Degerlocher raritaeten

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Degerlocher Raritäten huttmedia

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lbert Raff ist ein Historiker mit leidenschaftlichem Interesse an seinem Wohnort. Nach „Ansichtssache Degerloch“ widmet sich der ehemalige Schulrektor in seinem zweiten Buch „Degerlocher Raritäten“ mit Fotos, Dokumenten und informativen Textbeiträgen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit viel Ausdauer recherchierte der Sohn eines Degerlocher Landwirts in Archiven und bei örtlichen Zeitzeugen.

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Fotos und Dokumente von 1900 -1990 huttmedia

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Raritäten

Fotos und Dokumente von 1900 -1990


Verlag: huttmedia Herausgeber: Albert Raff Lektorat: Magdalena Noack, Stephan Hutt Design Inhalt: Rania Nabie Design Umschlag: Hanne Hutt Bildbearbeitung: Christian Gohl Druck: Offizin Scheufele Druck & Medien Titelbild: Heutige Jahnstraße aus dem Jahre 1911, vorne links das Restaurant Schweizerhaus Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck sowie Vervielfältigung oder Verbreitung gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. © 2014 ISBN 978-3-9817094-0-7


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Degerlocher Rarit채ten Vorwort Rathaus Fernsehturm Landwirtschaft Handel + Handwerk Betonierung Kinos Hommeleshenker Michaelskirche Gastronomie Schulen Tankstellen Post Einfallstor Albplatz Degerloch-West Sportvereine Legenden Rarit채ten-Mix

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Der Bauboom und seine Folgen

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uch heute gilt noch immer das, was ich im Vorwort zu meinem 2011

erschienenen Buch „Ansichtssache Degerloch“ geschrieben habe. Wer sich über die 900-jährige Geschichte Degerlochs ausführlich informieren möchte, muss weiterhin auf Friedrich Keidels „Bilder aus Degerlochs Vergangenheit“ zurückgreifen. Zwar sind seitdem mehr oder weniger wichtige Beiträge zu den unterschiedlichsten Themen erschienen, aber eine grundlegende Chronik, wie sie andere Stuttgarter Stadtbezirke inzwischen besitzen, fehlt immer noch. Der Albert Raff

Einzige, den ich kenne, der in der Lage wäre, dies zu ändern, ist Gerhard Raff. Da der aber immer noch nicht

sein Lebenswerk zur Genealogie des Hauses Württemberg vollendet hat, woran ihn seine zweifellos segensreiche „Benefizschwätzerei“ hindert, besteht auch


in absehbarer Zukunft wenig Hoffnung, dass sich jemand daran macht, diesen traurigen Zustand für unseren Stadtbezirk zu beenden. Das vorliegende Buch ist sozusagen eine Fortsetzung des vorherigen Werkes, in dem es um die Zeit ging, als sich die bis 1908 selbstständige Gemeinde vom Bauern- und Weingärtnerdorf zum Höhenluftkurort und nach der Eingemeindung zu einem begehrten Stuttgarter Wohnviertel wandelte. Nun steht die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Mittelpunkt, immer aber mit einem Rückblick auf die Vergangenheit, um so dem Leser die zum Teil gravierenden Unterschiede zu verdeutlichen. Die positive bauliche Entwicklung Degerlochs nach der Eingemeindung kam durch den Zweiten Weltkrieg zum Stillstand. Als dann die Kriegsschäden, die sich im Stadtbezirk im Vergleich zu Stuttgart in Grenzen hielten, rasch beseitigt waren, setzte ein regelrechter Bauboom ein. Zunächst hatte die Schaffung von Wohnraum absolute Priorität. Es musste nicht nur den Menschen, die in Stuttgart ausgebombt worden waren, sondern auch den vielen Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten eine menschenwürdige Unterkunft geschaffen werden. Die Erschließung von neuem, bisher landwirtschaftlich genutztem Bauland 


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war deshalb unerlässlich. So entstand in den Jahren 1949 bis 1951 mit Degerloch-West eines der ersten neu errichteten Wohngebiete in Stuttgart. Es folgte die Betonzeit in Degerloch, die 1970 mit der Vorstellung des Bebauungsmodells des Degerlocher Ortskerns von Architekt Anton Wollensak ihren Höhepunkt erreichte und viele Mitbürger fassungslos machte. Nach diesen Plänen sollte Degerloch regelrecht zubetoniert werden. Glücklicherweise verhinderte die Finanzknappheit während der Ölkrise das Schlimmste. In dieser Zeit erreichte die Einwohnerzahl mit 20 724 ihren Höhepunkt. Dies hatte wiederum Auswirkungen auf die Schulen. Neben der Filderschule, die aus allen Nähten platzte und deshalb 1974 mit einem Neubau erweitert wurde, entstand im Westen Degerlochs ein regelrechtes Schulzentrum mit der Albschule, der Realschule und dem Wilhelms-Gymnasium. Der Bauboom hatte vor allem für die Landwirtschaft dramatische Folgen, da ihr der notwendige Boden entzogen wurde. Heute muss man konstatieren, dass das einstige Bauerndorf Degerloch längst Geschichte ist. Auch für das Handwerk wurde es eng. Manche Geschäfte und Betriebe haben inzwischen aufgegeben, andere sind in das neu erschlossene Gewerbegebiet Tränke gezogen. Wo sind die kleinen Tante-


Emma- und Milchläden, die Textilgeschäfte und einheimischen Bäcker geblieben? Sie wurden ersetzt durch Supermärkte, Filialbetriebe und viele Dienstleistungsfirmen und Ladengeschäfte mit gleichen Angeboten. Die Entwicklung Degerlochs nach dem Zweiten Weltkrieg soll mit diesem Buch dem geschichtlich Interessierten anhand aussagekräftiger Fotos und Dokumente sowie kurzen Erläuterungen vorgestellt und verdeutlicht werden. Dabei ist anzumerken, dass es gar nicht so leicht war, an geeignete und vor allem aussagekräftige Abbildungen zu gelangen. Denn vieles ist inzwischen vernichtet worden, weil man den alten Fotos keine Bedeutung mehr beigemessen hat. Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, dass es inzwischen kurz vor zwölf ist, um diese alten Schätze zu erhalten. Umso mehr muss man all denen danken, die den zahlreichen Aufrufen gefolgt sind und dem Autor ihre gehüteten Schätze zur Verfügung gestellt haben. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit den „Degerlocher Raritäten“.


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Von Kelter bis Feuerwehr D

as ehemalige Degerlocher Rathaus, in dem einst

die Schultheißen, der Rat und das Gericht tagten, dient heute als Bezirksrathaus und stammt aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Der vordere dreigeschossige Bau wurde im Laufe der Zeit stark umgebaut. Dahinter schließt sich die ehemals herzogliche Kelter an, von der aus dieser Zeit noch die südliche Giebelwand mit dem Fachwerk und der Dachstuhl erhalten sind. In diesem Teil war bis 1967 die Milchsammelstelle untergebracht. Danach nutzte die Freiwillige Feuerwehr die freigewordenen Räume. Im Jahr 2004 wurde das Rathaus grundlegend saniert, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Über das Aussehen des „Weißen Hauses“ wird in der Bevölkerung immer noch kontrovers diskutiert.

Das Rathaus um 1900 noch vor der Eingemeindung Degerlochs. Vor der Kelter hat das Militär mit leichter Artillerie eine Rast eingelegt. Im Hintergrund: die Alte Scheuer und das heutige Helene-Pfleiderer-Haus.

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in Anblick aus den 50er

Jahren. Das Rathaus wirkt recht trist und wartet auf

einen neuen Verputz. Dagegen wirkt die Kelter mit ihrem Fachwerk geradezu imposant. Die Telefonzelle war damals für die Degerlocher eine wichtige Anlaufstelle, da zu dieser Zeit viele Familien noch kein eigenes Telefon besaßen.

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as Rathaus hat inzwi-

schen einen neuen ockerfar-

bigen Verputz und Blumenkästen vor den Fenstern bekommen. An der Ostseite ist jetzt deutlich die neue Fahrzeughalle der Freiwilligen Feuerwehr zu sehen, die am 27. Oktober 1975 samt einem Unterrichtsraum ihrer Bestimmung übergeben wurde.

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ur wenige Degerlocher

konnten sich einst der Gleichschaltung im Dritten Reich entziehen. Dies zeigt auch dieses Bild vom Rathaus, das sich mit einem ungewöhnlichen Schmuck präsentiert. Am Abend des 1. Mai 1938 versammelte sich die Bevölkerung vor dem mit einem Laubvorhang und einem überdimensionierten Hoheitsadler geschmückten Rathaus. Links ist noch der später abgerissene Anbau zu erkennen, in dem früher der Leichenwagen untergebracht war.

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in Blick auf das Bezirksrathaus, ehe die

große Generalsanierung im Frühjahr 2004 beginnt. Bezirksvorsteherin Kunath-Scheffold findet zusammen mit ihrer Mannschaft für die kommenden zwei Jahre „Asyl“ im obersten Stock des 1999 einge­ weihten Jahn-Centers in der Jahnstraße. Bild rechts: Lydia Gohl mit ihrem Sohn Michael am frühen Abend vor der Milchsammelstelle, die sich in der ehemaligen Kelter im Degerlocher Bezirksrathaus befindet, rechts: Johanna Gaiser.

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nsicht vom 9. Mai 2004: Das Bezirksrat-

haus ist schon ausgebeint und man sieht die leeren Fensterhöhlen. In der Vergangenheit kam immer wieder der Wunsch auf, das Fachwerk freizulegen. Die zuständigen Stellen waren jedoch der Meinung, es lohne sich nicht, und zudem wäre das Fachwerk in der Vergangenheit immer unter Putz gelegen. Alte Bilder widerlegen letztere Aussage und über die Qualität des Fachwerks mögen sich die Betrachter des linken Fotos ihre eigene Meinung bilden.

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Wunder der Baukunst A

ls im Jahre 1954 die Pläne von Fritz Leonhardt

für den Bau eines mehr als 200 Meter hohen Fern­ sehturms auf Degerlocher Gemarkung veröffent­ licht wurden, standen viele dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Aber das Projekt nahm seinen Lauf. Am 5. Februar 1956 wurde der erste Fernsehturm aus Stahlbeton seiner Bestimmung übergeben. Es war der Beginn einer neuen Ära im Turmbau. Die von Oberbürgermeister Fritz Kuhn getroffene Entschei­ dung vom 27. März 2013, das Wahrzeichen von Stuttgart trotz einer kurz zuvor vorgenommenen aufwendigen Sanierung aus Sicherheitsgründen für Besucher zu schließen, schlug wie eine Bombe ein und stieß auf allgemeines Unverständnis.

Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wie Arbeiter in luftiger Höhe ihre dringenden Bedürfnisse mangels einer Toilette befriedigen. Das Bild gibt eine passende und sehr direkte Antwort.

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er Turmschaft im Rohbau. Durch­

schnittlich wuchs der Turm, dessen Bauherr der Süddeutsche Rundfunk (SDR) war, täglich um 2,50 Meter in die Höhe. Die Gesamtkosten betrugen 4,2 Millionen Mark, das war einiges mehr als das Doppelte des im Voraus veranschlagten Betrags.

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auarbeiten am Fundament und dem

begonnenem Schaft am 12. Oktober 1954. Der erste Spatenstich für den Fernsehturm, dessen Eigentümer der heutige Südwestrundfunk (SWR) ist, erfolgte am 10. Juni 1954 durch den damali­ gen Intendanten Fritz Eberhard.

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chlank und elegant erhebt sich der

damals noch 211 Meter hohe Fernsehturm in die HĂśhe. In kĂźrzester Zeit entwickelte sich das Stuttgarter Wahrzeichen trotz einem fĂźr die damalige Zeit stolzen Eintrittspreis von 1,50 Mark zu einem Publikumsrenner. Im Vordergrund sieht man das alte Clubhaus der Stuttgarter Kickers mit dem Vereinslogo.

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ach dem Zweiten

Weltkrieg beabsichtigte man, den 1943 gesprengten Degerlocher Aussichtsturm aus dem Jahr 1886 auf dem noch vorhandenen Funda足 ment wieder aufzubauen. Der Bau des Fernsehturms, mit dem 1954 begonnen wurde, machte den Plan allerdings zunichte.

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ie 100 und 101 Meter hohen Funktürme waren

seit 1926 das Wahrzeichen von Hoffeld. Mit der Inbe­ triebnahme des Fernsehturms kam auch das endgültige Aus für die beiden Hoffelder Funktürme. Noch im gleichen Jahr hat man die Masten angesägt und an­ schließend mit einer Seilwinde umgelegt.

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Vom Bauerndorf zum Wohnort

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ach dem Zweiten Weltkrieg stand in Deger­

loch zunächst die Schaffung von Wohnraum für die Ausgebombten und die zahlreichen Flüchtlinge im Vordergrund. Neue Wohngebiete entstanden und Schulen mussten gebaut werden. Dies hatte drama­ tische Folgen für die Landwirtschaft, denn ihr wur­ de der notwendige Boden entzogen. Immer mehr Degerlocher Bauern entschlossen sich für die Auf­ gabe ihres Betriebs. Die Statistik zeigt deutlich diese Entwicklung: Waren es vor dem Krieg noch etwa 85 Höfe, sank deren Zahl 1960 auf 20 und 1985 gab es nur noch fünf. Die alten Bauernhäuser wurden ent­ weder abgerissen oder zu Wohnungen oder Geschäf­ ten umgebaut. Das einstige Bauerndorf Degerloch ist heute Geschichte.

Die Kühe der Bäuerin Luise Raff aus der Karl-PfaffStraße 2, deren Kinder Anna, Eugen, Walter und Lydia die Heuernte einbringen, stärken sich für die anstrengende Fahrt vom Tal hinauf nach Degerloch.

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m Jahr 1967 gab auch

Karl Gohl die Landwirtschaft auf. Zum letzten Mal wird der Heuwagen beladen. Es ist kaum zu glauben, dass das altgediente Pferd namens Hans in der Lage war, den schweren Wagen hinauf zur Scheuer in die Epplestraße zu ziehen. Auf dem Wagen steht Karl Gohl, Astrid und Chris­ tine sitzen auf dem Pferd, vorne: Lydia Gohl. Rechts mit den Heugabeln, von links nach rechts: Roland und Eber­ hard Gohl sowie Anna Raff.

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ine Dreschmaschine 1935 im Hof vor der Raff’schen

Scheuer in der Karl-Pfaff-Straße 2, links erkennt man Lydia Raff. Ihr Neffe Gerhard Raff baute 1985 die Scheuer in vorbildlicher Weise zu einem Wohnhaus um. Dort hält er jeden Samstag vom 10 bis 13 Uhr eine „Sprechstunde“ ab, bei welcher der Historiker versucht, die Fragen seiner Besucher zu beantworten.

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as heute weitgehend Maschinen besorgen,

bedeutete noch in den 70er Jahren schweißtreibende und zeitraubende Arbeit für die Bauern. Die drei Bilder dokumentieren dies eindrucksvoll. Oben: Karl Gohl beim Hobeln eines Spitzkrauts. Darunter: Lydia und Karl Gohl beim Herstellen von Sauerkraut. Das fein gehobelte Kraut wird dazu lagenweise unter Beigabe einer Prise Salz in den Gärtopf eingestampft. Unten links: Karl Gohl bei der Kartoffelernte auf dem Hard­ acker. Sack für Sack wird mühsam von Hand gefüllt.

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as Bauernhaus von Gottlob Gohl in der Hoffeldstraße 4

um 1900. Auf der Eingangstreppe steht Auguste Pauline Gohl

mit ihrer Mutter. Den meisten Degerlochern war sie nur als die „Guste Gohl“ bekannt. Das Haus wurde in den 60er Jahren zu einem Wohnhaus umgebaut. Dort, wo damals die Miste stand, befindet sich heute ein Carport.

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on Vielen unbemerkt hat

sich das Gesicht der Kleinen Falterstraße, dem „Gässle“, grundlegend geändert. Viele der kleinen Häuser wurden

umgebaut oder ab­ge­rissen. So erging es auch dem Bauernhof von Christoph Gohl, den alle in Degerloch nur „Gässles­ stoffele“ nannten.

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as Bauernhaus, Kleine

Falterstraße 11, blieb weit­ gehend erhalten, es wurde aber vorbildlich saniert und das Dach ausgebaut. Die da­ zugehörende Scheuer hat man dagegen zusammen mit dem angrenzenden Haus (rechts) vollständig abgerissen und dann ein Mehrfamilien­-

haus errichtet.

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ektor Karl Wais

gebührt der Verdienst, einen Teil der Häuser in der Kleinen Falterstraße, die vom Abriss bedroht waren, rechtzeitig im Bild festgehalten zu haben. Das Foto aus dem Jahr 1957 zeigt die Häuser Nr. 16 und 18. Was aus ihnen geworden ist, kann man unten sehen.

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om einstigen Charme,

den das „Gässle“ vermittelte, ist nichts mehr zu spüren. Während man das vordere Haus den heutigen Bedürfnissen durch eine grundlegende Sanierung angepasst hat, erinnert nichts mehr an das Haus Nr. 18, das einst von der Solitude 1810 hierher versetzte wurde.

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m 1911: Bauer Paul Hiller steht vor seinem

Bauernhaus in der Löffelstraße 8. Aus dem Fenster

blicken die Kinder und eine Magd. Nach dem Ende der Landwirtschaft richtete sein Sohn Paul Hiller sein erstes Zahnlabor ein, ehe er in das Berolina-Haus überwechselte. Sein Bruder Erich Hiller führte bis vor wenigen Jahren hier sein Degerlocher Baugeschäft.

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uch die Löwenstraße,

die „Hintere Gasse“, verändert zusehends ihr Gesicht. Es wird saniert, aufgestockt oder abgerissen. Das Foto aus dem Jahr 1952 zeigt ein Haus an der Ecke zur Karl-Pfaff-Straße.

Es ist in einem beklagenswer­ ten Zustand. Dennoch geht mit seinem Abriss ein weiteres Zeugnis vom alten Degerloch endgültig verloren.

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auer und Weingärtner Karl Gohl mit seinem Pferd

Hans vor der Scheuer im Hinterhof in der Epplestraße 54. Mit der Aufgabe der Landwirtschaft 1968 verkaufte er sein Pferd auf die Schwäbische Alb. Heute führt seine Tochter Elsbeth im alten Bauernhaus die Besenwirtschaft Gohl, während Sohn Eberhard gleich um die Ecke in der Lein­ feldener Straße zum Scharrenberger Wein einlädt.

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er Niedergang der

Landwirtschaft hatte auch Auswirkungen für den Schmied Erwin Beutenmüller (1905-1999), zu dem früher die Bauern ihre Pferde zum Beschlagen brachten. Die Schmiede befand sich bis 1935 direkt an der Epple­ straße, dann wurde sie ins Hinterhaus verlegt, heute Textilreinigung Düzenli.

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eute in Degerloch unvorstellbar: Bauer Erwin Wais führt sein

Kuhfuhrwerk die Große Falterstraße hinunter. Seine Zwillinge Erich und Walter führen heute gemeinsam die Schreinerei in der Tränke. Im Eckhaus zur Karl-PfaffStraße befindet sich inzwischen eine Uhren- und Schmuckwerkstatt, im Hinter­grund sieht man noch die alten Gebäude von Getränke Beilharz.

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in Kuhfuhrwerk in der heutigen Jahnstraße beim Kinderhaus, das damals

noch das Degerlocher Kurhotel war, im Jahr 1925. Vorne: der Knecht und Tag­

löhner Karl Maier (1868-1930). Auf dem Wagen sitzen der spätere Gärtnermeister Eugen Raff, (rechts) und der spätere Bäckermeister Streib, in der Mitte Lydia Raff und ganz rechts die Mutter Luise Raff, Großmutter von Gerhard Raff.

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m 1935: Bauer Paul

Lutscher ist mit seiner

Familie und den Helfern bereit für den Umzug zum Erntedankfest. Der Erntewa­ gen trägt den Spruch „Wir säen die Ähren, wir ernten sie gern, der Bauer baut auf Gott den Herrn“.

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ine Abordnung der

„Kindertierschutz-Schule Degerloch“ besucht Paul Lutscher auf seinem Hof in der Großen Falterstraße, um ihm eine Auszeichnung zu überreichen. Die Schule wurde in den 50er Jahren von Mathilde Rempis-Nast, rechts im Bild gegründet.

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o sah es noch in den

50er Jahren in der Großen Falterstraße aus. Emma Lutscher ist mit ihren Milch­ kannen auf dem Weg in den gegenüberliegenden Stall. Die Kühe mussten von Hand gemolken werden. 1961 gaben die Lutschers die Landwirtschaft auf.

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eideglück: Emma und

Paul Lutscher bringen ihre zwei Kälblein von ihrem nahegelegenen Bauernhof zum Waldenbucher Platz,

um sie dort weiden zu lassen. Der frühere Bezirksvorsteher Rolf Mende war von diesem Anblick so angetan, dass er die Szene im Bild fest­hielt.

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Filialisten statt Tante-Emma-Läden

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ie kleinen Tante-Emma- und Milchläden, Tex-

tilgeschäfte und Handwerksbetriebe wie Schuhmacher, Schmiede, Maler und Bäcker mit eigenen Backstuben sind heute weitgehend verschwunden. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg beherrschten sie das Straßenbild im Zentrum von Degerloch. An ihre Stelle traten Supermärkte, Filialen von Großbäcke-

reien, Apotheken, Optikerfachgeschäfte, Hör­geräte­ läden, Fahrschulen, Friseure und Nagelstudios. Die örtlichen Handwerksbetriebe sind, wenn sie nicht aufgegeben haben, zum Teil in die Tränke gezogen. Die folgenden Beispiele sollen diese Entwicklung in Degerloch verdeutlichen.

Johannes Beilharz, der 1901 in der Großen Falterstraße 7 eine Küferei gründete, mit seinen beiden Söhnen Wilhelm und Rudolf (von rechts nach links). Sie stehen stolz und zufrieden hinter dem fast fertigen Weinfass. Links: ein Mitarbeiter der Degerlocher Firma.

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as Bild zeigt links das

Stammhaus der Küferei Beilharz in der Großen Falterstraße 7, daneben die kleine Küferwerkstatt. Neben der Herstellung von Most- und Weinfässern wurde noch

eine Mosterei, Brennerei und Weinhandlung betrieben.

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nno 1948: Die an

das Stammhaus angebaute kleine Küferwerkstatt wurde wenige Jahre nach Kriegsende durch ein Ladengeschäft für Weine und Liköre ersetzt. 1951 übernahmen die beiden Söhne des Firmengründers, Rudolf und Wilhelm, das Geschäft.

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wei Preislisten der

Getr辰nkehandlung Beilharz aus den Jahren 1935 und 1967. Sie zeigen den Geschmack der jeweiligen Zeit. Interessant ist auch der Preisvergleich, bei dem man nat端rlich das damalige Einkommen ber端cksichtigen muss. So betrug der monatliche Tariflohn f端r einen Arbeiter im Jahre 1935 ca. 135 RM, im Jahre 1967 ca. 325 DM.

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eniorchef Rudolf

Beilharz (rechts im Bild), der von allen nur „Rudi“ genannt wurde, präsentiert sich sichtlich stolz mit seinen Mitarbeitern. Dritter von rechts: sein Sohn und späterer Nachfolger Rudolf, links neben ihm seine Mutter Josefine.

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nno 1967: In diesem

Jahr wurde das alte Haus durch einen Neubau ersetzt. Auf dem Foto ist der vordere Teil bereits abgebrochen und wird nun an den schon 1959 errichteten hinteren Teil angepasst. Das alte Ladengeschäft bleibt zunächst noch stehen und wird als Zwischenlager genutzt, bis es dann doch einem Parkplatz weichen muss.

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ie zweite Degerlocher

Küferei wurde 1886 in der Tübinger Straße 5A, heute Epplestraße, von Konstantin Weißer gegründet. Er stammt, wie auch sein Konkurrent Beilharz, aus dem Schwarzwald. Weißer wurde vor allem durch seinen Obstschaumwein bekannt. Das Ladengeschäft befand sich direkt neben dem Schuhhaus Schmidt.

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n Stuttgart war die

Küferei Weißer der einzige Hersteller von Obstschaumwein, den der Volksmund auch als „Degerlocher Champagner“ bezeichnete. Offiziell wurde er als Degerlocher Fildersekt oder Degerlocher Obstsekt vertrieben. Das Bild zeigt den Stand der Firma Weißer auf der Wirte­ausstellung im Jahr 1910 in Stuttgart.

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b er wohl noch schmeckt? Eine erhaltene, noch

verschlossene Flasche vom Degerlocher Sekt. Die Angabe „1/1 Fl.: 0,20 RM“ bezieht sich auf die Schaumweinsteuer, die 1902 in Form einer Banderolensteuer zur Finanzierung der Kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde. Das Werbeplakat für den Degerlocher Obstsekt stammt von dem Degerlocher Maler Eugen Kucher, dem „Degerlocher Merian“.

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ushängeschild für eine Küferei – stolz stehen

Franz und Otto Weißer, die 1927 das Geschäft ihres Vaters übernahmen, vor dem wohl gerade fertig gewordenen riesigen Weinfass. Das Geschäft musste 1960 geschlossen werden, da die beiden Söhne von Otto Weißer im Zweiten Weltkrieg gefallen waren und niemand anderes bereit war, den Degerlocher Betrieb zu übernehmen.

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in Bild aus den Anfangsjahren der Küferei Weißer

und der Schuhmacherei Schmid. Vor und neben dem Haus an der Ecke Tübinger- und Felix-Dahn-Straße hat sich rechts die Belegschaft von Konstantin Weißer, links die der Schusterei Schmid aufgebaut. Die Treppe führt hinter das Haus zur Küfereiwerkstatt. Heute mündet hier die Felix-DahnStraße in die Epplestraße ein.

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och viele Degerlocher erinnern sich an Erwin

Beutenmüller, der in seiner Schmiedewerkstatt hinter der Epplestraße 20 Radreifen, Hufeisen oder Eisenbeschläge schmiedete. Heute befindet sich dort die Reinigung Düzenli. Beutenmüller beschlug 1968 das letzte Degerlocher Arbeitspferd und 1982 das letzte örtliche Reitpferd von Hannes Bühler, der seinen Hof am Zahnradbahnhof hatte, siehe unten. Das rechte Bild zeigt Erwin Beutenmüller bei der Arbeit in der Werkstatt seines einstigen Lehrlings, Heinz Knobloch.

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einz Knobloch

lernte von 1945 bis 1948 bei Erwin Beutenmüller das Schmiedehandwerk. Er machte sich 1956 selbst­ ständig und gründete in der Großen Falterstraße 23 eine Schmiede und Schlosserei, deren Schwerpunkt in der Herstellung von Treppen, Türen und Geländern aus Edelstahl lag. Beim alljährlichen Hoffest von Weinbau Knobloch-Wolfrum können sich die Besucher von seinem Können überzeugen, wenn er in seiner alten Werkstatt noch einmal das Eisen schmiedet.

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rsprünglich gehörte das Gebäude, Mittlere Straße 2,

dem Bäckermeister Gottlob Gauder, der es später aus finanziellen Gründen an den Bäcker Otto Rhein verkaufte. Heute befindet sich eine Filiale der Deutschen Bank in den Räumen.

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or seiner 1911 neu errichteten Bäckerei in der heutigen

Epplestraße 11 steht Paul Braun mit seiner Familie und den Gesellen. Über 100 Jahre versorgten er und später seine zwei Söhne die Degerlocher mit Backwaren. Danach betrieb die Bäckerei Unger hier eine Filiale.

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uch Rolf, der Sohn von Otto Rhein, lernte das Bäcker-

handwerk. Hier steht er in seiner Backstube und freut sich sichtlich über die gelungenen Neujahrsbrezeln.

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eine Schwester Hannelore, die den späteren Stadtrat

Klaus Rudolf heiratete, scheint hoffnungsfroh in das

kommende Jahr zu blicken. Noch heute unterstützt sie täglich ihre beiden Söhne im Büro des Unternehmens Rudolf Lichtwerbung im Gewerbegebiet Tränke.

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n dem Standort, wo sich heute die Raumausstattung

Friz befindet, war früher der Bäcker Julius Wais zu Hause.

Dieser war zeitweise auch noch Wirt vom Gasthaus „Zum Rad“ und eröffnete 1927 außerdem nebenbei eine Aral-Tankstelle.

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as um 1900 gemachte Foto zeigt die Familie Streib

vor der 1846 gegründeten Bäckerei in der Kirchstraße 1, der heutigen Karl-Pfaff-Straße. Legendär waren die Brezeln, die mehrmals täglich frisch aus der Backstube kamen. Später übernahm die Bäckerei Unger die Räumlichkeiten.

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ustav Bauer, der auch

das „Café Laicher“ bewirtschaftete, steht vor seiner Konditorei in der Löwenstraße 83. Hier kauften der spätere Bundespräsident Theodor Heuss und seine Ehefrau Elly, die von 1945 bis 1949 schräg gegenüber in der Löwenstraße 86 wohnten, ihre Kuchen, Torten und Hefezöpfe.

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n den Räumen der

ehemaligen Konditorei

richtete Brigitte Dier, die Tochter von Gustav Bauer, in den 70er Jahren einen Geschenkeladen ein, dem sie den Namen Stuttgarts kleinstes Kaufhaus gab.

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aum jemand kann

sich heute noch erinnern, dass dort, wo heute Nic’s

Fahrschule in der Epple­straße seine Schüler unterrichtet, Wilhelm und Amanda Dieruff ein Lebensmittelgeschäft betrieben haben. Einer ihrer vier Kinder, Alfred, war Plakatmaler.

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manda und ihr Sohn

Heinrich stehen in ihrem Lebensmittelladen und warten auf Kundschaft. Alles ist akkurat und übersichtlich. Die Flaschen im Regal stehen in Reih und Glied. Selbst die Butter vor der Waage ist liebevoll angeordnet.

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as Lebensmittelgeschäft

Dieruff in der Hoffeldstraße 20. Unten links: In der Epplestraße 10 befand sich der kleine Lebensmittelladen von Thekla Bay, in dem später Karl Gaissmaier einen Supermarkt eröffnete. Unten rechts: der Milchladen von Julius Krämer in der Großen Falterstraße, der 1970 aufgegeben wurde.

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Betonzeit in Degerloch E

nde der 60er Jahre sorgte ein neuer Flächennut-

zungsplan für Furore. Danach war im Gewann Stock neben der Tränke eine massive Bebauung mit einem riesigen Einkaufszentrum nach den Plänen der „Neuen Heimat“ vorgesehen. Dagegen lief der kurz zu­vor gegründete Gewerbe- und Handelsverein Sturm, der mit Recht gravierende Nachteile für den örtlichen Handel befürchtete und dann ein Gegenmodell für eine Ortskernsanierung in Auftrag gab. Dieses wurde 1970 vorgestellt und machte viele Mitbürger erst recht fassungslos. Denn nach diesen Plänen sollte Degerloch im wahrsten Sinn zubetoniert werden. Den Anfang machten das Berolina-Haus an der Löffelstraße und der Aldi in der Epplestraße. Doch dann verhinderte die Finanzknappheit während der Ölkrise die weitere Betonierung des Stadtbezirks.

So hätte Degerloch aussehen sollen. Das Bebauungs­ modell des Degerlocher Ortskerns von Anton Wollensak aus dem Jahr 1970. Ein Kommentar ist überflüssig.

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ozusagen ein Vorbote der beginnenden

Betonierung: Das beliebte und weit über Degerloch hinaus bekannte „Restaurant Schweizerhaus“ musste im Jahr 1967 aus kommerziellen Interessen einem Bürohochhaus (Bild unten links) in der Jahnstraße weichen. Daneben das Schweizerhaus um 1900. Das Bild rechts zeigt den Gastraum kurz vor dem Abriss, wie ihn noch viele Degerlocher kennen.

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wei Jahre später ging es mit dem Abriss des Häuschens

von Christian Wolf neben Elektro Reihle weiter. An seine Stelle trat ein Wohn- und Geschäftshaus, das weniger durch die Höhe, als durch sein Flachdach noch heute ein Fremdkörper ist. Das untere Foto, das im Winter 1941 entstanden ist, zeigt das Gebäudeensemble in der Tübinger Straße, heute Epplestraße, und verdeutlicht die obige Situation. Links vorn im Bild erkennt man die Rubensstraße.

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er Bebauungsplan sah auch den Abriss des

„Gasthof Ritter“ vor, aber der Denkmalschutz machte einen Strich durch die Rechnung. Damit war der Plan einer in der Höhe einheitlichen Bebauung vom BerolinaHaus hin zum Aldi, das frühere „Café Klein“, Bild links, nicht mehr zu realisieren. Heute wirkt der Ritter etwas verloren zwischen den gigantischen Betonklötzen.

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om Haus Rubensstraße 23 hat man einen freien

Blick auf die noch stehenden Häuser an der Löffelstraße. Der Bau des Berolina-Hauses wirft seine Schatten voraus. Das Gelände der Gärtnerei Haag an der Löffelstraße ist vollständig geräumt. Im Vordergrund: die Shell-Tank­ stelle vor dem Baugeschäft Otto Schnaidt. Rechts: das Berolina-Haus, das am 1. Mai 1976 eingeweiht wurde.

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o heute das massige

Berolina-Haus die Löffelstraße beherrscht, war früher die Gärtnerei Haag zu Hause. Links: die Kreuzung Rubensund Löffelstraße mit dem Fahrradgeschäft Walter Heeß, dahinter der lang gestreckte Friedrichsbau aus dem Jahre 1923.

P

ferde waren schon

immer die Leidenschaft der Familie Haag. Der schmale Weg, das „Haagebückele“, wie er von den alten Deger­ lochern genannt wurde, führte entlang der Scheuer, die zur Gärtnerei gehörte und verband die Felix-Dahnmit der Löffelstraße.

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ravierende Einschnitte

für die Löffelstraße brachte die neue B 27 mit sich. Weitere sollten später folgen. Die sechsspurige Trasse benötigte Platz und so musste nicht nur der Westbahnhof, sondern auch die zum Ritter gehörende Scheuer 1966 endgültig weichen.

D

er Denkmalschutz

erlaubte lediglich den Abriss der Anbauten, die bis zum „Café Klein“, heute dm-Markt, reichten. Nicht verhindert werden konnte, dass der neu errichtete Ritter mit freigelegtem Fachwerk vom benachbarten Berolina-Haus geradezu erdrückt wird.

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uch dieser Anblick ist inzwischen Geschichte. Nachdem die Post

dem Neubau der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg weichen musste, zeichnete sich auch das Ende der Wilhelmshöhe ab. Diese war über ein

Jahrhundert lang, dank der günstigen Lage, ein beliebtes Ausflugslokal und Speiserestaurant. Nachdem die Wilhelmshöhe schon einige Jahre leer stand, rückten im Dezember 2008 die Abrissbagger an.

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in letzter Blick in die Gaststätte Wilhelmshöhe. Hier

bewirtete zuletzt die Familie Marquardt ihre Gäste und Frau Engels im Service fand auch im größten Stress für jeden immer noch ein freundliches Wort. Mit der Schließung der Traditionsgaststätte verloren viele Vereine, die in den Nebenzimmern ihre regelmäßigen Zusammenkünfte abhielten, ihre Heimat.

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Duett der Lichtspiele D

er Wandel Degerlochs vom Bauern- und Wein-

gärtnerdorf hin zu einem Höhenluftkurort und begehrten Wohngebiet weckte schon bald den Wunsch nach einem eigenen Lichtspielhaus. Schon 1939 wurde mit dessen Bau in der damaligen Tübinger Straße 14, heute Epplestraße, begonnen, der aber durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs gestoppt wurde. Erst 1950 konnte Heinz-Julius Beez die Degerlocher Lichtspiele an gleicher Stelle eröffnen. Damit waren die 1947 genehmigten Filmvorführungen von Vinzens Rose in der Turnhalle der Filderschule Geschichte. Neun Jahre später bekam Degerloch mit dem Luxor ein zweites Kino.

Das Luxor von Werner Dietz, der auch das Gloria in Möhringen besaß, wurde 1959 mit dem Film „Das Dreimädelhaus“ eröffnet. Architekt des Kinos, das auf dem heutigen Rewe-Areal stand, war Rolf Armbruster sen.

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ie Epplestraße in den 50er Jahren. Links der kleine Laden

von Frau Renz. Bei ihr fanden die Filderschüler alles, was sie benötigten. Hoch im Kurs standen Kaugummis, Brausewürfel und Sammelbilder. Der Laden stand dem Bau des Luxor im Wege und wurde deshalb 1958 abgerissen.

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rchitekt Rolf Armbruster sen. aus Degerloch

begrüßt anlässlich der Eröffnung des Luxor 1959

den Hausherrn Werner Dietz. Anschließend überreicht er dessen Ehefrau vor der Kinoleinwand den Schlüssel zum zweiten Degerlocher Lichtspielhaus.

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er großzügige Ein-

gangsbereich, der dem

Kinosaal des Luxor vorge­ lagert war. Hier konnte man bis zur Saalöffnung flanieren und auf seine Bekannten warten.

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eichlich Platz: 520

Besucher konnten die Filme im Luxor verfolgen. Von dem sich fächerartig faltenden Vorhang in acht Spektralfarben schwärmt Architekt Rolf Armbruster heute noch.

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ier nicht sichtbare

Farbenvielfalt: Der in Blau,

Violett und Grün gehal­tene Saal mit Blick auf den hinteren Projektions­raum. Die linke Seite mit den welligen Leuchtblöcken war aus Akustikgründen mit Holz­platten verkleidet.

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rotz intensiver Suche

und vielen Aufrufen konnte lange Zeit kein Foto vom ersten Degerlocher Kino gefunden werden. Kurz vor Redaktionsschluss tauchte dann doch noch völlig unerwartet eine Nachtaufnahme auf. Sie zeigt die Vorderseite des Deli mit dem Eingangsbereich.

I

m Jahr 1950 eröffne-

te Heinz-Julius Beez in der Tübinger Straße 14, heute

Epplestraße, die „Degerlocher Lichtspiele“, mit deren Bau schon 1939 begonnen wurde. Als der Kinobetrieb 1963 endete, zog der Supermarkt Nanz nach einer gründlichen Sanierung in das Gebäude.

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inzens Rose erhielt 1947 die Genehmigung f端r Film-

vorf端hrungen in der Turnhalle der Filderschule. Sein Antrag zum Bau eines Kinos wurde allerdings vom Degerlocher Bezirksbeirat abgelehnt. Die Begr端ndung f端r die Ablehnung leitete Bezirksvorsteher Staiber am 12. April 1948 an das Justizministerium/Abt. IV Wiedergutmachung weiter.

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in Handzettel des

Deli aus dem Jahre 1957 informierte die Degerlocher Filmfreunde 端ber die neue Programmgestaltung und die Absicht, k端nftig auch Cinemascope- und Breitwand-Filme vorzuf端hren.

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er von der Druckerei Haug in der RubensstraĂ&#x;e

herausgegebene Degerlocher Anzeiger informierte von Beginn an ausfĂźhrlich Ăźber das Kinoprogramm der Degerlocher Lichtspiele. Links: ein Filmplakat mit der bekannten deutschen Schauspielerin Ilse Werner.

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m August 2004 rücken die Bagger an. Innerhalb

weniger Tage ist das ehemalige Deli dem Erdboden gleichgemacht. Die entstandene Baulücke gibt den

ungewohnten Blick auf die Rückseite der Häuser entlang der Löwenstraße und das dahinter liegende unbebaute Grundstück frei, das fast bis zur Rubenstraße reicht.

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m Mai 2006 erleidet das ehemalige Luxor-

Geb채ude, das gleiche Schicksal wie das Deli. Auf dem frei gewordenen Areal, das J체rgen Hollenbach neu bebaute, bieten heute statt dem Tengelmann der Supermarkt Rewe und die B채ckerei Treiber ihre Waren an.

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ie Mitarbeiter des Degerlocher Reklame-Ateliers

Dieruff präsentieren sich vor der Werkstatt Ecke Hoffeld- und Leinfeldener Straße. Hier entstanden Tausende von Filmplakaten für die Lichtspielhäuser in ganz Deutschland, natürlich auch für das Deli und Luxor in Degerloch.

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ine weitere Ansicht des Ateliers Dieruff, das 1973 wegen

des geplanten Erweiterungsbaus der Filderschule in das Gewerbegebiet Tr채nke umzog. Eines der riesigen Filmplakate ist zum Abtransport bereit. Im Hintergrund sieht man den Farrenstall, der 1972 abgerissen wurde. In ihm wurde fr체her der Gemeindebulle gehalten.

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as Atelier Dieruff an der Ecke Hoffeld- und Leinfeldener

StraĂ&#x;e aus der Luft. Deutlich sieht man den Farrenstall und den Eingangsbereich zum Pausenhof der Filderschule, links: der Lagerschuppen des Baugeschäfts Gauder.

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erschiedene Beispiele von Kinoplakaten aus dem

Atelier Dieruff. Den Lehrern der Filderschule war der Betrieb von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie machten sich Sorgen um das sittliche Wohl ihrer SchĂźler, kĂśnnten diese doch einen Blick auf den Busenansatz einer Sophia Loren oder Gina Lollobrigida erhaschen. Ein Klassenlehrer ging sogar so weit, dass er seinen SchĂźlern den Umgang mit der Tochter des Degerlocher Atelierbesitzers verbot.

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r ke n e h eles Homm

Der falsche Schmied W

ie kam Degerloch zu seinem Necknamen „Hom­

meleshenker“? Sicher verbürgt ist, dass im Jahre 1884 der Degerlocher Gemeindestier („Hummel“) beim Dorfschmied einen Nasenring bekommen soll­ te. Dort wurde er mit einer Halskette festgebunden. Bei dem Versuch, den Ring einzuziehen, wurde der Hummel stranguliert. Dieses Ereignis sprach sich in Windeseile herum. Natürlich erfuhren auch die Möhringer davon, die nun voller Schadenfreude den Degerlochern den Necknamen „Hommeleshenker“ verpassten. Wie Karl Wais, einer der besten Kenner der Degerlocher Geschichte, glaubhaft versicherte, fand das Ganze nicht beim Schmied Beutenmüller in der Epplestraße 20, sondern beim Schmied Friedrich Kröner in der Wurmlinger Straße 2 statt.

Die Postkarte von 1900 beschreibt den Vorgang in Gedichtform recht gut. Sicher waren es aber keine sieben Männer, die den Stier festhielten.

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er enk h s ele Homm

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ls sich ein Viehhändler im Adler in der Karl-Pfaff-Straße 34 in Anspielung auf den

Degerlocher Necknamen einen „Hummelsbraten“ bestellte, kam es zu einer wüsten Schlägerei. Dies veranlasste den Junginger Verlag aus Stuttgart zur Ausgabe einer Lithografie.

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ie Geschichte von

den Degerlocher „Hommeles­­ henkern“ wurde nicht nur in Gedichtform verbreitet, sie wurde sogar vertont. Die Melodie und der Text in elf Strophen stammen ver­ mutlich von Wilhelm Hopf, der zuletzt Konrektor an der Möhringer Volksschule war.

S

eit einigen Jahren ziert eine Tafel das Haus

in der Epplestraße 20, in dem sich früher die Schmiede Beutenmüller befand. Der Text ist insofern nicht richtig, da der Ort des Geschehens nicht hier, sondern in der Schmiede von Friedrich Kröner, Rubensstraße 2, war.

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Degerlochs Mittelpunkt D

ie heutige Michaelskirche wurde 1889/90 durch

die Architekten Leins und Dolmetsch im neoroma-

nischen Stil erbaut und am 23. November 1890 eingeweiht. Ihren Namen erhielt sie aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus Kostengründen stellte man das Langschiff auf die intakten Fundamente einer Vorgängerkirche, die im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde, unter anderen von Heinrich Schickhardt im Jahr 1621. Von der Vorgängerkirche ist lediglich der untere Teil des Kirchturms erhalten. Die Orgel von dem Echterdinger Orgelbaumeister Weigle stifteten die Brüder Wilhelm und Gottlieb Benger. Wie das nebenstehende Bild zeigt, wurde die ursprüngliche Innenausstattung bei der Renovierung im Jahr 1961 fast vollständig entfernt.

Der Innenraum der Michaelskirche vor ihrer grund­ legenden Sanierung in den Jahren 1961/62. Das weit über 100 Jahre alte Gebäude im Ortszentrum erhielt dadurch im Innern ein völlig anderes Gesicht.

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ie Michaelskirche in

den 50er Jahren. Obwohl

sie im Zweiten Weltkrieg vor größeren Schäden bewahrt blieb, nagte doch der Zahn der Zeit an ihr. Die alten Kohleöfen, die das Kirchenschiff nicht mehr ausreichend erwärmen konnten, eingedrungenes Regenwasser und Bodenfeuchtigkeit machten eine Erneuerung dringend notwendig. Nach einer 16 Monate dauernden Bauzeit konnte die aufwendig sanierte Kirche am 16. Dezember 1962 eingeweiht werden.

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in bis heute unvergessenes Ereignis. 1949 gab Albert

Schweitzer, der „Urwalddoktor“, in der Michaelskirche ein Orgelkonzert zugunsten seines Krankenhauses in Lambaréné im früheren Französisch-Äquatorialafrika, dem heutigen Gabun. Rechts im Bild: Elly Heuss-Knapp, die Ehefrau des späteren, ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss.

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m Ersten Weltkrieg wurden drei der vier Glocken der

Michaelskirche heruntergeholt, um nach Pfarrer Keidel „auf dem Altar des Vaterlandes geopfert zu werden“. Die Osterglocke wurde 1920 und die beiden kleinen 1926 erneuert. Im Zweiten Weltkrieg war es wieder so weit: Der Degerlocher Bauunter­ nehmer Otto Schnaidt, 3. von rechts, wurde mit der Glockenabnahme und dem Abtransport beauftragt.

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ie von der Glocken­

gießerei Kurtz geschaffene 1481 Kilogramm schwere Karl-Olga-Glocke mit den Brustbildern des Königspaars musste aufgrund ihrer Größe vor dem Transport zersägt werden.

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um Abtransport

bereit: Die 422 Kilogramm schwere Kreuzglocke mit dem Bild des Gekreuzigten und der Inschrift Joh. 14, 17. Ihr war, wie auch den beiden anderen Glocken, lediglich eine Lebensdauer von 16 Jahren beschieden.

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s war ein hartes Stück Arbeit

mitten im Winter bei Eis und Schnee, bis die Glocken endlich auf den Pritschen­ wagen gezogen werden konnten. Dann wurden sie zum Einschmelzen nach Stuttgart transportiert – siehe rechte Seite.

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ie Osterglocke mit dem

segnenden Christus, die Kreuzglocke mit dem Bild des Gekreuzigten und die kleine Vaterunser- oder Betglocke hat das Ziel in der Innenstadt erreicht. Jetzt fehlt nur noch die zers채gte Karl-Olga-Glocke. Fuhrunternehmer Baumann steht zufrieden vor seinem Pritschenwagen.

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ie om n o r Gast

Wermut und Russische Eier S

peisekarten geben einen interessanten Einblick

in die jeweilige Zeit. Am Angebot und den entsprechenden Preisen ist leicht zu erkennen, um welche Art von Gasthaus es sich handelte. War es eher bäuerlich, bürgerlich oder genügte es gehobenen Ansprüchen? Welche Speisen und Getränke wurden damals bevorzugt? Auf den folgenden Seiten werden die kulinarischen Angebote des Lindenhofs mit dem Ritter verglichen. Das „Café Laicher“ gibt einen guten Überblick über die Getränkevielfalt in den 60er Jahren und eine erhalten gebliebene Speisenfolge der „Naturheilanstalt Hohenwaldau“ gibt uns einen kleinen Einblick in die Vergangenheit, als Degerloch noch ein bekannter Höhenluftkurort war.

Der Lindenhof mit eigener Metzgerei an der Ecke KarlPfaff- und Löwenstraße. Die Gastwirtschaft wurde 1976 geschlossen. Heute befindet sich der Computerladen Edicta in den ehemals gastronomischen Räumen.

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ypisch für eine Gast­stätte

mit eigener Metzgerei war das

Angebot des Lindenhofs mit den zahlreichen Fleischgerichten. Ins Auge stechen die Russischen Eier. Wo gibt’s die heute noch? Betrachtet man die Preise, reibt man sich ungläubig die Augen, so günstig kommen sie uns heute vor. Wenn man aber bedenkt, dass damals Stundenlöhne von zwei bis drei Mark durchaus üblich waren, stellt man fest, dass wir bei unserem heutigen Einkommen wohl kaum mehr bezahlen müssen.

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er „Gasthof Rit-

ter“, der ursprünglich als Fern­gasthof außerhalb von Degerloch lag, zählte bis zu seiner Schließung zu den renommiertesten Gast­stätten im Ort. Da er über genügend Räumlichkeiten verfügte, fanden dort regelmäßig Familienfeiern wie Hochzeiten und Konfirmationen statt. Der gute Ruf des Gasthofes spiegelt sich auch in den Preisen wider. So wurde das Schnitzel mit acht Mark berechnet, während man im Lindenhof gerade mal drei Mark dafür bezahlen musste.

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I

m Jahr 1898 wurde die „Naturheilanstalt

Hohenwaldau“, die sogar über eigene Tennisplätze verfügte, von dem Mediziner Dr. Friedrich Katz am Rande des Villenviertels gegründet. Es war die Zeit, als Degerloch noch Höhenluftkurort war. Der Speisenfolge in dem Sanatorium kann man ansehen, dass die Kurgäste vermutlich über ausreichend finanzielle Mittel verfügten.

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ustav Bauer war Pächter des „Café Laicher“ im ersten

Stock in der Tübinger Straße 12, heute Epplestraße. Zum Café gehörte noch ein großer Garten mit schattenspendenden Kastanienbäumen, der hinter dem Haus lag. Bauer war auch Betreiber einer kleinen Konditorei in der Löwenstraße.

D

ie Getränkekarte des „Café Laicher“ spiegelt den

Geschmack der 50er und 60er Jahre wider. Danziger Goldwasser, Deutscher Wermut oder Kirschlikör waren damals ein absolutes Muss. Aber wer kennt heute noch Mampe Halb und Halb oder „Keuck“ Türkischer Mokka? Auch hier gilt das schon zuvor Erwähnte, dass die niedrig erscheinenden Preise durchaus den heutigen entsprechen.

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Mehr Einwohner, mehr Schulen A

ls Degerloch noch ein kleines Bauern- und

Weingärtnerdorf war, reichte das kleine Schulhaus in der Großen Falterstraße 21 noch vollkommen aus. Aber die stetig zunehmenden Einwohnerzahlen, die beginnende Industrialisierung und vor allem der Aufstieg Degerlochs zu einem begehrten Wohngebiet und Höhenluftkurort führten dazu, dass neue Schulen gebaut werden mussten. Die 1919 eingeweihte Filderschule bildete dann zunächst einmal den Schlusspunkt. Als nach dem Zweiten Weltkrieg neue Wohngebiete entstanden, ging es dann Schlag auf Schlag weiter. Im Westen Degerlochs entstand nach und nach ein Schulzentrum. 1956 wurde die Albschule eingeweiht. Es folgten 1960 die Mittelschule und zuletzt 1963 das Wilhelms-Gymnasium.

Der Sängerkranz feiert 1955 sein 100-jähriges Bestehen. Zahlreiche schaulustige Degerlocher Bürger beobachten vom ehemaligen Mädchenschulhof der Filderschule den Festzug entlang der Lein­feldener Straße.

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on 1768 bis 1823 diente das

Haus Große Falterstraße 21 als Schule und Wohnung des jeweiligen Schulmeisters. Die älteste noch erhaltene Degerlocher Schule wurde 1973 abgerissen. Rechts oben: Am 23. Dezember 1823 wurde in der Große Falterstraße 18 ein neues Schulhaus mit zwei Schulräumen eingeweiht, das noch heute als Wohnhaus genutzt wird. Rechts: Das Foto zeigt den Nachfolgebau kurz nach der Einweihung am 18. Juli 1879, heute Gesundheitsamt. Die Schule wurde 1908 um einen Stock erhöht.

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en wachsenden Schülerzahlen war das Schulgebäude von 1879 trotz der

Aufstockung und eines 1911 gebauten Provisoriums in Form von Barackenbauten parallel zur Leinfeldener Straße nicht mehr gewachsen. Die Filderschule, die 1914 im Rohbau fertiggestellt worden war, sollte endgültig Abhilfe schaffen. Aber erst am 10. September 1919 konnten die Degerlocher Schüler nach einem Festzug entlang der Leinfeldener Straße ihre neue Schule endlich beziehen.

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ie Albschule im

Rohbau. Da die Filderschule mit ihren derzeit fast 1600 Schülern nicht in der Lage war, alle Neuzugänge aus dem neu entstandenen Wohngebiet Degerloch-West aufzunehmen, wurde 1953 der Antrag auf ein zweites Schulhaus gestellt.

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lle Kinder vom

Haigst westlich der Epple­ straße gehen jetzt in die Albschule, der Rest bleibt in der Filderschule. Das Bild wurde am 6. Juli 1956, dem Tag der Einweihung, aufgenommen und zeigt Kinder, die wohl an einer Aufführung teil­ genommen haben.

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n der Albschule

war zunächst auch die Mittelschule, heute Realschule, untergebracht. Waren es zunächst nur wenige Klassen, stieg deren Zahl bis 1959 auf elf mit insgesamt 430 Schülern an. Am 1. Juli 1960 erhielt die Mittelschule in unmittelbarer Nähe zur Albschule ein eigenes Gebäude.

D

as Bild zeigt die An­

fänge der Waldschule, die

1953 nach Degerloch in die Räume des MarkusWaldheims zog. Erst 1961 konnte das „Barackenstadium“ mit einem ersten Neubau beendet werden. Derzeit besuchen 670 Schüler die Wald­schule Degerloch.

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er Mädchenschulhof entlang der Leinfeldener Straße im

Dritten Reich. Das Lehrerkollegium der Filderschule mit Rektor Karl Meyer und die Schülerinnen sind zum morgendlichen Appell mit dem Hissen der Fahne angetreten. Rechts: das alte Schulhaus von 1879, in dem sich heute das Gesundheitsamt befindet.

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leicher Schulhof, aber 20 Jahre später. Welch ein Gegensatz:

Im Hof herrscht unter den Schülerinnen und Schülern ein reges und fröhliches Treiben. Was heute für die Schüler die Jeans sind, waren damals die Lederhosen. Wie man sieht, wurde die strikte Trennung von Buben und Mädchen auf dem Schulhof inzwischen aufgehoben.

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llen e t s Tank

Im Wandel der Zeit M

it dem Siegeszug des Autos nahm auch die

Zahl der Tankstellen in Degerloch zu, die nun vermehrt das Stadtbild prägten. Waren es vor dem Zweiten Weltkrieg noch fünf, verdoppelte sich ihre Zahl in den 60er Jahren. Der vierspurige Ausbau der B 27, der den Verkehr in Degerloch deutlich entlastete, führte dann zu einem regelrechten „Tankstellensterben“. Heute gibt es in Degerloch nur noch zwei Shell- und eine OVM-Tankstelle. Sie liegen an der immer noch verkehrsreichen Epplestraße und an der Ein- und Ausfallstraße Obere Weinsteige.

Um 1938: Die Leuna-Zapfsäule am Lindenplatz wirbt für das synthetisch aus Kohle hergestellte „Deutsche Benzin“, das im Dritten Reich aus militärstrategischen Gründen eine große Bedeutung hatte. Rechts: das noch nicht aufgestockte Haus vom Schuhgeschäft Maier.

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ine weitere Ansicht vom Lindenplatz, jetzt aber aus den 50er

Jahren. Der Verkehr wird noch beherrscht von US-Militärfahrzeugen. Der Betreiber der Zapfsäule ist jetzt die Gasolin AG. Links erkennt man die „Gaststätte zum Pflug“, rechts das aufgestockte Schuhhaus Maier.

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ie Esso-Tankstelle

von Walter Heeß lag strategisch günstig außerhalb des Zentrums an der heutigen B 27. Heeß betrieb zudem noch zwei Zapfsäulen, die vor seiner Reparaturwerkstatt in der Rubensstraße standen. Vergleicht man die damaligen Benzinpreise in Mark mit den heutigen in Euro – dann wird es jedem Autofahrer weh ums Herz.

M

an sieht deutlich die

günstige Lage der Tankstelle von Walter Heeß direkt neben dem „Gasthaus Bären“. Das gutbürgerliche Lokal wurde zum Leidwesen vieler Degerlocher gesprengt, um für ein modernes Geschäftshaus Platz zu machen. Aus dem Bären wurde das „Pier 51“.

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ie Shell-Tankstelle

in der Rubensstraße lag

direkt vor dem Baugeschäft Otto Schnaidt und neben der Druckerei Haug. Damals konnte die Tankstelle noch von drei Seiten angefahren werden, denn die Rubens­ straße war noch keine Einbahn­straße.

M

it dem Abriss der

Gebäude des Baugeschäfts Schnaidt im November 1982 kam auch das Ende der Tankstelle in der

Rubensstraße. Statt Benzin zu tanken, können sich die Degerlocher heute an dieser Stelle bei Jaques’ WeinDepot mit anderen Flüssigkeiten versorgen.

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och in den 50er Jahren waren die Zapfsäulen in

der Einfahrt zwischen Elektro-Reihle und dem Haus Goebel zu sehen. Unten: Der Fernsehturm zog schon bald nach seiner Fertigstellung Massen von Besuchern an. So verwunderte es nicht, dass schon wenig später die Rheinpreußen AG neben dem Busparkplatz eine Tankstelle eröffnete.

F

ür viele Autofahrer, die von Möhringen nach

Degerloch fuhren, war die Agip-Tankstelle in der Gomaringer Straße eine ideale Anlaufstelle. Später betrieb dort Dieter Rössler mit seinem Partner eine Autohaus.

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arl Mayer betrieb

schon vor dem Zweiten Weltkrieg die Esso-Tankstelle an der Einmündung der Gomaringer- in die Epplestraße. Danach war der Hoffelder Josef Gern Pächter. Verbürgt ist, dass bei ihm die katholischen und bei Julius Wais die evangelischen Degerlocher tankten.

N

eben seiner Tank-

stelle betrieb Mechanikermeister Karl Mayer in der damaligen Tübinger Straße, heute Epplestraße, eine Auto­werkstatt. Heute befindet sich hier die Praxis von Zahnarzt Dr. Andreas Kögel.

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wei offensichtlich

fachkundige Degerlocher Buben bewundern den vor der Werkstatt von Karl Mayer geparkten Sportwagen. Den Fahrer scheint das allerdings wenig zu interessieren. Das spektakuläre Fahrzeug würde auch heute noch für reich­-

lich Aufsehen sorgen.

I

m Jahr 1927 eröffnete

Julius Wais neben seiner

Bäckerei in der damaligen Tübinger Straße 46, heute Epplestraße, eine Aral-Tank­ stelle. Sie blieb 60 Jahre lang in Familienbesitz, ehe sie 1987 geschlossen wurde.

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in Bild aus den Anfangs-

jahren der Tankstelle Wais.

Hinten mit der Mütze, den rechten Arm in die Seite gestemmt, steht Julius Wais (1868-1936), dem auch die Bäckerei gehörte. Vor ihm: seine drei Söhne, von links nach rechts: Robert, Hermann (auf dem Motorrad) und Julius, links: ein Bäckerlehrling.

U

ngefähr 60 Jahre nach der Er-

öffnung musste der Enkel von Julius Wais die Tankstelle schließen, weil Aral den Pachtvertrag nicht mehr verlängerte. Helmut Wais ließ es sich nicht nehmen, die Stammkunden zu einer Hocketse einzuladen, zu denen auch die Arztlegende Dr. Albrecht Kolbus gehörte, Dritter von links.

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ine „Tankstelle“ der

besonderen Art war das „Rentnerstüble“ bei Getränke Beilharz. Hier traf sich jeden Samstagmorgen ein fester Stamm, um Neuigkeiten bei einem oder auch mehreren Viertele auszutauschen. Mit dem Tod von Rudolf Beilharz, rechts, kam auch das Ende dieser „Zapfstelle“.

D

ie Brüder Chris und

Florian Gauder sind immer

wieder für eine Überraschung gut. Ihre Aktion „Hot Car Wash“ am 20. Juli 2013 an der Shell-Tankstelle in der Epplestraße sorgte für regen Gesprächs­stoff und scharfe Blicke vieler Degerlocher.

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as 1902 fertig-

gestellte Königliche Postamtsgebäude in der heutigen

Die Seiten gewechselt N

achdem die Postrechte, die beim Fürstenhaus

Thurn und Taxis lagen, im Jahre 1851 an Württemberg abgetreten wurden, übernahm zunächst der Degerlocher Schultheiß Samuel Friedrich Neef

Jahnstraße, links.

und danach Kaufmann Friedrich Adolf Goebel den

Oben: der festlich-

Postdienst. Aufgrund steigender Einwohnerzahlen

geschmückte Ruiter

wurde die Agentur 1896 in ein Postamt der König-

Postwagen auf seiner

lichen Post- und Telegraphenverwaltung umgewan-

letzten Fahrt (um

delt. Diese errichtete 1902 das Postamtsgebäude

1922). Rechts: die Post mit dem ersten Erweiterungsbau im Dritten Reich.

gegenüber dem alten Zahnradbahnhof. 1927 erhielt die Post einen ersten Erweiterungsbau, dem nach dem Zweiten Weltkrieg ein zusätzlicher für einen modernen Schalterbetrieb folgte. Ende 1998 wechselte die Post auf die andere Straßenseite in das gerade fertiggestellte Jahn-Center. Damit war der Abriss des traditionsreichen Gebäudes besiegelt.

Links: Die Post kurz vor dem Abriss durch das Degerlocher Bauunternehmen Gustav Epple. Das Schild der Firma ist schon angebracht.

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Einsprüche und Proteste N

och in den 50er Jahren war die Tübinger Straße,

heute Epplestraße, die Degerlocher Hauptverkehrsstraße. Sie führte über Echterdingen nach Tübingen und von dort in die Schweiz nach Italien. Dem rasant gestiegenen Autoverkehr war sie bald nicht mehr gewachsen, und der Bau einer vierspurigen Umgehungsstraße wurde unausweichlich. Dieses Vorhaben ging nicht ohne Proteste über die Bühne. Viele Degerlocher wünschten sich eine Untertunnelung. Die zahlreichen Einsprüche und Klagen führten zu einem zeitweiligen Baustopp und erst im Herbst 1967 konnte weitergebaut werden. Die Fertigstellung der neuen B 27, die jetzt über die Löffelstraße nach Stuttgart führt, brachte wie erhofft eine deutliche Verkehrsberuhigung im Zentrum von Degerloch.

Das Bild zeigt die Verkehrssituation vor dem Bau der neuen B 27. Die Löffelstraße führt an der Baufirma Epple vorbei nach Sonnenberg. Links sieht man noch den Westbahnhof, der 1967 abgerissen wurde.

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s naht der Abriss der Häuserzeile an der Löffelstraße. Ein Bagger ist

schon in Stellung gegangen. Von links nach rechts: Fahrrad-Heeß (Nr. 20), Haus Weitbrecht (Nr. 18), Elternhaus von Dieter O. und Rolf Walther Schmid (Nr. 16), Haus Bauer Gerhard Raff (Nr. 14), Haus Luise Raff, geb. Gohl, genannt „Rosa Äpfele“ (Nr. 12). Auf die einst versprochene zügige Neubebauung wartet Degerloch noch heute. Ein Trauerspiel.

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uch die letzten Häu-

ser der Löffelstraße gibt es nicht mehr. In der Mitte die „Taverna Antonis“, die 1985 abgerissen wurde, rechts daneben war das Optiker- bzw. Märklin-Geschäft Schweizer untergebracht. Heute hat hier die IKB Deutsche Industriebank ihren Sitz. Der Standort bildet die Vorhut für die weitere Bebauung, die aber noch aussteht.

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er Beginn der Josef­

straße wird von zwei kleinen Häuschen flankiert. Rechts: der ehemalige Laden von Friedrich Sperr, in dem er von 1935 bis 1958 seine Fisch-, Wildbret- und Geflügelhandlung betrieb. Später war hier der erste Deger­ locher Eissalon „Cortina“ von Familie Pra Gerone.

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D

er vier- bzw. sechsspurige Ausbau der B 27 war nicht die letzte

GroĂ&#x;baustelle in Degerloch. Im Januar 1985 begann man mit dem Bau der U-Haltestelle Degerloch samt einer Endhaltestelle der Zahnradbahn vor dem Berolina-Haus und einem neuen Omnibusbahnhof am Albplatz. Wie das Bild an der Oberen Weinsteige zeigt, mussten die Schienen und die Fahrbahnen immer wieder neu verlegt werden.

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eil eine Umleitung

des Verkehrs nicht möglich war, konnte die Haltestelle nur in Deckelbauweise gebaut werden. Dabei wurde zuerst die Deckelhälfte auf der Nordseite hergestellt. Nach erfolgter Verkehrsumlegung auf die fertige Hälfte konnte dann mit dem Bau des Deckels auf der Südseite begonnen werden.

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ach mehr als einem

Jahr Bauzeit ist die südliche Deckelhälfte an der Epplestraße angelangt und damit fast fertig. Das Bild zeigt die Situation am Übergang der Löffelstraße in die Obere Weinsteige. Links sieht man das heutige Jugendhaus und davor die ehemalige Pizzeria „Vesuvio“.

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bere Weinsteige um 1960 – als die Straßenbahn noch oben fuhr.

Heute steht nur noch das Haus des Schultheißen Wilhelm Gohl, der entscheidenden Anteil daran hatte, dass Degerloch 1872 eine Wasserversorgung nach den Plänen von Oberbaurat Karl von Ehmann bekam. Das Gebäude, in dem zeitweise die Waldau-Apotheke untergebracht war, wurde mit Hilfe der HelenePfleiderer-Stiftung aufwendig zu dem Kinder- und Jugendhaus Helene P. umgebaut und im März 2007 eingeweiht.

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as „Gasthaus zum

Lamm“ gegenüber der Wilhelmshöhe wurde früher, als Degerloch noch Höhenluftkurort war, gerne von den Ausflüglern besucht. Dies änderte sich durch den rapide anwachsenden Verkehr, der das Überqueren der Weinsteige erschwerte, und die Zahl der Gäste sank. Zuletzt befand sich im ehemaligen Lamm bis zum Abriss des Hauses die Pizzeria „Vesuvio“.

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inst beste Adresse in

Degerloch war es zuletzt ein Zoogeschäft – das Feinkostgeschäft Otto Ackermann. Es lag an der früheren Endstation der Weinsteige-Linie. Das Geschäft firmierte damals als Spezialgeschäft für Kolonialund Feinkostwaren, Südfrüchte, Konserven, Weine und

Tabake. Das Kom­mando für den Abriss steht bereit.

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as „Café Göppel“ an der ehemaligen Haltestelle Karl-Pfaff-

Straße hatte nach der Schließung eine wechselvolle Geschichte. Aus dem Café wurde zunächst ein Tanzlokal namens „Bühne“, dann kam der „Haxenwirt“ und zuletzt ein afrikanisches Restaurant, das heu­ tige „Harambe“ an der Haltestelle Sonnenberg.

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icht weit vom „Café Göppel” entfernt auf der anderen

Straßenseite abwärts stand die Umformerstation der Stuttgarter

Straßenbahnen AG. Hier hat man den Drehstrom von 10 000 Volt auf die für die Triebwagen benötigten 750 Volt Gleichstrom umgeformt. Die Station wurde um 1964 abgerissen.

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Spekulatives Gelände O

tto Schnaidt gründete 1909 kurz nach der Ein-

gemeindung Degerlochs nach Stuttgart sein Baugeschäft und Sägewerk in der Wilhelmstraße 10, der heutigen Felix-Dahn-Straße. Es lag in unmittelbarer Nachbarschaft der Baufirma Gustav Epple, die im selben Jahr gegründet wurde. Das Firmengelände, auf dem sich auch eine Tankstelle befand, wurde von der heutigen Rubens-, Löwen-, Alb- und Löffelstraße eingefasst. Es verwundert nicht, dass sich nach der Schließung des Betriebs Investoren für das attraktive Areal interessierten. Im November 1982 begann der Abriss der leerstehenden Gebäude, um Platz für ein neues, langgezogenes Wohn- und Geschäftshaus zu machen. In ihm befindet sich heute das Fachgeschäft Jacques’ Wein-Depot.

Um das Jahr 1930: die Wendeschleife der Straßenbahn am West­bahnhof. Dahinter das große Gelände des ehe­­ma­ligen Degerlocher Baugeschäftes Otto Schnaidt.

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n der Nachkriegszeit

sorgte Otto Schnaidt mit seinem Schwimmwagen für großes Aufsehen. Unten: Links neben dem

Wohnhaus sieht man das Sägewerk, das nach der Stilllegung des Betriebs zu einem Lagerhaus um­funktioniert wurde.

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s war im Oktober 1982,

als auf dem Areal der Bau­ firma Schnaidt mit dem Abriss der Gebäude, einschließlich der Tankstelle in der Rubensstraße, begonnen wurde. Entlang der verlän­ gerten Felix-Dahn-Straße entstanden ein modernes Wohn- und Geschäftshaus sowie der Busbahnhof.

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Neues Land für neue Bürger N

ach dem Zweiten Weltkrieg stand der Wieder-

aufbau und die Schaffung von Wohnraum mit an erster Stelle. Nicht nur die Menschen, die in Stuttgart ausgebombt worden waren, sondern auch die vielen Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten benötigten dringend eine menschenwürdige Unterkunft. Die Erschließung von neuem, bisher landwirtschaftlich genutzten Land war deshalb unerlässlich. Zu einem der ersten neu errichteten Wohngebiete in Stuttgart gehörte Degerloch-West. In den Jahren 1949 bis 1951 entstanden auf der Fläche am Ortsrand 800 neue Wohnungen. Bauträger waren die heutigen Flüwo Bauen Wohnen eG, die LEG BadenWürttemberg und die Treuhand-Wohnbau GmbH.

Ein eindrucksvolles Foto aus den 30er Jahren zeigt das Gelände westlich der Albstraße, auf dem später das Wohngebiet Degerloch-West entstehen sollte. Im Vordergrund der zum Westbahnhof gehörende Güterbahnhof, dahinter die 1930 errichtete Straßenbahnersiedlung Friedenau.

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o heute die Häuser

von Degerloch-West stehen, konnte man noch in den ersten Nachkriegsjahren im Winter die Langlaufski anlegen. Im Hintergrund sieht man die 1930 gebaute Siedlung Friedenau.

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as neue Wohngebiet

Degerloch-West, das der Volksmund „Neu-Berlin“ nannte, aus der Vogelperspektive. Links oben: die Wagenhalle der Straßenbahn. Das geplante Gewerbegebiet entlang der Schöttlestraße ist im Aufbau begriffen.

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äuser entlang der

späteren Schöttlestraße, die zu diesem Zeitpunkt noch ein Feldweg war. Im vorderen Gebäude eröffneten kurz nach der Fertigstellung die ersten Geschäfte. Für Familien, die eine Eigentumswohnung erwerben wollten, galten die unten angege­benen Preise.

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Vom Exerzierplatz zum Sportgebiet I

n unmittelbarer Nähe zur „Villa“, östlich des

Königsträßle, lag der einstige Exerzierplatz, der zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in Spiel- und Sportplätze umgewandelt wurde. Damit entstand ein zusammenhängendes Freizeitgelände für eine Vielzahl von Vereinen, unter ihnen auch die Stuttgarter Kickers (1903), der TEC Waldau (1919) und der Sportverein Degerloch (1919), der 1973 gegen den Willen zahlreicher Mitglieder im Turn- und Sportverein Stuttgart (tus) aufging. Für den erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Sportverein Hoffeld, der später für seine gute Jugendarbeit bekannt geworden ist, war auf der Waldau kein Platz mehr. Ihm wurde 1958 ein Platz an der Hohen Eiche in unmittelbarer Nähe zum Stadtbezirk zugewiesen.

Die Villen-Kolonie aus der Luft vor 1931. Die Aufnahme zeigt im Hintergrund eindrucksvoll den ehemaligen Exerzierplatz entlang dem Königsträßle.

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ie Straßenbahn­linie 9

Degerloch/Spielplätze an der Haltestelle im Georgiiweg. Sie fährt anschließend zur Endhaltestelle Jahn­straße weiter. Dort befand sich die Wendeschleife, die am 7. November 1941 entfernt wurde.

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ungschaffnerinnen

auf dem Weg zum Straßenbahner-Waldheim, wo sie einquartiert waren. Ohne diesen Anlass wäre die Bahnlinie sicherlich schon früher eingestellt worden. Damit man bei Dunkelheit den Fahrleitungsmast gut erkennen konnte, erhielt er aus Sicherheitsgründen den weißen Warn­anstrich.

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enn das Thermometer

endlich Minusgrade anzeigte, war die Zeit gekommen, die Schlittschuhe aus dem Keller zu holen. Dann verwandelten sich die Tennisplätze auf der Waldau in eine Eisbahn und das fröhliche Treiben auf den Kufen konnte beginnen.

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ur wenige können

sich noch daran erinnern,

dass vom 1. Juli 1931 bis zum 24. Juni 1944 mit Unter­ brechungen eine Straßenbahn von der Ruhebank zunächst bis zum König­sträßle, dann weiter bis zur Jahnstraße fuhr – siehe Plan. Sie diente vor allem der Erschließung des neu entstandenen Ost­teils von Degerloch.

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m Jahr 1919 wurde der Tennis- und Eislaufclub Waldau ins Leben

gerufen. „Das Gründungsjahr ist für die Bürger unserer Heimat im allgemeinen kein Jahr angenehmer Erinnerungen. Not und wirtschaftliches Chaos waren der äußere Rahmen dieser Zeit“, schrieb der frühere Präsident Helmut Eisemann in der Jubiläumsbroschüre zum 40-jährigen Bestehen des TEC Waldau im Jahr 1959. Das Bild mit dem gemischten Doppel stammt aus den 50er Jahren.

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chwedens Spitzen-

quartett mit den Spielern Schmidt, Rosberg, Davidson und Bergelin zu Gast beim TEC Waldau im Jahr 1951. Damals konnte der Degerlocher Verein bei den Herren immer wieder Spieler unter den Top 10 der deutschen Rangliste platzieren.

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as alte Clubhaus des

TEC Waldau in den 50er Jahren. Zu jenen Zeiten wurden die Tennisplätze im Winter in eine Eislaufbahn verwandelt. Im Sommer tummelten sich viele Geschäftsleute und Angehörige der Stuttgarter Schickeria auf dem Vereinsgelände in der Jahnstraße.

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m Juni 1919 schlos-

sen sich der 1886 gegründete Turnverein Degerloch und der Athletiksportverein zur Sportvereinigung Degerloch 1886 e.V. zusammen. Am 12. April 1923 konnte das eigene Sportgelände auf dem ehemaligen Exerzierplatz eingeweiht werden.

A

m 23. September 1933

fand im „Gasthof zum Löwen“ eine außerordentliche Hauptversammlung der Mitglieder des SV Degerloch und des neu gegründeten NS-Sportvereins statt. Einstimmig wurde der Beschluss gefasst, die beiden Vereine unter dem Namen Turn- und Sportverein Degerloch e. V. zu vereinen.

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ie Fußballmann-

schaft des Sportvereins Degerloch 1886 e.V. präsentiert sich beim Sommernachtsfest am 13. Juli 1952 an der Ecke Rubens- und Löwenstraße. Links: der Betreuer Oskar Kleinbach, der Vierte von rechts stehend ist Werner Beilharz.

E

in Bild aus den 60er Jah-

ren. Die Mannschaften laufen auf dem ziemlich holprigen Rasen ein. Rechts in den roten Trikots: das Team des SV Degerloch. Von vorne: Torwart Fritz Wilhelm, Manfred Siegert, Udo Schulz und Peter Maier. Im Hintergrund: das Vereins­heim am Königsträßle.

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n das Vereinslokal

des Sportvereins Degerloch werden sich noch viele Degerlocher erinnern können.

Hinter der Theke steht Wirt „Willy“ mit Helga Ehmert. Rechts vorne: Rudi Reihle mit seinen beiden Enkeln Volker (links) und Thomas.

J

ahreshauptver­

sammlung im Clubhaus des SV Degerloch am König­ sträßle: Zahnarzt Adolf Fritzsche (links) und Rechtsanwalt Erik Lehmann aus Degerloch. Beide waren über viele Jahre für den örtlichen Traditionsverein im Vorstand tätig.

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as waren noch Zeiten:

Die Fans des SV Degerloch sitzen wie die Hühner auf der Stange am Tisch und beob­achten mehr oder

weniger angespannt das Geschehen auf dem Platz. Zweiter von rechts sitzend: Hans Reinhard, Dritter von rechts sitzend: Karl Härer.

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rfolgreich war das

Jahr 1972 für die Fußball­ abteilung des SV Degerloch: Pokalsieger der Region Stuttgart und Aufsteiger in die B-Klasse. Links hinten: Spielertrainer Rolf Reihle, rechts vorne: Klaus Beilharz. Abteilungs­leiter war Bäckermeister Paul Braun.

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o zeigt sich der große Saal der Vereinsgaststätte der Stuttgarter

Kickers im Jahr 1936. Es ist festlich eingedeckt, die Gäste können

kommen. Mit der Eröffnung des neuen Clubrestaurants auf dem 1989 eingeweihten Vereinsgelände am Königsträßle, dem heutigen ADM Sportpark, war das Ende des alten Clubhauses besiegelt.

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ine leider undatier-

te Postkarte zeigt den Sportplatz der Kickers mit der alten Haupttribüne. Interessant ist die Kleidung

der vor­wiegend männlichen Besucher. Anzug und Hut waren damals wohl für die meisten eine Selbstver­ ständlichkeit.

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ie Stuttgarter

Kickers, die 1899 als „Stuttgarter Cicker“ in Cannstatt gegründet wurden, mussten zunächst auf dem Stöckachplatz im Stuttgarter Osten ihre Spiele austragen, ehe sie 1903 einen eigenen Platz auf dem ehemaligen Degerlocher Exerzierplatz erhielten. Das Foto zeigt das Clubhaus mit den später rechts ange­bauten Umkleideräumen.

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as „Café Hoffeld“, Ecke Hoffeld- und Unterhäuser Straße, war

bis 1958 das Vereinslokal des SV Hoffeld. Hier wurde auch im Frühjahr 1951 der Sportverein Hoffeld als Nachfolger des Hoffeld-Sportvereins 1937 neu gegründet. Seit 2002 befindet sich im Erdgeschoss der Hutt Verlag, der seit dem Verkauf 2012 Hutt Lernhilfen heißt.

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ach der Neugrün­-

dung des SV Hoffeld im Frühjahr 1951 dauerte es noch sieben Jahre, ehe dem Verein endlich ein eigenes Gelände zugewiesen wurde. Das Foto zeigt das vorgesehene Gelände an der Hohen Eiche. Die weißen Pfosten markieren den künftigen Sportplatz des Vereins.

E

s ist Halbzeit. Die

Zuschauer „strömen“ in das Clubhaus, auch „Kristallpalast“ genannt. Es war ursprünglich eine von einer Brauerei gestiftete ausgediente Baracke. Sie wurde von den Mitgliedern in wochen­ langer schweiß­treibender Eigenarbeit hergerichtet.

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albzeitpause mit Anweisungen des Trainers bei einem

Spiel der Hoffeld-Jugend auf dem Hartplatz an der Hohen Eiche. Knie­schützer gehörten früher zur Ausrüstung eines Torwarts. Für seine hervorragende Jugendarbeit war der SV Hoffeld über Jahrzehnte hinaus bekannt. Im Hintergrund sieht man noch das alte Vereins­heim, das im September 1967 abbrannte.

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as Clubhaus der

Hoffelder liegt in Schutt und Asche. Noch heute ranken sich viele Gerüchte um den tatsächlichen Anlass für den Brand. Insider, die es wissen müssten, weichen dem Thema gerne aus. 1970 wurde dann das neue Vereinsheim aus massiver Bau­weise eingeweiht.

S

chon ein Jahr nach

dem Brand konnte mit

Hilfe der Stadt Stuttgart der Rohbau erstellt werden. Das Foto zeigt das gerade fertig­ gestellte neue Vereinsheim im tiefsten Winter. Freiwillige Helfer sind dabei, den Platz zu räumen.

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Spektakuläre Kollision V

iele Degerlocher erinnern sich noch heute an den

Mercedes-Rennfahrer Karl Kling, der viele Jahre in der Felix-Dahn-Straße lebte. Er war neben Juan Manuel Fangio und Stirling Moss eine der herausragenden Fahrerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit. Der Moderator Günther Jauch bezeichnete ihn 1996 in einer Motorsport-Show als „den Schumacher der 50er Jahre“. Karl Klings Name ist bis heute untrennbar mit der Carrera Panamericana 1952 in Mexiko, dem damals schnellsten Straßenrennen der Welt, verbunden. Ein Geier durchschlug bei voller Fahrt die Frontscheibe des Mercedes 300 SL und verletzte den Copiloten Hans Klenk. Dennoch siegte Karl Kling mit einem Rekordschnitt von mehr als 165 km/h. Nach dem Ende seiner Rennkarriere wurde er Nachfolger des Rennleiters Alfred Neubauer.

Diese Werbekarte von Daimler-Benz kursierte damals bei den Schülern der Filderschule. Sie zeigt den dramatischen Moment, als der Geier die Frontscheibe des Mercedes 300 SL durchschlug.

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den

s verwundert nicht, dass

die Kollision mit dem Geier auch den Umschlag eines

1954 bei Bertelsmann erschienenen Buches zierte. Schon damals war eine reißerische Aufmachung Garant für einen Verkaufserfolg. Autor war Günther Molter, SportRedakteur und später Presse­ chef von Mercedes-Benz.

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arl Kling erreicht als

Dritter das Etappenziel bei der Carrera Panamericana trotz der Kollision mit dem Geier. Sein angestammter Copilot Karl Klenk entsteigt gerade blutüberströmt und schwer gezeichnet dem Mercedes 300 SL. Trotzdem können sie das Rennen fortsetzen.

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as Siegerteam kommt

mit der Startnummer 4 ins Ziel, wo sie begeistert empfangen werden. Neben dem üblichen riesigen Pokal erwartet sie ein Preisgeld von 80 000 D-Mark. Auf dem Bild sieht man deutlich den nach der Kollision angebrachten Gitterrahmen vor der beschädigten Frontscheibe.

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tart zum Großen Preis

von Frankreich 1954. Vorne: Juan Manuel Fangio (Startnummer 18), daneben Karl Kling (20), dahinter Hans Hermann (22). Es siegte Fangio vor Kling. Damit kehrte Mercedes-Benz nach

dem Zweiten Weltkrieg gleich mit einem Doppelsieg in den Grand-Prix-Sport zurück.

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nlässlich des Großen

Preises von Italien in Monza am 5. September 1954 entstand dieses Bild. Von links nach rechts: Hermann Lang,

Rennleiter Alfred Neubauer, Juan Manuel Fangio, Karl Kling und Hans Hermann. Während Fangio das Rennen gewinnen konnte, schied Kling durch Unfall aus.

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ine der zahlreichen

Autogrammkarten, die Karl Kling nach seinem Sieg bei der Carrera Panamericana 1952 in Mexiko verteilte. Die Karte zeigt ihn im Rennanzug, darunter ein Foto von der Zielankunft in Oaxaca, wo das Siegerteam Kling/Klenk begeistert empfangen wurde.

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as ehemalige Wohnhaus von

Karl Kling in der Felix-Dahn-Straße zeigt sich noch heute in seinem Äußeren weitgehend unverändert. Nach dem Tod seiner Frau zog sich Kling in sein Haus am Bodensee zurück. Dort starb er schließlich am 18. März 2003.

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Eine Familie gab Gas D

er Degerlocher Walter Heeß, der bereits in drit­-

ter Generation ein Fahrradgeschäft mit Werkstatt und Tankstelle an der Ecke Rubens- und Löffelstraße führte, gehörte einer echten Rennfahrerfamilie an. Schon der Großvater Julius zählte zwischen 1907 und 1925 zu den bekanntesten Stuttgarter Motorradrennfahrern und auch Vater Eugen machte sich vor allem als Gespannfahrer einen Namen. Walter Heeß (1929-2002) begann 1948 mit dem Rennsport und gewann sofort beim Waiblinger Dreiecksrennen. Danach reihte sich Sieg an Sieg, bis ein schwerer Sturz beim Solitude-Rennen 1956 seine Karriere abrupt beendete. Aber der Rennsport ließ ihn nicht los, und so begann er 1963 erneut, Rennen zu fahren, jetzt aber mit dem Auto.

Entspannt und mit sich zufrieden sitzt Walter Heeß auf seiner NSU Fox. Damit fuhr der schnelle Degerlocher auf der Zementbahn am Gaisburger Gaskessel Runden- und Streckenrekorde ein.

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n Lege

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alter Heeß mit seinen Eltern und dem Neffen als

stolzer Sieger des 1948 durchgeführten Waiblinger Dreiecksrennen. Es war sein erstes Rennen, für das sein Vater Eugen ihm eigens eine 350er NSU zurecht frisiert hatte.

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chon als Junge zog es Walter HeeĂ&#x; unwiderstehlich zu

den Solitude-Rennen. Sein Traum, einmal dort selbst zu fahren, ging 1953 in ErfĂźllung. Mit seiner englischen Zweizylinder-Triumph erreichte er einen respektablen sechsten Platz als Privatfahrer.

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amilienbande: drei Generationen einer

Rennfahrer-Familie auf einem Bild. Großvater Julius, links und Vater Eugen, rechts sind sichtlich stolz auf den Sohn und Enkel Walter Heeß.

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as von Julius Heeß

aufgebaute und zuletzt von seinem Enkel Walter geführte Fahrradgeschäft mit Werkstatt und Tankstelle Ecke Rubens- und Löffelstraße.

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alter Heeß mit der voll

verkleideten 250er NSU im Gespräch mit seinem Vater kurz vor dem Start zum Motorrad-Weltmeisterschaftslauf 1956 auf der Solitude. Ein schlimmer Sturz in der letzten Runde im Einlaufbogen zur Zielgeraden im Mahdental, der einen Wirbelsäulen­bruch

zur Folge hatte, beendete seine erfolgreiche Laufbahn als Motorradrennfahrer.

I

m Jahr 1963 setzte

Walter Heeß seine Renn­

fahrerkarriere fort, nun aber mit Autos. 1967 errang er den Titel eines Württemberg ADAC-Gaumeisters im Automobil-Zuverlässigkeitssport auf einem Porsche911-Sechszylinder.

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ls 2013 die Akt ion „längste Schupf nudel der Welt“ mit eine m großen Tam tam vor dem Feuerw ehrdepot über die Bühne ging , mag mancher Degerlocher nu r müde gelächel t haben. Schließl ich fand schon 1984 eine ähnl iche Aktion stat t. Im Bild präsen tiert der damal ige Oberbürgermei ster Manfred Rommel zusam men mit dem Ehepaar Kirsch ner den längsten Leberkäse der W elt.


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f aus der amilie Raf bei Straße 13 Mittleren auf dem ffelernte der Karto a r Baufirm elände de G n re e ät sp s: Gottlob pple. Link Gustav E e Eltern eben sein Raff, dan estern. wei Schw z e in se d un ie Häuser rgrund: d te in H Im lns-, Löffe gen Rube der heuti raße. und Albst

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as Foto von 19 65 zeigt die damalige Be deutung der Kreuzung Löff el- und Rubens straße. Links gi ng es nach Tübingen und zur Autobahn, geradeaus kam man entlang de r Baufirma Epple nach Sonnenberg. Im Hinte rgrund der Wes tbahnhof mit de r Wendeschleife und dem Busb ahnhof.

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uf dem Mot orrad unterwegs: Fr anz Hübner in jungen Ja hren, als er vo n Oberstaufen im Allgäu na ch Stuttgart kam . Seit mehr al s 50 Jahren ist „Kaiser Fran z”, wie ihn viele nennen, Wir t beim tus Stu ttgart – und das mit Leib und Seele.

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all war it dem Fußb eng schon immer Franz Hübner machte uf dem Platz verbunden. A Freunden r mit seinen der Wirt, de feierte, gern und lang und Gästen ie hinter gute Figur w genauso eine kersAuch Ex-Kic dem Tresen. haute Buchwald sc Profi Guido vorbei. gerne bei ihm

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das Brauteute fährt rosse zur er Edelka paar in ein Anges von den e o w , e h Kirc en erward Freund n u n e g ri hö evorzugte Früher b tet wird. ufen“. In „Schaula man das g, je länchzeitszu o H m e ein og man besser, z o st e d r e g denen ichen gela mit sämtl durch emeinsam Gästen g e. zur Kirch den Ort

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in Foto aus de

m Jahr rautleute geh en mit allen gela denen Gäste n, die sich festli ch herausgeputzt haben, geschlossen die Große Falter straße entlan g zur Kirche. D ie Herren trag en teilweise Zyl inder, der heu te fast nur noch vom Hochad el 1936. Die B

getragen wir

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57 wir d ein G a sthof z ” abge um rissen und du Neuba rch ein u erset en zt. Dam it vers auch d chwan as schö d ne Ein gangst „Wein o r -Stübe zum le“ mit Jahre s Billard päter k . 20 am dan alten „ n das E Gastha nde de us zum s Löwen “ in de Löwen r straße 42, he „Resta ute urant H olzkru g“. Löwen

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urze Zeit n ach der Sac he mit dem „H ommeleshen ker“ zog eine an dere Gesch ichte seine Kreise. Sie brachte den Degerlochern einen weiteren N ec knamen ein. Sie war en jetzt au ch noch die „Mohrawäs cher“. Eine von dem Stuttgarter Junginger Verlag herausgegeben e Broschüre schildert das Gescheh en in Gedic htform.

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der chon kurz nach ne erste Tat erschien ei m Preis von Broschüre zu it dem Titel 20 Pfennig m , nner Wagner“ „Der Mordbre Absatz fand. die reißenden der TatIn ihr werden die Hinterhergang und ldert. gründe geschi

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Zum Vergessen

nfassbar und bi s heute unvergessen: D er 39 Jahre alte Degerlocher H auptlehrer Erns t Wagner tötete am 4. Septembe r 1913 gegen 5 U hr morgens sein e schwangere Frau und seine vier Kinder in seiner Wohnung in der Rubensstra ße (unten). Anschließend legt e er in Mühlhau sen an der Enz Feue r und erschoss dabei neun wei tere Menschen.

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rnst Wagner ku rz nach der Tat. Die linke Hand wurde ihm bei der Festnahme abge schlagen. Wagne r starb 1938 in de r Heil- und Pfl egeanstalt Winnent al.


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aum zu gla uben: Schon im Ja hr der Einw eihung des Fernse hturms wu sste man, was einmal auf das Deg erlocher Wah rzeichen zu kommen sollte . Nur schad e, dass Oberbürger meister Fri tz Kuhn und seinen Brandexper ten die Vorschläge des Zeichn ers zum sicheren A usstieg im Notfall nicht bekan nt waren. Man hätte viel G eld sparen können. 167


Danksagung Der Herausgeber des Buches „Degerlocher Raritäten“ möchte sich bei all denjenigen bedanken, von denen er bei seiner Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt wurde. Dazu gehören zum einen die zahlreichen Leihgeber von aussagekräftigen Bildern (siehe unten), zum anderen die vielen Degerlocher, die ihm Antworten auf seine Fragen geben konnten. Zu ihnen gehört vor allem Dr. Gerhard Raff, der sich trotz seiner vielen Termine die Zeit genommen hat, die Textbeiträge kritisch durchzusehen. Ein herzliches Dankeschön geht an Dr. Wolfgang Kurz, Berlin, der mir den Fotonachlass von Karl Wais zur Verfügung gestellt hat. Der größte Dank gebührt jedoch Stephan Hutt, der bereit war, auch mein zweites Degerloch-Buch zu verlegen. Auch diese Mal ist es mir ein Bedürfnis, meiner Frau Elke zu danken, die mit vielen guten Ratschlägen und vor allem mit viel Geduld und Verständnis die Arbeit an diesem Buch begleitet hat. Literatur-Nachweis Degerloch 2000 – Damals & heute, anlässlich 900 Jahre Degerloch, Stuttgart 2000 • Janle, Manfred: Ein Jahrhundert Schulzeiten in Degerloch wie anderswo, Stuttgart 1998 • Keidel, Friedrich: Bilder aus Degerlochs Vergangenheit, Stuttgart 1926 • Projektgruppe Geschichte des Wilhelms-Gymnasiums Stuttgart: Geschichte Degerlochs, Stuttgart 1984 • Schoch, Siegfried / Nopper, Frank: Allerlei aus Degerlochs Vergangenheit. Festschrift anlässlich des 75. Jubiläums der Eingemeindung Degerlochs nach Stuttgart, Stuttgart 1983 • Schoch, Siegfried / Nopper, Frank: Liebes altes Degerloch, Stuttgart 1985 • Schoch, Siegfried: Bilder aus Degerlochs Vergangenheit. Zu Papier gebracht im Jahre 1926 von Friedrich Keidel. Durchgesehen und neu hrsg. von Siegfried Schoch, Stuttgart 1986 • Sindlinger, Peter: Amoklauf 1913. Der Fall Ernst Wagner und die „Katastrophenbewältigung“, Schwäbische Heimat 2013/3, S. 281-287 • Wais, Karl: Alt-Degerloch. Überblick über die Entwicklungsgeschichte Degerlochs bis zur Eingemeindung, 1974 • Weiterhin wurden verwendet: Verschiedene Adressbücher der Stadt Stuttgart, Festschriften der Degerlocher Firmen, Geschäfte, Vereine, Kirchen und Schulen. Bildnachweis Armbruster sen., Rolf: S. 63-65 • Beilharz, Rudolf: S. 34, 36-38 • Briem, Helga: S. 48, 49 oben, S. 66 oben • Dalcolmo, Ingo: S. 70 unten, 75 • Dier, Brigitte: S. 47, 93 rechts • Dieruff, Dr. Manfred: S. 60, 72-74 • Gohl, Lydia: S. 20, 22, 24, 29 oben, 138 oben • Gruhl/Wetzel, Berlin 1914 S. 67, S. 166 • Haug, Verena: S. 54 oben, 55 oben, 56 oben, 57 oben, 106 • Haag, Friedrich: S. 56 unten • Heess, Gerda: S. 105 oben, 154-159 • Hewig OHG, Manfred & Andrea: S. 130 oben, 131 • Hiller, Erich: S. 28 oben • Hutt, Stephan: 79 rechts, 127 unten, 153 unten • Archiv huttmedia: S. 144, 162 • Janle, Manfred: S. 19, 97, 145-147 • Kaiser, Inge: S. 66 unten • Kirschner, Günther: S. 160 • Klink, Eberhard: S. 91 • Knobloch, Heinz: S. 43 • Krämer, Julius: S. 49 unten rechts • Kurz, Prof. Dr. Günther: S. 29, 42 • Lanz, Erika: S. 13, 70 oben, 71 oben • Lutscher, Elisabeth: S. 32, 33 • Maurer, Irene: S. 113 unten • Mayer, Gerhard: S. 108, 109 oben • Mercedes-Benz Classic: S. 151, 152 • Meyer, Uli: S. 40 rechts, S. 122 oben, S. 135 unten, S. 143 oben, 148, 150, 167 • Müller, Dr. Wolfgang: S. 46 links, S. 107 rechts • Odenthal, Ralf: S. 100 • Raff, Dr. Gerhard: S. 23, 25, 31, 46 rechts, 58, 78, 80, 84-87, 96 oben links, 112, 113 oben, 163 oben • Reihle, Rolf: S. 104, 117, 139-141 • Reiter, geb. Schnaidt, Suse: S. 126, 127 oben • Rudolf, Klaus: S. 44 rechts, 45 • Schmidt, Fritz: S. 39 oben, 41 links, 44 links, 49 links, 54 unten • Stadtarchiv Stuttgart: S. 83 (GN 3599/3600) • Archiv Stuttgarter Straßenbahnen AG: S. 118, 119, 134 • Stuttgarter Zeitung: S. 51 • Trautwein, Helmut: S. 124, 128, 161 unten • Wais, Helmut: S. 109 unten, 110 • Nachlass Wais, Karl: S. 26 unten, S. 27 oben, S. 28 unten, 30, 62, 94, 96 oben, 98, 99 oben, 101, 105, 114, 120, S. 164 oben • Weiss, Eberhard: S. 88, 92 rechts, 93 links • Wimmer, Andreas: S. 107 unten.

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Degerlocher Raritäten huttmedia

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lbert Raff ist ein Historiker mit leidenschaftlichem Interesse an seinem Wohnort. Nach „Ansichtssache Degerloch“ widmet sich der ehemalige Schulrektor in seinem zweiten Buch „Degerlocher Raritäten“ mit Fotos, Dokumenten und informativen Textbeiträgen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit viel Ausdauer recherchierte der Sohn eines Degerlocher Landwirts in Archiven und bei örtlichen Zeitzeugen.

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Fotos und Dokumente von 1900 -1990 huttmedia

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