maßstab 1:2500 6.40 Querschnitt, Maßstab 1:750 6.41 Grundriss 5. Obergeschoss, Maßstab 1:750 6.42 Grundriss 3. Obergeschoss, Maßstab 1:750 6.43 Grundriss Erdgeschoss Maßstab 1:750 6.44 Montagesequenz des Holzbaus oberhalb der Erdgeschoss-(Supermarkt-)Decke. Erstmals wurde bei dem Wohn- und Geschäftshaus eine neu entwickelte Holzmassivkonstruktion aus ­geschosshohen Fichtenkanthölzern verwendet.

6.45

6.45 Südwestfassade mit »Kunst am Bau«-Projekt der Künstlergruppe Superflex. Im Rahmen des hier wiedergegebenen Vertrags verpflichten sich die Bewohner zu einem Energieverbrauch von maximal 2000 Watt, kumuliert über alle Bereiche des privaten Lebens (Wohnen, Konsum und Mobilität). 6.46 Wohnung mit Küchenblock und Fußbodenkanal (links an der Außenwand)

6.46

119


Fallbeispiele

1

2

3

6

4

5

7

6.47

120

6.47 Schnitt Fassade/Dach vertikal, Maßstab 1:20 1  Dach: Rundkies 80 mm Schutzbahn 10 mm Abdichtung Bitumen zweilagig (obere Schicht wurzelfest) Wärmedämmung Mineralwolle im Gefälle 150−250 mm (im Randbereich nahe Attika: Wärmedämmung PUR, aluminiumkaschiert, druckfest 130 mm Abdichtung EVA 3,5 mm OSB-Platte 3,5 mm Deckenplatte Brettschichtholz 200 mm Luftdichtungsfolie Unterkonstruktion mit Federbügel 27 mm Gipsfaserplatte (Brandschutz) 18 mm Weißputz 5 mm 2  Sonnenschutz Rafflamellenstoren, dahinter Wärmedämmung Mineralwolle 50 mm, Abdeckblech Aluminium goldfarben anodisiert 3  Geschossdecke: Bodenbelag Parkett 10 mm Zementestrich mit Bodenheizung 70 mm Trennlage PE-Folie Wärme- und Trittschalldämmung Mineralwolle 30 mm Hohlkastenelement (insgesamt 240 mm) aus: Dreischichtplatte 40 mm Rippen 160 mm dazwischen Splittschüttung ca. 50 mm Dreischichtplatte 40 mm Unterkonstruktion mit Federbügel 27 mm Gipsfaserplatte (Brandschutz) 18 mm Weißputz 5 mm 4  Bodenkanal mit Stahlplatte, 80 ≈ 150 mm in Gipsfaserplatte verschraubt 5  Dachterrasse: Holzrost Lärche massiv, lasiert Lattung 35 mm Trennlage/Dachfolie 8 mm Abdichtung Bitumen zweilagig Wärmedämmung PUR mit Aluminiumkaschierung, druckfest im Gefälle 60 −100 mm Dampfsperre Gipsfaserplatte 15 mm Brettstapeldecke Holz 200 mm Luftdichtungsfolie Unterkonstruktion mit Federbügel 27 mm Gipsfaserplatte (Brandschutz) 18 mm Weißputz 5 mm 6  Außenwand: Fassadenverkleidung Glasfaserbeton 70 mm Unterkonstruktion/Hinterlüftung 30 mm Wärmedämmung Mineralwolle 160 mm Windpapier Holzbohle 100 mm Wärmedämmung Mineralwolle 80 mm Unterkonstruktion 30 mm Filzbahn Gipsfaserplatte zweilagig 25 mm Weißputz oder Spachtel 5 mm Glasfaservlies 7  Wohnungstrennwand: Glasfaservlies Weißputz oder Spachtel 5 mm Gipsfaserplatte zweilagig 25 mm Filzbahn Unterkonstruktion 30 mm Holzbohle 100 mm Wärmedämmung Mineralwolle 40 mm Holzbohle 100 mm Unterkonstruktion 30 mm Filzbahn Gipsfaserplatte zweilagig 25 mm Weißputz oder Spachtel 5 mm Glasfaservlies 6.48 Montagesequenz des Holzbausystems (Außenwand und Geschossdecke) 6.49 Gesamtansicht von Nordosten


Wohn- und Geschäftshaus in Zürich

6.48

Im Bereich der Außenwände ist die tragende Holzkonstruktion beidseitig gedämmt. Auf der Innenseite wurden bauseits eine 80 mm dicke Mineralwolleplatte sowie eine zweilagige Vorsatzschale aus Gipsfaserplatten aufgebracht. Außenseitig komplettieren ein Windpapier, eine 160 mm starke Dämmung aus Mineralwollplatten sowie eine hinterlüftete Vorsatzschale aus profilierten Glasfaserbetonelementen auf einer Aluminium­ unter­konstruktion den Fassadenaufbau (Abb. 6.47). Der Hohlraum der 240 mm hohen Holz­ deckenelemente enthält zur Verbesserung des Schallschutzes und des sommerlichen Wärmeschutzes eine 50 mm starke Splittschüttung, die ein zusätzliches Gewicht von 60 kg/m2 in die Decken einbringt. Unterseitig ist die Konstruktion aus Schall- und Brandschutzgründen mit einer 18 mm dicken entkoppelten Gipsfaserplatte verkleidet; oberseitig wurde ein 70 mm starker schwimmender Zement­ estrich mit Fußbodenheizung sowie der 10 mm starke Massivholzparkettboden aufgebracht. Der gesamte Deckenaufbau beträgt damit 400 mm und liegt im oberen

Bereich herkömmlicher Deckenstärken im Massivbau (ca. 330 – 420 mm). Für das Flachdach wurden aus bau­ physikalischen Gründen statt der Hohlkastendecken (Kondensatbildung im Hohlkasten) 200 mm starke BrettstapelDeckenelemente verwendet und auf der Oberseite mit einer 150 – 200 mm starke Gefälledämmung aus Mineral­ wolleplatten versehen. Im Bereich der Terrassen ermöglichten die guten Dämmeigenschaften des Brettsperrholzes, eine Aufbauhöhe von nur ca. 150 mm und damit eine fast schwellenlose Zugäng­ lichkeit der Terrassen. Hierzu mussten weder der Fußbodenaufbau erhöht noch Vakuumdämmpaneele verwendet werden. Die Aufbauhöhe wäre noch geringer ausgefallen, wenn statt des hier gewählten Holzlattenrostes Zementplatten als Terrassenbelag verwendet worden wären. Die vertikalen Leitungsstränge verlaufen in durchgehenden und mit reversiblen Brandschutzplatten verkleideten Steigschächten im Bereich der Treppenhäuser, die spätere Nachinstallationen ermöglichen. Die Sanitärinstallationen

wurden als Vorwandelemente geplant. Die horizontale Elektroverkabelung in den Wohnungen ist in sichtbaren Bodenkanälen verlegt, sodass Decken und Wände frei von Leitungen bleiben konnten (Abb. 6.46). Die gewählte Variante ist vergleichsweise kostenintensiv, erleichtert jedoch nicht nur die Planung der Leitungsführung und eine spätere Umnutzbarkeit der Grundrisse, sondern bietet zudem einen hohen Mehrwert für die Bewohner, denen ohne sichtbare Kabel an jeder Stelle der Wohnung Strom- und Medienanschlüsse zur Verfügung stehen. Gemäß den Schweizer Brandschutzvorschriften dürfen Holzgebäude maximal sechs Vollgeschosse haben und eine Traufhöhe von 25 m nicht überschreiten. Die hier gewählte Konstruktion mit einem Erdgeschoss aus Beton erlaubte es, die Höhe des eigentlichen Holzbaus auf sechs Geschosse zu reduzieren und machte den Neubau damit genehmigungsfähig. Alle tragenden Bauteile erfüllen die Anforderung EI60 gemäß Schweizer VKF-Brandschutznorm, das Erdgeschoss und die Treppenhäuser wurden in EI60 nbb ausgeführt.

6.49

121


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.