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Reiner Holzbau oder Mischbauweise? All-Timber or Mixed Forms of ­Construction? Andreas Cukrowicz, Anton Nachbaur-Sturm

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Holz ist zurzeit aufgrund seiner ökologischen Eigenschaften besonders gefragt. Selbst bei größeren Bauvorhaben wie im Geschosswohnungsbau wird viel mit dem Material experimentiert. Dabei zeigt sich ­jedoch immer wieder, dass ein reiner Holzbau schnell an seine Grenzen stößt. Die Kombination mit anderen Baustoffen kann daher eine sinnvolle Alternative ­darstellen. Die Frage nach Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Logik einer ­Konstruktion lässt sich nicht allgemeingültig ­beantworten, sondern muss stets in Abwägung aller Rahmenbedingungen und Vorgaben aufs Neue untersucht und überprüft werden. Während bei der reinen Holzbauweise die Vorteile vor allem im Bereich der Ökologie und Nachhaltigkeit sowie dem ­höheren Vorfertigungsgrad liegen, bietet die Mischbauweise Vorteile bei größeren Bauvorhaben mit mehreren Geschossen und größeren Spannweiten. Bezüglich Kosten und Planungsaufwand ist die Mischbauweise gegenüber dem reinen Holzbau tendenziell günstiger zu bewerten. Ab­hängig von der Nutzung und Größe und den damit zusammenhängenden gesetzlichen Vorgaben stößt der reine Holzbau in den Bereichen Brandschutz und Schallschutz früher an seine Grenzen. Bei mehreren Geschossen muss ein Holzbau oft mit einem weniger leicht brennbaren Material verkleidet werden, sodass das Konstruktionsmaterial Holz gar nicht mehr sichtbar ist. Das Potenzial, einen Niedrigenergie- oder Passivhausstandard zu erreichen, kann grundsätzlich bei beiden Konstruktions­ weisen als gleichwertig betrachtet werden, da hier überwiegend die Ausbildung der Außenhülle maßgeblich ist. Der Vorteil des reinen Holzbaus liegt vor allem in den Möglichkeiten des Recyclings und der CO2Neu­tra­lität des Baustoffs Holz. Die folgenden drei Beispiele unseres Büros zeigen verschiedene Arten von Holz- bzw. Mischkonstruktionen und verdeutlichen die Zusammenhänge, die bei der Auswahl der Konstruktion eine Rolle spielen.

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Gemeindezentrum in St. Gerold Die gewählte Konstruktion lag in Anbetracht der vorgegebenen Rahmenbedingungen auf der Hand (Abb. 1). Da der Bauherr sich ein möglichst ökologisches und nachhal­tiges Vorzeigeprojekt wünschte, fiel die Wahl schnell auf eine Holzkonstruktion. Auch die Möglichkeit, Holz aus dem gemeindeeigenen Wald zu verwenden, sowie die Bauaufgabe mit eher kleinteiliger Raumstruktur und geringen Spannweiten sprachen für den Baustoff. Der viergeschossige Neubau ist als kompakter Baukörper im Passivhausstandard konzipiert und energietechnisch nahezu ­autark. Mit Ausnahme der in Stahlbeton ausgeführten erdberührenden Außenwände wurde das gesamte Gebäude in Holzbauweise erstellt. Sowohl die tragenden Außenwände als auch sämtliche Innenwände konnten als vorgefertigte Holzelemente vor Ort versetzt werden. Auch der Liftschacht wurde in gleicher Weise aus vier massiven Holzelementen aufgestellt. Sämtliche Geschossdecken sind in Form von massiven Holzdielen ausgeführt. Die Dachkonstruk­ tion besteht aus einer Holzbalkendecke mit hinterlüftetem Flachdach, das für Wartungsarbeiten zugänglich ist. Musikhaus in Röthis Ursprünglich hatten wir auch für das dreigeschossige Musikhaus in Röthis eine reine Holzkonstruktion geplant (Abb. 2, 3). Die spezielle Bauaufgabe als Musikprobelokal in Kombination mit einem Café erforderte jedoch im Laufe der Planung aus Schallschutzgründen eine Änderung des konstruktiven Konzepts. Die tragende Konstruktion besteht aus ­einem Untergeschoss in Massivbauweise; auch der Lift- und Installationskern mit aussteifender Wirkung sowie die Decke über dem Erdgeschoss sind in Stahlbeton aus­ geführt. Unsichtbar in die Außen- und Zwischenwände integrierte Stahlstützen übernehmen die vertikale Lastabtragung in der Erdgeschossebene. Die Ausführung der obersten Geschossdecke als Holzbalkenkonstruktion ermöglichte die Führung von

größeren Installationsquerschnitten für die Belüftung des Musikprobesaals. Zusätzlich werden die Deckenhohlräume als Tiefen­ absorber für die Optimierung der Raumakustik aktiviert. Sämtliche Außen­wände sind als vorgefertigte Holzelemente aus­ gebildet, im Obergeschoss wurden diese tragend ausgeführt. Aus Schallschutzgründen erhielt das Dach eine stärkere Kiesschüttung. Wohnanlage Lerchenpark in Lauterach Aus wirtschaftlichen Gründen haben wir für die Wohnanlage Lerchenpark eine Mischbauweise gewählt. Die tragende Konstruk­ tion der fünf dreigeschossigen Häuserzeilen besteht aus massiven Stahlbetondecken mit eingelegten Lüftungsrohren sowie Stahl­stützen in Fassadenebene und in den Zwischenwandbereichen. Die tragenden ­Innenwände zur Tief­garage und zum Untergeschoss sind massiv in Stahlbeton aus­ geführt, wobei deren Auf­lager zur Unter­ geschoss­decke zur thermischen Optimierung auf einzelne Auflagerpunkte reduziert sind. Auch die Treppenhäuser und Liftkerne sind massiv ausgebildet und übernehmen die statische Aussteifung der Gebäude. Die Außenwände bestehen aus vorgefertigten, eingeschossigen Holzelementen. Ein wesentliches Argument für die Mischbauweise war neben der Wirtschaftlichkeit, dass die speziell im Wohnungsbau erforderlichen Schallschutzanforderungen zwischen den einzelnen Geschossen einfacher umzusetzen sind als bei einer reinen Holzkonstruktion. Ein weiterer Vorteil lag im Erreichen größerer Spannweiten bei gleichzeitig geringerer Konstruktionshöhe. Auch ließen sich die vorgeschriebenen Brand­schutz­anforde­ rungen mit der gewählten Mischbauweise problemlos erfüllen: Die zur vertikalen Lastabtragung der Fassade notwendigen Stahlstützen sind hinter einer raumseitigen Beplankung in die innen liegende Installationsebene der Außenwand integriert; dadurch konnte auf einen Brandschutzanstrich verzichtet werden. DETAIL 04/2011


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